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Veröffentlicht am 25.09.2021

Überaus gelungener Abschluss einer tollen Buchreihe

Die Hafenschwester (3)
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Das Buch:
Es handelt sich beim vorliegenden Buch um den dritten und letzten Teil der Hafenschwester-Trilogie. Das Buch kann zwar ohne Weiteres unabhängig von seinen Vorgängern gelesen werden, allerdings ...

Das Buch:
Es handelt sich beim vorliegenden Buch um den dritten und letzten Teil der Hafenschwester-Trilogie. Das Buch kann zwar ohne Weiteres unabhängig von seinen Vorgängern gelesen werden, allerdings macht es deutlich mehr Freude, wenn man die Vorgeschichten kennt und mit Martha bereits die Gängeviertel und das schwere Leben der Ärmsten kennengelernt hat.

Worum geht’s?
Martha und Paul führen inzwischen ein gutes Leben, selbst wenn sie durch die Hyperinflation Anfang des 20. Jahrhunderts sämtliche Ersparnisse verloren haben. Ihre Kinder können trotz allem ihre Wege gehen. Am Ende der 20er Jahre wird Hitler immer populärer und die Sorge vor einem weiteren Krieg nimmt deutlich zu, die Lebenssituation wird angespannter, der Ton rauher. Aber trotz aller Widrigkeiten finden Martha und ihre Familie immer einen Weg, ihr Leben lebenswert zu halten und ihre Lieben vor dem Tod zu bewahren.

Charaktere:
Diesmal stehen Marthas Kinder Rudi, Fredi und Ella im Vordergrund. Es geht hauptsächlich um deren Entwicklung am Ende der Schulzeit bis hin zu einem eigenständigen Leben, welches durch die Wirren des 2. Weltkrieges alles andere als vorhersehbar sein kann.

Fredi ist hierbei mein absoluter Favorit, was nicht bedeutet, dass ich Rudi und Ella nicht mag. Vielmehr ist es so, dass Fredi einfach eine beeindruckende Figur ist. Als Sandwichkind der Familie war er bisher eher ruhig und unauffällig, ging aber eben seinen Weg. In diesem Teil bekommt er den Raum, der ihm zusteht und den füllt er zur Gänze aus. War es früher Rudi, der stets die große Klappe hatte, ist es heute Fredi, der seinem großen Bruder aus der Patsche hilft – und diese Patsche ist gewaltig und vor allem lebensbedrohlich. Fredi ist einfallsreich und mutig. Während des Krieges bewahrt er die Nerven und durch seine besonnene Art, einige hilfreiche Kontakte – durchaus auch in die zwielichtige Welt Hamburgs – und jede Menge Courage rettet er viele Leben. Dabei scheut er sich nicht, sich selbst in Gefahr zu begeben, nicht zuletzt dadurch, dass ihm sein vermeintlicher Freund Werner Rohrbeck eigentlich jeden Moment auf die Schliche kommen könnte – wenn er intelligent genug wäre. Melanie Metzenthin schreibt Fredi in die Herzen ihrer Leser. Dabei bleibt die Figur absolut glaubwürdig. Zeugnisse dieser Zeit belegen, dass es Menschen wie Fredi wirklich gab, die vorbehaltlos geholfen haben.

Am Anfang des Romans ist Rudi ein Frauenheld, der das Nachtleben liebt und sehr zum Unmut seiner Eltern einen Lebenswandel lebt, der so gar nicht zur Familie Studt passen will. Auch wenn er sich verändert hat, jetzt aufmüpfig ist und beinahe rebellisch, ist Rudi überhaupt nicht unsympathisch. Vielmehr lässt die Autorin ihren Leser beide Seiten – sowohl die des „Kindes“ als auch die der Eltern – betrachten, sodass sich jeder selbst seine Gedanken machen kann, wie er mit den unterschiedlichen Situationen umgehen würde. Ich sah mich oftmals hin- und hergerissen, denn natürlich kann ich mich noch gut daran erinnern, wie ich in diesem Alter war und gleichzeitig bin ich heute selbst Mutter. Die Autorin bewertet hierbei nicht, sondern zeigt die Situationen, sodass man selbst die Freiheit hat, sich ein Urteil zu bilden.

Bei Rudi hat der Leser hin und wieder das Gefühl, dass er nicht die Gemeinschaft der Familie sondern ausschließlich sein eigenes Leben im Blick hat. Da er jedoch häufiger Unterstützung von der Familie braucht und auch bekommt um überhaupt weiterzukommen, ist diese selbstverständlich überaus enttäuscht, was zeitweise auch deutlich zutage kommt. Trotz allem halte ich Rudi nicht für wirklich egoistisch; er ist unbedacht, denke ich, und handelt erst, bevor er die Konsequenzen überdenkt. Die Figur des Rudi ist die Figur, die sich im Laufe des Romans am deutlichsten wandelt und damit lange Zeit unberechenbar bleibt. So überrascht Rudi auch am Ende des Romans, als er endlich die Chance bekommt, Fredi seinen Einsatz am Anfang des dritten Reiches zu danken.

