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Veröffentlicht am 30.12.2020

Nichts für schwache Nerven

Im Lautlosen
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Das Buch:
Es handelt sich hier um den ersten Band aus der Reihe Leise Helden, obwohl das Buch zeitlich betrachtet nach “Die verstummte Liebe” - dem 3. Band der Reihe - angesiedelt ist. In dieser Geschichte ...

Das Buch:
Es handelt sich hier um den ersten Band aus der Reihe Leise Helden, obwohl das Buch zeitlich betrachtet nach “Die verstummte Liebe” - dem 3. Band der Reihe - angesiedelt ist. In dieser Geschichte widmet sich die Autorin einem der grausamsten Verbrechen des 2. Weltkrieges - der (Kinder-) Euthanasie - und zeigt auf, dass es Menschen gab, die ohne Aufhebens und oftmals ohne Rücksicht auf Konsequenzen im Stillen halfen.

Worum geht’s?
Richard und Paula lernen sich bei einer Vorlesung in der Universität kennen und es dauert nicht lange, bis sie sich zueinander hingezogen fühlen. Beide streben an Psychiater zu werden - er, weil schreckliche Behandlungen seinen Bruder das Leben kosteten, sie, weil bereits ihr Vater Psychiater ist. Während Richard nach dem Studium tatsächlich eine Stelle als Psychiater bekommt, arbeitet Paula im Kinderkrankenhaus. Bereits vor dem 2. Weltkrieg werden Stimmen laut, dass sogenannte Irre und Behinderte kein lebenswertes Leben hätten und man ihnen den Gnadentod gewähren sollte. Während des Krieges verschärft sich diese Situation und als Richard erfährt, dass seine ehemaligen Patienten umgebracht wurden, nachdem er die Meldebögen ordnungsgemäß ausfüllte, erstellt er fortan falsche Gutachten um weitere Menschen vor der grausamen Euthansie zu bewahren. Leider geht das nicht lange gut…

Charaktere:
In diesem Roman stehen Richard und Paula im Mittelpunkt. Von Anfang an sind sie Sympathieträger. Während sie sich vor dem Krieg gegen die üblichen Anfeindungen wegen Herkunft und Geschlecht behaupten müssen, wird es nach der Machtergreifung der Nazis zusehends gefährlicher eine menschenfreundliche Einstellung zu haben. Besonders schlimm wird es für die beiden, als ihr Sohn Georg taub zur Welt kommt und somit ebenfalls zum Ziel des verbrecherischen Systems wird. Der Leser leidet, hofft und bangt mit der Familie. Als Richard mit seinen falschen Gutachten auffliegt, kann er zwar mithilfe seines besten Freundes Fritz das Schlimmste vermeiden, an die Front wird er dennoch eingezogen. Und nun ist es an Paula die Familie - und ganz besonders Georg - zu beschützen. Melanie Metzenthin zeigt am Beispiel dieser Familie beeindruckend, wie grausam dieser Krieg wirklich war, was es bedeutete in den Bombennächten von Hamburg alles zu verlieren, sich Verbrechern in Arztkitteln gegenüber zu sehen, hilflos zu sein, weil man kaum Rechte hatte und wie wichtig es war, eine gute Familie und Freunde zu haben, auf die man sich verlassen kann.

Einer dieser Freunde ist Fritz Ellerweg. Selbst an die Front eingezogen schafft er es, seinen besten Freund zu sich ins Nordafrikakorps zu holen und ihn damit vor einem Einsatz an der Ostfront zu bewahren. Richard und Fritz sind beste Freunde und das spürt man beim lesen sehr deutlich. Obwohl es ihnen selbst nicht gut geht in diesen furchtbaren Zeiten sind sie für den anderen da. Vor dem Krieg lernt der Leser beide Männer als humorvolle, kluge Familienmenschen kennen, denen niemand etwas schlechtes wünscht. Vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb beide Schicksale sich so ungerecht anfühlen.

