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Veröffentlicht am 14.07.2019

Jedes alte Haus hat ein Geheimnis - auch das Blaubeerhaus

Das Blaubeerhaus
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Das Buch

Autor: Antonia Michaelis
Titel: Das Blaubeerhaus
erschienen: 17.09.2015
Verlag: Oettinger
Genre: Kinderbuch
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-7891-4300-7

Das Cover zeigt das Blaubeerhaus ...

Das Buch

Autor: Antonia Michaelis
Titel: Das Blaubeerhaus
erschienen: 17.09.2015
Verlag: Oettinger
Genre: Kinderbuch
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-7891-4300-7

Das Cover zeigt das Blaubeerhaus genauso krumm und schief, wie man es sich vorstellen möchte, aber dennoch scheint es so, als sei es etwas besonderes. (Ist es ja auch!) Der Hardcovereinband ist dafür geeignet, das Buch mit einem Kind gemeinsam zu lesen oder das Kind selbst lesen zu lassen, wenn man davon ausgeht, dass ein Kind etwas länger braucht um ein Buch zu lesen.
Das Buch ist in 2 Teile unterteilt, was die beiden Ferienreisen zum Blaubeerhaus darstellt. Die Illustrationen sind liebevoll und passend zum Text gesetzt. Die Tagebucheinträge setzen sich vom restlichen Text ab, indem sie auf „alten Zetteln“ dargestellt sind.

Warum ausgerechnet dieses Buch?

Ich weiß noch, wie ich in der Buchhandlung stand und das erste Mal in diesem Buch gelesen habe. Dann musste ich los, weil ich mein Bahn kriegen musste. Und so ging es mehrere Tage jeden Morgen. Als ich dann zu Weihnachten mein Geschenk auspackte, lag dieses Buch darin und ich habe mich riesig darüber gefreut. Seit dem versuchte ich, dieses Buch gemeinsam mit meinem 9jährigen Sohn zu lesen und als er jetzt für eine sehr lange Zeit in den Urlaub gefahren ist, habe ich mich dran gemacht und es in einem Rutsch gelesen.

Handlung

2 Familien und Tante Fee erben das Blaubeerhaus von der alten, schon etwas merkwürdigen Tante Lene. Die beiden Familien kennen sich nur wenig, obwohl sie miteinander verwandt sind und wollen hier nun innerhalb der Ferien sehen, was am Haus gemacht werden muss, damit es verkauft werden kann. Die 10jährige Imke und der gleichaltrige Leo wollen sich anfangs nicht leiden können, doch je mehr Abenteuer sie miteinander erleben, desto mehr schweißt es sie zusammen. Und so unterschiedlich die Menschen sein mögen, sie alle verbindet das Blaubeerhaus und sein Geheimnis.
Gleichzeitig wird die Geschichte von Lene und Avi erzählt, die mitten im 2. Weltkrieg im Blaubeerhaus leben. Diese Geschichte wird in Tagebucheinträgen berichtet, die Lene verfasst hat und Leo und Imke versuchen in der Gegenwart diese Geschichte zu rekonstruieren.

Perspektiven / Dialoge

Die Geschichte wird mal von Imke und mal von Leo erzählt. Leider ist der Erzählstil beider Kinder so ähnlich, dass man nur schwer erkennen kann, wer gerade erzählt. Die Passagen sind zwar entsprechend überschrieben, aber dennoch muss man hin und wieder zurück blättern um zu sehen, wer gerade berichtet. Während die beiden ausschließlich erzählen, gibt es teilweise recht wenige Dialoge, was sie Geschichte etwas starr macht. Sobald jedoch mehrere Personen agieren, fließen sehr schöne Dialoge mit witzigen Einlagen ein, die einen öfter zum Schmunzeln bringen. Auch während der Erzählung gibt es immer wieder Sätze, über die man einfach nur lachen kann. Insbesondere dann, wenn den vielen fast zahmen Tieren sehr menschliche Verhaltensweisen angedichtet werden (S. 239 „Der Hase tat etwas, das Schulterzucken sehr ähnlich sah...“) oder wenn sich die Kinder zu den Verhaltensweisen der Erwachsenen äußern. (S. 232 als einer der Väter auf der Suche nach einem Vogel im Vogelbuch ist „Er glaubt, der hieße Waldgrauschwänzling, aber ich weiß zufällig, dass er Doris Müller heißt.“)

Figuren

Die beiden Hauptfiguren sind Leo und Imke, die in recht unterschiedlichen Elternhäusern aufwachsen. Die Neugier jedoch verbindet sie und so dauert es nicht lange, bis sie gemeinsam auf die Suche nach dem Geheimnis des Blaubeerhauses gehen. Als Leo das Tagebuch der jungen Lene entdeckt, haben sie etwas, das sie erforschen können und gleichzeitig vor den Erwachsenen verbergen wollen. Die beiden sind authentisch und liebenswert, ebenso wie die Erwachsenen. Die Probleme, die Kinder miteinander, mit ihren Eltern und umgekehrt haben können, sind gut nachvollziehbar und ein Kind wird sich darin sicherlich wieder finden. Nur Tante Fee ist etwas seltsam. Nicht nur dass sie meditiert, wann und wo immer es geht, sie hält sich auch aus allem weitgehend heraus, wenn es um das Arbeiten mit den Händen geht. So bekommt der Leser den Eindruck, sie sei sich zu schade dafür.
Imke und Leo lesen gemeinsam Lenes Tagebuch und gerade, weil es im und am Blaubeerhaus spielt, wird die Geschichte nicht nur für Imke und Leo sondern auch für den Leser lebendig. Es wird immer deutlicher, dass es einen Schatz zu entdecken gibt und natürlich ist das Jagdfieber schnell geweckt. Dabei stoßen die Kinder immer wieder auf Hindernisse, die sie aber gemeinsam super lösen.
Ference, ebenfalls 10, kommt später hinzu. Bis zum Schluss konnte ich nicht sagen, dass ich ihn besonders gut leiden konnte, weil er oftmals mufflig war und sich offensichtlich gestört fühlte, dass überhaupt jemand Anspruch auf das Haus haben könnte – außer er. Allerdings hat er den beiden Stadtkindern auf seine ganz eigene Art und Weise erklärt, wie man im Wald überleben kann.