Mit Ella geht der Leser oft durch viele Emotionen, was darin begründet ist, dass sie stets und ständig hinter Rudi zurück zu stehen scheint und darüber hinaus eine Frau ist. Während Fredi mit einer Kommissarslaufbahn zufrieden ist, möchte Ella unbedingt Medizin studieren. Diesen Wunsch hatte sie bereits als kleines Mädchen und ihre Eltern haben sie immer darin bestärkt. Bedingt durch Rudis Leben und Entscheidungen scheint diese Möglichkeit jedoch mehr als einmal auf der Kippe zu stehen. Hier kommt der Moment, in dem Leser wieder zwischen zwei Figuren steht, die im Grunde liebenswert sind und deren Beweggründe man verstehen kann. Und trotzdem wird sich der eine Leser in die eine Richtung und der andere in die andere Richtung gezogen fühlen, schätze ich. Ich glaube, ich war häufiger wütend wie Ella, als dass ich Rudis Unverständnis für die Gefühle seiner Schwester geteilt hätte.

An Ella zeigt Melanie Metzenthin außerdem eindrucksvoll wie weit und wie schnell die Emanzipation der Frau fortschreitet. War es am Ende des 19. Jahrhunderts nicht vorstellbar, dass eine unverheiratete Frau eine Affäre hatte, lebt Ella ihre unverheiratete Beziehung zum Franzosen Phillippe Morel sehr offen. Andererseits zeigt sie aber auch die alten, durchaus noch vorhandenen Strukturen an der Verbindung zwischen Henny und Fredi. Während Ella es sich nicht vorstellen kann, nicht selbst zu arbeiten, richtet sich Henny, mit noch nicht einmal 20 Jahren, ganz darauf ein Hausfrau und Mutter zu sein. Dass sich hinter dieser Frau ein wirklich intelligenter Kopf verbirgt, auf den Fredi ganz sicher nicht verzichten möchte, würzt diese Verbindung zusätzlich.

Auf diese Art und Weise und gepaart mit historischen Hintergründen zeichnet die Autorin ein wunderbar authentisches Bild der Menschen und deren Leben in Hamburg bevor der 2. Weltkrieg ausbricht und danach im Krieg. Dass sie selbst Hamburgerin ist, die ihre Stadt liebt, dürfte kaum zu übersehen sein. Auch zeigt sie eindrucksvoll auf, wie schleichend der Prozess war, als Hitler die Macht in Deutschland übernahm. Insbesondere der Unglaube der Menschen und das Vertrauen darauf, dass die Politik alles richten würde, ließen diesen Prozess überhaupt erst zu. Damit wird der Roman, obwohl er über eine Zeit vor 100 Jahren berichtet, überaus aktuell.

Schreibstil:
Metzenthins Schreibstil ist bildgewaltig, temporeich und emotional. Die Autorin erlaubt sich keinerlei Längen; im Gegenteil, es geht zeitweise Schlag auf Schlag - eben so, wie zumindest ich mir diese Zeit vorstelle - und man kommt kaum zu Atem. Trotz der Länge des Buches wird der Leser es kaum einmal aus der Hand legen wollen.

Das historische Hamburg entsteht beim Lesen so selbstverständlich vor dem inneren Auge, dass der Leser sich in den Straßen von Rothenburgsort wiederfindet und aus einem der Schrebergärten die Bombennächte mit den Protagonisten beobachten wird. Die Geschichte, die die Autorin zu erzählen hat, entwickelt sich in einer furchtbaren Zeit und sie verschont den Leser nicht vor den Grausamkeiten. Der Leser sollte sich also darauf einstellen, dass hier nicht die heile Welt einer vergangenen Zeit präsentiert wird und sie verschont auch die sympatischen Figuren nicht!

Historische Hintergründe:
Wie stets ist der Roman sauber recherchiert. Dadurch erhält er seine Lebendigkeit und Authentizität. Insbesondere die Zeit während des 3. Reiches ist überaus bedrückend, da die Autorin die wahren historischen Fakten mit den Schicksalen ihrer Protagonisten verknüpft. Dabei ist sie sehr eindringlich in ihrem Schreiben. Man kann sich der Stimmung nicht entziehen, man fühlt einfach. Im ersten Teil des Buches gewinnt der Leser den einen oder andren Charakter lieb und muss ihn dann durch den wirklich schweren zweiten Teil des Buches begleiten. So bangt der Leser mit seinem Liebling mit. Und wie bereits in den vorangegangenen Teilen der Reihe ist Melanie Metzenthin nicht zimperlich, ihren Figuren zu Gunsten der Authentizität der Geschichte auch böse Schicksale zu geben. Denn niemand blieb in dieser Zeit verschont!