Demgegenüber stellt die Autorin genauso authentisch ihre Antagonisten dar. So hat es Richard mit einem gewissen Dr. Krüger zu tun, der auch Richards Sohn umbringen lassen will. Durch das System des 3. Reiches unterstützt fällt es Krüger ausgesprochen leicht, einerseits Richard auffliegen zu lassen und ihm andererseits das Leben in Bezug auf Georg besonders schwer zu machen. Auch hier ist es wieder diesen leisen Helden zu verdanken, dass Georg diesem Schicksal entgehen kann. Dr. Krüger war für mich von Anfang an der Unsympath überhaupt, ein Monster. Bereits vor dem Krieg war er ein Widerling mit dem man besser nichts zu tun haben wollte.

Das Besondere an den Charakteren der Autorin ist, dass sie oftmals einen oder mehrere ganz reale, historische Paten haben. Das macht sie aus meiner Sicht besonders authentisch und die Geschichte besonders schockierend. Es fällt dem Leser nicht schwer gut und böse zu unterscheiden und selbst wenn wir die Geschichte des 2. Weltkrieges schon in- und auswendig kennen, so sind es diese ganz persönlichen Schicksale ihrer Figuren, die dem Leser die gesamte Grausamkeit dieser Zeit entgegenschleudern.

Schreibstil:
Wie immer schreibt Melanie Metzenthin überaus anschaulich und lebendig. Die Seiten fliegen einfach dahin und man taucht in die Geschichte ein. Anfangs führt sie ihre Figuren in einer schönen, vor allem ruhigen Zeit ein und beinahe schleichend beginnen sich die Schicksale vor ihnen aufzutürmen. Das faszinierende ist, dass man sich irgendwann selbst ertappt, dass man diesen schleichenden Prozess gar nicht bemerkt. Man schüttelt hier und da ungläubig den Kopf, lässt sich aber von der Geschichte weiter tragen. Wenn man aber nach ein paar Kapiteln zurück denkt, stellt man fest, dass da ja doch so einige Andeutungen waren. Es gelingt der Autorin dem Leser zu demonstrieren, wie es wohl gewesen sein muss; warum die Menschen nicht daran glaubten, dass Hitler gefährlich sein könnte.

Auch ihrem Hamburg misst die Autorin viel Aufmerksamkeit bei. Dabei bleibt sie aber dezent genug um nicht aufdringlich zu sein, ist aber detailreich genug um dem Leser die Schönheit dieser Stadt zu zeigen - und später leider auch die furchtbare Ruinenwelt. Immer wieder fängt sie mich mit den Beschreibungen des alten Hamburg ein - vor allem deshalb, weil ich weiß, dass sie sehr akribisch bei ihren Recherchen dazu ist.

Ein ebenfalls nicht unwesentlicher Punkt ist der, dass Liebesgeschichten bei Melanie Metzenthin nicht kitschig sind. Ja, die Protagonisten lieben sich, das tun sie auch innig und überwältigend, aber niemals steht Gefühlsduselei im Vordergrund. Es sind ihre Taten füreinander, die diese Liebe auszeichnen.

Historische Hintergründe:
In einem sehr interessanten und recht ausführlichen Nachwort erklärt die Autorin viele Hintergründe ganz sachlich. Es lohnt sich unbedingt auch dieses zu lesen, denn nicht zuletzt erklärt sie hier, welche historische Person für welche fiktive Figur Pate gestanden hat.

Die historischen Fakten sind recherchierbar. Man könnte nun sagen… ja, der 2. Weltkrieg wurde schon so oft thematisiert. Ja, wurde er. Aber Melanie Metzenthin tun das auf eine ganz besondere Art und Weise. Würde so Geschichtsunterricht gemacht, es blieben keine Fragen offen…

Fazit:
Ein weiterer großartiger Roman aus der Feder von Melanie Metzenthin. Nicht nur Hamburgliebhaber, denen die Geschichte dieser Stadt am Herzen liegt, sind hier richtig. Diese Geschicht bewegt! Sie kann niemanden kalt lassen. Großartig geschrieben, brillant recherchiert, aber keineswegs etwas für schwache Nerven! 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 21.12.2020

Wer ist Helen Mitchell?

