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Veröffentlicht am 23.11.2020

Ein grauenvolles Zukunftsszenario mit einer Scheindemokratie und Sterbeseminaren

Sterbewohl
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Worum geht’s?
Deutschland ist nur noch eine Scheindemokratie, die Kassen sind leer und so wird versucht, den Menschen, die im Rentenalter sind, das Sterben schmackhaft zu machen. Auch Nadja und ihre Freunde ...

Worum geht’s?
Deutschland ist nur noch eine Scheindemokratie, die Kassen sind leer und so wird versucht, den Menschen, die im Rentenalter sind, das Sterben schmackhaft zu machen. Auch Nadja und ihre Freunde sollen an einem sogenannten „Sterbeseminar“ teilnehmen, obwohl sie noch lange nicht mit dem Leben abgeschlossen haben. Ob sie aus dem Seminarhotel zurückkehren werden?

Meine Meinung:
„Sterbewohl“ von Olivia Monti ist ein Kriminalroman, der ein heikles Thema verarbeitet. Deutschland als Scheindemokratie, Menschen, die für die Gesellschaft nichts mehr wert sind, weil sie ihr kein Geld mehr einbringen, und deshalb „entsorgt“ werden müssen, um die Allgemeinheit zu entlasten. Menschen, die daher dazu angeregt werden, etwas für die Gesellschaft zu tun und freiwillige aus dem Leben zu scheiden. Ein sehr schwieriges Thema, das von der Autorin aber perfekt umgesetzt wurde.

Anfangs war ich irritiert von dem Schreibstil und der Erzählung aus der Ich-Form. Aber dann hat mir diese Sicht sehr gut gefallen. Als würde man im Tagebuch von Nadja, der Hauptprotagonistin, lesen. Man hat sich der Gruppe von Nadja, Anna, Max, Fred und Marwa zugehörig gefühlt, nicht nur wie ein außenstehender Leser. Und auch wenn das Buch aus der Sicht der Senioren erzählt wird, die alle mindestens ein viertel Jahrhundert älter sind als ich, war es einfach perfekt! Ich konnte mich in die einzelnen Protagonisten hineinversetzen, habe ihre Gedanken und Beweggründe verstanden. Wünscht sich nicht jeder vom Alter letztendlich dasselbe? Noch ein paar Jahre mit der Familie zu verbringen, vielleicht ein paar Reisen zu unternehmen und einfach nochmal richtig aufzuleben?

Obwohl der Schreibstil leicht zu lesen war, stieg dann auf den letzten Seiten im Showdown die Spannungskurve nochmal so richtig an und ich habe bis zum Ende mit den Protagonisten mitgefiebert. Lediglich am Ende der Teil mir Mortop war für mich nicht ganz passend, für die Geschichte jedoch notwendig. Das ist aber der einzige – klitzekleine – Kritikpunkt, den ich habe.

Und auch jetzt noch hält mich das Thema des Buches fest. Bzw. die Themen. Schwierige Themen, die hier wirklich gut umgesetzt und dargestellt sind. Und die mich sicher noch eine Weile am Denken halten werden!

Fazit:
„Sterbewohl“ von Olivia Monti ist ein Kriminalroman, der es schafft, schwierige politische und sozialkritische Themen in eine leichte Form zu bringen. Die Autorin fesselt einen mit einer Schreibweise an das Buch, bei der man sich nicht nur als Leser fühlt sondern direkt in die Gruppe um Nadja & Co. hineinversetzt. Das Buch hat mich nicht nur von Anfang bis Ende sehr gut unterhalten, sondern auch noch darüber hinaus zum Nachdenken angeregt. Zum Nachdenken, wie schnell aus Fiktion Realität werden kann, wenn wir nicht alle ein bisschen vorsichtig sind.

Für mich ein sehr gutes und unterhaltsames Buch, das ich allen empfehle, die gerne über den Tellerrand hinausschauen und vor schwierigeren Themenbereichen nicht zurückschrecken.



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Veröffentlicht am 21.11.2020

Ein wundervoll bildhafter Roman über die Wege des Lebens

Die innersten Geheimnisse der Welt
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Worum geht’s?
Die Krankenschwester Jane verlobt sich mit Valentine, einem Arzt aus Bath. Doch eigentlich liebt sie die schöne Julietta. Um ihr nahe zu sein, führen sie ihre Wege nach London, wo sie vor ...