Schreibstil

Der Schreibstil von Antonia Michaelis gefiel mir und auch ein Kind im entsprechenden Lesealter zu den Protagonisten kann damit gut umgehen. Es gibt nur wenige schwierige Wörter, die Satzbauten sind einfach gehalten und durch die witzigen Bemerkungen wird der Text aufgelockert. Meinem Sohn hat es immer Spaß gemacht, wenn wir in diesem Buch gelesen haben und es gab wenige Fragen danach, was etwas bedeutet.
Auch mochte ich die Tatsache, dass mit dem Fortschreiten der Geschichte, das Haus selbst immer mehr eine Seele zu bekommen schien. Selbst die Erwachsenen haben diesen Umstand bemerkt. Am Ende hatte ich den Eindruck, dass das Haus ebenfalls einer der Protagonisten geworden war.

Setting

Der zentrale Ort der Geschichte ist das Blaubeerhaus und der Wald darum herum. Der Autorin gelingt es immer wieder neue Atmosphären zu schaffen. Mal ist es gruselig, wenn sich die Bewohner etwas nicht erklären können, dann wieder ist es einfach eine lockere Stimmung. Dazu das Ungeschick der Stadtmenschen, wenn sie mal ohne fließend Wasser und Strom auskommen müssen. Wenn die Kinder im Tagebuch lesen, kann man zumindest in Ansätzen fühlen, wie es damals gewesen sein muss. Ein wenig wird auch erklärt, was es mit den Juden im 2. Weltkrieg auf sich hat, aber nicht zu ausführlich. Toll fand ich, dass der Wald trotz des Umstandes des Krieges nicht als grau in grau beschrieben wird, sondern als genauso farbenfroh und schön, wie wir ihn heute kennen.

Fazit

Dieses Buch hat am Ende gehalten, was es mir vor so langer Zeit im Buchladen versprochen hat. Es machte Spaß es zu lesen – sowohl mit meinem Kind als auch allein. Der Leser begleitet die beiden 10jährigen Imke und Leo auf einer Reise in eine andere Zeit – eine wirklich grausame Zeit – und gleichzeitig entdeckt er mit ihnen die Schönheit der Unvollkommenheit des Hauses.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Umfang des Buches mit 350 Seiten tatsächlich für einen Schüler der 3. Klasse geeignet ist um es allein zu lesen, aber zu zweit klappt es ganz gut. Darüber hinaus weiß ich nicht, ob das Thema 2. Weltkrieg unbedingt schon etwas für die Kinder in diesem Alter ist. Andererseits weckt das Buch vielleicht auch Fragen zu diesem Teil der Geschichte.
Ich konnte mich gut in die Geschichte fallen lassen und deshalb gibt es von mir 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 10.07.2019

[re-read][Fantasy] Wie war das wirklich mit Schneewittchen?

Die Grimm-Chroniken (Band 1)
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Die Grimm Chroniken 1/13

Das Buch

Autor: Maya Shepherd
Titel: Die Apfelprinzessin
erschienen: 31.07.2018
Verlag: Sternensand Verlag
Genre: Fantasy
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-906829-70-8

Das ...

Die Grimm Chroniken 1/13

Das Buch

Autor: Maya Shepherd
Titel: Die Apfelprinzessin
erschienen: 31.07.2018
Verlag: Sternensand Verlag
Genre: Fantasy
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-906829-70-8

Das Cover ziert ein junges Mädchen im weißen Kleid, welches vor einem Rahmen steht, der zu einem Spiegel gehören könnte. Die Buchstaben auf dem Cover sind erhaben und haben eine angenehme Haptik beim Lesen. Der Gesamteindruck ist verträumt, vielleicht sogar romantisch.
Die Kapitelanfänge sind mit Illustrationen verziert, die ebenfalls einen romantischen Touch haben und die Kapitelüberschriften sind treffend gewählt.

Warum ausgerechnet dieses Buch?

Der Klappentext deutet darauf hin, dass hier gründlich mit den Märchen der Brüder Grimm aufgeräumt werden soll, was für mich seiner Zeit ein Grund war, das Buch das erste Mal zu lesen. Ich liebe Märchen seit ich ein Kind war. Ich kaufte das Buch auf der Leipziger Buchmesse und las es noch am selben Abend. Im Zuge der Summer Reading Challenge bei vorablesen.de und weil ich mir die fehlenden Teile mittlerweile besorgt habe, habe ich das Buch ein weiteres Mal in die Hand genommen und gelesen.

Handlung

Ausgerechnet der 17jährige Will, der Märchen überhaupt nicht mag, bekommt Post von Königin Mary, die ihn einlädt zu einem alten verwitterten Bahnhof in Berlin zu kommen um die Märchenwelt zu retten. Er lässt sich von den Geschwistern Joe und Maggie überreden und schneller als die 3 gucken können, stecken sie mitten in einem (nicht ganz ungruseligen) Abenteuer.