Die verstummte Liebe
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Das Buch:
Mit diesem Buch legt die Autorin die Vorgeschichte zu “Im Lautlosen” und “Die Stimmlosen” vor. Ausgelöst durch Stimmen ihrer Leserschaft wagte sie das Experiment zu zeigen, warum Helen Mitchell ...

Das Buch:
Mit diesem Buch legt die Autorin die Vorgeschichte zu “Im Lautlosen” und “Die Stimmlosen” vor. Ausgelöst durch Stimmen ihrer Leserschaft wagte sie das Experiment zu zeigen, warum Helen Mitchell zu der Frau wurde, die sie am Ende des 2. Weltkriegs ist. Auch ohne Kenntnis der beiden anderen Bücher, die zeitlich betrachtet parallel bzw. nach diesem spielen, ist dieses Buch zu lesen. Thematisch ist das Buch in 2 Teile aufgeteilt. Die Zeit vor dem ersten Weltkrieg und jene nach dessen Ausbruch. Für mich war es die helle und die dunkle Zeit.

Worum geht’s?
Helen Mandeville soll nach dem Wunsch ihres Vaters den reichen Juristen James Mitchell heiraten, zu dem sich Helen aber überhaupt nicht hingezogen fühlt. Auf einer Europareise lernt sie in Berlin den jungen Ludwig Ellerweg kennen, der ihr Herz im Sturm erobert. Selbst noch nicht volljährig plant sie mit ihm ihre Flucht aus England nach Deutschland und setzt diese nach ihrem 21. Geburtstag in die Tat um. Glückliche Jahre folgen, ihr Sohn wird geboren, doch dann kommt der erste Weltkrieg und dieser ändert alles…

Die Charaktere:
Helen Mandeville ist bereits als Kind überaus aufgeweckt und liebenswert. Sie ist intelligent, spricht mehrere Sprachen fließend und wächst behütet auf. Einzig die Verbindung zu ihrer Mutter ist stets frostig. Catherine Mandeville hält Bildung für Töchter für völlig überflüssig und versucht Helen immer wieder in ein Korsett von Konventionen zu stecken.
Ich mochte Helen sofort, konnte herzlich über ihre schnippischen Bemerkungen lachen, wenn sie James vorführen wollte, dass sie nicht die passende Ehefrau für ihn ist. Der Autorin gelingt es bereits in den ersten Kapiteln alle Sympathien bei Helen zu bündeln, man wünscht ihr einfach, dass sie nicht diesen Mann heiraten muss, der sie so gar nicht für voll zu nehmen scheint und der mir immer wieder die Frage aufdrängte, warum er Helen überhaupt heiraten will.
Helen Mandeville flieht 21jährig allein und ohne die Möglichkeit eines Rückwegs nach Deutschland zu ihrer großen Liebe Ludwig. Es ist wirklich beeindruckend zu lesen, wozu Liebe fähig ist. Nicht nur, dass sie ihre Heimat hinter sich lässt, sie verlässt gleichzeitig auch ihren Stand und darf nicht darauf hoffen, dass sie jemals wieder zurück kann.

Nachdem Helen zu einem ungünstigen Zeitpunkt noch einmal nach England reist, muss sie einsehen, dass ein Rückweg nach Deutschland zu ihrer Familie ob der politischen Lage nicht so ohne weiteres möglich ist. Mit dem Mut einer liebenden Mutter und Ehefrau versucht sie auch auf illegalen Wegen zurückzukehren. In dieser Situation entpuppt sich James als wirklicher Freund. Einige Entscheidungen, die Helen mit ihm fällt, wird sie später aber bitterlich bereuen.