Worum geht’s?
Die Krankenschwester Jane verlobt sich mit Valentine, einem Arzt aus Bath. Doch eigentlich liebt sie die schöne Julietta. Um ihr nahe zu sein, führen sie ihre Wege nach London, wo sie vor einer schwierigen Entscheidung steht. Wird sie ihr eigenes Schicksal den richtigen Weg führen?

Meine Meinung:
„Die innersten Geheimnisse der Welt“ von Rose Tremain ist ein Roman, der im 19. Jahrhundert in Bath, London und auf Borneo spielt. Vom Schreibstil her und der blumigen Wortwahl der Autorin fühlt man sich direkt in dieses Jahrhundert hineinversetzt. Man erwartet immer, dass gleich Mr. Darsey aus einem der Romane von Jane Austen um die Ecke kommt. Die Autorin schafft es gekonnt, immer wieder Spannung aufzubauen, aber auch, die LeserInnen mit den Beschreibungen der Landschaften und der Natur in eine fast meditative Entspannung zu versetzen, die einem beim Lesen eine absolute Ruhe bringt.

Die Geschichte selbst besteht aus drei Teilen. Zum einen begleitet man Jane auf ihrem Weg nach London zu ihrer Tante, wo sie Julietta kennen und lieben lernt. Jane, die Krankenschwester aus Bath, die von allen der „Engel der Bäder“ genannt wird. Die am Anfang fast ein bisschen hochnäsig und überheblich wirkt, die dann aber in London zu sich selbst, zur Liebe und zum Leben findet und am Ende ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnt, das zu ihr passt und sie erfüllt.

Dann die Geschichte von Clorinda, die die Hungersnot von Irland miterlebt hat und dann – gezwungen vom Schicksal – ihre Rubinkette, das Erbstück der Familie verkauft, um in Bath einen Teesalon zu eröffnen, der den Menschen im Ort Treffpunkt und Ruhestätte zugleich ist. Und wo sie den Vater von Jane, Sir William, kennenlernt, der ihr Leben nochmals komplett ändert.

Die dritte Geschichte spielt in Borneo und erzählt das Leben von Sir Ralph, der dort über ein kleines Reich herrscht und versucht, alle seine „Untertanen“ zu glücklicheren Menschen mit einem besseren Leben zu machen. Er lebt dort mit seinem Geliebten Leon, dem er hörig ist und der ihn total in seiner Macht hat. Und das auch versucht, zu seinen Gunsten auszunutzen.

Das Lesen selbst hat mir, nachdem ich in die etwas ungewöhnliche Sprachart hineingefunden habe, unheimlich Spaß gemacht. Die bildhaften Beschreibungen der Autorin waren einmalig. Z.B. die Beschreibung, wie die Ameisen durch den Jungle laufen. Man liest, sieht es vor sich und bekommt eine innere Ruhe. Dann wieder die hektischeren Erlebnisse in London, bei denen man am Mitfiebern war. Diese Mischung aus Ruhe und Spannung finde ich sehr gekonnt.

Lediglich der Zusammenhang der 3 Erzählstränge hat mir etwas gefehlt, hier hatte ich immer darauf gewartet, dass sich am Ende eine Verbindung der Personen ergeben wird, was dann aber leider nicht der Fall war. Hier hätte man m.E. noch viele weitere spannende Abenteuer einbringen können. Dennoch habe ich das lesen des Buches sehr genossen!

Fazit:
„Die innersten Geheimnisse der Welt“ von Rose Tremain ist ein Roman, der einem beim Lesen eine innere Ruhe durch die unglaublichen Beschreibungen der Natur nahebringt und auf der anderen Seite aber auch immer wieder Spannung aufbaut, wenn er einen ins turbulente Leben von London und Paris entführt. Der Sprachstil hat mich direkt ins England des 19. Jahrhunderts versetzt und ich habe mit den Protagonisten mitgefühlt und mitgefiebert. Einziger Kritikpunkt für mich ist, dass es eigentlich 3 Romane sind. 3 Erzählstränge, bei denen ich erwartet hätte, dass sie im Laufe des Buches zusammenführen, die aber m.E. bis zum Ende nichts oder nicht viel miteinander zu tun haben.