In einem sehr interessanten Nachwort erzählt sie dann auch, was wahr ist und was Fiktion. Man sollte es unbedingt lesen, denn genau hier wird spätestens klar, wie grausam diese Zeit wirklich war.

Fazit:
Mit diesem Buch gelingt der Autorin der würdige Abschluss einer überaus lesenswerten Familiensaga, das sich durchaus auch ein zweites Mal zu lesen lohnt. Einmal angefangen, lässt einen die Geschichte nicht wieder los. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 10.07.2021

Insgesamt ein stimmiges Hörerlebnis!

Die Verlorenen
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Ich habe bisher geglaubt, Hörbücher seien nichts für mich, ich hätte keine Zeit sie zu hören oder würde vielleicht der Geschichte nicht so folgen können, als wenn ich ein Buch lese. Da Hörbücher aber mehr ...

Ich habe bisher geglaubt, Hörbücher seien nichts für mich, ich hätte keine Zeit sie zu hören oder würde vielleicht der Geschichte nicht so folgen können, als wenn ich ein Buch lese. Da Hörbücher aber mehr und mehr Einzug in die Welt der Bücher halten, wurde es für mich Zeit mich diesem Medium einmal zu nähern. Und so habe ich die Chance im Zuge der #NetGalleyDEChallenge genutzt um mir eine Meinung zu bilden.

Ich habe in der Vergangenheit bereits Bücher von Simon Beckett gelesen und bin von seiner Schreibweise angetan. Seine Geschichten sind zumeist spannend und wenig blutig und vorhersehbar. Es sind Geschichten, die ihre Auflösung erst sehr spät offenbaren. So war dieses Buch meine erste Wahl um ein Hörbuch zu probieren.

Gelesen wird die - leider gekürzte - Geschichte von Johannes Steck. Von ihm hatte ich bisher noch nichts gehört, fand seine Stimme aber bereits in der Hörprobe überaus ansprechend. Ich mag tiefe Männerstimmen sehr und in diesem Fall kommt eine Rauheit hinzu, die nach meinem Dafürhalten perfekt zur Geschichte passt. Darüber hinaus versteht es Steck, das Tempo seines Vorlesens an den Inhalt der Geschichte anzupassen. Ist es spannend, liest er deutlich schneller, als wenn einfach nur ein Stück Geschichte zu erzählen ist. So erreicht er als Vorleser eine zusätzliche Spannung; man hört automatisch genauer hin. Das gefällt mir sehr.

Ebenfalls sehr gut gefällt mir, dass Johannes Steck den Figuren eigene Stimmen verleiht. So bekommt der überaus unsympathische DI Fletcher eine derart schnarrige Stimme, dass man ihn sich sehr deutlich vor dem inneren Auge vorstellen kann, denn auch die Beschreibung von Simon Beckett ist alles andere als ein sympathischer Charakter. Hinzu kommt, dass Fletcher ein absolut sarkastischer Mensch ist. Das glaubt man dem Vorleser aufs Wort! In Dialogen kann man so die unterschiedlichen Figuren immer wunderbar unterscheiden und es gibt nie einen Zweifel daran, wer wann spricht.
Auch die unterschiedlichen Gefühlslagen der Sprechenden kommen ausgesprochen gut heraus und so wird die Geschichte - im Gegensatz zum Gelesenen - lebendiger.

Absätze kommen durch gezielte Pausen sehr gut zum Tragen. Beim Zuhören hat man nicht das Gefühl, dass Beck durch die Geschichte rennt. Allerdings hatte ich manchmal das Gefühl, dass man anhand des Erzählten merkt, wo ein Stück der Geschichte fehlt. Der Umstand, dass viele Hörbücher nicht die gesamte Geschichte beinhalten, hat mich eben auch davon abgehalten, mich bisher mit diesem Medium vertraut zu machen, selbst wenn der Inhalt der Geschichte nicht unbedingt darunter leidet.

Mit der Geschichte “Die Verlorenen” führt Simon Beckett einen neuen Ermittler ein - Jonah Colley. Dieser wird an einem heiteren Abend mit Kollegen von seinem ehemals besten Freund Gavin angerufen und gebeten zum Slaughter Kay zu kommen. Jonah hat dabei ein ungutes Gefühl, fährt aber dennoch hin - nur um dort in einer alten Lagerhalle einen Haufen Leichen und den toten Gavin zu finden. Als DI Fletcher auf den Plan kommt, scheint nichts mehr so klar zu sein, wie es sich für Jonah darstellte und schneller als er gucken kann, ist er der Mittelpunkt eines Verbrechens, in dem nichts offensichtlich zu sein scheint und in dem er sich mehr und mehr verstrickt.