Melanie Metzenthin beschreibt an der Figur der Helen sehr eindrucksvoll, wohin es führen kann, wenn sich ein Mensch über viele Jahre mit der eigenen Schuld konfrontiert sieht. Helen versinkt in Depressionen, kann ihren zweiten Sohn nicht lieben und behandelt ihn eher ungerecht, weil sie ihm unbewusst die Schuld an ihrem Schicksal aufbürdet. Wer Helen nur als die unzufriedene alte Frau kennt, als die ihr Erstgeborener sie wiedertreffen wird, kann hier nachlesen, warum es dazu kam. Auf mich wirkt Helens Leben sehr authentisch. Ich kann mitfühlen, woher ihre Depressionen und ihre Unzufriedenheit kommen. Die Autorin schafft es sicher, dem Leser ihre Helen zu zeigen und so Verständnis für ihre Verhaltensweisen zu erzeugen.

James Mitchell - gut aussehend und ambitioniert, aber auch ziemlich überheblich am Anfang - gelingt es über die Jahre sich selbst zu reflektieren. Es stellt sich heraus, dass er Helen wirklich liebt. Er ist der Charakter, der am wandelbarsten in der Geschichte ist. Einerseits liebevoll, andererseits hart. Das Leben mit ihm kann nur schwierig sein. Für seine Kinder ist er der Held, für Helen der Auslöser ihres Unglücks. Anfänglich konnte ich ihn so gar nicht leiden. Er ging mir mit seiner Überheblichkeit gehörig auf die Nerven, aber später hatte ich das Gefühl, dass ich ihn mögen könnte… Bis der Moment kam, in dem er Helen drohte. Damit hat er viel von der Sympathie wieder eingebüst. James ist eine Figur, die den Leser emotional durchschüttelt.

Ludwig Ellerweg ist Helens große Liebe und das von Anfang an. Seine humorvolle Art nimmt nicht nur Helen sondern auch den Leser gefangen. Man muss man ihn mögen und das ändert sich auch nicht, als er sich durch verschiedene Schicksalsschläge verändert. Mit ihm ist Helen glücklich, für ihn ist sie bereit Abstriche zu machen, zu verzichten. Umso tragischer fühlt es sich an, als Helen nicht zu ihm und ihrem Sohn zurückkehren kann. Mit dieser Figur hat Melanie Metzenthin neben Helen den absoluten Sympathieträger entworfen, dem man im Grunde immer nur Glück wünscht.

Auch alle anderen Figuren schreibt die Autorin absolut authentisch! Das Leben vor, während und zwischen den Kriegen ist alles andere als immer leicht. Durch gründliche Recherche in dieser Zeit gelingt es der Autorin ihren Figuren ein Leben einzuhauchen, das in diese Zeiten passt.

Schreibstil:
Melanie Metzenthin hat einen sehr leicht zu lesenden Schreibstil. Bereits nach den ersten Seiten taucht der Leser in die Geschichte ein. Es braucht keine Zeit des Warmwerdens, sondern es geht sofort mit der Geschichte los. In diesem Fall schreibt sie ihre Geschichte als Rückblick der alten Helen auf ihr Leben. Das war neu für mich, gefiel mir aber sehr gut!

Die Autorin projiziert ganz am Anfang des Buches einige Fragen, die den Leser bis weit in die Geschichte begleiten z.B. die Frage, wie aus Helen Mandeville Helen Mitchell wurde, deren Sohn Fritz Ellerweg heißt. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise und lässt ihn nicht mehr los. Darüber hinaus ist am Ende nicht alles sonnenklar - insbesondere dann, wenn man die beiden anderen Bücher nicht kennt. Melanie Metzenthin macht neugierig darauf, wie es an anderer Stelle weiterging.

Die Geschichte ist geprägt von den Handlungen der Charaktere. Es gibt keine Längen, keine umständlichen Verschnörkelungen. Es ist alles stets nachvollziehbar. Es macht Spaß sich auf Helen, Ludwig und James einzulassen, denn sie erzählen dem Leser ihre Geschichte des Lebens.

Historischer Hintergrund:
Wie in allen ihren historischen Romanen liefert die Autorin ein Nachwort, in dem sie darstellt, was reale Geschichte und was Fiktion ist. Alle Fakten sind wie stets recherchierbar und ausgesprochen gründlich zusammengetragen.

