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Veröffentlicht am 08.12.2022

Humorvolles Kinder-Gangster-Abenteuer mit jeder Menge Erklärungen

Die Smartphone-Waisen 1: Das Schloss der Smartphone-Waisen
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Marla Madelhuber verliert als Kind ihre Eltern, als diese ihr zu ihrem 10. Geburtstag gratulieren wollen. Sie stehen mit ihrem Smartphone und einem Selfie-Stick am Berghang und machen einen Schritt zu ...

Marla Madelhuber verliert als Kind ihre Eltern, als diese ihr zu ihrem 10. Geburtstag gratulieren wollen. Sie stehen mit ihrem Smartphone und einem Selfie-Stick am Berghang und machen einen Schritt zu viel, weil sie unaufmerksam sind. Als Erwachsene eröffnet Marla in Berlin ein Kinderheim für jene Kinder, die ein ähnliches Schicksal teilen wie sie. Doch eines Tages kommt ein Brief, der das kleine Paradies der Smartphone-Waisen zu zerstören droht… Nun ist guter Rat teuer und eine Lösung scheint zunächst nicht in Sicht.

Die fünf Kinder – Smartphone-Waisen – sind ziemlich unterschiedliche Charaktere, was der Geschichte schon mal reichlich Pepp verleiht. Mein Lieblingscharakter ist Kalli. Er liebt Ordnung, seine Sachen sind stets ordentlich und gebügelt und seine Haare jeden Tag gekämmt. Er ist der klassische Nerd mit richtig viel Grips und Ideen – und sowohl der Entführungs- als auch der Einbruchsleiter. Allein über diese Begrifflichkeiten konnte ich schon herzlich lachen.

Die Autorin schreibt herrlich leicht und kindgerecht. Man fliegt nur so durch die Geschichte. Das Beste dabei ist aber, dass sie den Leser mit in die Geschichte holt. Sie spricht ihn einfach direkt an und so manches Mal fühlt man sich dann auch erwischt, wenn sie sagt: „Na hast Du gedacht, dass…“ Diese Art mit dem Leser in Kontakt zu treten, verkürzt die Distanz zum Autor, finde ich. Darüber hinaus schafft sie es so, auf unterhaltsame Art und Weise Dinge zu erklären, die im Verlauf der Geschichte sonst vielleicht keinen Platz gehabt hätten. Ich mag diese Art zu schreiben sehr.

Am Beispiel von Artschie – dem Enkel von Oma Hermine, der das Schloss gehört, in das die 5 Kinder nur allzu gern einziehen würden – wird ganz wunderbar gezeigt, dass mehr in Menschen steckt, als man auf den ersten Blick vielleicht sieht. Und so werden die 5 Smartphone-Weisen – Kalli, Leo, Tara, Bodhi und Bhavani – und Artschie am Ende dicke Freunde, obwohl es anfangs gar nicht so aussah. Auch der Umstand, dass die 5 Kinder nicht unbedingt in ein Schema passen – Leo strickt, Tara kann hellsehen z.B. – finde ich super gelungen. Ihr Anderssein stört hier niemanden, ganz im Gegenteil, es ist eher von Vorteil, denn Kalli weiß alles zu nutzen um die gemeinsamen Pläne umzusetzen.

Oma Hermine ist einfach knorke. Sie kann zwar nicht mehr so gut laufen, hat aber einen Rennrollstuhl und ist einfach echt cool, genauso wie ihr Butler Mr. Gordon. So manches Mal wissen die beiden schon recht genau, was abgeht, dennoch sind sie weit davon entfernt, die Kinder zu bremsen oder auszuschimpfen. Es geht vielmehr darum, dass sie eigene Erfahrungen machen – so wie es im Grunde auch in der Realität sein soll(te), wie ich finde.

Die Illustrationen im Buch sind nicht allzu häufig, was mir gut gefällt, aber die Bilder, die wir finden, sind treffsicher gezeichnet. Ich mag sie sehr und es macht einfach Spaß auch einmal länger zu verweilen und die Details zu betrachten. Sie passen stets zu der Stelle im Buch, an der sie eingefügt wurden und untermalen die Geschichte, ohne ihr die Show zu stehlen.

