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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein gewisser Mr Sherlock Holmes

Sherlock Holmes - Eine Studie in Scharlachrot
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Wir schreiben das Jahr 1880, vielleicht auch 81. Ein junger Arzt ist soeben aus Afghanistan zurückgekehrt, verwundet, desillusioniert und auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Da trifft es sich ...

Wir schreiben das Jahr 1880, vielleicht auch 81. Ein junger Arzt ist soeben aus Afghanistan zurückgekehrt, verwundet, desillusioniert und auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Da trifft es sich gut, dass ein ehemaliger Kamerad von ihm einen gewissen Mr Sherlock Holmes kennt, der jemanden sucht, der sich seine große Wohnung mit ihm teilt. Und dann der Gänsehautmoment, in dem sie sich begegnen: Holmes und Watson, a match made in heaven. Wie Watson, der Arzt, schnell feststellt, ist Holmes kein gewöhnlicher Mensch. Er ist direkt bis zur Unfreundlichkeit, besitzt einen Verstand, der so scharf ist, dass er ständig gewetzt werden muss und eine Arroganz eines Gottes würdig. Andererseits nimmt er auf seine Art auch Anteil an den Menschen, beobachtet sie, analysiert sie, findet Lösungen für ihre Probleme.

So ist es kein Wunder, dass er gelegentlich als Berater für die Polizei dient, und wenig später lernt Watson, der nun mit Holmes zusammenzieht, zwei ganz besondere Exemplare der Londoner Polizei kennen. Den mittlerweile berühmten Inspektor Lestrade und den nicht ganz so bekannten Inspektor Gregson. Diese haben einen besonders schwierigen Fall zu knacken, den Mord an einem Amerikaner und dessen Sekretär. Holmes Ermittlungen leiten ihn natürlich in völlig andere Richtungen als die der Polizisten ...

Ja, ich mag die "richtigen" Kurzgeschichten noch einen Tick lieber als die Romane. Trotzdem ist die Studie in Scharlachrot Pflichtlektüre, denn hier lernen sich nicht nur Watson und Holmes kennen, man lernt auch von Anfang an etwas aus ihrem Leben, was in den Kurzgeschichten ja höchstens mal angeschnitten wird. Hier bildet sich das Verständnis für Holmes heraus, der so außergewöhnliche Fähigkeiten und Wissen hat, aber andererseits in Bereichen, die ihn nicht interessieren oder die er für irrelevant hält, absolut unter dem Allgemeinverständnis liegt. Holmes ist keine Puppe: Obwohl sich für ihn alles um Logik dreht, ist er durchaus zu Wärme und Verständnis fähig. Und Watson ist sein perfekter Gegenpart. Kein dicklicher Dummkopf, als der meistens in den Filmen dargestellt wird, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut mit einem normalen Verständnis für das Leben und das Denken.

Habe ich es schon erwähnt? A match made in heaven.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Höllenhund aus dem Moor

Sherlock Holmes und der Hund von Baskerville
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Okay, ich denke, diese Geschichte kennt prinzipiell jeder, selbst Lese- und Holmesmuffel, denn die ist bestimmt öfter verfilmt worden als jeder andere Klassiker. Ich benutze absichtlich das Wort Klassiker, ...

Okay, ich denke, diese Geschichte kennt prinzipiell jeder, selbst Lese- und Holmesmuffel, denn die ist bestimmt öfter verfilmt worden als jeder andere Klassiker. Ich benutze absichtlich das Wort Klassiker, denn zu denen gehört dieses Buch zweifelsfrei.
Trotzdem fasse ich noch mal kurz zusammen:
Sir Henry, der junge Erbe von Baskerville Hall, hat nicht nur ein Problem. Zum einen verschwinden immer wieder Sachen von ihm, obwohl er gerade erst aus Amerika eingetroffen ist, und dann ist da noch die Legende von dem Höllenhund, der bis jetzt noch jeden seiner Vorfahren geholt hat. Kein Wunder, ist doch sein Onkel unter mysteriösen Umständen gestorben und Zeugen schwören Stein auf Bein, dass sie neben der Leiche des Lords riesige Pfotenabdrücke gefunden hätten. Holmes behauptet, keine Zeit für diesen Fall zu haben und schickt seinen treuen Freund und Mitstreiter mit dem jungen Sir Henry mit, um auf ihn aufzupassen und ihm regelmäßig Bericht zu erstatten. So ist Watson tatsächlich auf sich allein gestellt, und er kommt dabei dem Geheimnis des Haushälterehepaars von Baskerville Hall auf die Spur und erlebt im Moor seltsame Begegnungen und unangenehme Überraschungen.