Jonah ist ein sympathischer Typ, der sicherlich - wie jeder andere auch - seine Stärken und Schwächen hat. Immer wieder bekommt man das Gefühl, dass ihm Ungerechtigkeit widerfährt, jedoch kann man sich nur schwer einem gewissen Zwiespalt entziehen, der zielgerichtet erzeugt wird, indem DI Fletcher immer und immer wieder Fakten gegen Jonah verwendet.
Überhaupt ist DI Fletcher ein sarkastischer, bisweilen arroganter Ermittler, der überhaupt keinen Zweifel daran lässt, wen er für den Täter hält. Dabei ist er überaus uneinsichtig und muss so manches Mal von seiner Assistentin “zurück gepfiffen” werden. Wobei das allerdings auch ihr einziger Job zu sein scheint. DS Bennett hat nämlich ansonsten kaum Wortmeldungen und bis zum Schluss war mir die Figur absolut fremd. Damit verteilt der Autor die Sympathien und Antipathien sehr gezielt auf seine Figuren.

Die Geschichte wird auf 2 Zeitebenen erzählt, sodass der Leser auch die Möglichkeit hat, Gavin besser kennenzulernen. Der verändert sich spürbar je weiter die Geschichte fortschreitet und je mehr der Leser über ihn erfährt. Das ist aus meiner Sicht am Anfang so nicht zu erwarten und gibt der Story u.a. die Spannung. Mir gefällt es, dass man sich hin und wieder die Frage stellen muss, ob bestimmte Dinge wirklich so gewesen sein können oder ob hier nur wieder DI Fletcher Fakten für sich auslegt. Die Auflösung erfolgt sehr spät, wie es sich aus meiner Sicht für einen guten Thriller gehört.

Simon Beckett bleibt seiner Art zu Erzählen treu. Die Erzählung ist wenig verschnörkelt und nicht detailverliebt. Man kann sich sehr gut vorstellen, in welchem Rahmen seine Geschichte spielt. Dennoch bleibt der Rahmen eben der Rahmen und die Geschichte selbst ist der Mittelpunkt. Das gefällt mir gut.

Der hier vorliegende Roman ist ein solider Thriller, dessen Spannung bis zum Ende gehalten wird. Das große Finale, welches ich so nicht unbedingt erwartet hätte, startet spät und bietet alles auf um jeden begonnenen Faden aufzulösen. Am Ende bleibt nichts ungeklärt. Es lohnt sich also, diesen Roman zu lesen - oder in diesem Fall zu hören. Mir hat die Geschichte gefallen ebenso wie das Hörerlebnis und so kann ich das Buch deshalb empfehlen.

Die Erfahrung Hörbuch werde ich sicherlich vertiefen, denn gerade bei Tätigkeiten wie Malen, ist es eine wunderbare Möglichkeit, das Eine mit dem Anderen zu verbinden. Auf jeden Fall empfinde ich den Versuch als gelungen.

Veröffentlicht am 16.05.2021

Der beste Teil bisher

Land of Stories: Das magische Land - Eine düstere Warnung
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Das Buch:
Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um den 3. Teil der Reihe Land of Stories - Das magische Land. Man sollte Teil 1 und 2 gelesen haben, bevor man diesen zur Hand nimmt. Zwar ist die Geschichte ...

Das Buch:
Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um den 3. Teil der Reihe Land of Stories - Das magische Land. Man sollte Teil 1 und 2 gelesen haben, bevor man diesen zur Hand nimmt. Zwar ist die Geschichte in sich abgeschlossen, aber die Rückblenden zu den beiden Vorgängerteilen sind nicht so ausschweifend.

Worum geht's?
Alex und Connor - die 14jährigen Zwillinge - leben seit einem Jahr in unterschiedlichen Welten. Während Alex zur neuen guten Fee ausgebildet wird, arbeitet Connor weiter daran Schriftsteller zu werden. Eines Tages führt sein Weg ihn nach Deutschland, weil drei unbekannte Märchen der Gebrüder Grimm veröffentlicht werden sollen. Als Connor den Märchen lauscht, ist ihm sofort klar, dass dies keine gewöhnlichen Märchen sind, sondern dies eine Warnung ist. Und sofort macht er sich auf den Weg, die Märchenwelt zu retten.

Charaktere:
In diesem Teil zeigt Colfer die Zwillinge das erste Mal unabhängig voneinander. Nachdem die gute Fee am Ende des letzten Teiles die Portale zwischen der Märchen- und der Anderswelt verschlossen hat, lebt Connor in der Anderswelt und Alex in der Märchenwelt. Auf diese Art und Weise erlebt der Leser diese beiden Figuren einmal einzeln. Bisher waren sie ja quasi eine Einheit. Spannend hierbei ist, dass sie sich dennoch parallel zu entwickeln scheinen. Beide sind das erste Mal verliebt, beide streben ihrem Ziel zu...
In diesem Teil gefallen mir die Zwillinge besser als in den vorangegangenen. Vielleicht liegt es daran, dass sie erwachsener geworden sind, sie sind im Teenageralter angekommen.