Dieses Buch ist hervorragend geeignet zum Selbst- oder zum Vorlesen. Auch als Erwachsener hat man hier jede Menge Spaß und betrachtet die Welt der Kinder vielleicht auch einfach mal mit anderen Augen. Es lohnt sich jedenfalls.

Fazit:
Eine tolle Geschichte, spannend und humorvoll erzählt und durchaus dazu gemacht, noch ein zweites Mal gelesen zu werden. Die Illustrationen sind klasse gezeichnet und machen Freude. Von mir gibt es deshalb eine klare Leseempfehlung – sowohl für große als auch kleine Leser.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Wunderschöne Illustrationen, aber eine etwas undurchsichtige Geschichte

Die schreckliche Adele im Land der unerzählten Märchen
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Adele fragt sich, warum Prinzessinnen im Märchen immer in Schwierigkeiten stecken und die Prinzen sich überhaupt nicht anstrengen müssen… und schon findet sie sich in Zaubersam, dem Land der unerzählten ...

Adele fragt sich, warum Prinzessinnen im Märchen immer in Schwierigkeiten stecken und die Prinzen sich überhaupt nicht anstrengen müssen… und schon findet sie sich in Zaubersam, dem Land der unerzählten Märchen wieder. Hier kämpfen die kleinen Prinzessinnen alljährlich um den begehrten Titel der Sternenprinzessin und ihr eigenes Märchen.

Mich hat diese Geschichte etwas ambivalent zurückgelassen. Einerseits finde ich die Frage, die sich Adele stellt, wirklich interessant, denn sie verändert den Blick auf die Märchen im Allgemeinen. Es wird auch in der Geschichte wunderbar dargestellt, was Adele genau damit meint, sodass es für jeden verständlich und total ersichtlich ist. Andererseits fand ich es doch etwas fragwürdig, wie gemein und teilweise bösartig die Prinzessinnen untereinander sind, bis hin zu dem Umstand, dass eine der Prinzessinnen die anderen mit einer Dampfwalze plattwalzen will, um sich so den Sieg zu sichern. Auch hier ist es wieder so, dass ich es einerseits total klasse finde, dass einer Prinzessin die Fähigkeit (nämlich Dampfwalze zu fahren) zugesprochen wird, die normalerweise eher einem männlichen Helden angepasst wird, aber andererseits ist ihr Ansinnen wieder so überhaupt nicht das, was ich tolerieren möchte, da es fast schon etwas gewalttätiges hat.

Ich mag Adele irgendwie, aber auch sie hat einige Eigenschaften, die ich nicht so sehr schätze, wie zum Beispiel Dinge nur zum eigenen Vorteil zu tun oder andere gegeneinander aufzubringen. Natürlich ist mir bewusst, dass dies alles eine Geschichte ist. Wenn ich jedoch darüber nachdenke, dass diese Geschichte für Kinder ab 8 geschrieben wurde, dann frage ich mich, welchen Eindruck die lesenden Kinder wohl bekommen und welche Schlüsse sie aus dem Gelesenen ziehen.

Zu Adeles richtig positiven Eigenschaften zähle ich hingegen, dass sie für sich selbst und ihre Überzeugungen einsteht und vor allem auch den Mut dazu hat, selbst wenn alle anderen ganz anderer Meinung sind und auch, dass sie gar nicht Sternenprinzessin werden möchte. Das macht mir diese Figur überaus sympathisch. Äußerlichkeiten sind nicht so wichtig (sie reißt einfach das unpraktische Kleid ab, der Titel Sternenprinzessin ist ihr nicht wichtig usw.) und die Fragen, die sie sich - und damit dem Leser - stellt, finde ich teilweise wirklich tiefgründig.

