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Veröffentlicht am 05.03.2024

Medieval Bachelor

Trial of the Sun Queen
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Seit zwölf Jahren befindet sich Lor im Kerker des Aurorakönigs, zusammen mit ihren Geschwistern. Als sie wieder einmal aufsässig ist, wird sie in die Grube geworfen, eine Bestrafung, die meistens mit Tod ...

Seit zwölf Jahren befindet sich Lor im Kerker des Aurorakönigs, zusammen mit ihren Geschwistern. Als sie wieder einmal aufsässig ist, wird sie in die Grube geworfen, eine Bestrafung, die meistens mit Tod oder Irrsinn endet. Doch dieses Mal befreit sie jemand und bringt die ohnmächtige Lor weg. Als sie wieder erwacht, befindet sie sich im Schloss des Sonnenkönigs, und sie gehört zu den auserwählten Tributinnen, die gegeneinander um die Hand des Sonnenkönigs kämpfen müssen. Völlig ahnungslos stolpert Lor in die Welt der Fae, und muss sich in gefährlichen Prüfungen behaupten. Doch die anderen neun Tributinnen sind sind nicht nur hochgeborene Fae, sie sind auch ihr Leben lang auf diese Dinge vorbereitet worden. Lor bleiben nur ihre Zähigkeit, ihr Willen und möglicherweise der Sonnenkönig selbst, der scheinbar einen Narren an ihr gefressen hat.

Puh. Es scheint ja wieder in Mode zu kommen, irgendwelche HeldInnen irgendwelche Prüfungen bestehen zu lassen. Aber muss es wirklich so sein, dass man sich aus lauter bekannten und beliebten Büchern alles Mögliche einfach rausnimmt und dann eine Art Fanfiction dazu schreibt? Hier wurde mal fröhlich bei Prison Healer, Hunger Games und sämtlichen Sarah J. Maas Büchern geplündert, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, ein nachvollziehbares Worldbuilding zu erschaffen. Allein schon die Königreiche: das vom Aurorakönig ist ... immer dunkel. Oder trüb. Oder grau. Weil ...? Warum gibt es da noch mal keine Sonne? Und wie funktioniert das physikalisch? Sobald man die Grenze überschreitet, zack! Sonne kommt raus? Gerade beim Sonnenkönig gibt es jeden Tag schönes Wetter, weil ...? Kommt schon, LeserInnen, fragt nicht so blöd. Isso. Fantasy, klar? Dann Lor selbst. Die war zwölf Jahre alt, als sie in den Knast kam. Da ich nicht davon ausgehe, dass sie dort Schulpflicht hatte oder hausintern unterrichtet wurde: Warum redet sie wie eine Vierundzwanzigjährige? Zugegeben, hochkomplexe Dinge musste sie weder verstehen noch tun, aber woher kommt ihr "Erwachsensein"? Und wie kann man sich innerhalb weniger Tage von einer schwachen, fast verhungerten Frau zu jemandem mausern, die im Kampf trainiert werden kann? Halloho? Fantasy! Du sollst solche Sachen nicht fragen. ISSO! Und wieso sind die Leute am Hof eigentlich Fae? Was unterscheidet sie von normalen Menschen? Ab und zu Flügel, die durchkommen?

Die Figurenbeschreibung wurde standardmäßig den gängigen Lieblingsbüchern der letzten Jahre entnommen. Lor: anfangs ziemlich tough, beschreibt sich selbst als jemand, die nie weint. Dafür kämpft sie ganz schön oft gegen die Tränen an, die sich dauernd ihren Weg bahnen wollen. Das Loveinterest, der König, ist ... überwältigend. Irgendwie schön, schöner, am schönsten, jedenfalls überwältigend. Mehr Charakter bekommt er nicht, es entsteht automatisch eine Instalove. Allgemein hat es die Autorin nicht mit Entwicklungen, weder der Personen noch von Gefühlen. Alles ist einfach so. Isso, klar? Fantasy! Beschreibungen der Umgebung beschränken sich auch auf golden und noch beeindruckender als das noch beindruckender der vorhergehenden Szene. Reicht doch wohl. Golden, ey! Fantasy! Isso!