Diesmal lernt der Leser Mutter Gans besser kennen. Das gefällt mir sehr. Irgendwie ist dies eine Figur mit einer Vergangenheit, die nach und nach aufgedeckt wird, wenngleich ich davon überzeugt bin, dass Colfer sein Pulver noch nicht verschossen hat. Da kommt bestimmt noch mehr. Ich mag Mutter Gans, denn auch wenn sie auf den ersten Blick etwas wenig verantwortungsbewusst erscheint, ist sie dies nicht. So hat sie die französische Armee 200 Jahre ins Portal gesperrt und gehofft, so die Märchenwelt schützen zu können. SIe hat Kontakte in der Anderswelt und gibt frühzeitig Hinweise, die sich erst später als sinnhaft ergeben. Je besser der Leser diese Figur kennenlernt, desto sympathischer wird sie und besser kann er ihre Beweggründe für ihre Handlungsweisen nachvollziehen.

Ich finde auch die Verbindungen zwischen den Märchenfiguren nicht so verwirrend, wie beim letzten Mal. Colfer konzentriert sich auf weniger Figuren gleichzeitig. Das gefällt mir, weil es das Lesen deutlich erleichtert.

Rotkäppchen bekommt von ihren Untertanen endlich die Quittung für ihr Verhalten. Eigentlich soll man ja nicht schadenfroh sein, aber an dieser Stelle denke ich, sie hat es echt verdient. Wirklich witzig finde ich die Vorstellung, dass eine Königin gewählt werden kann und dass Suse - Rotkäppchens Nachfolgerin - aus dem Königreich eine Republik macht. Hier überträgt Colfer die Realität in seine Märchenwelt. Da Rotkäppchen auch von Anfang an nur gewählte Königin war, zeigt Colfer seinem Leser, dass eine solche Wahl durchaus auch “rückgängig” gemacht werden oder aber bei einem neuen Wahlgang anders ausgehen kann.

Schreibstil:
In diesem Teil besticht Colfer durch immer neue Andeutungen. Einige löst er auf, andere lässt er für die Nachfolgegeschichten. So endet dieser Roman mit einem echten Cliffhanger, der den Leser zum Nachdenken anregt. Insbesondere deshalb, weil auch die gute Fee eine passende Bemerkung gemacht hat. Und so bleibt am Ende die Frage “Wie kann das denn sein?” und ich bin sehr gespannt darauf, wie er das im nächsten Teil auflösen wird.

Ansonsten bleibt der Autor seinem leicht zu lesenden Stil treu, was mich sehr freut. Allerdings fiel es mir auf, dass offenbar auch in diesem Roman die korrekten Genderformen eingehalten werden. Das mag in der heutigen Zeit politisch korrekt sein, wenn aber Sätze künstlich verlängert werden, wenn statt von den Majestäten und den Bürgern nun von Könige und Königinnen und Bürgern und Bürgerinnen die Rede ist, dann geht dies zu Lasten der leichten Lesbarkeit. Da mir dies in den Vorgängern nicht aufgefallen ist, gehe ich davon aus, dass hier beim Übersetzen entsprechende Änderungen vorgenommen wurden. Ich hoffe sehr, dass nicht auch noch die furchtbaren Schreibweisen wie z.B. BürgerInnen Einzug halten werden. Ich finde, in Büchern sollte es doch eher um die Geschichte als um das perfekte Gendering auf Kosten der Lesbarkeit gehen.

Besonders gut gefallen hat mir die Aufteilung der Geschichte auf beide Welten, bevor Connor es geschafft hatte, ein Portal wieder zu öffnen. Es machte mir ausgesprochen viel Spaß Connor und Bree auf ihrem Weg durch Europa zu begleiten. Es passt alles zusammen, die Orte die der Autor beschreibt, sind recherchierbar - sogar das Hotel Kaiserhof, selbst wenn dieses schon längst nicht mehr existiert.

Und auch Alex' Weg in der Ausbildung ist spannend. Immer wieder streut der Autor Mitteilungen an seine Leserschaft ein, die übertragbar auf das ganz reale Leben sind. Je mehr sich der Leser mit den Figuren identifiziert, desto eher werden ihn diese Nachrichten erreichen, schätze ich.

Fazit:
Mir hat dieser Teil bisher am besten gefallen, deshalb gibt es diesmal 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Der beste Takeda bisher!

Inspektor Takeda und der lächelnde Mörder
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Das Buch:
Es handelt sich hier um den 3. Teil aus der Krimi-Reihe um den japanischen Inspektor Ken Takeda, der in Hamburg ermittelt. Wie immer kann der Roman unabhängig von allen anderen gelesen werden, ...