Fazit:
Melanie Metzenthin ist hier ein weiteres großartiges Werk gelungen, welches einerseits Fragen aufwerfen kann oder anderen Lesern Fragen beantwortet. Es ist wie das Puzzlestück eines großen Ganzen. Ich kann das Buch wärmstens empfehlen. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 14.12.2020

Der Buchtitel ist Programm!

Whisky mit Mord
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Das Buch:
Eine Freundin brachte mir das Buch mit den Worten: “Hier das ist doch was für Dich, weil Du Whisky magst”. Vermutlich wäre ich sonst wohl nicht über das Buch gestolpert. Es handelt sich hierbei ...

Das Buch:
Eine Freundin brachte mir das Buch mit den Worten: “Hier das ist doch was für Dich, weil Du Whisky magst”. Vermutlich wäre ich sonst wohl nicht über das Buch gestolpert. Es handelt sich hierbei um den ersten Teil der Abigail Logan Reihe, der als Cosy Crime einsortiert werden kann.

Worum geht's?
Die Fotojournalistin Abigail Logan erbt von ihrem Onkel Ben eine Whisky-Destille in den schottischen Highlands. Abgesehen davon, dass sie von diesem Geschäft gar keine Ahnung hat, hat sie auch überhaupt keine Ambitionen dorthin zu ziehen. Was also sollte sie mit der Destille anstellen? Um aber ihren Onkel zu beerdigen und die Destille möglichst schnell zu verkaufen, reist sie dennoch in das kleine Örtchen Balfour, in dem sie alles andere als willkommen ist. Und als sei das noch nicht genug, dauert es nicht lange, bis ein Angestellter der Destille tot aus einem der Gärbottiche gezogen wird.

Die Charaktere:
Abigail ist eine junge Frau, die vieles in ihrem Leben gesehen hat und harte Schicksalsschläge hinnehmen musste. In ihrem Beruf als Fotojournalistin war sie in den schlimmsten Gegenden der Welt unterwegs. Für ihre Fotos hat sie etliche Preise bekommen, aber dennoch ist sie tief drinnen ein verletzlicher Mensch geblieben, den man gern haben muss. Die Autorin webt Abis Vergangenheit geschickt in die Geschichte ein, sodass man sie im Verlauf der Geschichte immer besser kennenlernt. Mir gefiel am besten ihr Ritual mit den 3 Wörtern. Aus dem Bauch heraus beschreibt sie Menschen mit den ersten 3 Wörtern, die ihr dazu einfallen. Sie hat gelernt, dass es einen Grund hat, dass Abi bestimmte Worte zu Menschen einfallen, und die Autorin beweist dies auch immer wieder.

Nur zu Grant McEwan fehlen ihr die Worte. Bereits ganz am Anfang macht Abi sich Gedanken darüber, warum das so sein könnte. Natürlich ahnt der Leser recht schnell, woran das liegt, dennoch ist der Verlauf hin zur Verbindung der beiden spannend und nimmt durch Misstrauen und immer neue Wendungen nicht den geraden Weg. Die Geschichte von Abi und Grant ist keineswegs die klassische Liebesromanze und nimmt vor allem nur einen sehr kleinen Teil ein, selbst wenn sie immer präsent zu sein scheint.

Auch über den toten Ben erfährt der Leser so einiges, obwohl er eigentlich nur noch in der Erinnerung der Menschen existiert. Jedoch waren seine Handlungen zu Lebzeiten so nachhaltig, dass irgendwie jeder in Balfour Abi eine Geschichte zu Ben erzählen kann, was ihn wieder lebendig werden lässt.