Das Einzige, was ich an der Geschichte mochte, war, dass Lor ab und zu Glanzstunden hatte und versuchte, andere Tributinnen zu retten. Da konnte ich der Autorin sogar eine Harry-Potter-Szene unter Wasser verzeihen, die glatt aus dem Feuerkelch gekl... adaptiert wurde. Auch war es nicht allzu schwierig zu lesen, man kam also schnell mit dem Buch durch. Die deutsche Übersetzung allerdings hat mich beinahe zur Weißglut getrieben. Mir ist schon klar, dass Gendern nicht jedermenschs Sache ist. Aber die Tributinnen durchweg als Tribute zu bezeichnen, war einfach nur aufdringlich dumm. Da gab es Sätze wie diese: Neben XY saß ein blonder, wunderschöner Tribut. Sie war eine schöne Frau. WHAT? Wie dumm bitte ist so eine Art zu schreiben? Was ist verkehrt daran, einen WEIBLICHEN TRIBUT einfach Tributin zu nennen? Mein Fazit aus der Geschichte: Werde ich weder in Erinnerung behalten noch weiterempfehlen. 1.5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 29.02.2024

Eisen, erwache!

Essex Dogs
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Wir befinden uns im Jahre 1346, mitten im Hundertjährigen Krieg. Die Essex Dogs sind eine zehnköpfige Söldnertruppe, die in der Normandie an Land geht, um für ihren König Eduard III. Anspruch auf den französischen ...

Wir befinden uns im Jahre 1346, mitten im Hundertjährigen Krieg. Die Essex Dogs sind eine zehnköpfige Söldnertruppe, die in der Normandie an Land geht, um für ihren König Eduard III. Anspruch auf den französischen Thron zu erheben. Sie sind Teil einer großen Armee und beginnen schon bei ihrer Ankunft, die französischen Truppen anzugreifen, die Zivilbevölkerung zu töten und zu drangsalieren und das Land gezielt zu verwüsten. Sie sind zu zehnt: fünf Bogenschützen, darunter zwei Waliser, die kein Wort Englisch verstehen, ein sechzehnjähriger Junge und zwei erprobte englische Langbogenschützen, dazu der riesige Scotsman, Father, der irre Ex-Priester, Pismire, klein und drahtig, Millstone, der lieber Söldner ist als als Mörder verurteilt zu werden und Loveday, der Anführer.

Und wenn man es genau nimmt, ist mit dieser Beschreibung alles gesagt. Die Armee zieht von Ort zu Ort, sie kämpfen, bluten, töten, brennen nieder. Und auch, wenn es sich bei den Dogs um Söldner - also nichts anderes als bezahlte Killer - handelt, lässt man sich schnell und gern in die Handlung ziehen und fängt vielleicht an, den einen oder anderen sympathisch zu finden. Man merkt, dass der Autor Ahnung von der Materie hat und es ihm Spaß macht, die Geschichte ein bisschen anders darzustellen. Wo der Schwarze Prinz (also Eduards Sohn) in der historischen Überlieferung ein edler, aufrechter, sechzehnjähriger Held ist, kommt er hier als weinerlicher Jammerlappen herüber, der nicht einmal von seinem eigenen Vater ernstgenommen wird.

Die Adligen treiben ihr böses Spiel nicht nur mit der Bevölkerung, sondern auch mit ihren eigenen Leuten. Und die einfachen Leute in der Armee haben eigentlich keine Ahnung, worum es hier eigentlich geht; sie marschieren, leiden selbst, verursachen Leid und das alles im Namen einer Sache, die sie selbst überhaupt nicht betrifft. Mir hat dieser Ausflug ins Mittelalter - nun, Spaß gemacht kann man wohl nicht sagen, dafür sind die Geschehnisse einfach wirklich hart. Aber gern gelesen habe ich das Buch allemal.

Veröffentlicht am 27.02.2024

Heilsbringer?