Dennoch ein Buch, das ich nur weiterempfehlen kann. Für alle, die Jane Austen und ihre Romane mögen, ist das Buch von Rose Tremain ein absolutes Lese-Muss!

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Packend, faszinierend und mit ganz eigenem Humor – Ermittlungen in den 1980er Jahren

Die Krieger
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Worum geht’s?
Auf eine Diskothek in München wird ein Brandanschlag verübt. Die Ermittlungen führen den Nick Marzek von der Mordkommission 3 und die Putzfrau Graziella nach Italien. Dort finden sie heraus, ...

Worum geht’s?
Auf eine Diskothek in München wird ein Brandanschlag verübt. Die Ermittlungen führen den Nick Marzek von der Mordkommission 3 und die Putzfrau Graziella nach Italien. Dort finden sie heraus, dass hinter dem Brandanschlag noch viel mehr steckt, als zunächst vermutet. Der Fall hat politische Dimensionen mit Verbindungen hinein bis in die 1920er Jahre.

Meine Meinung:
„Die Krieger“ von Martin Maurer ist ein Kriminalroman, der auf der wahren Geschichte der Gruppe LUDWIG bzw. von Wolfgang Abel und Marco Furlan beruht. Auch die verübten Anschläge in München und in Italien entsprechen wahren Begebenheiten. Der Autor schafft es hierbei meisterhaft, Wahrheit und Fiktion zu verbinden und den Leser mit auf eine Reise durch München und Norditalien zu nehmen. Die Spannungskurve steigt stetig, der Autor hat aber auch einen ganz eigenen Humor, Dinge zu erzählen bzw. Protagonisten agieren zu lassen und Situationen darzustellen, die einen immer wieder schmunzeln lässt und die Spannung immer mal wieder ein bisschen auflockert - bis es am Ende dann zu einem richtig spannenden Showdown kommt.

Martin Maurer zieht den Leser in die Ermittlungen mit hinein und zeigt gleichzeitig das Leben Anfang der 1980er Jahre auf. Er beschreibt München, Verona, etc. so bildhaft, dass man meint, man steht dort. Nick, der etwas wortkarge Ermittler, ist einem gleich sympathisch. Pragmatisch, direkt aber dennoch auch bedacht und empathisch. Sein Kollege und Freund Aki hat ihn vor einigen Jahren aus einer schwierigen Situation in seinem Leben herausgeholt und von Berlin nach München gebracht. Und auch im Laufe der Ermittlungen setzt er sich immer wieder für Nick ein, steht hinter ihm und hält ihm den Rücken frei – ein Freund, auf den Verlass ist. Auch die Mordkommission 3 scheint ein lustiger Haufen zu sein. Mit einem Loch im Boden zu der darunterliegenden Dönerbude führt und aufgrund dessen es im Buch immer wieder zu lustigen Situationen kommt.

Besonders gut gefallen hat mir die Putzfrau Gabriella, die als Übersetzerin mit Nick gemeinsam nach Italien geht. Sie ist ein ganz eigener Charakter. Quirlig, lebensfroh und mit einer manchmal etwas eigenen Sicht auf die Dinge – ein herzlicher und emotionaler, manchmal etwas bunter Mensch, den man einfach ins Herz schließen muss! Ohne sie würde der Geschichte ein wichtiger Teil fehlen.

Fazit:
„Die Krieger“ von Martin Maurer basiert auf der wahren Geschichte von Wolfgang Abel und Marco Furlan, die für eine Mordserie bin in die 1980er hinein verantwortlich waren. Der Autor setzt diese wahren Begebenheiten perfekt mit fiktiven Personen und Situationen in Verbindung und schafft dadurch einen Kriminalroman, der einen packt und in das München und Italien der 1980er Jahre mit hineinzieht. Man begleitet den Ermittler Nick und die Putzfrau Gabriella bei ihren Nachforschungen, rätselt und bangt mit ihnen mit und ist von Anfang bis Ende gefesselt!