Sämtliche Figuren erscheinen beim Lesen stets authentisch. Wer einmal in Schottland war und kleine Dörfer dort kennt, kann sich mit Sicherheit in dieses kleine Dorf hinein versetzen. Mir fiel das gar nicht schwer. Und auch die Destille ist wunderbar beschrieben, sodass man sich diese ganz leicht vorstellen kann.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt absolut flüssig und leicht lesbar. Mir gefiel besonders die Mischung aus Whisky-Schulung und Ermittlung in einem Mordfall. Natürlich - wie bei einem Cosy üblich - sind die Ermittlungen nicht ganz so hart, wie bei einem Thriller. Dennoch bleibt die Geschichte glaubwürdig und ist nicht zu weit hergeholt. Die Autorin verliert sich nicht in unnötigen Details. Zwar beschreibt sie die Örtlichkeit recht ausführlich, streut dies aber mehr in die Handlung ein. Außerdem lernt der Leser auch die Destille quasi wie nebenbei kennen, die Arbeiten, die dort verrichtet werden, deren Abläufe und sogar wie die Verzollung funktioniert. Für mich klang das alles stimmig und passte zu den Berichten bei einer Führung durch eine Destille.

Auch die Wendung am Ende der Geschichte ist spannend. Ich jedenfalls hätte damit nicht gerechnet. Es mag sein, dass die Auflösung etwas abrupt kommt und meiner Ansicht nach hätte man mangels Hinweisen auch nicht von selbst darauf kommen können, aber gerade diese unvorhergesehene Wende macht es letztlich wieder spannend.

Die Autorin schreibt so, dass der geneigte Mitermittler die ganze Zeit miträtseln kann. Ich allerdings habe mich auch dabei erwischt, wie ich mich von den herzigen Geschichten der Dorfbewohner bisweilen habe einlullen lassen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Schotten tatsächlich solche tollen Geschichten erzählen können und im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob die Autorin damit genau dieses Einlullen erreichen wollte, sodass der Leser von der eigentlichen Fährte wieder abkommt. Falls das so ist, gelingt es ihr perfekt.

Fazit:
Eine leichte Unterhaltung im Whisky-Milieu, die Lust auf die Nachfolger macht. Wer einen richtig harten Krimi mit straighten Ermittlern erwartet, ist hier falsch. Einen Hang zu den schottischen Highlands ist durchaus ratsam um dieses Buch toll zu finden. Mir hat es Spaß gemacht. 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 14.12.2020

Was wäre wenn?

Corona 2.0
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Das Buch
Wer braucht in Zeiten von Corona schon ein Buch über Corona? Dachte ich. Aber die Leseprobe hat mich neugierig gemacht, weshalb ich das Buch dann doch gelesen habe. Die Zuordnung als Thriller ...

Das Buch
Wer braucht in Zeiten von Corona schon ein Buch über Corona? Dachte ich. Aber die Leseprobe hat mich neugierig gemacht, weshalb ich das Buch dann doch gelesen habe. Die Zuordnung als Thriller halte ich nur für bedingt richtig, wenngleich die Geschichte sicherlich Tendenzen dazu hat.

Worum geht’s?
Ein Impfstoff gegen Corona ist auf dem Markt. Da die Impffreudigkeit der Deutschen nicht so hoch ist, wie es nötig wäre, erlässt die deutsche Regierung eine Impfpflicht. Allerdings steigen zeitgleich die Infektionszahlen und Todesfälle ins Unermessliche. Der Verschwörungstheoretiker Wahu spielt dem Journalisten Christian Wegener brisante Unterlagen der herstellenden Firma VaccuTech zu und bittet ihn, diese zu veröffentlichen. Und was wäre, wenn das gar keine Verschwörung ist, sondern bittere Wahrheit?

Charaktere:
Bedingt durch die Kürze des Romans kann man sicherlich nicht erwarten, dass die Figuren besonders vielschichtig sind. Der Leser lernt jedoch Christian Wegener und seinen Chef kennen, die zum Thema Impfung gegen Corona völlig unterschiedliche Meinungen zu haben scheinen. Während Christian längst nicht alles glaubt, was die Regierung sagt, sieht sein Chefredakteur das völlig anders und erwartet von Christian eine entsprechende Berichterstattung.

