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Veröffentlicht am 11.09.2019

Wenn wir jetzt nicht tanzen, wann dann?

Das Ende
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Die Menschheit wird sterben, es ist amtlich: In drei Monaten wird ein Komet die Erde treffen und alles Leben auf ihr auslöschen. Und egal, was man noch versuchen könnte, es bringt nichts mehr. Wie soll ...

Die Menschheit wird sterben, es ist amtlich: In drei Monaten wird ein Komet die Erde treffen und alles Leben auf ihr auslöschen. Und egal, was man noch versuchen könnte, es bringt nichts mehr. Wie soll man sich darauf einstellen? Der siebzehnjährige Simon und die fast gleichaltrige Lucinda müssen sich dieser Frage stellen, wobei Letztere mit dem Tod ohnehin auf du und du steht. Sie hat Krebs, eigentlich ist nur die Frage, wer schneller sein wird - er oder der Komet. Und dann, vier Wochen vor dem Tag, an dem der Komet einschlagen wird, stirbt Simons Ex-Freundin. Ermordet? Viele wollen es glauben und auch, dass Simon der Täter ist. Und auch wenn es jetzt vielleicht keine Rolle mehr spielt, wollen Lucinda und Simon die Wahrheit herausfinden. Dabei entdecken sie noch mehr als nur das, was mit Simons Freundin passiert ist ...

Dieses Buch wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen, und hat damit schon mal einen Großteil dessen erfüllt, was ein gutes Buch ausmacht. Hier geht es um die eine, endgültige Frage: Wenn du weißt, dass du bald stirbst, was tust du dann? Viele in dieser Lektüre greifen zu Drogen und feiern Partys bis zum Schluss. Dann gibt es die Verleugner, die Verdränger und auch diejenigen, die bis zum letzten Atemzug ihren Job machen. Was mir wirklich ein bisschen abging, auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, ist der Mensch, der jetzt, in einem rechtsfreien Raum, eine Art Purge durchführt. Meiner Meinung nach würden viel mehr Leute durchdrehen, plündern, vergewaltigen, töten - was kann ihnen schließlich noch passieren? Selbst diejenigen, die Simon für den Mörder halten, tun im Prinzip nichts. Ich glaube, dass sich da eher ein Mob zusammenrotten würde, schreiend, im Bewusstsein ihrer Rechtschaffenheit, Rache und dem Gefühl von Macht.
Trotzdem hat mich das Buch beeindruckt und zum Nachdenken gebracht. Ich mochte sehr, mit welcher Selbstverständlichkeit Themen wie Homosexualität behandelt wurden, und auch größtenteils die Art, wie das Buch umgesetzt wurde. Keine leichte, aber eine durchaus wichtige Lektüre.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Game over

Erebos 2
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Nick fällt aus allen Wolken, als auf seinem Handy das unheilverkündende E wieder auftaucht. Hat er doch vor fast zehn Jahren die beste und die schlimmste Zeit mit diesem Onlinegame erlebt. Doch so sehr ...

Nick fällt aus allen Wolken, als auf seinem Handy das unheilverkündende E wieder auftaucht. Hat er doch vor fast zehn Jahren die beste und die schlimmste Zeit mit diesem Onlinegame erlebt. Doch so sehr er sich bemüht, das Spiel zu löschen oder sich zu verweigern, Erebos findet immer einen Weg, ihn zu zwingen.
Zur selben Zeit findet auch der sechszehnjährige Derek eine neue App auf Rechner und Handy und lässt sich ziemlich schnell darauf ein. Anfangs ist er begeistert über das Spiel, doch je mehr es von ihm fordert, desto unheimlicher wird es ihm. Und als er begreift, dass es viel mehr ist als nur ein bloßes Spiel, ist es längst zu spät. Wenn er nicht tut, was Erebos will, was passiert mit dem Mädchen, in das er verliebt ist?