Ein „altes“ Thema, das aber derzeit wieder hochaktuell ist und welches von Marin Maurer perfekt umgesetzt wurde. Plus: Das Ende lässt darauf hoffen, dass es mindestens einen Fortsetzungsroman geben wird – mich würde das sehr freuen, denn ich möchte unbedingt mehr von Nick, Gabriella und der Mordkommission 3 lesen!!! Für alle, die Spannung suchen, Politthriller und Kriminalromane mögen ist dies das perfekte Buch! Eine ganz klare Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 02.11.2020

Ein unglaublich packendes und emotionales Epos, das dich mit auf eine Reise ins Italien des Jahres 1870 nimmt

Es war einmal in Italien
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Worum geht’s?
In der Schlacht um die Befreiung Roms kreuzen sich die Wege von Nella, Pietro und Marta und verbinden das Schicksal der drei auf untrennbare Weise. Gemeinsam kämpfen sie nicht nur für ein ...

Worum geht’s?
In der Schlacht um die Befreiung Roms kreuzen sich die Wege von Nella, Pietro und Marta und verbinden das Schicksal der drei auf untrennbare Weise. Gemeinsam kämpfen sie nicht nur für ein vereintes Italien, sondern auch darum, sich selbst zu finden und ihre Vergangenheit und Ängste hinter sich zu lassen um einen Neuanfang wagen zu können.

Meine Meinung:
Mit seinem historischen Roman „Es war einmal in Italien“ hat Luca Di Fulvio ein absolut beeindruckendes Buch geschaffen – für mich bis jetzt das Buch des Jahres 2020! Die bildhafte Sprache des Autors katapultiert die LeserInnen mitten hinein in die Geschehnisse in und um Rom im Jahr 1870. Er versteht es meisterhaft, die LeserInnen so zu fesseln, dass man das Buch bis zum Ende nicht aus der Hand legen möchte. Man sieht Rom vor sich, fühlt mit den Personen und besonders beeindruckend auch die Schlacht am Ende des Buches. Die Gefühle der LeserInnen gehen von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt und zurück. Man liest das Buch nicht nur, man fühlt das Buch!

Di Fulvio verknüpft gekonnt die historischen mit den fiktiven Begebenheiten. Er erschafft unglaublich authentische Personen, die man sofort ins Herz schließt. Nella, die Contessa, die aus dem nichts kommt, alle gewinnt und dann wieder alles verliert. Die dennoch nie aufgibt und stark ist und für sich und die Menschen, die ihr am Herzen liegen, alles gibt.

Pietro, den Waisenjungen, der seine große Leidenschaft in der Fotografie findet. Der tapfer und mutig an der Seite der Contessa steht, die ihn als Sohn aufgenommen hat und in der er eine Mutter findet, die ihn unterstützt und ihm vertraut. Pietro, der trotz seinem jungen Alter seinen Kopf durchsetzt, die Wahrheit zeigen möchte und für die Wahrheit kämpft. Marta, das kleine Zirkusmädchen, das in Pietro ihre große Liebe und in der Politik ihre große Leidenschaft findet, die sich im Laufe des Romans vom Mädchen zur Frau entwickelt. Und nicht zuletzt Melo, Martas Ziehvater. Der augenscheinlich einfache Pferdemann des Zirkus, der aber so viel mehr ist, als er zu sein scheint.

Auch Albanese, der am Anfang ein dunkler, unsympathischer Zeitgenosse zu sein scheint, schließt man dann doch noch ins Herz.

Und zugleich ist es eine Geschichte darüber, wie viel Einfluss die Vergangenheit hat. Darüber, wie die Personen sich selbst in der Vergangenheit finden müssen um zu erkennen, wer sie sind und was sie sind und um ihren Weg im Leben zu finden und gehen zu können.

Fazit:
„Es war einmal in Italien“ von Luca Di Fulvio ist für mich der historische Roman des Jahres 2020! Ich habe selten ein so beeindruckendes, bildhaftes, mitreißendes und emotionales Buch gelesen! Man fühlt sich hineinversetzt in die Geschehnisse in Rom im Jahr 1870, erlebt die Geschichte aus der Sicht der Protagonisten mit, freut sich mit ihnen, leidet mit ihnen, hofft mit ihnen. Ich war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite und noch darüber hinaus!

Von mir eine ganz klare Leseempfehlung – dieses Buch MUSS man gelesen haben!