Das Buch:
Es handelt sich hier um den 3. Teil aus der Krimi-Reihe um den japanischen Inspektor Ken Takeda, der in Hamburg ermittelt. Wie immer kann der Roman unabhängig von allen anderen gelesen werden, da der Fall in sich abgeschlossen ist. (Für mich ist es der 4. Teil)

Worum geht’s?
An einem grauen Novembermorgen am Bahnhof Dammtor stürzt eine junge Frau vor die einfahrende S-Bahn. Oder wurde sie gestoßen? Erste Eindrücke und ein Geständnis lassen diesen Schluss zu. Allerdings kommen nur all zu schnell Zweifel - sowohl an den Eindrücken als auch am Geständnis - auf. Der nächste Mord lässt nicht lange auf sich warten und wieder ist einer der Jugendlichen vor Ort. Zufall oder hat er doch etwas damit zu tun?

Charaktere:
Ich mag Ken Takeda schon seit dem ersten Teil. Gerade seine manchmal recht melancholische Art, seine Art Traditionen zu bewahren und seine Leidenschaft für Saxophon und japanischen Whisky machen den Japaner sympathisch. Ebenso seine Sicht auf die Deutschen und wie er seine Wahlheimat Hamburg wahrnimmt. Aber in diesem Teil zeigt der Autor ein Stück Takeda, das man so gar nicht vermutet hätte. Ken Takeda litt unter dem Regime seines Vaters - mehr als man bis hier hätte annehmen können - und in dem jungen Simon Kallweit, dem jugendlichen Verdächtigen, erkennt Takeda Parallelen zu seiner eigenen Jugend. Stück für Stück erzählt Siebold aus dieser Jugend, von Takedas Hingabe für Mangas und wie er sich darin verlieren konnte, wie er aus diesem furchtbaren Kreislauf wieder ausbrechen konnte. Gerade dieses Stück Vergangenheit bringt den Inspektor dem Leser sehr nahe.

In diesem Teil habe ich Ken manchmal sogar etwas verlottert empfunden - nicht unangenehm, aber anders als sonst. Während er gewöhnlich überaus gepflegt auftritt, konnte es diesmal passieren, dass er nicht gar so sehr auf sein Äußeres achtete. Auch bedurfte dieser Fall eines übermäßigen Whisky-Genusses. Darüber habe ich eher geschmunzelt, denn dass er diesem Getränk zugetan ist, ist dem Leser seit dem ersten Teil bekannt.
Ebenfalls sehr deutlich wird hier sein innerer Konflikt in Bezug auf seine Kollegin Claudia Harms. Er mag sie, daran besteht gar kein Zweifel. Ihre raue, laute Art und man wird das Gefühl nicht los, dass da deutlich mehr als bloße Sympathie ist. Eine Eigenschaft, die die Figur des Takeda äußerst menschlich und lebendig macht.

Claudia Harms… eine Klasse für sich, möchte ich sagen. Sie und Ken könnten gegensätzlicher nicht sein. Während er japanisch zurückhaltend agiert, auch mal schweigt und sich entschuldigt, poltert sie los. Claudia hat wenig Hemmungen sich mit ihren Kollegen und ihrem Chef anzulegen, wenn sie meint, dass sie im Recht ist. Sie flucht laut und intensiv. Herrlich finde ich ihre Aussage “Nun seien Sie doch nicht so japanisch!”, wenn Ken ihrer Meinung nach mal wieder zu zurückhaltend ist. Aber gerade diese Gegensätzlichkeit macht das Ermittlerteam so authentisch und vor allem effizient. Wo andere längst aufgeben, fangen Ken und Claudia erst an.

Auch bei ihr regen sich langsam mehr als freundschaftliche Gefühle für Ken, doch genau wie er, will sie sie nicht zulassen. Immerhin ist Claudia nicht die geborene Beziehungskünstlerin - im Gegenteil. Und mit Kollegen ja sowieso nicht… Dieses Pritzeln zwischen Ken und Claudia gibt dem Roman das gewisse i-Tüpfelchen. Es ist niemals vordergründig, man bemerkt es eher an Kleinigkeiten und das macht es so reizend.

Der junge Simon Kallweit hat mir gut gefallen. Mit ihm hat mich der Autor dauernd zwischen “der muss es gewesen sein” und “nee, der kann es nicht gewesen sein” hin und her geschickt. Siebold lässt das Bild eines Jugendlichen auferstehen, das so greifbar zu sein scheint, aber immer dann, wenn es Gestalt annimmt, ist das Bild wieder weg. An ihm und auch an anderen Jugendlichen zeigt der Autor viel von dem, was digitale Medien heute bewirken können. Das stimmt nachdenklich - zumindest mich.
Allerdings hat er Simon Kallweit auch sehr tief in die Welt der Mangas eintauchen lassen und hat viel darüber in die Geschichte einfließen lassen - so viel, dass ich mir das Manga, um das es hier geht, besorgt habe.