Arthrose endlich heilen
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Eigentlich scheint es klar, dass es nicht so einfach ist wie versprochen: Arthrose endlich heilen, das wäre doch ein absoluter Gamechanger, richtig? Und natürlich klammert man sich, wenn man betroffen ...

Eigentlich scheint es klar, dass es nicht so einfach ist wie versprochen: Arthrose endlich heilen, das wäre doch ein absoluter Gamechanger, richtig? Und natürlich klammert man sich, wenn man betroffen ist, an alle möglichen Versprechen, also griff ich zu diesem Buch. Auffällig ist: Man hat schnell das Gefühl, eine amerikanische Dauerwerbesendung in gedruckter Form in der Hand zu halten. Immer wieder werden die - durchaus sachlichen - Erklärungen unterbrochen durch begeisterte Stimmen von Patienten, die anscheinend alle bereits nach wenigen Tagen oder Wochen signifikante Änderungen und Schmerzerleichterungen verspürten.

Nun. Ich habe mir das Buch bewusst langsam durchgelesen. Gerade dort, wo es um medizinisch-fachliche Erklärungen geht, ist ein Überfliegen nicht möglich, sonst verliert man als Laie schnell den Überblick. Aufgebaut ist das Buch in (richtige) Ernährung, Bewegung, Psyche und Zusatzstoffe. Und ganz sicher ist es richtig, dass man mit einer Ernährung, die gesund, zucker/gluten/kohlenhydratreduziert ist, schon mal immer auf der richtigen Seite steht. Schon allein, weil man wahrscheinlich recht schnell das ein oder andere Kilo verliert, das Gelenke eh nur belastet. Auch Bewegung ist nie verkehrt und wer mental stark ist ... darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Was ich jedoch anzweifle, ist, dass Arthrose wirklich heilbar ist. Vielleicht bin ich ein besonders hartnäckiger Fall, aber obwohl ich mich wirklich stark an die Empfehlungen halte, bemerke ich bisher keine entscheidenden Veränderungen zum Positiven.

Was mir abgesehen von der Werbedauersendung auch ein bisschen aufgestoßen ist, sind die zusätzlichen Nährstoffe, die empfohlen werden. Bestimmt ist es ein Zufall, dass der Wirkstoff, der am meisten angepriesen wird, von Dr. Feils Firma hergestellt wird, oder? Und bedauerlich finde ich auch den Rezeptteil, der zwar sicherlich gesund ist, aber absolut keine Rücksicht auf Essenseinschränkungen nimmt. Ist man laktoseintolerant, hat man quasi keine Chance mehr auf eine "Heilung" der Arthrose? Im Großen und Ganzen ist es ein Buch, das richtige Dinge propagiert, denn wer sich an die Ratschläge hält, lebt auf jeden Fall gesund. Als Heilsbringer für Arthrose-Gelenke sehe ich es eher nicht.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Hasta la muerte

Chosen by Death
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Die vierundzwanzigjährige Elena ist die Totengräberin ihres mexikanischen Dorfes. Sie trägt einen Fluch vom Totengott selbst, der dafür sorgt, dass sie die Toten sehen kann. Als plötzlich die Dörfer ringsherum ...

Die vierundzwanzigjährige Elena ist die Totengräberin ihres mexikanischen Dorfes. Sie trägt einen Fluch vom Totengott selbst, der dafür sorgt, dass sie die Toten sehen kann. Als plötzlich die Dörfer ringsherum aussterben und es auch bei ihnen zu immer mehr plötzlichen Todesfällen kommt, muss Elena mit dem aztekischen Gott Nan einen Deal eingehen, um ihr Dorf zu retten. Sie muss mit ihm in die Unterwelt, begleitet werden sie vom Mondgott Li und der energischen Dorfvorsteherin Marisol. Doch die Totenwelt ist nicht für die Lebenden und jeder Schritt könnte Elenas letzter sein. Gefährlicher jedoch ist, dass sie nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Herz verlieren könnte: ausgerechnet an Nan, den abweisenden Sonnengott.