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Veröffentlicht am 01.11.2020

Eine mitreißende Geschichte über Glück, Träume und Zusammenhalt in den Wirren des 2. Weltkriegs

Trümmermädchen
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Worum geht’s?
Anna wächst in einer Backstube in Köln bei Marie und Matthias auf. Trotz des Krieges verlebt sie zunächst eine glückliche Kindheit. Als jedoch Matthias eingezogen wird, droht alles um sie ...

Worum geht’s?
Anna wächst in einer Backstube in Köln bei Marie und Matthias auf. Trotz des Krieges verlebt sie zunächst eine glückliche Kindheit. Als jedoch Matthias eingezogen wird, droht alles um sie herum zu zerbrechen. Und das in einem der härtesten Winter, die Köln jemals erlebt hat. Doch Anna und Marie kämpfen für ihren Traum und das Versprechen, das sie Matthias gegeben haben.

Meine Meinung:
In ihrem Buch „Trümmermädchen“ erzählt Lilly Bernstein die Geschichte von Anna und ihrer Familie, wobei die politischen Aktivitäten zum großen Teil außen vor gelassen werden und sie sich auf das Schicksal dieser Familie sowie am Rande derer Freunde und Bekannten konzentriert. Dabei bringt sie viele Geschichten ein, die sie von ihren Eltern, Groß- und Urgroßeltern, die allesamt Bäcker waren, gehört hat. Und das merkt man. Ich glaube, ohne Hintergrundwissen wäre es nicht möglich, einen so lebendigen, bildhaften Roman zu schreiben, wie es der Autorin gelungen ist.

Ihre Erzählungen von den Entbehrungen, dem Kampf ums Überleben – alles wirkt so real. Die eisige Kälte des Winters, die Menschen, die teilweise ohne Schuhe und kaum Kleider am Leib ums Überleben kämpfen mussten. Eine grausame Zeit! Die Freude der Kinder über ein Stück Brot oder neue Stiefel. Karl, Annas kleiner Bruder, der sich schon als 4jähriger überschwänglich darüber freut, wenn eine Nachricht an der Hauswand verkündet, dass ein verlorengeglaubter Mensch – den er nicht mal selbst kennt – da oder dort wartet. Die Autorin bringt die Emotionen so real in ihre Geschichte ein, dass man sie beim Lesen selbst empfindet. Man fühlt die Kälte, den Hunger, fühlt aber genauso die Freude über jene noch so kleinen Dinge. Es ist unglaublich, was die Menschen damals für innere und äußere Kämpfe hatten. Man kennt vieles aus Geschichtsbüchern, aber das alles mit Anna, Marie und den anderen mitzuerleben, macht alles um ein vielfaches grausamer.

Besonders nahe ging mir die Stelle, als Marie von der Arbeit heimkommt, und Anna und Karl aus einem an den Bettpfosten gebundenen Besenstiel und selbstgebastelten Strohsternen einen Weihnachtsbaum für sie hergestellt haben, unter dem sie gemeinsam Weihnachten gefeiert haben. Überhaupt – der Zusammenhalt der Menschen, wie Matthias den Kohns geholfen hat, Marie ihrer Freundin Agnes, Anna den Straßenkindern.

Anna, Marie, Matthias und auch Karl sind einem sofort sympathisch. Man fühlt sich beim Lesen fast als Teil der Familie und hofft mit ihnen. Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Frauen in der Nachkriegszeit trotz des Mangels noch aufbringen konnten, um die Stadt Köln, bzw. ganz Deutschland wieder aufzubauen! Und wie sie dennoch nie die Hoffnung verloren haben. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass das Buch gut geendet hat!

Fazit:
„Trümmermädchen“ von Lilly Bernstein ist ein bemerkenswertes Buch, das einen ins Köln in der Nachkriegszeit führt. Man fühlt sich beim Lesen als Teil der Familie von Anna und Marie. Fühlt mit ihnen, kämpft mit ihnen, hofft mit ihnen und freut sich mit ihnen. Die Autorin hat dieses schwierige Thema perfekt umgesetzt. Sie schafft es, einen zu packen und mitten ins Köln der 1940er Jahre zu versetzen. Es zeigt nicht nur die Schrecken des Krieges, sondern auch die kleinen Dinge, über die die Menschen sich freuen konnten. Ich konnte nicht aufhören zu lesen!

Jeder, der historische Romane mag, wird dieses Buch ebenso lieben, wie ich. Von mir eine ganz klare Leseempfehlung!

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