Schreibstil:
Henrik Siebold schreibt sehr anschaulich ohne detailverliebt zu sein. Als Hamburger sieht der Leser seine Stadt vor Augen, weiß genau, wo er sich befindet. Jemand, der die Stadt nicht kennt, bekommt einen sehr guten Eindruck. Siebold schreibt nicht nur in Hamburg, sondern auch über Hamburg. Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Gegensätzlichkeiten - arm und reich liegen nah beieinander in dieser Stadt. Und ich mag seine Beschreibungen, wie Ken die Deutschen wahrnimmt und immer wieder den Kopf schüttelt - das aber übrigens auch über seine eigenen Landsleute.

In diesem Teil vereint Siebold das erste Mal wirklich viele Themen. Die bisherigen Teile, die ich gelesen habe, hatten im Grunde ein Hauptthema. Diesmal behandelt er diverse Themen: Politik, digitale Medien, Mangas, japanische Kultur, Mobbing. Diese Vielfältigkeit gibt dem Fall eine Komplexität, die den Leser mitreißt. So gibt es vielfältige Wendungen, neue - und reichlich falsche - Fährten und viele Verknüpfungen von unterschiedlichen Fällen. Allerdings braucht man sich nicht darum zu sorgen, ob man den Überblick behält. Der geht zu keiner Zeit verloren.

Die Auflösung um den Täter kommt sehr, sehr spät und aus einer Ecke, die zumindest ich überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Einzig, dass der Weg dorthin eher zufällig ist, stört das Ganze vielleicht. Aber sind wir mal ehrlich: Im wahren Leben muss auch hin und wieder einfach der Zufall helfen. Ansonsten sind die Verknüpfungen stets logisch und nachvollziehbar.

Fazit:
Absolut lesenswert, spannend bis zur letzten Seite und für mich der beste Takeda bisher. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Jede Menge Neuanfänge

Die Stimmlosen
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Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den quasi 3. Teil der Reihe Leise Helden. Quasi deshalb, weil er als 2. Band erschien, zeitlich betrachtet aber als 3. in die Reihe gehört. Das Buch kann zwar ...

Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den quasi 3. Teil der Reihe Leise Helden. Quasi deshalb, weil er als 2. Band erschien, zeitlich betrachtet aber als 3. in die Reihe gehört. Das Buch kann zwar unabhängig von den anderen beiden Bänden gelesen werden, macht jedoch deutlich mehr Freude, wenn man zumindest den Vorgänger “Im Lautlosen” kennt.
Der zeitliche Rahmen umfasst die Jahre 1945 bis 1953 - eine Zeit, die geprägt war von Neuanfängen.

Worum geht’s?
Hamburg 1945 - der Krieg ist vorbei, die Stadt ist nur noch ein Trümmerhaufen und von den Briten besetzt, die Menschen hungern und haben kein Dach über dem Kopf. Hamburg ist ein trostloser Ort, an dem jeder nur noch ums Überleben kämpft. Vor dieser Kulisse treten Fritz Ellerweg, Richard und Paula Hellmer und der Brite Arthur Grifford den Weg in eine neue, ihre Zukunft an. Dabei wird ihnen weiß Gott nichts geschenkt, aber niemals verlieren sie ihren Mut und ihre Lebenslust.

Charaktere:
Wenn es eine Figur in einem Roman gibt, in die ich mich verknallen würde, dann wäre das wohl Fritz Ellerweg. Neben Richard und Paula Hellmer und Arthur Grifford ist er die zentrale Figur dieser Geschichte.

Fritz ist Chirurg. Nicht irgendein Chirurg, sondern ein richtig guter, der an der Front lernte unter den widrigsten Umständen Höchstleistungen zu erbringen, der es gelernt hat, mit den wenigen Dingen, die ihm zur Verfügung stehen, lebensrettende Maßnahmen zu erschaffen und der sich nicht zu fein ist um Hilfe zu bitten. Man könnte meinen, er sei ein Held! Ist er wohl auch, aber das ist es nicht, worauf die Autorin abhebt. Vielmehr zeigt sie den Menschen Fritz Ellerweg. Fritz hat Humor und brachte mich mit seiner Art, Dinge zu beschreiben und auf den Punkt zu bringen, immer wieder zum Lachen. Das Leben in Hamburg in der Nachkriegszeit ist alles andere als leicht, aber Fritz nimmt das Leben einfach nicht so ernst, sondern eben so, wie es kommt. Aus jeder Situation zieht er das Beste heraus - auch wenn es schwer ist. Um sein und das Überleben seiner Freunde zu sichern, übertritt er auch legale Grenzen, aber niemals wäre ich auf die Idee gekommen, ihn dafür zu verurteilen. Im Gegenteil ich bewunderte seinen Mut - immerhin hätte das auch nach hinten losgehen können.