Watson mal auf sich gestellt, kann das gutgehen? Auf jeden Fall. Watson ist nicht der dickliche, unbeholfene, dümmliche Sidekick von Holmes, als der er so oft in Filmen dargestellt wird. Er war im Afghanistankrieg und bei allen gefährlichen Situationen ist er ein Mann, der die Nerven behält. Natürlich zieht er andere Schlüsse aus seinen Beobachtungen als Holmes, aber das sind genau die Schlüsse, die jeder normale Mensch ziehen würde. Und natürlich lässt Holmes ihn auch nicht zu lange im Stich.
Immer wieder schön, dieses Buch zu lesen, selbst beim dutzendsten Mal: großes Kino in Buchform.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gewaltig an Gewicht, Gedanken und Worten

Mörder und Marder
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Henry Hoff, von dem man annehmen könnte, dass er der Ich-Erzähler des ersten Matzbach-Abenteuers ist, hat wieder einmal eine Begegnung mit seinem fetten, reichen, scharfsinnigen Freund Matzbach. Und dabei ...

Henry Hoff, von dem man annehmen könnte, dass er der Ich-Erzähler des ersten Matzbach-Abenteuers ist, hat wieder einmal eine Begegnung mit seinem fetten, reichen, scharfsinnigen Freund Matzbach. Und dabei lädt er ihn ein: auf eine Hütte im Nirgendwo (oder auch Westerwald), im tiefsten Winter, abgeschieden von der Welt. Ein paar Ex-Kommilitonen treffen sich dort noch immer einmal jährlich, die zusammen die "brotlose Kunst" - Philosophie - studiert haben. Matzbach hat eh nichts Besseres zu tun und willigt ein, allein schon um sich mit den Leuten misszuverstehen und zu streiten. Dabei beobachtet er, wie die alten Freunde miteinander lachen, Schneemänner bauen, Tarotkarten legen, zu einander ins Bett hüpfen ... und plötzlich einen Toten unter sich haben. Nichts kommt dem Dickwanst gelegener, denn ein bisschen langweilig war ihm schon.

So steht er also vor der Aufgabe, diesen Mord zu klären, der einerseits durch den heftigen Schneefall begünstigt wurde, andererseits für den Mörder auch extrem hinderlich ist. Matzbach philosophiert sich mit Henry durch den Fall, unterstützt von Hexen, Mardern, nicht immer hilfreichen Freunden Henrys, Eiszapfen, Tarot und jeder Menge Alk und Essen. Klar, dass es wieder zu Wortgefechten zum Niederknien kommt, man als Leser nicht immer die Gedanken des Universaldilettanten verfolgen, sich aber immer amüsieren kann. Und was ein Mord mit Schneemännern zu tun hat, findet man irgendwann auch noch heraus.

Ja, ich finde die Reihe um Matzbach extrem cool, und dieses Buch ist wohl mein Lieblingsbuch, das ich mit einer klaren Empfehlung weiterreiche.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Elfen? Gibt's doch gar nicht ...

Silfur - Die Nacht der silbernen Augen
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Fabio und Tom sind zwei Brüder, die sich ähnlicher kaum sein könnten, obwohl sie keine Zwillinge sind. Und doch unterscheiden sie sich in fast jeder Hinsicht. Tom ist hochbegabt, sportlich, wächst wie ...

Fabio und Tom sind zwei Brüder, die sich ähnlicher kaum sein könnten, obwohl sie keine Zwillinge sind. Und doch unterscheiden sie sich in fast jeder Hinsicht. Tom ist hochbegabt, sportlich, wächst wie ein Riesenbambus und hat einen schnellen Draht zu allen anderen. Fabio hingegen, obwohl der Ältere von beiden, scheint gar nicht wachsen zu wollen, er hat Probleme in der Schule und hängt am liebsten vorm Rechner. Sie begleiten ihre Eltern nach Island, als ihr Vater dort Arbeit bekommt, und lernen sofort Elin kennen, die Tochter ihrer Vermieterin. Elin ist anders als alle anderen Mädchen, wild, ungestüm, mit verrückten Einfällen. Tom und sie sind fast sofort Freunde, während Fabio sich ausgegrenzt fühlt. Das wird auch nicht besser, als er anfängt, Kinder zu sehen, die kein anderer zu sehen vermag, und sich plötzlich die Katastrophen um ihn herum häufen. Er begreift, dass er elfensichtig ist und kommt einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur - doch um den Fluch, der mit diesem Geheimnis verbunden ist, zu lösen, braucht er die Hilfe seines Bruders, Elins und ja - auch der Elfen.

