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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2020

Schöne Formulierungen, die zu wenig Geschichte erzählen

Die Glasschwestern
4

Das Buch:
Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und bedanke mich für diese Möglichkeit bei der Autorin und dem Verlag. Das Cover zeigt ein diffuses Bild und erzeugt gewissermaßen Spannung und Interesse. ...

Das Buch:
Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen und bedanke mich für diese Möglichkeit bei der Autorin und dem Verlag. Das Cover zeigt ein diffuses Bild und erzeugt gewissermaßen Spannung und Interesse. Zusammen mit dem, was der Klappentext verspricht und einer doch sehr anregenden Leseprobe, habe ich eine gewisse Erwartung an das Buch entwickelt.

Worum geht’s?
Dunja und Saphie – Zwillinge – werden am gleichen Tag zu Witwen. Ein makabrer Zufall, der die beiden sehr unterschiedlichen Frauen wieder zueinander führt. Während Dunja bisher ein klassisches Familienleben mit Mann und Kindern in der Großstadt führte, lebte Saphie nur für das Hotel und ihren alkoholkranken Mann. Da Dunja in der Großstadt nichts mehr hält, bleibt sie bei Saphie im Hotel – eigentlich um ihr etwas unter die Arme zu greifen. Doch dann entwickeln sich die beiden Frauen – unerwartet und vielleicht auch ungewollt.

Die Charaktere:
Obwohl die Idee des Buches wirklich toll ist (makabrer Zufall, Wiederannäherung in der Familie, Geheimnisse aus der Vergangenheit usw.), konnte mich keiner der Charaktere wirklich berühren, was ich ausgesprochen schade finde. Es mag daran gelegen haben, dass die Charaktere außergewöhnlich extrem agieren. Augusta ist extrem laut, Jules extrem introvertiert, Dunja extrem dienstleistungsorientiert – in Bezug auf ihre Familie und Kinder; sie ordnet sich und ihre Bedürfnisse über die Maßen unter – Saphie ist extrem extrovertiert und lässt ihre Gefühle überhaupt nicht zu, Lenka – die jüngere Schwester der Zwillinge – ist extrem egoistisch.

So war es mir nahezu unmöglich einen wirklichen Zugang zu einer oder mehreren Figuren zu finden. Durch die extremen Verhaltensweisen erschienen sie mir etwas fern ab der Realität. Dass in einer Familie ein, höchstens zwei auffällige Charaktere vorkommen, ist nachvollziehbar – aber alle?

Was ich sehr interessant in Bezug auf die Charaktere finde, sind ihre sehr ungewöhnlichen Namen. Hier hat sich die Autorin viel Mühe gemacht, Vor- und Nachnamen zu finden, die nicht alltäglich sind. Und obwohl sie so ungewöhnlich sind, sind sie dennoch einprägsam.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist wundervoll. Sie findet eine herrlich bildliche Art Dinge zu beschreiben, ihnen bisweilen sogar menschliche Züge überzustreifen, sodass der Leser sich gut vorstellen kann, was sie meint. Auch dass sie Vergangenheit und Gegenwart einfach ineinander überfließen lässt, gefiel mir gut. Anfangs mag es ungewohnt sein, die Vermischung von Präsens und Präteritum zu lesen, aber im Laufe der Zeit machte eben diese Vermischung den Charme des Stils aus.

Jedes Kapitel ist mit einem Sprichwort überschrieben, für dessen Findung die Autorin sicherlich einiges an Zeit aufwenden musste. Diese Sprichworte passen inhaltlich zum Text des nachfolgenden Kapitels. Manche gefielen mir, andere nicht, aber die Idee hebt sich so wunderbar von anderen Büchern ab, die ich bisher gelesen habe.

Was mir fehlte:
Es gibt zwei wirklich gute Aufhänger, aus denen ich mir eine gewisse Spannung erhofft hatte. Zum einen der Tunnelbau und zum anderen der gläserne Mensch. Beide Themen verlaufen aber mehr oder weniger im Sand, ohne dass es eine tatsächliche Auflösung gibt. Das Geheimnis um die Geschichte des Tunnels wird für meine Begriffe recht plump einfach hingeworfen und der gläserne Mensch taucht irgendwann einfach nicht mehr auf.