Perspektiven

Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt. Im deutlich kürzeren Teil berichtet Königin Mary von ihrem Leben und welches Unrecht ihr durch die Brüder Grimm widerfahren ist und auf der anderen Seite erfährt der Leser wie es Will in der Jetztzeit ergeht und warum er überhaupt so eine Abneigung gegen Märchen hat. Königin Mary erzählt in der Ich-Form, während Wills Geschichte in der 3. Person geschrieben ist.
Die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit finde ich gelungen, auch wenn am Ende dieses ersten Teils nicht klar ist, wie und an welcher Stelle sich die Wege von Will und Königin Mary kreuzen werden.

Figuren

Will und Maggie sind die sympathischen Helden der Geschichte. Sie teilen beide ein ähnliches Schicksal, aber während Maggie Märchen mag, verabscheut Will diese. Ich mag den Zwiespalt in dem sich Will nur all zu oft befindet. Man kann mit ihm mitfühlen und würde es verstehen, wenn er vielleicht auch anders handeln würde, als er es tut. Dennoch ist man als Leser irgendwie froh, dass er seine Entscheidungen genau so trifft. Maggies Bruder Joe ist ein Draufgänger und sonnt sich in der Bewunderung der Mädchen. Mir ist er nicht wirklich geheuer, aber besonders viel erfährt man hier auch (noch) nicht über ihn.
Königin Mary ist das liebliche Wesen, dem niemand etwas Böses wünscht oder zutraut. Aber ist sie das wirklich? Immerhin versucht sie dem Leser weiß zu machen, dass nicht sie sondern Schneewittchen die Personifizierung des Bösen ist.

Die Erwähnung von Alice mit ihrem weißen Kaninchen und einem Dorian empfand ich als nicht wirklich passend, denn beide Figuren sind nie in einem Märchen der Brüder Grimm aufgetaucht (meine ich).

Schreibstil

Der Schreibstil von Maya Shepherd ist flüssig und leicht zu lesen. Wer selbst Grimms Märchen gelesen hat, weiß auch, worauf sie anspielt, selbst wenn sie nicht alles erklärt. Ich mag es, wie sie den Märchenfiguren ihr ganz eigenes Gesicht gibt. Man kann sie sich wirklich gut vorstellen. Sie bringt Aspekte ein, die so völlig konträr zu den bekannten Märchen sind und schafft es so, einen völlig neuen Blickwinkel zu erschaffen.

Setting

Die Orte, an denen die Geschichte spielt, passen sehr gut zur Geschichte. Einerseits das alte, aber doch irgendwie sterile Krankenhaus, dann wieder der verwitterte Bahnhof, an dem die eigentliche Reise beginnt, ein gruseliger Wald... Es ist alles dabei und passt zur jeweiligen Szenerie. Die Autorin schafft es eine glaubhafte Atmosphäre zu beschreiben, sodass es leicht ist, sich in die Geschichte fallen zu lassen.

Fazit

Dieses Buch ist ein gelungener Auftakt zu einer neuen Serie, der Lust auf Teil 2 macht. Die Orte an denen die Autorin schreibt, gibt es zumindest teilweise tatsächlich, was die Geschichte noch glaubwürdiger macht. Am Ende dieses Teils sind viele Fragen offen, die es beinahe zwangsläufig notwendig machen, den 2. Teil zur Hand zu nehmen. Maya Shepherd schafft es einen völlig anderen Blickwinkel auf die altbekannten Märchen der Brüder Grimm zu entwerfen, sodass ich mir die Frage stelle, ob diese Perspektive vielleicht die wahre sein könnte. Auch beim zweiten Lesen hat das Buch nichts von seinem Charme eingebüßt. Wer Märchen und Fantasy mag, macht mit diesem Buch ganz sicher nichts falsch, sollte sich aber darauf einstellen, dass er noch 12 weitere Bücher lesen will.
Von mir gibt es 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 07.07.2019

Wenig Thriller

Eisige Schwestern
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Das Buch

Autor: S.K. Tremayne
erschienen: 04.05.2015
Verlag: Knaur
Genre: Thriller
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-426-52014-7

Das Cover zeigt zwei Mädchen, die zu einem Leuchtturm schauen, wobei ...

Das Buch

Autor: S.K. Tremayne
erschienen: 04.05.2015
Verlag: Knaur
Genre: Thriller
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-426-52014-7

Das Cover zeigt zwei Mädchen, die zu einem Leuchtturm schauen, wobei das eine Mädchen etwas blasser dargestellt ist. Es passt gut zur Geschichte des Buches und zusammen mit dem Klappentext macht es Lust darauf das Buch zu lesen.
Die Geschichte ist in Kapitel eingeteilt, die sinnvolle Abschnitte in der Geschichte bilden.

Warum gerade dieses Buch?

Ich war in der örtlichen Buchhandlung und es gab mal wieder diese herrlichen Körbe mit Mängelexemplaren. Zudem hatte ich noch einen Gutschein in der Tasche, der endlich verprasst werden wollte und so habe ich nicht lange gezögert und dieses Buch – gemeinsam mit ein paar anderen – mitgenommen.