Die Bilder sind wunderschön gezeichnet. Da ich bisher noch nicht viele Comics gelesen habe und auch nach wie vor Geschichten in Romanform bevorzuge, fällt es mir normalerweise recht schwer, auch Illustrationen wahrzunehmen, da mir eigentlich die Bilder in meinem Kopf ausreichen. In diesem Fall jedoch habe ich mir die Bilder lange angesehen und ich fand so manche Situation wirklich witzig, z.B. der lila Bär, der mit dem Eichhörnchen lieber kuschelt, als es zu fressen oder der Tiger, der in Eveline, die amtierende Sterneprinzessin, verliebt ist.

Adele bemerkt diese - für sie verkehrte - Welt und versucht Ordnung zu schaffen. Die Idee, die sie am Ende entwickelt, finde ich ausgesprochen schön, denn sie sorgt dafür, dass alle zufrieden sein können - fast wie im richtigen Märchen, in dem am Ende auch alles gut wird.

Die Zeichnungen finde ich außerdem deshalb sehr gelungen, weil sie Tempo ausstrahlen und damit die Geschichte lebendig werden lassen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mein 8jähriges Kind diese Geschichte allein lesen lassen würde. Liest ein Erwachsener mit dem Kind zusammen, hat man immer noch die Möglichkeit, die Handlungen zu reflektieren und mit der realen Welt in Einklang zu bringen. Allein könnte ein Kind hier vielleicht einen falschen Eindruck bekommen.

Fazit:
Wunderschöne Zeichnungen, die die erzählte Geschichte lebendig werden lassen. Die Geschichte selbst lässt mich ambivalent zurück, da ich einige Eigenschaften der handelnden Figuren nicht mag.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Welches Arschloch bin ich selbst?

Ein Arschloch kommt selten allein
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Auf den ersten Blick mag der Titel des Buches etwas rüde und provokativ daher kommen. Soll er vielleicht auch! Beim Lesen jedoch bemerkt man schnell, dass die Ausführungen der Autorin weder das Eine noch ...

Auf den ersten Blick mag der Titel des Buches etwas rüde und provokativ daher kommen. Soll er vielleicht auch! Beim Lesen jedoch bemerkt man schnell, dass die Ausführungen der Autorin weder das Eine noch das Andere sind. Vielmehr erklärt sie sachlich fundiert, ohne Zurückhaltung aber mit einem Augenzwinkern und jeder Menge Humor die unterschiedlichen Arschlochtypen und - was ich am Wichtigsten finde - wie sie zu dem wurden, was sie sind. Dazu nutzt Claudia Hochbrunn Beispiele, die für wirklich jeden nachzuvollziehen sind.

Im ersten Teil des Buches werden die verschiedenen Typen vorgestellt und bereits hier kommt der Leser nicht umhin, sich die Frage zu stellen, welche Eigenschaften wohl auf ihn selbst zutreffen. Das betrifft sowohl die positiven als auch die negativen Eigenschaften. Mir ging es so, dass ich mich des Öfteren mal ertappt fühlte und so bleibt Hochbrunns Aussage, dass jeder von uns irgendeinem Arschlochtyp entspricht, (leider) wahr. Das Wichtigste jedoch ist, selbst wenn sie hier von Arschlöchern spricht, so wohnt jedem Charaktertyp niemals nur Negatives inne.

Der zweite Teil ist einem Selbsttest gewidmet. Der macht allerdings nur wirklich Spaß (und Sinn), wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Und immerhin muss man das Ergebnis ja niemandem verraten. Es ist erstaunlich, welche Erkenntnisse man selbst für sich daraus ziehen kann. Natürlich sind die Fragen und möglichen Antworten teilweise etwas überzogen, aber am Ende folgt eine wunderbar verständliche Erklärung in der Auswertung. Ich hatte meinen Spaß und habe mehr als einmal herzhaft gelacht.