Im letzten Drittel der Geschichte hatte ich immer öfter den Eindruck, dass sie länger geschrieben wurde, als sie hätte wirklich sein müssen. Auch die wundervollen Formulierungen wurden weniger, was ich sehr schade fand. Ich hätte mir mehr Tempo in der Geschichte gewünscht und eine spannendere Auflösung der Geschichte des Tunnels.

Fazit:
Die Idee der Geschichte hätte Potential gehabt. Leider liegt das Augenmerk der Autorin vornehmlich auf wundervollen Beschreibungen. So bleiben die Spannung der Geschichte und die Sympathie der Charaktere für mich zu sehr auf der Strecke. Wer Bücher mag, die beschreiben, wird hier seine wahre Freude haben, wer aber eine Geschichte an der deutsch-deutschen Grenze erwartet, sollte lieber nicht zugreifen. 2,5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 14.12.2020

Was wäre wenn?

Corona 2.0
0

Das Buch
Wer braucht in Zeiten von Corona schon ein Buch über Corona? Dachte ich. Aber die Leseprobe hat mich neugierig gemacht, weshalb ich das Buch dann doch gelesen habe. Die Zuordnung als Thriller ...

Das Buch
Wer braucht in Zeiten von Corona schon ein Buch über Corona? Dachte ich. Aber die Leseprobe hat mich neugierig gemacht, weshalb ich das Buch dann doch gelesen habe. Die Zuordnung als Thriller halte ich nur für bedingt richtig, wenngleich die Geschichte sicherlich Tendenzen dazu hat.

Worum geht’s?
Ein Impfstoff gegen Corona ist auf dem Markt. Da die Impffreudigkeit der Deutschen nicht so hoch ist, wie es nötig wäre, erlässt die deutsche Regierung eine Impfpflicht. Allerdings steigen zeitgleich die Infektionszahlen und Todesfälle ins Unermessliche. Der Verschwörungstheoretiker Wahu spielt dem Journalisten Christian Wegener brisante Unterlagen der herstellenden Firma VaccuTech zu und bittet ihn, diese zu veröffentlichen. Und was wäre, wenn das gar keine Verschwörung ist, sondern bittere Wahrheit?

Charaktere:
Bedingt durch die Kürze des Romans kann man sicherlich nicht erwarten, dass die Figuren besonders vielschichtig sind. Der Leser lernt jedoch Christian Wegener und seinen Chef kennen, die zum Thema Impfung gegen Corona völlig unterschiedliche Meinungen zu haben scheinen. Während Christian längst nicht alles glaubt, was die Regierung sagt, sieht sein Chefredakteur das völlig anders und erwartet von Christian eine entsprechende Berichterstattung.

Christian ist eindeutig der Sympathieträger. Leider erfährt man wenig über seine Hintergründe. In der derzeitigen Situation ist er ziemlich auf sich allein gestellt und muss sich der Frage stellen, ob er die Informationen, die er von Wahu erhalten hat, wirklich veröffentlichen will. Die Konsequenzen daraus sind eher unvorhersehbar.

Die Handlungsweisen der deutschen Regierung und Staatsorgane werden meiner Meinung nach ganz gut porträtiert, selbst wenn sie im Vergleich zur Realität recht überzogen dargestellt werden. Hintergrund hierfür könnte allerdings sein, dass im Zusammenhang mit dem kürzlich erlassenen Ermächtigungsgesetzt ja auch in der Presse Vergleiche zum dritten Reich laut wurden. Diese Vergleiche werden hier noch etwas deutlicher dargestellt.