Sein bester Freund Richard und dessen Frau Paula sind die Personen, die ihm nicht erst seit dem Krieg am nächsten stehen. Alle 3 haben während des Krieges fürchterliche Verluste hinnehmen müssen, aber trotzdem geben sie nicht auf. Nie!
Neben Fritz wirkt Richard sehr ruhig und bedacht. Dabei ist er jedoch nicht weniger mutig als Fritz und auch Richard beweist immer wieder, dass er Humor hat. Zusammen sind die beiden beinahe unschlagbar. Es gibt einige Szenen, in denen die Autorin die Unbeschwertheit des Lebens wieder auferstehen lässt, obwohl in dieser Zeit nichts unbeschwert ist, wenn man es genau bedenkt. Ich habe zeitweise herzlich gelacht, wenn ich mir das bildlich vorstellte.

Gleichwohl hat mich Melanie Metzenthin aber auch wieder einmal gelehrt, dass es gut sein kann, genügend Taschentücher parat zu haben. Denn so herrlich diese beinahe friedlichen Szenen waren, so tief treffen den Leser auch die weniger schönen Szenen, wenn den Protagonisten Leid geschieht, wenn ihnen Unrecht widerfährt - und das passiert nicht nur einmal.

Der Krieg hat alle Protagonisten gezeichnet und so versucht Richard mit der Vergangenheit aufzuräumen und seinem Erzfeind endlich zu seiner gerechten Strafe zu verhelfen. Hierbei ist ihm die Aufmerksamkeit des Lesers absolut sicher. Die Gerichtsverhandlungen sind so authentisch und bildlich. Ob er es schafft, müsst ihr selbst lesen!

Der dritte Charakter, der mich sehr beeindruckt hat, ist Arthur Grifford. Am Anfang noch recht unscheinbar entwickelt er sich zu einem so liebenswerten Kerl, der seine eigenen Probleme hat, die durch den Krieg entstanden sind. Mit ihm zeigt die Autorin die andere Seite, denn immerhin ist Arthur Brite und damit eigentlich der Feind. Dass dies aber keineswegs so sein muss, beweist Melanie Metzenthin eindrucksvoll. Und sie tritt ebenfalls den Beweis an, dass Freundschaft über jedwede Nationalität erhaben ist. Mir lief öfter mal eine Gänsehaut über den Rücken, wenn eben diese Nationalitäten zum Stolperstein zu werden drohten.

Alle Figuren in diesem Roman sprühen vor Leben, selbst kleinere Figuren am Rand bleiben nicht grau. Die Charaktere sind so verschieden und haben doch alle dasselbe Ziel - nämlich aus diesem Dilemma des Krieges zu einem würdigen Leben zurückzufinden. Die Autorin schenkt jedem Protagonisten seinen Raum und jeder Leser wird mit Sicherheit die eine oder die andere Figur mehr mögen als die anderen. Aber erst ihr Ensemble macht die Geschichte so rund.

Schreibstil:
Ich habe inzwischen einiges von Melanie Metzenthin gelesen und ich lese ihre Geschichten wirklich gerne. Ihr Schreibstil ist so herrlich gerade heraus. Es gibt keine komplizierten Schnörkel. Die Geschichte bewegt sich immer vorwärts und es wird nie langweilig. Die Autorin schreibt so, wie das Leben eben ist. Niemals geradlinig, aber immer voran. Niemals ohne Kanten, niemals ohne Probleme, aber nach jedem Regen scheint wieder die Sonne. Gerade das macht es wohl aus, dass ihre Geschichte so lebendig und authentisch wirkt.

Melanie Metzenthin bewegt sich diesmal wieder im “Ärztemilieu”. Immerhin sind alle Protagonisten Ärzte. Allerdings versucht sie keineswegs zu erklären, wie Fritz operiert, sondern vielmehr zeigt sie die Umstände unter denen er das tut und unter welchen Umständen Richard und Paula in ihrer Hausarztpraxis zu dieser Zeit ihre Patienten behandeln müssen. Sie erklärt, was erklärt werden muss, nicht mehr! Das gefällt mir ausgesprochen gut, denn so bleibt das Krankenhaus- und Praxisleben für den Leser nachvollziehbar.

Beeindruckend ist auch ihre Beschreibung des zerstörten Hamburg. Sie schafft es über die gesamte Länge des Romans die trübe Stimmung im zerstörten Hamburg latent hoch zu halten. Sie schiebt sie nicht in den Vordergrund, aber während man die Geschichte liest, fühlt man sie. Die Autorin lebt in Hamburg und hat über ihre Stadt intensiv recherchiert. Das merkt man in diesem Roman sehr deutlich, wenn sie Vergleiche zieht, wie Straßenzüge z.B. vor und nach dem Krieg aussahen. Auf diese Art und Weise wird der Roman nicht nur zu einer Geschichte über fiktive Figuren, sondern auch ein Zeugnis einer vergangenen Zeit. Geschichtsunterricht, wie er sein sollte!

Fazit: Großartig! Ein echter Pageturner, der viel zu schnell zu Ende ist, wenn man erst einmal begonnen hat. 5 von 5 Sternen.

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