Den dritten Teil widmet die Autorin der Frage, wer zu wem passt. Gerade hier wird es sehr deutlich, dass niemals alles schlecht ist, sondern dass in jedem Typen sowohl positive als auch negative Eigenschaften stecken und dass auf jeden Topf auch ein Deckel passt - eben wie es im Leben tatsächlich ist. Mich hat dieser Teil besonders fasziniert, denn vor dem Hintergrund des eigenen Tests kann man hier auf den Prüfstand stellen, ob man tatsächlich einen passenden Partner hat. Falls nicht… Nun vielleicht ist das der Grund für den letzten Streit?

Im vierten und letzten Teil geht es um die Frage, wie man am besten mit den unterschiedlichen Arschlochtypen umgehen kann. Mit Sicherheit ist dies keine Anleitung dafür, wie es ab sofort richtig und gut läuft, aber es lohnt sich auf jeden Fall darüber nachzudenken und mit etwas Glück kommt sogar der eine oder andere Aha-Effekt dazu, dem das Verstehen des Anderen zugrunde liegt.

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychatrie und Psychotherapie. Ihre Ansichten - mögen sie auch noch so humorvoll dargelegt werden - sind also fachlich fundiert. Und gerade dieser Aspekt bringt mich beim Lesen dazu, doch einmal genauer über das Gelesene nachzudenken, vielleicht in Gedanken ein paar Kreise zu ziehen und Revue passieren zu lassen. Wie schon oben erwähnt, man muss die eigenen Erkenntnisse ja mit niemandem teilen, aber der Mehrwert in der Interaktion mit anderen Menschen oder aber bei der eigenen Betrachtung von Situationen dürfte unbedingt gegeben sein.

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Die Autorin ergeht sich nicht in ellenlangen Ausführungen in Medizinerdeutsch, das man nur mit einem Lexikon versteht, sondern schreibt kurz und knackig in Beispielen, die jeder schon mal erlebt haben könnte oder sich zumindest gut vorstellen kann. Sie schreibt mitten aus dem Leben und somit für wirklich Jedermann. Damit wird aus dem Sachbuch eher eine Ansammlung von lebensnahen Anekdoten, über die der Leser schmunzeln kann.

Fazit:
Ein Sachbuch, das eigentlich gar keines ist. Ein Buch, das dem Leser zeigt, welcher Typ er selbst (vermutlich) ist und wie er mit anderen Typen (besser) umgehen kann. Das Buch zeigt ehrlich die Schwachstellen der einzelnen Arschlochtypen, tut dies jedoch stets mit einem Augenzwinkern und ganz viel Humor. Und wie der Klappentext so schön sagt: Bitterböse, sehr, sehr lustig und leider wahr. Unbedingt lesen! Es lohnt sich. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 24.11.2021

Eine Reise durch die Zeit

Mehr als die Finsternis
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Mit diesem Buch tauchen wir ein in die Zeit der Hyperinflation 1923. Es ist eine Zeit, in der Geld quasi keinen Wert mehr hat. Hierbei handelt sich um den zweiten Teil der Reihe um Gut Mohlenberg, auf ...

Mit diesem Buch tauchen wir ein in die Zeit der Hyperinflation 1923. Es ist eine Zeit, in der Geld quasi keinen Wert mehr hat. Hierbei handelt sich um den zweiten Teil der Reihe um Gut Mohlenberg, auf welchem Friederike von Aalen und ihr Vater Dr. Meinhardt - beide Psychoanalytiker - liebevoll und kompetent darum bemüht sind, ihren Patienten ein lebenswertes Leben zu geben. Dies ist zu Zeiten der staatlichen Nervenheilanstalten, in denen die Patienten oftmals gequält wurden, keineswegs üblich.