Bis auf Christian sind alle anderen Figuren eher als Nebencharaktere zu bezeichnen, die zwar auftauchen, aber nicht weiter beschrieben werden und meiner Meinung nach auch nicht immer einen Zweck erfüllen. Somit kann sich der Leser seinen eigenen Spekulationen hingeben. Wirklich kennenlernen tut er sie allerdings nicht.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist flüssig und lässt sich gut lesen. Auffällig sind jedoch die vielen Rechtschreib- oder Tippfehler, die sich in ihrer Häufigkeit als störend erwiesen haben. Würde ich das Taschenbuch gekauft haben, hätte mich das sicherlich geärgert.
Ebenso ratlos hat mich der Prolog zurück gelassen. Zwar war es eben dieser, der mich neugierig gemacht hatte, aber eine Auflösung oder Konsequenz daraus gab es irgendwie nicht, weshalb ich mir die Frage stellte, was mir der Autor damit sagen wollte.

Am Ende hatte ich so ein bisschen das Gefühl, dass der Autor zwar eine gute Idee hatte, diese aber nicht bis zum Ende gedacht oder beschrieben war. Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschichte wirkliches Potential für einen echten Thriller haben könnte, aber so wie sie jetzt dasteht eben nur ein Anfang sein kann.

Fazit:
Gute Idee, die nicht bis zum Ende geschrieben ist. Dazu zu viele Charaktere, die die Handlung wenig bis gar nicht beeinflussen. 2 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 10.08.2020

Mehr Bericht als Krimi

Gerecht ist nur der Tod
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Das Buch:
Ich habe das Buch im Zuge eines Thriller-Events bei Lovelybooks gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke. Dieses ist das letzte der drei Bücher, das ich gelesen habe, worüber ich im Nachhinein ...

Das Buch:
Ich habe das Buch im Zuge eines Thriller-Events bei Lovelybooks gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke. Dieses ist das letzte der drei Bücher, das ich gelesen habe, worüber ich im Nachhinein betrachtet sehr froh bin. Zunächst kann ich sagen, dass dieses Buch bei weitem kein Thriller ist und auch der aufgedruckten Kategorie Kriminalroman wird das Buch nicht gerecht.

Worum geht’s?
In aller Öffentlichkeit wird ein Kölner Unternehmer erschossen, während er sich auf dem Weg zu seiner Trauung befindet. Die Psychologin Ina Reich soll das Ermittlerteam um Hauptkomissar Schellenberg begleiten und beobachten. Bis auf den Hauptkomissar scheint jedoch niemand Ina Reich willkommen zu heißen. Somit sind Konflikte innerhalb der eigenen Reihen vorprogrammiert.

Charaktere:
Ina Reich ist Psychologin, die mithilfe eines möglichst positiven Berichts das angekratzte Image der Kölner Polizei aufpolieren soll. Sie selbst ist jedoch ein Mensch mit vielen eigenen – vor allem alten, nicht aufgearbeiteten – Problemen und darüber hinaus tablettensüchtig. Die Autorin hat ihr wenig Ausstrahlung mitgegeben, weshalb ich sie nicht wirklich sympathisch finde. Eher erscheint sie mir gefangen in ihrer eigenen Welt.

Hauptkomissar Schellenberg – auch nicht frei von privaten Problemen – ist da schon sympathischer. Streckenweise hatte ich jedoch das Gefühl, dass er mehr ein Lehrer für seine Kollegin Bulut, die zudem scheinbar auch noch in ihn verliebt ist, denn ihr Vorgesetzter ist. Und entweder wollte er den Umstand ihrer Verliebtheit nicht sehen oder er war tatsächlich eher blind – Buluts Eifersucht war allerdings unübersehbar.

Bulut ist mir in ihrer ständigen Ablehnung gegen alles und ihrem permanenten Misstrauen gehörig auf die Nerven gegangen. Klar ein Rebell passt schon ganz gut in einen Krimi, aber irgendwie war Bulut mir zu wenig subtil in ihren Verhaltensweisen. Eher ruppig und vordergründig – ein Mensch, dem ich im wahren Leben auch nicht unbedingt begegnen möchte.

