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Veröffentlicht am 25.12.2022

Make Over

Because It's True − Tausend Momente
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Rosemary ist Lehrerin an einer kleinen Schule in einem kleinen Nest irgendwo in den USA, wo es ständig heiß ist. Sie unterrichtet Literatur und hat drei Lieblingsschülerinnen, die sich ständig anbiedern. ...

Rosemary ist Lehrerin an einer kleinen Schule in einem kleinen Nest irgendwo in den USA, wo es ständig heiß ist. Sie unterrichtet Literatur und hat drei Lieblingsschülerinnen, die sich ständig anbiedern. Ansonsten hat sie nur einen Kater und das Bedürfnis, abends zu lesen und ihre Ruhe zu haben. Jedenfalls bis zu den Ferien, als ihre drei Lieblingsschülerinnen auf die Idee kommen, ihre Lehrerin bräuchte unbedingt einen Mann in ihrem Leben (keine Ahnung, vielleicht war sie in letzter Zeit zu unentspannt und hat genervt?). Dafür muss sie ein Make Over erhalten, wofür die Mädchen einfach mal nach Feierabend bei der Lehrerin einfallen und anfangen, sie zu schminken und ihre Haare zu machen. Natürlich klappt's danach auch mit dem Nachbarn ... dem Bibliothekar, dessen bemerkenswerteste Fähigkeit ist, dass man ihn nach dem Lesen sofort wieder vergisst.

Drei Dinge sind wahr über dieses Buch: Es ist plump geschrieben, es gibt völlig übergriffige Kinder und eine seltsame erwachsene Frau, deren coolstes Attribut ist, dass sie ihren Kater Poe nennt. Gab's da noch was? Ach ja. Sheldon. Sheldon, der so dermaßen blass ist, wie sein Name schon vermuten lässt. Eine billige Geschichte, die nicht heimelig ist, sondern mir eine Gänsehaut bereitet hat. Nicht wegen der Geister, sondern des plumpen, subsmarten Mindsets. Eine Frau ist nur beachtenswert, wenn sie sich herrichtet. Es ist "niedlich", wenn sich anbiedernde Kinder einfach jemandem auf die Pelle rücken. Eine Frau braucht einen Mann. Dass alle hier ständig extrem übertrieben reagieren mit tief Luft holen, Hände in die Luft werfen (hoffentlich kamen sie wieder runter) oder sonstigem schlechten Stil ist beinahe schon obligatorisch und ändert auch nichts mehr. Fazit: Braucht kein Mensch. Nicht mal zur Weihnachtszeit.

Veröffentlicht am 20.12.2022

Die Geister, die ich rief

Das verborgene Zimmer von Thornhill Hall
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Ende des 19. Jahrhunderts. Der adlige sechzehnjährige Colin hat seine Mutter seit 10 Jahren nicht mehr gesehen, weil sie ihn und seinen Vater verlassen hat, um zum Theater zu gehen. Jetzt hat sie ihn nach ...

Ende des 19. Jahrhunderts. Der adlige sechzehnjährige Colin hat seine Mutter seit 10 Jahren nicht mehr gesehen, weil sie ihn und seinen Vater verlassen hat, um zum Theater zu gehen. Jetzt hat sie ihn nach Thornhill Hall eingeladen, zu ihrer neuen Familie. Als er dort ankommt, hat er keine große Lust, ihr zu verzeihen und er versteht sich auch nicht sehr gut mit den anderen Gästen des Herrenhauses. Dann wird er von einem Unbekannten die Treppe hinuntergestürzt und stirbt - nur um als Geist wieder zu erwachen. Die anderen Geister von Thornhill Hall erklären ihm, dass er drei Tage Zeit hat, um das verborgene Zimmer zu finden und es zu durchqueren: Dann kann er ins Leben zurückkehren. Doch Colins Zeit läuft ab und die einzige Hilfe, die er erhält, bekommt er ausgerechnet vom gleichaltrigen lebenden Theodor, mit dem er zu Lebzeiten nur Stress hatte ...