Friederike von Aalen ist eine sympathische Figur, die wir bereits im ersten Teil dabei begleiten durften, wie sie einen Mord aufklärt. Auch diesmal hat Friederike es mit der Frage zu tun, ob der Selbstmord am Beginn des Buches wirklich einer war oder nicht. Damit bleibt sich die Autorin treu, dass sie hier ein Buch vorlegt, welches nicht ausschließlich ein historischer Roman ist, sondern auch einen nicht sofort durchschaubaren Kriminalfall beinhaltet. Ihr Hauptaugenmerk jedoch liegt nach wie vor auf der Entwicklung ihrer Figuren.
Friederike mag ich besonders ob ihrer intelligenten Fragen, mit denen sie nicht nur Kommissar Lechner so manches Mal ins Schwitzen bringt, und ihres Wortwitzes. Außerdem versteht es Friederike zu Gunsten ihrer Schützlinge auch schon einmal Gesetze zu beugen. Dies ist ein Charakterzug, den ich besonders mag, da sie diese Fähigkeit nur dazu nutzt, ihre Patienten zu schützen, nicht aber um sich selbst Vorteile zu verschaffen.

Im Zusammenspiel mit Fräulein Wermut erlebt der Leser spritzige Dialoge zwischen dieser und Friederike und lernt, dass der erste Eindruck nicht immer der Richtige sein muss. Fräulein Wermut ist ein großartiger Charakter - intelligent, wandelbar und überhaupt nicht durchschaubar. Zunächst ist sie eine bissige, alte Gouvernante, der ich nicht allzu viel Sympathie entgegen bringen konnte, weil ich stets den Eindruck hatte, dass sie mit ihrem Leben unzufrieden sei und dies auf ihr Umfeld abzuwälzen versuchte. Nach und nach zeigt sich jedoch, was wirklich in ihr steckt. Streckenweise habe ich herzlich über ihren Humor gelacht und selbst Luise, welche unter Fräulein Wermuts Aufsicht nach Mohlenberg kam, muss feststellen, dass sie sich geirrt hat. Melanie Metzenthin gelingt es durch kleine, aber sehr prägnante Hilfsmittel, wie z.B. Fräulein Wermuts Gehstock ein ganz bestimmtes Bild der Figur zu zeichnen. Fräulein Wermut - eigentlich nur eine Nebenrolle - ist mir die liebste Figur und je weiter der Roman fortschreitet, desto mehr lässt die Autorin einen Blick hinter deren Kulissen zu und erzählt so ein interessantes Leben.

Vor dem Hintergrund, dass sie es sich zu dieser Zeit nicht leisten kann, Patienten abzulehnen nimmt Friederike die 17jährige Luise Jannsen auf, die laut ihrer Eltern wie ein widerborstiger Junge ist und therapiert werden müsse. Von Anfang an hatte ich daran meine Zweifel, jedoch ist die Zeit, in der diese Geschichte spielt, noch längst nicht so emanzipiert, wie wir das heute gewohnt sind. Gemeinsam mit Luise kommt auch eine andere junge Frau nach Mohlenberg.
Insgesamt schreibt die Autorin ihre Charaktere vielschichtig. Sie entwickeln sich über die Länge der Geschichte stetig weiter und nach und nach erfährt der Leser mehr über sie, lernt sie kennen und verstehen. Das macht die Geschichte lebendig und authentisch.
Hinzu kommt, dass Melanie Metzenthin ein Bild der Zeit zeichnet. Mit viel Liebe zum Detail ohne dabei detailverliebt zu sein, erzählt sie von den Schwierigkeiten des Lebens in dieser Zeit, aber auch davon, wie leicht es manchmal sein konnte.

Interessant finde ich wieder einmal, wie aktuell Metzenthins Bücher sind. Das Thema Rassismus ist keines, das erst in unserer Zeit entstanden ist, sondern vielmehr gab es dies schon viel früher. Außerdem zeigt sie auf, dass das Wissen um Dinge maßgeblich wichtig ist um sich eine Meinung zu bilden.

Zwischenzeitlich habe ich einige Bücher der Autorin gelesen. Ihr Schreibstil ist und bleibt wunderbar leicht - selbst wenn es ihre Themen nicht sind. Melanie Metzenthin versteht es ausgesprochen gut mehrere Handlungsstränge zu verknüpfen, den Spannungsbogen der unterschiedlichen Stränge stetig hoch zu halten, nie zu viel zu verraten und den Leser tatsächlich auf eine Reise in die Vergangenheit mitzunehmen. Darüber hinaus schreibt sie flüssig und schnörkellos. Das Flair der Zeit und der Umgebung fängt sie ein und auch wer Lüneburg nicht kennt, wird sich ein Bild machen können.