Ich weiß, dass einigen der Einstieg in das Buch zu langatmig war, dass mehr Action gefordert wurde oder zu wenig Elfiges auftauchte. Für mich war das Tempo genau richtig, denn so konnte ich ausgiebig die beiden Jungs, ihre Eltern, die Isländer inklusive Elin kennen- und nach einiger Zeit auch schätzenlernen. Blazon hat die Gabe, Leute zu zeichnen, die gleichzeitig menschlich fehlerhaft und doch extrem sympathisch sind, selbst die anfangs nur aggressiv wirkenden Elfen gehören dazu. Mit ihrer Originalität und verrückten Einfällen hat sich mich echt begeistern können - zum Beispiel mit der Elfencam oder dem geheimen Elfennetz. Richtig großartig war die Beziehung zwischen den Brüdern, das neidisch sein auf die Fähigkeiten des anderen, und doch die unverbrüchliche Freundschaft zwischen den beiden.

In diesem Buch gibt es kein Liebesgeschnulze (wäre auch ein bisschen arg zeitig), aber es geht um Vertrauen, das Überwinden von Vorurteilen, die Stärke von Freundschaft und dass es manchmal auch ein Happy End gibt. Starkes Kinderbuch, das problemlos auch Erwachsenen gefällt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn dein Land plötzlich nicht mehr dein ist

Ein endloser Albtraum (Doppelband: Morgen war Krieg / Die Toten der Nacht)
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Das ist mal ein Buch, das ich immer wieder lesen kann, obwohl es eigentlich ein Jugendbuch ist. Eigentlich deshalb, weil es zwar um eine Gruppe von Jugendlichen geht, diese aber von einem Tag auf den anderen ...

Das ist mal ein Buch, das ich immer wieder lesen kann, obwohl es eigentlich ein Jugendbuch ist. Eigentlich deshalb, weil es zwar um eine Gruppe von Jugendlichen geht, diese aber von einem Tag auf den anderen erwachsen werden müssen.

Elli, die Ich-Erzählerin, und ihre Freunde leben im australischen Outback. Für diese Jugendlichen ist Traktor fahren oder Wurzeln sprengen so normal wie für unsere Großstadtkids das Skaten. In den Ferien beschließen sie, weit in die Berge zu fahren und dort zu campen. Zuerst ist alles so, wie es sich gehört. Lagerfeuer, Romantik, Spiele, Abenteuer. Doch dann hört Elli eines Nachts Flugzeuge über sie hinwegdröhnen, und als sie morgens aufwachen, ist das nicht mehr ihr Land. Eine fremde Nation (die nie genauer beschrieben wird, was ich sehr cool finde, denn eigentlich ist es doch egal, wer einen anderen überfällt) ist gewaltsam und kriegerisch in Australien eingedrungen und hat das Land übernommen. Sie töten, sie rauben, sie sperren die Menschen in Konzentrationslager. Für Elli und ihre Freunde beginnt ein gnadenloser Kampf ums reine Überleben, und sie haben nur einen Vorteil auf ihrer Seite: Sie kennen sich hier aus und sie wissen, dass man aus den einfachsten Dingen die mörderischsten Waffen bauen kann.

Der Schreibstil ist einfach nur klasse. Marsden, der ja ein Mann ist, bringt die Figur der Elli so überzeugend rüber, dass man keine Sekunde an ihr zweifelt. Ihre Freunde sind - ohne Klischees zu übermäßig zu bedienen - die üblichen Jugendlichen von nebenan. Der Coole, die Schüchterne, die Frau, die nicht mal in den Busch ohne ihr Make-up gehen kann. Trotzdem sind sie so lebendig, als würden sie tatsächlich irgendwo um die Ecke wohnen. Der Krieg ist grausam, und das wird auch so beschrieben. Die Acht sind keine Superheldentruppe, sie töten, sie werden verletzt, sie bluten, sind dreckig. Die Beschreibungen sind so eindringlich, dass man selbst die Fliegen summen hören kann, wenn wieder einmal Tote gefunden werden.

Ich finde, dieses Buch sollte Schullektüre werden. Erstens hätte dann mal einer Spaß dabei, zweitens lernt man auch was. Krieg hat nichts mit Helden zu tun - es geht immer um wirtschaftliche Interessen, und es gibt niemals Sieger, nur Verlierer.