Eigentlich mag ich die Bücher von Handel. Er hat ein Händchen für Charaktere, die sich voneinander unterscheiden und die man vor sich sehen kann. Allerdings hat mich hier der Plot - obwohl vom Klappentext angeheizt - nicht wirklich überzeugen können. Zwar tauchen hier viele sympathische und manchmal unsympathische Charaktere auf, aber mir fehlt es hier doch an allen Ecken und Enden an Erklärungen. Wieso braucht es dieses Zimmer? Müsste dann nicht jeder Tote eine Chance haben, ins Leben zurückzukehren? Warum kann Theodore Colin sehen? Warum verliert er nicht das Gedächtnis? Wieso kann sich jemand als normaler Geist tarnen, der eigentlich ein Ungeheuer aus einer anderen Welt ist? Ein paar lahme "Isso" reichen mir da nicht, um ehrlich zu sein. Auch ging mir die Lovestory ein bisschen zu schnell und problemlos vonstatten. Nett, eine queere Liebesgeschichte zu lesen, aber die dürfte etwas mehr Feuer bekommen und nicht ebenfalls mit "Isso" abgehandelt werden. Von daher: Der Autor kann es eigentlich besser.

Veröffentlicht am 17.12.2022

Welcher Mordclub?

Der Mordclub von Shaftesbury – Eine Tote bleibt selten allein
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Penelope St. James möchte unbedingt Partnerin einer alteingesessenen Londoner Luxus-Partnervermittlung werden und lässt sich deshalb darauf ein, eine Außenstelle in einem ländlichen Nest ohne Internet ...

Penelope St. James möchte unbedingt Partnerin einer alteingesessenen Londoner Luxus-Partnervermittlung werden und lässt sich deshalb darauf ein, eine Außenstelle in einem ländlichen Nest ohne Internet und mit schlechtem Telefonanschluss zu eröffnen. Als erste Amtshandlung fällt sie erstmal dramatisch in Ohnmacht, weil es hier auf dem Land ... Tiere gibt. Und Tierärzte. Doch nach einiger Zeit gewöhnt sie sich sowohl an die smogfreie Luft als auch an die Dorfbewohner. Nur als sie beim Joggen eine sterbende Frau findet, ist das eher unangenehm. Aber Penelope hat so viel zu tun, dass sie den Mord dann eher en passant auf Seite 309 von 310 lösen muss.

Das Buch fiel mir auf, weil es wahnsinnig prominent in Titel und Gestaltung an den "Donnerstagmordclub" anspielt. (Sehr cooles Buch, unbedingt lesen!) Aber ich finde, wenn man sich schon so ... nun ja, fast unverschämt an einem richtig guten Buch bedient, sollte man sowohl die Fähigkeiten haben, inhaltlich und stilistisch mitzuhalten als auch bei einem "british cozy crime" nicht nur das cozy zu verwenden. Und wo bitte war denn der Mordclub überhaupt? Den gibt es bis zum Schluss nicht, was bedeutet: Hier möchte ein Verlag auf einen Zug aufspringen. Mir tut die Autorin direkt leid, denn sie wollte sicherlich nur eine romantische Geschichte, die auf dem Land spielt, schreiben. Mit ein paar Irrungen und Wirrungen, ein bisschen Slapstick, einem altklugen Kind und ein paar niedlichen Hunden. Der "Kriminalfall" wirkte jedoch eher so, als hätte man ihn irgendwie am Ende des Buches mit Müh und Not versucht unterzubringen, damit man nicht wegen Genreirreführung niedergebrüllt wird. Jetzt habe ich die Geschichte aber auch nicht unbedingt gehasst und schnell gelesen war sie auch. Trotzdem keine Meisterleistung vom Verlag, LeserInnen dermaßen am Nasenring vorzuführen. 2,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 15.12.2022

Unna Oabba

Das Leuchten der Rentiere
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Elsa ist gerade erst neun Jahre alt, als sie einen Mann dabei erwischt, wie er ein Rentier tötet. Ihr Rentier, um genau zu sein. Doch er bedroht sie unmissverständlich und sie wagt es nicht, darüber zu ...