Die historischen Hintergründe sind umfänglich recherchiert. Dies kann der interessierte Leser dem ausführlichen Nachwort entnehmen, in welchem die Autorin beschreibt, wo sich Wahrheit und Fiktion treffen. Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen.

Fazit:
Melanie Metzenthin legt mit “Mehr als die Finsternis” die gelungene Fortsetzung auf Gut Mohlenberg vor. Gespickt mit viel deutscher Geschichte, Humor und menschlichen Schicksalen lässt einen die Geschichte erst auf der letzten Seite wieder los. Wer sich in historischen Romanen zu Hause fühlt und die Spannung eines guten Cosy Crime zu schätzen weiß, ist hier genau richtig! Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und 5 wohlverdiente Sterne.

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Veröffentlicht am 24.11.2021

Gamaches erster Fall

Das Dorf in den roten Wäldern
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Diese Rezension möchte ich mit einem Zitat beginnen, welches den Inhalt des Buches sehr genau zusammenfasst: S. 392 "Das Leben hier war weit davon entfernt, hektisch zu sein. Aber es stand auch nicht still."
Eben ...

Diese Rezension möchte ich mit einem Zitat beginnen, welches den Inhalt des Buches sehr genau zusammenfasst: S. 392 "Das Leben hier war weit davon entfernt, hektisch zu sein. Aber es stand auch nicht still."
Eben dieser Umstand macht das Buch, in dem es um den ersten Fall im kleinen Örtchen Three Pines irgendwo in Kanada geht, für mich so lesenswert. Gewöhnlich ist die Sparte Cosy Crime nicht unbedingt meine bevorzugte, als ich im Buchhandel jedoch die vielen unterschiedlichen Bücher von Louise Penny sah, habe ich zugegriffen. Das Werbekonzept ist bei mir also aufgegangen.

Im kleinen Örtchen Three Pines wird die Leiche der allseits sehr beliebten, ehemaligen Dorflehrerin Jane Neal gefunden. Eben weil Mrs Neal bei allen so beliebt war und sie ganz offensichtlich keine Feinde hatte, erscheint es überaus fraglich, ob es sich tatsächlich um Mord oder doch eher um einen Unfall handelt. Chief Inspector Armand Gamache glaubt zunächst das Offensichtliche, aber ist das wirklich so?

Gamache ist ein sympathischer Mensch, ruhig und direkt. Er wird von seinen Mitarbeitern nicht nur wegen seiner Erfahrung sehr gemocht, sondern insbesondere wegen seiner wertschätzenden Art. Ich finde es wirklich bemerkenswert, wie er auch schwierige Situationen stets auf Augenhöhe und ohne seinen Gegenüber abzuwerten meistert. So mochte auch ich ihn auch von Anfang an. Ein wenig erinnert er mich an Columbo, der zwar auch diverse unangenehme Fragen stellt, aber dabei immer wertschätzend bleibt.

Umgeben ist Gamache von vielen Mitarbeitenden, von denen nicht viele wirklich im Vordergrund stehen. Er ist die zentrale Figur auf der Ermittlerseite. Zwei sind aber dennoch zu erwähnen. Zum Einen wäre da Yvette Nichol - eine junge, aufstrebende Polizistin, die verzweifelt darum bemüht ist, Ansehen zu erlangen - insbesondere Gamaches Ansehen. Zu Beginn erscheint sie beflissen und sympathisch. Doch schon bald wird sie mir immer unsympathischer. Sie wirkt auf mich überheblich und arrogant, glaubt ständig, dass sie von ihrer Umwelt nur missverstanden wird und greift schlussendlich sogar zum Stilmittel der Lüge womit sie Gamaches Ermittlungen behindert. Ihr fehlt eben genau das, was alle Charaktere und auch ich an Gamache schätzen.
Der andere Mitarbeiter ist Inspector Beauvoir, eine treue Seele und zufrieden in seiner Position als Gamaches Mitarbeiter. Er bewundert Gamache und hat bereits viel von ihm gelernt. Dabei ist er ebenso sympathisch wie Gamache und obwohl wir die beiden noch gar nicht näher kennen, macht es den Eindruck, als würden sie bereits viele Jahre zusammenarbeiten. Eine wunderbare Mischung aus Menschlichkeit und Effizienz.