Christian ist eindeutig der Sympathieträger. Leider erfährt man wenig über seine Hintergründe. In der derzeitigen Situation ist er ziemlich auf sich allein gestellt und muss sich der Frage stellen, ob er die Informationen, die er von Wahu erhalten hat, wirklich veröffentlichen will. Die Konsequenzen daraus sind eher unvorhersehbar.

Die Handlungsweisen der deutschen Regierung und Staatsorgane werden meiner Meinung nach ganz gut porträtiert, selbst wenn sie im Vergleich zur Realität recht überzogen dargestellt werden. Hintergrund hierfür könnte allerdings sein, dass im Zusammenhang mit dem kürzlich erlassenen Ermächtigungsgesetzt ja auch in der Presse Vergleiche zum dritten Reich laut wurden. Diese Vergleiche werden hier noch etwas deutlicher dargestellt.

Bis auf Christian sind alle anderen Figuren eher als Nebencharaktere zu bezeichnen, die zwar auftauchen, aber nicht weiter beschrieben werden und meiner Meinung nach auch nicht immer einen Zweck erfüllen. Somit kann sich der Leser seinen eigenen Spekulationen hingeben. Wirklich kennenlernen tut er sie allerdings nicht.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist flüssig und lässt sich gut lesen. Auffällig sind jedoch die vielen Rechtschreib- oder Tippfehler, die sich in ihrer Häufigkeit als störend erwiesen haben. Würde ich das Taschenbuch gekauft haben, hätte mich das sicherlich geärgert.
Ebenso ratlos hat mich der Prolog zurück gelassen. Zwar war es eben dieser, der mich neugierig gemacht hatte, aber eine Auflösung oder Konsequenz daraus gab es irgendwie nicht, weshalb ich mir die Frage stellte, was mir der Autor damit sagen wollte.

Am Ende hatte ich so ein bisschen das Gefühl, dass der Autor zwar eine gute Idee hatte, diese aber nicht bis zum Ende gedacht oder beschrieben war. Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschichte wirkliches Potential für einen echten Thriller haben könnte, aber so wie sie jetzt dasteht eben nur ein Anfang sein kann.

Fazit:
Gute Idee, die nicht bis zum Ende geschrieben ist. Dazu zu viele Charaktere, die die Handlung wenig bis gar nicht beeinflussen. 2 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 13.12.2020

Großartig!

Verlorenes Gestern
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Das Buch:
Die Autorin legt hier den dritten und letzten Teil ihrer umfassenden Familiensaga um die Allenders vor. Es ist unbedingt empfehlenswert Teil 1 und 2 gelesen zu haben, da alle 3 Teile stets direkt ...

Das Buch:
Die Autorin legt hier den dritten und letzten Teil ihrer umfassenden Familiensaga um die Allenders vor. Es ist unbedingt empfehlenswert Teil 1 und 2 gelesen zu haben, da alle 3 Teile stets direkt aneinander anschließen. In diesem Roman werden die Jahre 1882 bis 1931 beschrieben - also eine Zeit einschneidener Umbrüche in den USA - und wie sich diese auf die Familienmitglieder auswirken.

Worum geht’s?
Nachdem Stuart seine Frau und Dara ihren Ehemann verloren haben, können sie endlich einander heiraten. Während in den USA die Industrialisierung fortschreitet, braut sich in Europa der erste Weltkrieg zusammen, an dessen Ende die Pandemie der Spanischen Grippe Millionen von Menschen weltweit dahin rafft. Und als sich eben alles wieder zu beruhigen scheint, trifft die Weltwirtschaftskrise die Familie mit voller Wucht. Wieder einmal scheint es so, als müsste die Familie nun endgültig zerbrechen, aber tut sie das?

Charaktere:
Einmal mehr hat mich die Autorin mit ihren vielschichtigen Charakteren beeindruckt. Über alle 3 Teile hat sie es geschafft, dass Stuart und Dara mein Lieblinge geblieben sind, selbst wenn ich so manche ihrer Entscheidungen nicht gutheißen konnte. Bedingt dadurch, dass Heike Wolf ihre Figuren aber so authentisch und vor allem lebendig gestaltet, ist es dennoch für den Leser möglich, zumindest zu verstehen, warum die Figuren handeln wie sie es tun.

