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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2022

Instadanger

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Lotte Wiig ist eine megaberühmte Influencerin auf Instagram. Sie ist die Mutter einer zweijährigen Tochter - Poppy - und Hunderttausende folgen ihr und ihrem scheinbar perfekten Leben in einem perfekten ...

Lotte Wiig ist eine megaberühmte Influencerin auf Instagram. Sie ist die Mutter einer zweijährigen Tochter - Poppy - und Hunderttausende folgen ihr und ihrem scheinbar perfekten Leben in einem perfekten großen Haus mit ihrem perfekten gutaussehendem Mann. Sie postet Bilder von Poppy und wird von Werbeträgern gut bezahlt. Als sie eines Tages wieder einmal ein Foto von Poppy postet, verschwindet diese kurz darauf aus dem Garten des Hauses. Was ist passiert? Hat sich das kleine Mädchen verirrt? Oder wurde sie entführt? Kommissarin Emer Murphy ist eigentlich wegen psychischer Probleme krankgemeldet, doch sie kann nicht anders: Diesen Fall muss sie übernehmen, denn sie ist die Einzige, die Poppy finden kann ...

Eigentlich habe ich diese gebrochenen, kaputten KommissarInnen echt gestrichen, doch hier war es wirklich mal eine interessante Sache, was mit Emer abging. Einerseits kann ich mit dem, was ihre Großmutter macht, nichts anfangen, andererseits war es trotzdem spannend zu lesen, wie sie sich intuitiv ein richtiges Bild von den Verhältnissen machte und danach handelte. Auch das Thema Influencer und Posten von Kinderbildern inklusive von Dark-Net-Chatrooms und Mütterforen (einer gruseliger als der nächste) spielten eine Rolle und sorgten für dezente Gänsehaut. Ich mochte zwar das Ende nicht sonderlich und mir war ab einem gewissen Punkt klar, worauf es hinausläuft, aber dennoch war das ein interessanter Einstieg in eine Reihe, die ich weiterverfolgen möchte.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Der Anwalt im Café

Das unglaubliche Leben des Wallace Price
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Wallace Price ist ein erfolgreicher, harter, unversöhnlicher Anwalt. Er hat eine große Firma mit Partnern aufgebaut und sein Ruf ist so rühmlich wie berüchtigt. Leider kann er seinem 120-Stunden-Job pro ...

Wallace Price ist ein erfolgreicher, harter, unversöhnlicher Anwalt. Er hat eine große Firma mit Partnern aufgebaut und sein Ruf ist so rühmlich wie berüchtigt. Leider kann er seinem 120-Stunden-Job pro Woche nicht mehr nachgehen, weil ihm etwas Unangenehmes dazwischenkommt: Er stirbt. Mit einem Mal findet sich Wallace in einer Art Zwischenwelt wieder, in einem Café zusammen mit einem weiblichen Sensenmann (Sensenfrau?), einem Geisterhund, einem Geisteropa und dem Wächter Hugo. Dort verbringt er seine Tage mit wasauchimmer warumauchimmer und langweilt die Leser nach kurzer Zeit selbst zu Tode. Nur dass wir Leser leider keine leckeren Törtchen von Hugo bekommen.

Wie man hier merkt, bin ich alles andere als begeistert von der Geschichte und obwohl sie wieder genauso gut vorgelesen wurde wie Mr Parnassus, hat es nicht gereicht, um mich zu überzeugen, mir auch noch den Rest anzuhören. Bei der Hälfte habe ich abgebrochen, weil einfach überhaupt nichts passiert ist bzw sich alles ständig wiederholt hat. Das ist einfach enttäuschend, weil es nämlich richtig gut und witzig angefangen hat und ich direkt ein paarmal schmunzeln konnte. Doch sobald Wallace in dem Café eintrifft, ist Ende mit Witz und Charme, stattdessen bekommt man ständig altbackene Glückskekssprüche zu hören. Ja, das war bei Parnassus auch schon so, aber da haben die Kinder Esprit reingebracht, es war erträglich. Hier war es das für mich nicht mehr, sodass ich beschlossen habe, Mister Klune und ich werden wohl nicht mehr zusammenkommen und gehen zukünftig getrennter Wege.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Rotschlipse

Die Jagd nach dem Stiefel
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1932, kurz vor dem Machtantritt der Nazis. Die Zeiten sind hart, kriegshetzerische Stimmen werden immer lauter, die Nazis sind überall auf dem Vormarsch. Paul, ein zwölfjähriger Junge, findet beim Zeitungsaustragen ...

1932, kurz vor dem Machtantritt der Nazis. Die Zeiten sind hart, kriegshetzerische Stimmen werden immer lauter, die Nazis sind überall auf dem Vormarsch. Paul, ein zwölfjähriger Junge, findet beim Zeitungsaustragen eine Leiche: Jemand hat den Schiemann von der Antifa ermordet! Zusammen mit seinen Freunden Jack, Gerda, Rosel, Fanny und Falkenauge macht er sich auf die Jagd nach dem Mörder. Ihr einziger Hinweis ist eine Zeitung mit einem Stiefelabdruck, einem Stiefel mit Nägeln, wie sie zumeist von Nazis getragen werden. Sie prägen sich den Abdruck ein und suchen in der ganzen Gegend nach diesem einen Stiefel, denn wenn sie den finden, finden sie auch den Mörder ...