Handlung

Bei einem tragischen Unfall stirbt Lydia - eines der Zwillingsmädchen. Vater Angus kommt mit seiner Trauer nicht wirklich gut klar, fängt an zu trinken und wird gewalttätig gegen seinen Chef, woraufhin er seinen Job verliert. Mutter Sarah ist seit dem voll von Schuldgefühlen und kommt ebenso wenig mit ihrer Trauer klar. Als sie sich ihr gewohntes Leben nicht mehr leisten können, beschließen Angus und Sarah nach Schottland auf eine kleine private Insel zu ziehen um dort einen Neuanfang zu wagen. Plötzlich beginnt Kirstie – der überlebende Zwilling - jedoch zu behaupten, sie sei Lydia und nicht Kirstie. Gleichzeitig entwickelt sie eine seltsame Angst vor dem Geist ihrer toten Schwester. Zwischen den Eltern entsteht ein ungeahntes Misstrauen gegeneinander, da sie nicht miteinander reden, das zu Hass wird, aus dem wiederum haltlose Anschuldigungen resultieren.

Perspektiven

Hauptsächlich schreibt der Autor aus der Sicht der Mutter in der Ich-Form und in der Gegenwart. Er wechselt jedoch auch hin und wieder in die Beobachterperspektive und in die Vergangenheit, wenn er über Angus schreibt, während dieser nicht mit Sarah zusammen ist. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen, aber im Verlauf des Buches machte diese Art der Erzählung durchaus Sinn.

Figuren

Angus war mir von Anfang an eher unsympathisch mit seiner Trinkerei und der latenten Wut, die er mit sich herum trug. Zwar wird er auch als gut aussehend und liebevoll beschrieben, jedoch passte dies nicht wirklich in das Bild des prügelnden Angestellten. Im Verlauf der Handlung scheint er immer mehr hinter all den Verwirrungen zu stecken, ohne dass es jedoch greifbar oder erklärbar wäre, warum. Er scheint irgendein Geheimnis zu haben und Sarah misstraut ihm zunehmend. Sie ist lange Zeit diejenige mit der der Leser mitfühlt. Sie hat ihr Kind verloren und versucht nun damit klar zu kommen, sie lässt sich darauf ein, mit ihrem Mann in deren Heimat Schottland zu leben und ihr gewohntes Leben aufzugeben, obwohl Angus sie anschnauzt und er ihr Angst macht, wenn er betrunken ist. Je mehr man jedoch von Sarah erfährt, desto mehr verdichten sich die Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit zur Familie.
Und Kirstie, die plötzlich Lydia ist, gab mir wirklich viele Rätsel auf. Ich habe immer wieder geschwankt, was nun wahr sein könnte. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass der Verlust des Zwillings schwer wiegt, aber wirklich verstanden habe ich nicht, warum sie plötzlich der andere Zwilling sein wollte. Immer wieder hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass sie der Mutter gefallen wollte und deshalb darauf bestand Lydia zu sein. Am Ende des Buches kann ich mir dies jedoch kaum noch wirklich vorstellen.
Insgesamt fand ich das Konstrukt der Figuren teilweise undurchsichtig und schwer nachzuvollziehen.

Schreibstil

Am Anfang des Buches nutzt der Autor Teilsätze, die den vorangegangenen Satz verstärken sollen. (Zitat S. 42: „Mein Mund ist trocken, als ich ängstlich in den Flur hinaustrete und auf die Tür nebenan starre. Auf die schiefen Papierbuchstaben.“) Wenn es zu viel wurde, fand ich es störend, weil es den Lesefluss beeinträchtigt hat. Ab etwa dem ersten Drittel oder der Hälfte hörte das allerdings auf und das Lesen ging leichter.
Ansonsten sind die Sätze nicht verschachtelt und leicht zu lesen.

Setting

Die schottische Insel mit ihren Winterstürmen ist perfekt für dieses Desaster zwischen den 3 Menschen. Es unterstützt mit seiner Atmosphäre die Bedrohlichkeit der Situation und zeigt darüber hinaus die Zerbrechlichkeit der Familie. Anfangs stellte es eine echte Hürde für die kleine Familie dar, dass sie nur zu bestimmten Zeiten zur Insel hinüber kamen, später hatte ich den Eindruck, dass es beinahe egal war. Wann immer sie den Weg hinüber brauchten, konnten sie ihn nehmen. Nicht einmal mussten sie ausharren und warten, bis das Wasser wieder genügend hoch war um mit dem Boot überzusetzen. Das fühlte sich falsch an, da der Autor anfänglich viel Mühe darauf verwendet hatte, zu erklären, dass es eben nicht so ohne weiteres möglich ist.

Fazit

Für einen Thriller hat mir dieses Buch zu wenig Gänsehautfeeling. An mancher Stelle kommt Spannung auf, aber diese kann der Autor leider nicht all zu lange hoch halten. In meinen Augen ist es eher die tragische Geschichte einer Familie, in der die Mutter den Verstand verliert als ein Thriller. Das Buch langweilt zwar nicht, ist aber auch nicht das Buch, das ich jemandem empfehlen würde, wenn er nach einen Thriller fragt.
Von mir gibt es daher 2 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 07.07.2019

[Fantasy] Ela Bellcut: Aderunita – Das Seelenband Teil 1 von 4

Aderunita
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Das Buch

Autor: Ela Bellcut
erschienen: 22.05.2019
Verlag: Twentysix
Genre: Fantasy
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-7407-6209-4

Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, an deren Ende kleine Fotos das ...