Schreibstil:
Zitat S. 67 „Ich bin nur Zuschauerin in dieser Ermittlung.“ Genau diesen Eindruck hatte ich beim Lesen leider auch. In der Ich-Form erzählt hatte ich über lange Strecken das Gefühl einen Bericht zu lesen. Dialoge sind eher Mangelware, weshalb mir die Geschichte ziemlich zäh erscheint. Die Idee des Buches fand ich anfänglich gut – jemand Außenstehendes taucht in die Polizeiarbeit ein. Die Autorin konnte mich mit dieser Art zu schreiben leider nicht mitreißen, denn ich mag Geschichten, in die ich eintauchen kann, bei denen ich das Gefühl habe, mitten drin zu sein. Hier fühlte ich mich stets außen vor geblieben.

Darüber hinaus hatte ich immer öfter das Gefühl, dass die eigentliche Ermittlung und die Auswirkung der Geschehnisse auf die Ermittler in den Hintergrund rückten. Viel intensiver wurde das zwischenmenschliche Miteinander im Team um Schellenberg beleuchtet. Daher hatte die Geschichte in ihrem Fortgang für mich auch immer weniger den Charakter eines Krimis.

Ich hatte ich mich auch oder gerade wegen der Anmerkung, dass hinter Judith Bergmann eine Bestseller-Autorin stecke, auf einen guten, spannenden Krimi gefreut. Diese Erwartung wurde leider nicht erfüllt.

Fazit:
Es passiert mir wirklich selten, dass ich zu einem Buch so wenig zu sagen weiß. Empfehlen kann ich es nicht. 2 Sterne

Veröffentlicht am 26.01.2020

Fakten, Fakten, Fakten

Der Tote im Fleet
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Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den ersten Teil einer mehrteiligen Serie von Verbrechen im historischen Hamburg. Wir befinden uns im Jahr 1847 – 5 Jahre nach dem großen Brand von 1842, bei ...

Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den ersten Teil einer mehrteiligen Serie von Verbrechen im historischen Hamburg. Wir befinden uns im Jahr 1847 – 5 Jahre nach dem großen Brand von 1842, bei dem große Teile der Innenstadt dem Feuer zum Opfer fielen.
Das Cover zeigt ein historisches Bild der Stadt Hamburg und hebt sich damit von heute üblichen Covers erfreulich ab. Auch der Klappentext trifft genau mein Interesse an Hamburgs Geschichte. Im Anhang befindet sich ein recht ausführlicher Epilog, in dem der Autor dem Leser Einblick in die belegbaren Fakten der Geschichte gewährt.

Worum geht’s?
Commissarius Hendrik Bischop wird eines Nachts zu einem Fleet gerufen, aus dem ein Toter geborgen wird, in dessen Taschen sich zwei Ziegelsteine gefunden werden und im Futter seines Mantels befinden sich Reste eines amtlich aussehenden Papiers. Niemand weiß, wer der Tote ist und was es mit den gefundenen Indizien auf sich hat. Eine Jagd nach der Identität des Toten und den Todesumständen durch die Hamburger Politik beginnt.

Charaktere:
Zitat S. 149: „Das personelle Geflecht hatte undurchschaubare Züge angenommen“. Genau dieser Gedanke, den Hendrik Bischop etwa zur Hälfte der Geschichte hat, dominiert auch meine Meinung zu diesem Buch. Der Leser wird mit so vielen Namen – zumeist historisch belegt – konfrontiert, dass es schwer fällt den Überblick zu behalten. Überdies sticht keiner der Charaktere tatsächlich heraus oder wird sonderlich tief gezeichnet. Das finde ich schade, denn gerade der Commissarius, welcher eine fiktive Person darstellt, hätte es meiner Ansicht nach verdient, dass man als Leser so etwas wie eine Verbindung zu ihm aufbaut. Hendrik Bischop hat es nämlich zwischen den ganzen Bauherren und Politikern wahrlich nicht leicht. Zudem fühlt er sich zur Tochter seines besten Freundes hingezogen. Aber auch diese Verbindung bleibt eher blass und unspektakulär.