Die Dorfbewohner sind vielfältig. Manche machen sich schnell verdächtig, andere schließt der Leser wohl sofort aus. Die Autorin versteht es, Dinge zunächst auf eine bestimmte Art erscheinen zu lassen und dann ganz langsam das Bild zu übermalen oder auch den Hauch der Friedfertigkeit abzuziehen. Dabei geht sie behutsam vor, allerdings ist es nicht so, dass sich die Geschichte lang hinziehen würde. Es passiert immer irgendetwas und so habe ich das Gefühl, dass das Tempo der Geschichte an das des gewöhnlichen Dorflebens angepasst ist.
Zu Beginn des Buches taucht der Leser in ein Dorf irgendwo in Kanada ein. Es ist ruhig und beschaulich und die Dorfbewohner sind eben Dorfbewohner, denen man nichts böses zutrauen möchte. Häppchenweise lässt Penny mehr und mehr die Masken fallen, die Dorfbewohner werden zu Freunden des Lesers - oder eben auch zu Menschen, die man lieber nicht kennen möchte. So erhält der Leser einen Blick hinter die Kulissen, wo längst nicht mehr alles dörflich und beschaulich ist.

Besonders fasziniert hat mich dabei der Umstand, dass die Autorin einen tiefen Einblick in die kanadische Gesellschaft liefert. Quebec ist ein Kanton, in dem beispielsweise englisch und französisch gesprochen wird. Allein hierin liegen schon gesellschaftliche Gegensätze. Zudem konfrontiert sie den Leser mit Vorurteilen und Diskimierung in der Gesellschaft. Dies tut sie jedoch so überhaupt nicht vordergründig, sondern lässt es vielmehr wie nebenbei einfließen und verdichtet so immer mehr das Bild dieses kleinen Dörfchens in dem bis zu Jane Neals Tod die Welt noch in Ordnung war.

Mir gefällt - ganz gegen meine Gewohnheit - die Gemächlichkeit der Geschichte und der Umstand, langsam zusammen mit Gamache und Beauvoir die Dorfbewohner kennenzulernen. Die Autorin zeichnet vielschichtige Charaktere, die so überaus authentisch daherkommen, als könnte man ihnen an jeder beliebigen Straßenecke begegnen. Sie spielt mit kleinen Details ohne sich in ihnen zu verlieren; sie beschreibt die Dinge, sodass es dem Leser leicht fällt, sich das Dorf und die Menschen darin vorzustellen. Dabei bedient sich die Autorin einer Schreibweise, die einen durchgängigen Lesefluss ermöglicht. Nur ganz zu Anfang, wenn die Figuren noch nicht so bekannt sind, muss man sich vielleicht etwas mehr konzentrieren, eben weil es recht viele Figuren sind, die hier agieren.

Einen Minuspunkt muss ich jedoch anbringen. Obwohl mir das Buch wirklich gut gefällt, finde ich den Preis von 17,90 Euro für ein Softcover mit knapp 400 Seiten unverhältnismäßig hoch.

Fazit:
Ein gelungener Cosy Crime im fernen Kanada, bei dem es Freude macht, gemeinsam mit den Ermittlern dem Fall auf die Spur zu kommen. Die Gemächlichkeit der Geschichte passt zum Leben in einem Dorf und die Charaktere sind vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat. Wer Freude an der Langsamkeit haben kann und wer auch nicht vor gesellschaftskritischen Aspekten innerhalb einer fiktiven Geschichte zurück schreckt, sollte hier unbedingt zugreifen. Es lohnt sich. 5 von 5 Sternen.

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