Das Buch

Autor: Ela Bellcut
erschienen: 22.05.2019
Verlag: Twentysix
Genre: Fantasy
Zeit: Gegenwart
ISBN: 978-3-7407-6209-4

Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, an deren Ende kleine Fotos das Gelesene liebevoll untermalen. In der e-book Version sind die Bilder leider sehr klein, weshalb sie etwas von ihrem Charme einbüßen mögen. Dennoch erkennt man, dass sie zum Text passen und die Bilder im Kopf unterstützen.

Das Cover hat etwas romantisches und es finden sich einige Details darin, die man versteht, sobald man das Buch gelesen hat. Ich finde es gelungen – nicht zu verspielt, aber auch nicht zu einfach. Und blau ist ja ohnehin eine schöne Farbe, die noch zudem zum Wasser passt.

Warum ausgerechnet dieses Buch?

Ich habe seiner Zeit lediglich den Klappentext des Buches gelesen und fühlte mich sofort darin zu Hause. Genau wie Natura mag ich Bücher und Fotografie und ich liebe Schottland. Was also wäre ein besserer Grund, dieses Buch lesen zu wollen? Mit etwas Glück gewann ich das Buch bei einer Leserunde und bedanke mich hierfür bei Ela Bellcut und ihrem Verlag Twentysix für diese Möglichkeit.

Handlung

Die 17jährige Natura lebt mit ihrem Vater Phil auf der Insel Maraa – eine kleine Insel der schottischen Hebriden. Sie findet ihr Leben öde und eintönig, ihr fehlt es an Abwechslung und nur all zu oft streitet sie mit Phil. Sie hat ihre Bücher, ihre Kamera und ihr Tagebuch... Das ändert sich als sie Charlie trifft. Beinahe augenblicklich verliebt sie sich in ihn ohne zu ahnen, dass dies so vorher bestimmt ist und dass sich hierdurch ihr Leben für immer ändern wird. Sie stellt fest, dass sie jemand völlig anderer ist, als sie bisher angenommen hatte, sie lernt, dass es das Gute und das Böse tatsächlich noch gibt und sie trifft nach so vielen Jahren ihre totgeglaubte Mutter wieder, mit der sie am Ende ein anderes Leben beginnt.

Perspektiven / Dialoge

Die Autorin erzählt ihre Geschichte in der 3. Person, allerdings wechselt sie hierbei die Perspektiven des Betrachtenden. Einerseits schreibt sie als Allwissender Dritter und dann wieder aus der Sicht von Charlie und Natura. So erhält der Leser einen guten Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten.

Die Dialoge sind nachvollziehbar und tragen stets zur Handlung bei. Während des Lesens wird der Leser beinahe zwangsläufig in die jeweiligen Szenen hineingezogen. Ich mochte den Humor in den Dialogen – insbesondere Aurora hatte diese leicht bissige Art an sich, die mich hin und wieder schmunzeln ließ.

Figuren

Die Beschreibung der 17jährigen Natura kann wohl jeder nachvollziehen. Jugendliche, denen die Abwechslung fehlt, fühlen sich schnell gelangweilt und unzufrieden mit ihrem Leben. Sie träumen davon anders zu leben. Zunächst erscheint sie etwas naiv. Das ändert sich jedoch schnell als sie sich den Herausforderungen stellen muss, die mit Charlie in ihr Leben rauschen. Dieser gehört zum Volk der Luftelfen und wandelt schon ziemlich lange auf dieser Welt, auch wenn er noch sehr jung und bisweilen sogar unerfahren erscheint. Damina, Charlies Mutter, hingegen ist eine rachsüchtige und machthungrige Frau, die sich der dunklen Magie hingibt und diese ausgiebig nutzt. Sie ist es auch, die Natura die Wahrheit über ihre Herkunft und ihre Zukunft erzählt. Aber weil sie das Böse in sich trägt, erscheint sie Natura zunächst nicht sonderlich glaubwürdig. Erst als Natura selbst merkt, wie gut es ihr geht, wann immer sie mit Wasser in Berührung kommt und im Gegenzug, wie schlecht (Zitat: „...ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Trocknen.“) wenn sie außerhalb des Wassers sein muss, glaubt sie daran, dass sie zum Volk der Wasserelfen gehört. Auch lernt sie das Element Wasser und seine Magie für sich zu nutzen. Charlie will sich von seiner Mutter los sagen, was in einem großen Kampf endet, bei dem Damina stirbt. Zu Hilfe eilen hierzu Thalia – Naturas Mutter – und Aurora eine Lichtelfe, die schon von frühester Kindheit an, im Umfeld von Natura zu finden war.
Natura und Charlie empfand ich als sympathische Helden, die sich stetig weiter entwickelt haben, erwachsener wurden. Aber auch in Damina konnte ich mich gut hineinversetzen. Trotz allem Bösen, das sie verursachte, war es dennoch so, dass ich ihre Handlungsweisen nachvollziehen konnte. Es war für mich verständlich, warum sie tat, was sie tat. Und ein kleines bisschen schade finde ich, dass sie starb.
Thalia tritt erst sehr spät in die Geschichte ein, aber sie ist die notwendige, glaubwürdige Person, die Natura endgültig sagt, worin ihre Bestimmung liegt. Ich mag Thalia, weil sie Ruhe ausstrahlt.