Deshalb fällt es mir in diesem Fall sehr schwer, besonders viel über die eine oder andere Figur zu sagen. Ich kann noch nicht einmal feststellen, ob ich jemanden besonders mochte oder auch nicht, da mir tatsächlich kein Charakter tatsächlich nahe ging.

Historischer Hintergrund:
Der historische Hintergrund der Geschichte ist belegt und im Internet nachzuvollziehen. Mich hat die Geschichte mehr als nur einmal animiert nachzuschauen, was es mit den erwähnten Bauten und Zusammenhängen auf sich hat. Dies mag auch daran liegen, dass mir die Hamburgische Geschichte ohnehin sehr gefällt. Durch die Menge an Informationen, die der Autor dem Leser anbietet, ist es jedoch auch hier schwierig den Überblick zu behalten.

Gefallen hat mir jedoch, dass sich der Autor zunutze gemacht hat, dass die Brandursache nie wirklich aufgeklärt werden konnte. Dies hat zur Folge, dass sich der Leser Gedanken darüber macht, ob es sich möglicherweise – aufgrund der gelieferten Fakten – um Brandstiftung gehandelt haben könnte. Gesagt wird es so deutlich natürlich nie, aber zwischen den Zeilen findet man das ein oder andere Indiz.

Ebenfalls spannend finde ich den Umstand, dass viele der erwähnten Namen heute auf Straßenschildern in Hamburg zu finden sind, was eine weitere Suche im Internet interessant macht, sofern man sich für die Geschichte der Stadt interessiert.

Schreibstil:
Aufgrund der oben genannten Fakten liest sich der Roman ein bisschen wie ein Sachbuch, was mich als Leser in Erwartung eines Romans enttäuscht. Auch der Schreibstil des Autors erscheint etwas trocken und eben sehr sachlich, sodass kaum einmal etwas Stimmung aufkommt. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Stadt Hamburg 5 Jahre nach dem Brand eher grau in grau gewesen sein muss. Dies allerdings kann ich mir kaum vorstellen, denn auch nach dieser großen Katastrophe gab es Freizeitangebote, die der Autor auch selbst erwähnt.

Auffällig ist, dass der eigentliche Kriminalfall um den Toten aus dem Fleet eher im Hintergrund stattfindet – auch das stellt Hendrik Bischop irgendwann fest. Die Politik und die Wirtschaft dieser Zeit, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Deputationen und die Familien- und Standesklüngeleien hingegen stehen weit im Vordergrund.

Fazit:
Die politische und wirtschaftliche Geschichte Hamburgs aus der Zeit nach dem großen Brand dominiert diese Geschichte meiner Ansicht nach zu sehr. Die Aspekte, die einen Roman, einen Krimi ausmachen kommen dahingehend zu kurz und der Leser kann sich nicht wirklich mit den Charakteren anfreunden. Wer Sachbücher mag, könnte diesen Roman als gute Lektüre empfinden, wer einen klassischen Krimi erwartet, dürfte enttäuscht werden. 2 von 5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.10.2019

Anders als ich erwartet hatte

Die Hoffnung zwischen den Zeilen
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Das Buch:
Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen, wofür ich mich beim Bertelsmann Verlag bedanke. Anhand des Titels und der Einstufung „historischer Roman“ erwartet man bestimmte Dinge – oder ...

Das Buch:
Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen, wofür ich mich beim Bertelsmann Verlag bedanke. Anhand des Titels und der Einstufung „historischer Roman“ erwartet man bestimmte Dinge – oder anders gesagt, ich habe das getan. Am Ende wurden diese Erwartungen nur bedingt erfüllt, was ich sehr schade finde.
Das Cover mit dem Zug im Hintergrund und der jungen Frau davor gefällt mir gut. Es hat für mich etwas von einer Reise… vielleicht ins Ungewisse und die Haarfrisur ist sicherlich eine typische ihrer Zeit. Es passt zu den Erwartungen, die ich an das Buch hatte.