Erebos 1 war ein spannender Jugendthriller, innovativ und am Puls der Zeit. Erebos 2 hingegen ... Wie soll ich es sagen? Es war nicht unspannend, jedenfalls meistens nicht. Schlechten Schreibstil kann man Poznanski auch nicht nachsagen. Man muss auch nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, nicht mal jenes, welches man selbst entworfen hat. Aber trotzdem hatte ich mehr erwartet. Mehr als nur einen zweiten Aufguss in einer vielleicht guten Sauna, aber der Duft hat sich in den letzten neun Jahren leider nicht verändert. Mir waren es auch zu viele Isso-Momente. Wurde früher noch ein bisschen erklärt, wie sich Erebos die Infos verschafft, bekam man jetzt einfach mal alles vor die Nase gesetzt: isso, Alter! Und ganz ehrlich: Was soll ich denn von dem Ende halten? Dafür der ganze Aufwand? Auch das große Geheimnis im Hintergrund war mir zu dürftig. Alles in allem fühle ich mich ernüchtert. Der große Traum von Erebos ist für mich ausgeträumt und würde in neun oder zehn Jahren Teil 3 angekündigt werden, verzichte ich wohl dankend.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Und ewig grüßt der Stasi-Klüngel

Zimmer 19
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Der zweite Fall von Sita Johanns und Tom Babylon. Während der Berlinale, bei der Eröffnungsvorstellung, bekommen die Zuschauer Grauenvolles präsentiert: einen Snuff-Film, dessen Hauptakteurin die Tochter ...

Der zweite Fall von Sita Johanns und Tom Babylon. Während der Berlinale, bei der Eröffnungsvorstellung, bekommen die Zuschauer Grauenvolles präsentiert: einen Snuff-Film, dessen Hauptakteurin die Tochter des regierenden Bürgermeisters ist. Es sieht aus, als würde sie ermordet werden, doch eine Leiche wird nicht gefunden. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, bis weitere Töchter hoher Politiker und Geschäftsleute verschwinden. Was verbindet diese mächtigen Männer? Dazu kommt, dass Sita das vage Gefühl hat, dieser Fall könnte mit ihrer Vergangenheit zu tun haben, doch wer sollte sich nach all diesen Jahren jetzt an ihre Fersen heften?

Ach, Marc Raabe und ich. Das wird wohl keine tiefe Freundschaft mehr werden. So rasant und meist fesselnd, wie er zu schreiben versteht, all seine furchtbaren Isso-Momente verderben immer wieder das Lesevergnügen. Da sind Leute, die sich einen Haufen Stress machen, um andere Leute zu jagen - nur um ein paar Seiten später plötzlich einfach so in deren Wohnung aufzutauchen. Woher kannten sie die geheime Adresse? Egal, isso. Wäre ja langweilig, sich darüber groß Gedanken zu machen.

Alle Leute in Berlin - das selbst um die Jahrtausendwende über drei Millionen Einwohner hatte - kennen sich und/oder haben eine gemeinsame Vergangenheit. Zufällig arbeiten die später auch alle mehr oder weniger im selben Job und da auch noch in derselben Abteilung. Hat so ein Karl-May-Feeling, nur ohne Großherzöge oder ähnlichem.
Raabes heißgeliebter DDR-Klüngel darf auch nicht fehlen. Das war schon in Teil 1 recht abenteuerlich und wird hier nicht besser.

Und dann etwas, das meinen Lesefluss immer wieder massiv unterbrach: der oftmalige Wechsel zwischen erzählendem Präteritum und Präsens, selbst innerhalb von Szenen. Ist es ein Fehler im netgalley-ebook oder ein beabsichtigtes Stilmittel des Autors? Eine Schlamperei des Lektorats? Ich weiß es nicht, nur dass es mich enorm unruhig machte, aber in einer unguten, unspannenden Art. Muss nicht sein. Sollte zum guten Schreibhandwerk gehören, so was zu vermeiden.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Landkarten der Fantasie

Verrückt nach Karten
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Wie beschreibt man ein Buch, in dem Karten beschrieben werden?
Vielleicht erst mal so: Es ist wirklich schön gestaltet. Da wurde sich sowohl außen als auch innen wirklich Gedanken gemacht.
Die Einleitung ...