Schreibstil

Der Schreibstil von Ela Bellcut ist flüssig und leicht zu lesen. Ich mag die Vergleiche mit denen sie beschreibt. Es ist bisweilen humorvoll, aber manchmal dient es auch einfach nur dazu, die Bilder, die man im Kopf hat, zu verstärken. Es gelingt ihr generell sehr gut, gewaltige Bilder im Kopf zu produzieren. Insbesondere die Kampfszenen waren so temporeich beschrieben, dass man den Lärm quasi hören konnte. Lärm, der z.B. durch tosendes Wasser entsteht, wenn eine Wasserelfe ihre Magie einsetzt.
Durch die vielen unterschiedlichen Vergleiche hatte ich auch das Gefühl, dass die Bilderwelt im Kopf sehr bunt und anschaulich war, das machte es interessant und ich wollte weiter lesen.
Auch gelingt es der Autorin hervorragend die unterschiedlichen Magien zu beschreiben. Jede für sich hat ihre Eigenarten, benötigt verschiedene Elemente und trotzdem hatte ich nie den Eindruck, dass eine wichtiger sei als die andere.
Manchmal bedient sich Ela Bellcut der Jugendsprache. So ist das Wasser eben arschkalt. Das gefiel mir richtig gut, weil es einfach in die Geschichte passt. Da reden Jugendliche miteinander und nicht Professoren auf einem Kolloquium und das kam so herrlich zum Ausdruck.

Setting

Die schottischen Inseln sind perfekt für eine solche Geschichte! Die raue Landschaft, das Meer, die Burgen und Schlösser, die es dort ja reichlich gibt. All das hat Ela Bellcut genutzt, um eine Atmosphäre zu schaffen, die anders nicht hätte sein können – jedenfalls hatte ich diesen Eindruck. An mancher Stelle hätte ich mir ein paar Details mehr gewünscht z.B. als Natura und Charlie in der Bibliothek waren, in der sie nicht hätten sein dürfen. Denn diese Bibliothek muss riesig gewesen sein. Aber insgesamt konnte ich mir immer gut vorstellen, wie etwas aussieht, sogar wie das Meer riecht und sich anfühlt.
Auch die Unterwasserwelt ist schön beschrieben. Die Möglichkeit dort Briefe zu schreiben indem man sich einer Muschel und Tintenfischtinte bedient, fand ich großartig. Bedingt durch den Verlauf der Geschichte, kam diese Welt erst am Ende des Buches zum Tragen und ich hoffe sehr, dass hier in den späteren Teilen noch mehr Einblicke erfolgen werden.
Die Unterschiedlichkeit des Fühlens für die verschiedenen Figuren hat die Autorin perfekt beschrieben. Während Natura das Wasser als belebend wahrnimmt, benötigt Charlie eine Luftblase, in der er leben kann. Natura kann im Wasser sehr gut sehen, während für Charlie alles dunkel ist usw.
Ela Bellcut verbindet Realität mit Fiktion indem sie reale Vorkommnisse in ihrer Welt erklärt. So sind es die Wasserelfen, die dafür sorgen, dass Menschen, die nicht sorgsam mit der Umwelt umgehen, verschwinden. Ich finde die Idee super und freue mich darauf, mehr davon zu lesen.

Fazit

Ein tolles Buch in dem die Geschichte zweier Menschen erzählt wird, die bis vor kurzem noch gar nichts voneinander wussten, nun aber durch das Seelenband miteinander verbunden sind. Sie fühlen es, bevor sie es wissen. Sie gehören zusammen und gehen gemeinsam durch dick und dünn. Dabei sind die Hürden unerheblich. Mit rasanten Wortfolgen gelingt es der Autorin eine Welt zu erschaffen, die nie langweilig wird, in der man die Figuren – gut oder böse – mögen muss und in der man herrlich mitfiebern kann. Ich bin sehr gespannt auf den nächsten Teil, der Anfang des kommenden Jahres herauskommen soll.
Jeder der mit Fantasy etwas anfangen kann, wird dieses Buch lieben! Von mir gibt es deshalb 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 16.06.2019

[Klassiker] Ein Fall für den berühmtesten Detektiv - Der Hund der Baskervilles

Sherlock Holmes - Der Hund der Baskervilles
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Einleitung:

Ich wollte schon immer mal einen Klassiker lesen und was liegt da näher als mit dem berühmtesten Detektiv anzufangen? Bedingt durch viele Adaptionen in Film und Fernsehen war es mir ein Bedürfnis ...

Einleitung:

Ich wollte schon immer mal einen Klassiker lesen und was liegt da näher als mit dem berühmtesten Detektiv anzufangen? Bedingt durch viele Adaptionen in Film und Fernsehen war es mir ein Bedürfnis herauszufinden, wie Arthur Conan Doyle seinen Helden denn im Ursprung in Szene gesetzt hat. Da dies mein erster – aber sicherlich nicht mein letzter Versuch war, einen so alten Roman zu lesen, hatte ich nicht viele Erwartungen. Ich habe das Buch auf mich zukommen und wirken lassen.

Das Buch:

Titel: Der Hund der Baskervilles
Autor: Arthur Conan Doyle
erschienen: Juni 2017 – in einer Neuübersetzung von Henning Ahrens
Verlag: Fischer Taschenbuch
Genre: Kriminalroman
Zeit: England im frühen 20. Jh
ISBN: 978-3-596-03565-6

Im Original ist „Der Hund der Baskervilles“ erstmals als Fortsetzungsroman im Strand Magazine in der Zeit von August 1901 bis April 1902 erschienen. Die Gesamtausgabe des Romans erschien im März 1902 und die deutsche Erstausgabe erfolgte im Jahr 1903. Die hier vorliegende Übersetzung ist die derzeit aktuelle von Henning Ahrens aus dem Jahr 2017. Ich habe das Buch nie in einer englischen Originalausgabe gelesen, weshalb ich mir kein Urteil über die Genauigkeit der Übersetzung bilden kann. Jedoch habe ich keine logischen Übersetzungsfehler gefunden.