Worum geht’s?
Ulrike Hartmann – die im ganzen Roman durchweg nur Uli oder „die Deutsche“ genannt wird – fährt von Malmö, wo sie bis vor kurzem als Dienstmädchen gearbeitet hat, nach Krokum, einem kleinen schwedisches Dorf in dem eine junge Frau lebt, die ihren Freund Hansi gekannt hat. Hansis Mutter hatte Uli die Briefe dieser jungen Frau gegeben, die Elsa im Krieg an Hansi geschrieben hatte. Aufgrund eines gemeinsamen Geheimnisses entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine eigenwillige Beziehung.

Charaktere:
Uli ist Deutsche, Elsa ist Schwedin und die beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Elsa fleißig und klug ist, einen eher verschlossenen und vorsichtigen Eindruck macht, erscheint Uli laut, ruppig und rücksichtslos. Sie vereinnahmt Elsa sehr und als Leser stellt man sich die Frage, warum eine kluge Frau wie Elsa das mit sich machen lässt. Sie kennt Uli nicht und hat ihr gegenüber demnach keinerlei Verpflichtung.

Was mich verwundert hat, ist die Tatsache, dass die beiden Frauen im Grunde nie über sich sprechen, sie reden nicht über das davor – also vor dem Krieg oder bevor sie sich kennen lernten. Man hat an keiner Stelle den Eindruck, dass die eine an der anderen wirklich interessiert ist. Vielmehr ist es so, dass Elsa ein Geheimnis hat, in das sie Uli recht früh einweiht und spätestens nach dessen Offenbarung beginnt Uli von Elsa zu fordern. Eigentlich tat sie das von der ersten Minute ihres Zusammentreffens an, aber danach wurde es prägnant. Das ist etwas, das mich an Uli oft gestört hat: sie braucht Elsas Hilfe, aber sie fordert sie ein, als stünde ihr die Hilfe aus irgendeinem Grunde zu. Dabei macht sie auch nicht Halt vor Elsas Geld. Ihre Wortwahl hat bisweilen sogar den Touch von Erpressung. Im Gegenzug kann sie nichts bieten – und bedanken tut sie sich auch nicht. Sie nimmt! Das kann Uli sehr gut.

Elsa dagegen gibt. Man hat sogar das Gefühl, dass sie ein schlechtes Gewissen hätte, wenn sie es nicht täte. Sie macht so vieles möglich, sagt aber auch, dass sie z.B. keine Diebin werden will. Sie bemerkt also schon, dass nicht alles, was Uli tut, ehrenhaft ist. Bei sich denkt Elsa auch hin und wieder, dass sie Uli und Hansi loswerden will und schämt sich ein bisschen für diese Gedanken. Dabei kann ich das nur allzu gut verstehen.

Meine Sympathie für Uli schwankte im Verlauf der Geschichte sehr. Oftmals mochte ich sie einfach nicht, dann wieder tat sie Dinge, die ich verstehen konnte und die ihr meine Sympathie einbrachten. Sie ist ein Mensch, der unberechenbar ist und den man nicht gern in seinem Umfeld haben möchte. Elsa mit ihrer ruhigen Art war mir durchweg sympathisch, selbst wenn sie zur Lösung ihres Problems auch hin und wieder nicht ganz so saubere Mittel nutzte.