Wie beschreibt man ein Buch, in dem Karten beschrieben werden?
Vielleicht erst mal so: Es ist wirklich schön gestaltet. Da wurde sich sowohl außen als auch innen wirklich Gedanken gemacht.
Die Einleitung wurde ziemlich locker-flockig von Philipp Pullman geschrieben, den man von seinen Dark Materials gut kennt.
Und damit war man auch schon mitten drin in einer Geschichte über Karten, über das Lesen von Karten, das Erstellen von Karten, das Sich-Verlieren in Karten.

Was mich ein wenig störte war, dass es nicht nur um Karten aus Büchern ging. So faszinierend ich die alten Karten aus dem 16. Jahrhundert finde, so rechnete ich doch eigentlich damit, dass es mehr um erdachte Länder und Gebiete ging, um das, was im Kopf eines Autors real ist und das man mit dem Finger dann nachwandern konnte. Ich habe trotzdem viele neue fantastische Gebiete kennengelernt, vor allem welche, von denen ich noch nie gehört habe, weil die entsprechenden Bücher vielleicht im englischsprachigen Raum Bestseller oder gut bekannt sind, hier jedoch nicht verlegt wurden. Das soll auf Dauer aber kein Hindernisgrund sein, sich mit ihnen zu beschäftigen und schon allein daher ist das Buch eine Offenbarung.

Allerdings würde ich vorschlagen, es nicht wirklich wie ein normales Buch hintereinander wegzulesen, denn damit nimmt man sich ein wenig den Zauber. Schlagt es auf, schlagt immer wieder nach, betrachtet es als Bilderbuch zur Fantasie, dann kann es noch lange immer wieder auch die eigene anregen.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Play it again ... Aidan!

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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Ein Mann erwacht mitten in einem verregneten Wald, ohne Erinnerung, wie er hierher gekommen ist; er hat sein Gedächtnis verloren. Nach und nach wird ihm klar, dass er nicht der ist, der er zu sein scheint ...

Ein Mann erwacht mitten in einem verregneten Wald, ohne Erinnerung, wie er hierher gekommen ist; er hat sein Gedächtnis verloren. Nach und nach wird ihm klar, dass er nicht der ist, der er zu sein scheint - und das für acht Tage. Genau so lange hat er Zeit, den Mord an Evelyn Hardcastle zu klären. Sie ist die Tochter des heruntergekommenen Herrenhauses, in dem sich eine große Gesellschaft versammelt hat zum Jagen, Feiern und ... Morden. Jeden Tag erwacht Aidan Bishop, so der Name des Mannes, in einer anderen Person, nimmt die Erinnerungen der anderen jedoch mit. Findet er nicht rechtzeitig bis abends um elf heraus, wer der Mörder ist, geht dieses grausame Spiel immer weiter, ohne einen Ausweg. Schlimmer ist nur noch, dass auch jemand anderes aus dem verfluchten Anwesen entkommen möchte, und dieser geht knallhart über Leichen - Evelyn bleibt nicht die Einzige.


Das ist bestimmt ein Buch, das polarisiert. Es fängt schon damit an, dass man fast ohne Erklärung in die Handlung geworfen wird, und gemeinsam mit dem Gedächtnislosen versucht herauszufinden, was passiert ist und worum es überhaupt geht. Dafür nimmt sich der Autor Zeit, seine Personen - in den meisten Fällen die Wirte Aidans - intensiv einzuführen. Es ist wohl nicht jedermanns Sache, ein Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Und zugegeben, es sind ein paar Längen drin, aber andererseits fand ich es sehr faszinierend, wie immer mehr die einzelnen Handlungsstränge zusammengeführt wurden, wie sich aus jedem Blickwinkel der Wirte etwas geringfügig anderes ergab, zumal sich diese Wirte auch sehr voneinander unterscheiden und das auch mega ausgedrückt wurde. Man muss auch das Ende mögen, die Erklärungen für manche Dinge sind eher übernatürlich, auch wenn dieser Begriff es nicht genau trifft. Und man kann sich Gedanken darüber machen, ob Menschen fähig sind, sich zu ändern, zu bereuen, besser zu werden. Ob man verzeihen kann oder auch sollte. Man bekommt hier nicht nur einen Krimi im klassischen Whodunnit-Stil, man kann, wenn man dann möchte, sich gern noch philosophischen Fragen widmen.