Wir haben hier die spannende Umsetzung einer Idee in einem exotischen aztekischen Setting. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase habe ich das Lesen genossen und gern verfolgt, wie sich Elena durch die Welt der Toten kämpft. Gut gefallen hat mir dabei, dass sie nicht die typische heulende Teenagerheldin ist, die nicht weiß, zwischen welchen ihrer unzähligen Loveinterests sie sich entscheiden soll. Erstens ist sie 24, zweitens benimmt sie sich auch so. Und das einzige Interesse, das sie bis mindestens der Hälfte des Buches hatte, ist, ihr Dorf und Marisol zu retten. In der Mitte fand ich es ein bisschen langatmig, das wurde später durch einen Plottwist wieder gut kompensiert. Das Einzige, was ich insgesamt ein bisschen störend fand, war der Strang um Miguel, der erschien mir ein bisschen forciert, aber okay, das ist Meckern auf hohem Niveau. Was man bei dem Buch wissen sollte: Es kommt manchmal zu hochdramatischen Szenen, wer nah am Wasser gebaut ist, sollte es trotzdem lesen, aber Taschentücher bereitlegen. Man wird mit einem sehr gefälligen Schreibstil und einer tollen Handlung belohnt.

Veröffentlicht am 24.02.2024

Juniper Song

Yellowface
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Sie kennen sich seit dem Studium: die junge amerikanische Autorin June Hayward und die chinesischstämmige Athena Liu. Athena ist dabei das gefeierte Wunderkind der Literaturbranche - welches Buch sie auch ...

Sie kennen sich seit dem Studium: die junge amerikanische Autorin June Hayward und die chinesischstämmige Athena Liu. Athena ist dabei das gefeierte Wunderkind der Literaturbranche - welches Buch sie auch schreibt, welches Thema sie anpackt, es wird zu Gold. June hingegen dümpelt maximal in der Backlist herum; ein Zustand, der ihren Neid genauso wachsen lässt wie den Erfolg von Athena. Athena ist trotz ihrer Jugend eine altmodische Autorin, die ihre Werke zuerst auf einer Schreibmaschine schreibt und nirgends sonst speichert. Das kommt June entgegen, als Athena in ihrer Anwesenheit plötzlich stirbt. Sie stiehlt das Manuskript, überarbeitet es und gibt es als ihr eigenes Werk aus. Bald jedoch werden die ersten Stimmen laut, die ihre Urheberschaft bezweifeln.

Ich kenne von der Autorin nichts, obwohl ich natürlich vom hochgelobten "Babel" gehört habe. Und auch der Hype für Yellowface ging nicht an mir vorbei und ich gebe zu, er ist nicht unverdient. Athena dürfte viel von Rebecca selbst haben: eine großartige Autorin, deren Genialität erkannt und gefeiert wird, wobei sich die Verantwortlichen wegen ihres Sinns für Diversität auf die Schultern klopfen. Mit spitzer Feder deutet die Autorin in dem Buch auf alles, was gerade mega aktuell ist. Die Diskussionen um Diversität, Rassismus, kulturelle Aneignung, Plagiat. Ich bin nicht ganz sicher, ob es ein genialer Trick ist, June zwar als menschlich, aber doch eher wenig liebenswert darzustellen, oder ob sie damit Gnade zeigt, denn das Buch ist mit dem Shitstorm und allem, was June dann passiert, keine leichte Kost und teilweise fast unerträglich zu lesen. Wie oft wird hier die Frage - abseits vom Plagiat - gestellt, ob June mit ihrer Herkunft überhaupt das Recht hat, über das Leiden eines anderes Volkes zu schreiben.

Unglaublich scharfsichtig seziert Rebecca F. Kuang hier die Literaturszene, die gegenwärtige Diskussionskultur (ob man das überhaupt so nennen darf?), das Ablehnen jeglicher Verantwortung von Seiten der Verlags/Agenturgrößen. Und am Ende stellt man sich selbst - nicht völlig unernst gemeint - eine weitere Frage: Hätte eine andere Autorin als Rebecca, eine mit Junes Herkunft zum Beispiel, überhaupt dieses Buch schreiben dürfen?