Historischer Aspekt:
Dieser findet für meine Begriffe in diesem Buch nicht wirklich eine Bedeutung. Wäre im Klappentext nicht die Jahreszahl 1949 erwähnt worden, wüsste der Leser nicht in welcher Zeit er sich bewegt. Auch dass im Klappentext die Stadt Hamburg erwähnt wird (und damit mein Interesse geweckt hat), tut im Buch nichts weiter zu Sache. Die Geschichte hätte auch mit jeder anderen Stadt im Klappentext funktioniert. Überhaupt fehlen mir die historischen Aspekte. Der Krieg wird erwähnt und die damit einhergehende Armut der Menschen in der Nachkriegszeit, aber weder erzählt Hansi von seinen Erfahrungen an der Front, noch erfährt man von den beiden Frauen etwas, das mit den historischen Ereignissen zu tun hätte. Einige persönliche Erfahrungen werden offenbart, aber diese sind eher unabhängig von der Zeit, in der der Roman spielt. Anhand des Klappentextes hatte ich erwartet, dass die beiden Frauen sich gemeinsam auf die Suche nach Hansis Vergangenheit machen und Stück für Stück seine letzten Jahre an der Front rekapitulieren.

Was mir fehlt:
Am meisten fehlt mir der Inhalt der Briefe. Sie sind der Auslöser für den Titel, sie sind Ulis Hoffnung, sie sind eigentlich der Schlüssel für diese Geschichte. Und dennoch wird nicht eine Zeile dieser Briefe auch nur erwähnt. Einzig, dass Elsa über Schweine und Kühe geschrieben haben soll und dass jeder Brief exakt 2 Seiten lang war, erfährt der Leser. Mehr aber nicht. Aus dem Klappentext weiß man, dass der Briefwechsel über mehrere Jahre gelaufen sein soll. Hat Elsa also wirklich über eine so lange Zeit nur von Schweinen und Kühen berichtet, mit denen sie augenscheinlich noch nicht einmal etwas zu tun hatte?

Darüber hinaus fehlt es mir an Zwischenmenschlichkeit. Die Charaktere sind relativ sachlich beschrieben. Jeder hat so seine Probleme, aber wirkliche Emotionen konnten die Figuren in mir nur ganz am Ende auslösen. Am Ende nämlich hat Uli eine für mich völlig unerwartete Entscheidung getroffen und alles dafür getan, dass es dazu auch kommt. Zwar waren auch hier ihre Mittel für meine Begriffe wieder etwas überzogen, aber sie hat entgegen ihres eigentlichen Wesens uneigennützig gehandelt und das hat mich dann doch sehr berührt.

Erst am Ende der Geschichte (also tatsächlich auf den letzten Seiten) scheinen sich die beiden Frauen menschlich anzunähern. Das jedoch sehr sachte. Sie kennen sich eigentlich nicht viel besser als am Anfang und das stört mich. Im Grunde hat sich die zwischenmenschliche Beziehung der beiden nicht oder nur sehr wenig entwickelt.

Es wurden auch andere Aspekte, die offenbar nicht unwichtig waren, weil sie öfter erwähnt wurden, am Ende nicht aufgeklärt. Dazu gehören Ulis innere Pferde. Man kann nur erahnen, was es mit denen auf sich hat. Und auch andere Aspekte, die sich vielleicht aus der deutschen Geschichte ergeben, werden angedeutet, aber nicht ausgesprochen oder ein Gefühl bei Uli beschrieben. So bleibt dies der Interpretation des Lesers überlassen.

Schreibstil:
Den Schreibstil der Autorin finde ich leicht zu lesen. Sie erzählt eine schnörkellose Geschichte in einer ebenso schnörkel- aber leider auch emotionslosen Art. Ich mag das Schnörkellose, weil ich mich dann auf die Geschichte konzentrieren kann, aber ohne Emotionen ist es schwierig sich von einer Geschichte mitreißen zu lassen. Was meinen Lesefluss im letzten Drittel des Buches aber sehr gestört hat, sind Logikfehler. Es wurden öfter Namen vertauscht, sodass man Sätze mehrfach lesen musste, um ihren Inhalt zu erfassen.

Fazit:
Das Buch hat mich nicht unbedingt enttäuscht, aber es hat eine andere Geschichte erzählt, als ich erwartet hatte. Wer einen typischen historischen Roman erwartet, der sollte hier nicht zugreifen. Wer eine Geschichte zweier Frauen lesen möchte, die sehr eigenwillig miteinander agieren, der könnte an diesem Buch Freude haben. 2 von 5 Sternen