Handlung:

In Dartmoor wird Sir Charles Baskerville tot in der Nähe des Moores aufgefunden, angeblich angegriffen von einem riesigen Hund, den aber bisher noch niemand wirklich gesehen hat. Dieser Hund wird schon in der Legende der Baskervilles erwähnt, an die die Bewohner von Dartmoor auch heute noch glauben. Das Erbe tritt Sir Charles‘ Neffe Henry an. Dieser erhält in seinem Hotel in London eine rätselhafte Warnung, das er nach Hause zurück kehren solle, mit der er sich an Sherlock Holmes wendet. Sherlock Holmes schickt Dr. Watson gemeinsam mit Sir Henry nach Dartmoor mit der Auflage, den Mord zwar zu ermitteln, Sir Henry aber nie allein zu lassen. Gemeinsam finden Watson und Baskerville einige interessante Indizien, können sich den Mord jedoch nicht erklären.

Perspektive:
Dr. Watson erzählt als Beobachter die Geschichte aus der Ich-Perspektive. Später, fast am Ende des Buches, spricht er seine Leserschaft sogar direkt an. So bekommt dieser Roman den Hauch eines Erfahrungsberichtes. Allerdings fand ich es etwas befremdlich, dass er in seinem Tagebuch und den Berichten an Sherlock Holmes wörtliche Reden niedergeschrieben hat. Dies jedoch sei der Tatsache geschuldet, dass sich diese 3 Kapitel so besser ins Gesamtkonzept des Buches einfügen. Da ein Tagebuch etwas sehr Privates ist, hätte ich an dieser Stelle allerdings auch erwartet, dass Watson etwas über seine Gefühle oder seine Sichtweisen preis gibt. Insgesamt ist der Roman eher sachlich nieder geschrieben. Im Vergleich zu modernen Romanen mit Perspektivwechseln und Vielschichtigkeit der Protagonisten, erfährt man hier während der Erzählung viele Details, die die Aufklärung des Falls und den Fortgang der Handlung beschreiben, aber eben nicht die Protagonisten selbst.
Zitat, S. 220: „Sherlock Holmes hat sich der kollektiven Erinnerung eingeprägt wie keine andere literarische Figur.“ Obwohl dies so ist, erfährt der Leser bedauerlicher Weise nicht mehr, als das, was über Sherlock Holmes ohnehin bekannt ist. Dennoch versteht es der Autor, den unterschiedlichen Figuren verschiedene Charaktereigenschaften zu eigen zu machen.

Figuren:
Sherlock Holmes: Er ist einer der berühmtesten Detektive. Ich schätze, es gibt wenige (lesende) Menschen, die seinen Namen nicht schon gehört hätten. Dennoch erfährt man ausgesprochen wenig über seine Person. Er hat einen scharfen Verstand, eine außergewöhnliche Kombinationsgabe, raucht Pfeife und wohnt in der Baker Street in London. Darüber hinaus hatte ich manchmal den Eindruck, dass er Dr. Watson etwas oberlehrerhaft behandelt. Fast am Ende des Buches erzählt Watson auch, dass es für Holmes‘ Kollegen und Freunde schwierig sein kann ihm zu folgen, da dieser sie nicht an seinen Gedanken teilhaben lässt, sondern im Nachhinein erklärt.
Im letzten Kapitel berichtet Sherlock Holmes, was er alles wusste und was er sich zurecht kombiniert hat und ich habe mir ein ums andere Mal die Frage gestellt, woher er diese Informationen hätte haben können. Ich finde, Holmes‘ Ermittlungsarbeit geht in diesem Roman unter und als Leser wird man am Ende lediglich mit den Ergebnissen konfrontiert. Das finde ich schade, denn gerade seine Kombinationsgabe und seine oftmals sehr direkten Fragen machen die Figur aus.

Dr. Watson: Er ist wohl ebenso berühmt wie Sherlock Holmes, aber er scheint nur Holmes' Schatten oder – wie oben bereits erwähnt – sein Lehrling zu sein. Er wird in dieser Geschichte als Schutz von Sir Henry Baskerville mitgeschickt und soll in Dartmoor im Mordfall Sir Charles Baskerville ermitteln und Sherlock Holmes auf dem Laufenden halten. Und obwohl er ein kluger Kopf ist, hatte ich oft den Eindruck, dass er sich hinter dem Können von Sherlock Holmes versteckt. Ich habe mich kurz auch gefragt, ob Holmes Watsons Chef ist, aber ich glaube nicht. Meines Wissens sind die beiden Freunde.

Sir Henry Baskerville: Er ist der Neffe des verstorbenen Sir Charles und sein Erbe, was ihn ganz zu Beginn erst einmal verdächtig macht. Sir Henry ist deutlich mutiger oder draufgängerischer als Dr. Watson; er tritt selbstsicher auf – eben so, wie man es von einem Adligen erwarten würde. Dabei ist er aber durchaus sympathisch, insbesondere in seiner Liebe zu Mrs. Stapleton. Dr. Watson soll ihn ja beschützen, aber es hat den Anschein, dass er diesen Schutz gar nicht braucht.