Elsa ist gerade erst neun Jahre alt, als sie einen Mann dabei erwischt, wie er ein Rentier tötet. Ihr Rentier, um genau zu sein. Doch er bedroht sie unmissverständlich und sie wagt es nicht, darüber zu reden. Denn Elsa gehört zu den Sami, den indigenen Ureinwohnern am Nordpolarkreis, und diese werden auch heutzutage noch viel zu oft als Menschen zweiter Klasse angesehen. Rassismus und Diskriminierung stehen bei ihnen an der Tagesordnung und wenn jemand Verbrechen gegen sie begeht, zum Beispiel ihre Rentiere umbringt, wird das - wenn überhaupt - als Diebstahl behandelt und das Verfahren schnell eingestellt. Und so schweigt Elsa verängstigt, jahrelang, und kämpft mit einem schlechten Gewissen. Doch 2018, zehn Jahre später, ist sie eine junge Frau und sie beschließt, sich zu wehren. Sie geht zur Presse und sieht sich plötzlich nicht nur verbalen Drohungen des Täters gegenüber ...

Das hier ist kein Krimi, auch wenn das Buch Verbrechensanteile enthält. Es ist die Sozial- und Milieustudie eines Volkes, das mitten in Europa, in Nordeuropa um genau zu sein, lebt und viel zu wenige Stimmen hat, die sich für sie erheben. Mit dieser Handlung taucht man tief in ihr Leben ein und was man erfährt, macht wütend und traurig und fassungslos. Das Problem ist leider, dass sich auch die Sami untereinander nicht einig sind. Wer nicht zum eigenen Sameby - dem eigenen Zusammenschluss von Rentierzüchtern gehört, ist nie wirklich ein Teil der Gemeinschaft. Trotzdem ist das kein Grund oder gar eine Entschuldigung der Behörden und des Staates, Verbrechen gegen sie nicht zu untersuchen oder überhaupt aufklären zu wollen. All diese Sachen erfahren wir aus Elsas Sicht: zuerst als sie ein kleines Kind ist, das noch nicht alles versteht, was vorgeht, später als eine emanzipierte junge Frau, die ihren eigenen Weg finden will. Wirklich schlimm fand ich zusätzlich zu all den Dingen, die den Sami angetan werden, dass unter ihnen, gerade den jungen Menschen, eine sehr hohe Suizidrate besteht, weil sie einfach depressiv werden und ihnen nicht einmal psychische Unterstützung angeboten wird. Mich hat dieses Buch sehr berührt und wird mich wohl auch noch eine lange Zeit beschäftigen.

Veröffentlicht am 12.12.2022

Auf den Zahn gefühlt

This Charming Man
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Jeder in der Gemeinde der magischen Wesen weiß: Vampire gibt es nicht. Gab es nie und wird es auch nie geben. Und wenn dann doch plötzlich jemand auftaucht mit spitzen Zähnen, übernatürlicher Geschwindigkeit ...

Jeder in der Gemeinde der magischen Wesen weiß: Vampire gibt es nicht. Gab es nie und wird es auch nie geben. Und wenn dann doch plötzlich jemand auftaucht mit spitzen Zähnen, übernatürlicher Geschwindigkeit und einem ungestillten Blutdurst? Und dann auch noch Leute killt, zum Teil vor laufender Kamera? Dann wird es Zeit, dass sich die Journalisten von The Stranger Times darum kümmern! Dumm nur, dass Hannah, Banecroft und Co auch noch Probleme mit anderen übernatürlichen Wesen haben, aber dafür sind sie ja Profis. So mehr oder weniger ....

Mir hat dieser zweite Teil tatsächlich noch besser gefallen als der erste. Der sprachliche Witz sowie der Schreibstil sind qualitativ hoch und ich mag einfach diesen originellen Cast, den McDonnell hier auffährt. Ganz nebenbei werden auch ein paar ernste Themen angeschnitten wie spionierende Dating-Apps und sexuelle Belästigung oder auch wie viel Macht die Presse ausüben kann oder wie schnell sich marodierende Mobbs formen. Allerdings weiß ich bis zum Schluss nicht, worauf sich der Titel This charming man bezieht. Banecroft wird wohl eher nicht gemeint sein ... Das alles wird in eine amüsante Geschichte verpackt, bei der mir nur das Ende ein bisschen zu wenig spektakulär war. Jedenfalls hoffe ich auf Band 3 und empfehle die Reihe weiter. 4.5/5 Punkten.