Hier taucht man ganz tief in eine sehr dunkle Zeit ein und bekommt aus Sicht von Kindern die volle Breitseite dessen, was es bedeutet, zu den armen Arbeiterschichten zu gehören. Dennoch lassen sich diese sechs Freunde nicht unterkriegen, im Gegenteil. Auf clevere und mutige Art und Weise trotzen sie nicht nur gehässigen, wohlhabenden Klassenkameraden, sondern tragen ihr Herz auch auf dem rechten Fleck und wollen einen Mörder, der von der Polizei höchstens halbherzig verfolgt wird, das Handwerk legen. Etwas ungewohnt und seltsam erscheinen solche Worte wie "Genosse", wenn es von den Kindern verwendet wird; auch die Sache mit den Pionieren kannte ich bisher nur aus DDR-Literatur. Dennoch gehörte es einfach zur damaligen Zeit. Das Einzige, was mich wirklich etwas gestört hat, war die Logik - ich glaube, nicht einmal in der damaligen Zeit ohne DNA-Spuren würde man jemanden als Mörder anklagen, nur weil man seinen Stiefelabdruck neben einer Leiche gefunden hätte, aber gut. Richtig erschütternd fand ich, was im Epilog darüber erzählt wurde, was aus den sechs Freunden wurde - nur drei von ihnen überlebten diese grausame Zeit. Jedenfalls fände ich es gut, dieses Buch als Schullektüre einzuführen.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Brujo

Yadriel und Julian. Cemetery Boys
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In seiner Bruxgemeinde wird Yadriel nicht so anerkannt, wie er sich das wünscht, denn mit Transgender kann seine traditionsverhaftete Familie nichts anfangen. Immerhin unterstützt ihn seine Cousine Maritza ...

In seiner Bruxgemeinde wird Yadriel nicht so anerkannt, wie er sich das wünscht, denn mit Transgender kann seine traditionsverhaftete Familie nichts anfangen. Immerhin unterstützt ihn seine Cousine Maritza und sie ist es auch, die ihm sein Portaje - den Dolch eines Brujos - schmiedet, mit dem Geister beschworen oder auf die andere Seite geschickt werden können. Heimlich führen sie eine Zeremonie durch, und plötzlich haben sie ein Problem: Julian heißt der beschworene Geist, doch er kann nicht zur anderen Seite geschickt werden, solange sein Körper nicht gefunden wurde. Hat man ihn ermordet? Dann erfährt Yadriel, dass noch weitere Jugendliche verschwunden sind und zusammen machen sie sich auf, das Rätsel um die Verschwundenen zu lösen. Bald ist nicht nur klar, dass hinter dem, was Julian passiert ist, ein Verbrechen steckt, sondern auch dass Yadriel nichts weniger tun möchte, als seinen Job als Brujo: ihn von dieser Existenz zu trennen.

Was für eine spannende, mitreißende Lektüre, in dem es nicht nur um die Probleme junger Transgenderpersonen geht, sondern man auch sehr viel über fremde Kulturen und Traditionen lernt. Der auftretende Cast ist durchweg gut ausgewählt und jeder hat seine Eigenheiten. Das Verlieben von Yadriel und Julian erscheint im ersten Moment vielleicht schnell, aber sie haben auch eine sehr intensive Zeit miteinander, ist also gar nicht so ungewöhnlich, zumal beide wirklich Zucker sind, ohne in triefenden Kitsch abzurutschen (ja, ich sehe dich an, Ms Oseman!). Das Ende artet geradezu herzzerreißend aus; allerdings war zumindest mir zeitig klar, wer hinter den Verbrechen stand, dafür blieb nur eine Person übrig. Normalerweise würde ich auch den Perspektivwechsel (zumal nur für ein Kapitel) kritisieren, aber um ehrlich zu sein, hat das Lesen hier so einen Spaß gemacht, dass ich einfach alle Augen zudrücke und das Buch uneingeschränkt empfehle.

Veröffentlicht am 17.06.2022

Digger

Die Knochenleser
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Michael "Digger" Digson lebt auf einer unbekannten Insel der Kleinen Antillen. Er ist blitzgescheit, aber arm, und kann sich daher kein Studium leisten. Detective Superintendent Chilman wird auf ihn aufmerksam, ...

Michael "Digger" Digson lebt auf einer unbekannten Insel der Kleinen Antillen. Er ist blitzgescheit, aber arm, und kann sich daher kein Studium leisten. Detective Superintendent Chilman wird auf ihn aufmerksam, als er mehr oder weniger unbeabsichtigt hilft, einen Mordfall zu klären. Noch unfreiwilliger wird Digger Teil einer kleinen, unabhängigen Polizeitruppe unter Chilman, die mit ungewöhnlichen Methoden gegen die Korruption und vor allem die ständige Gewalt gegen Frauen vorgehen soll. Digger findet sich bald in mehreren Fällen von verschwundenen Frauen wieder - aber sind es tatsächlich verschiedene Fälle? Schnell kommen ihm nicht nur sein Verstand, sondern auch seine Kurzausbildung zum Forensiker und die ebenso clevere Miss Stanislaus zu Hilfe ...

Dieses Buch hat mich von Anfang an mitgenommen. Der Autor hat einen so passenden Schreibstil zur Erzählstimme von Digger und der Verlag hat mit der Übersetzerin alles richtig gemacht, denn sie hat die Eigenart der Sprache der Kleinen Antillen perfekt übertragen. Dazu kommt die sozialkritische Betrachtung der Lebensumstände, die exotische Umgebung, das Gefühl für die feinen Töne, die Ross hier anschlägt. Nein, man bekommt keinen 08/15-Protagonisten, wie man es von der Creme-de-la-Creme der deutschen Thriller/Krimiriege gelangweilt gewohnt ist: Das wird vielen LeserInnen nicht passen. Für mich jedoch war es eine Offenbarung und ich hoffe, dass noch weitere Bücher mit Digger, Miss Stanislaus und dieser außergewöhnlichen Polizeitruppe folgen werden.