Alle anderen Figuren dienen hauptsächlich dazu Fakten zu enthüllen, die Dr. Watson für seine Ermittlungen braucht. Über die Figuren selbst erfährt man allerdings auch wenig. Erst zum Schluss des Buches ergeben sich einige persönliche Umstände. Während des Lesens habe ich natürlich versucht herauszufinden, wer der Mörder ist. Ich hatte schon recht früh zwei Figuren im Verdacht, von denen sich die eine mehr und mehr heraus kristallisierte. Diese war es dann am Ende auch. Allerdings kann ich nicht wirklich sagen, dass der Fall vorhersehbar war. Die scharfen Wendungen, wie sie heute üblich sind, bleiben zwar aus, aber dennoch klärt erst Holmes am Ende ganz genau auf, wie sich der Fall zugetragen hat. Das Motiv des Mörders ist etwas früher klar, und dann ergibt sich auch, wer es ist.

Dialoge:
Das erste Drittel des Buches besteht fast ausschließlich aus Dialogen, die hauptsächlich Sherlock Holmes führt. Im zweiten Drittel, als Sherlock Holmes in London und Dr. Watson mit Sir Henry Baskerville in Dartmoor ist, gibt es hingegen vergleichsweise wenige, aber teilweise sehr lange Dialoge. Bei ihnen kann man allerdings schon mal den Überblick verlieren, wer etwas sagt - besonders dann, wenn mehrere Figuren beteiligt sind. Grund ist, dass oft nur beim ersten gesprochenen Satz steht, wer ihn sagt. Danach kommen häufig nur noch die wörtlichen Reden. Bedingt durch den ungewohnten Schreibstil musste ich viele Sätze 2 oder 3x lesen, was die Übersicht zusätzlich erschwert. Im dritten Drittel halten sich Dialog und Erzählung die Waage und es ergibt sich öfter aus den gesprochenen Sätzen, wer etwas gesagt hat, da sich die Figuren mit Namen ansprechen. („so und so, mein lieber Watson.“ )
Mitunter empfand ich diese vielen Dialoge am Anfang als recht anstrengend, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Darüber hinaus passten die Satzklänge durchaus zu modernen Sherlock Holmes Figuren wie in Elementary. Auch wurden in dieser Neuübersetzung die Dialoge behutsam an den heutigen Sprachgebrauch angepasst (vgl. S. 220), was das Lesen sicherlich etwas erleichtert.

Schreibstil:
Ich habe den Schreibstil aus der heutigen Sicht als etwas altbacken empfunden. Allerdings habe ich dabei nicht vergessen, dass ich einen Klassiker in der Hand halte, dessen Original inzwischen beinahe 120 Jahre alt ist. Sprache verändert sich, das kommt hier wunderbar zum Tragen. Aber ich denke, dass man sich darauf einlassen können muss. Aus dem Schreibstil resultiert das eher getragene Tempo und kein allzu hoher Spannungsbogen. Während moderne Krimis z.T. mit rasanten Szenen aufwarten, liest sich „Der Hund der Baskervilles“ eher gemächlich. Dazu beitragen könnte auch, dass Holmes und Watson noch mit Pferdekutschen und nicht PS-starken Autos unterwegs sind.
Im zweiten Drittel verliert sich Dr. Watson in seinen Berichten manchmal in Details, die für die Handlung nicht unbedingt von Belang sind. Er sagt es sogar selbst und weiß auch, dass Sherlock Holmes sich dafür nur am Rande interessiert. Gleichzeitig will er aber auch keine Fakten unterschlagen – ob beim Leser oder bei Sherlock mag der Leser selbst entscheiden. Ich habe diese ausführlichen Umschreibungen zeitweise als langatmig empfunden. Am Ende des Buches weiß ich aber, dass dies wohl zum Stil von Doyle gehört. In der hier vorliegenden Neuübersetzung hat Henning Ahrens sogar schon Adjektive ausgedünnt, allerdings sind immer noch genügend vorhanden.

Setting:
Das London dieser Zeit wird nur oberflächlich beschrieben, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Handlung außerhalb spielt. Dennoch hätte ich mir ein paar Details mehr hier und da gewünscht, weil ich mir die Stadt zu jener Zeit recht romantisch vorstelle. Über Dartmoor erfährt man dagegen viele Einzelheiten, insbesondere das Moor wird sehr genau beschrieben. Manchmal auch zu genau, denke ich. So konnte ich mir nach einiger Zeit sehr gut vorstellen, wie es dort ausgesehen haben könnte. Elemente wie aufkommender Nebel über dem Moor, während Holmes und Watson den Mörder zur Strecke bringen wollen und ihnen so die Sicht genommen wird, sind absolut stilecht für das England im frühen 20. Jahrhundert. Ebenso ist der Aberglaube der Bewohner für meine Begriffe überaus authentisch.

Fazit:
Dieses Buch lohnt sich! Ich habe absichtlich kein anderes Buch parallel gelesen, weil der doch recht ungewohnte Schreibstil ein „durch die Seiten fliegen“ unmöglich macht. Aber ich habe das Buch durchaus genossen. Ist man erst einmal in der Story drin, kann man sich die Umgebung wunderbar vorstellen. Bei den Figuren muss das eigene Hirn etwas nachhelfen – vielleicht anhand von Verfilmungen. Der Fall selbst ist nicht allzu komplex, aber auch nicht wirklich vorhersehbar. Dies erreicht Doyle damit, dass er Watson ermitteln lässt und Holmes erst ganz am Ende alle notwendigen Details mitteilt, denke ich. Schade hingegen ist es ums Holmes‘ Ermittlerkünste, denn diese gehen in diesem Roman etwas unter.
Wer Klassiker mag oder diese gern einmal probieren will, ist mit diesem Fall von Sherlock Holmes bestens beraten. Von mir gibt es 4 von 5 Sternen.