Als Stuart ankündigte, dass er Dara heiraten wolle, nachdem diese eine wahre Odyssee mit ihrem Mann Maurice hinter sich gebracht hatte, hatte ich nur ein Wort im Kopf: ENDLICH! Das sahen nicht alle Familienmitglieder so. Aber ich hatte schon befürchtet, dass die Autorin den beiden dieses Glück nicht zuteil werden lassen würde. Bedingt durch ihr Alter treten Stuart und Dara dennoch weiter in den Hintergrund und überlassen in diesem Teil mehr ihren Kindern die Handlung. Das ist wenig verwunderlich, da nun einfach die nächste Generation das Ruder übernimmt.

Dieser Generationenwechsel ist allerdings auch geprägt von vielen Konflikten, denen sich die Figuren zu stellen haben. So ist es an Stuart seiner Tochter Louisa ein riesiges Eingeständnis zu machen, als diese ihm eröffnet, dass sie arbeiten gehen wolle - etwas, das für Stuart undenkbar ist. Eine Frau sollte nicht arbeiten müssen. Eben diese Generationenkonflikte prägen aber das Familienleben der Allenders und machen die Geschichte so unglaublich fühlbar. Jeder Leser wird sich in dem einen oder anderen Konflikt wiederfinden und sich auf die eine oder andere Seite stellen, denke ich. Dies ist eine Fähigkeit der Autorin, die sie durch alle 3 Bücher immer wieder unter Beweis gestellt hat.

Eine andere Fähigkeit ist es leider auch, ihre Charaktere sterben zu lassen, wenn es an der Zeit ist. Und in diesem Teil sterben - wie so oft - viel zu viele geliebte Figuren. Dies jedoch ist der Zeit geschuldet, in der Heike Wolf erzählt. Dabei schreibt sie so emotional, dass man sich dem nicht entziehen kann und vielmehr das Gefühl hat, man wäre mitten drin.

Abgesehen davon, dass jeder Charakter seine ganz eigene Persönlichkeit und seine eigenen Probleme hat, hat mich Douglas am meisten beeindruckt. Er hat sich im Verlauf der Geschichte völlig gewandelt. Zunächst mochte ich ihn mit seiner ganzen Art, seiner Kriegseuphorie z.B., so gar nicht. Nach dem Krieg hatte er sich zu einem - für meine Begriffe - egoistischen, verschwenderischen Typen entwickelt und wurde letztlich aber zu einem perfekter Ableger seines Vaters. Je weiter die Geschichte fortschritt, desto öfter hatte ich das Gefühl, dass Douglas doch mehr von seinem Vater mitbekommen hatte, als anfänglich angenommen. Es hat mich gefreut, dass auch er endlich begriffen hatte, dass Gefühle für einen anderen Menschen nichts schlechtes sind.

Cynthia - seine Schwester - hingegen ging mir gehörig auf die Nerven. Sie ist verwöhnt und war stets der Meinung, dass ihr alles zustünde, bevor überhaupt jemand anderer zu etwas Recht hätte. Oft hat sie mich an Natalya erinnert und ich hatte gehofft, dass sie die nächste Giftspritze werden würde. Denn ich muss gestehen, dass mir Natalyas Art zwar ebenfalls oft auf die Nerven ging, sie aber ein unerlässlicher Teil der Geschichte war und sie mir wirklich gefehlt hat.

Ich schätze jeder Leser wird seinen LIeblingscharakter finden. Allerdings ist es das Zusammenspiel aller Figuren, das die Geschichte zum Leben erweckt. Man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass irgendein Charakter überflüssig sein könnte. Immer hat das Dasein einen Grund.

Schreibstil:
Heike Wolf schreibt brillant! Sie liefert mit absoluter Sicherheit die perfekte Mischung aus historischen Fakten, interessanten Charakteren und Emotionen. Bei ihr durchlebt der Leser wirklich jedwede Gefühlsregung. Beim Lesen ertappte ich mich oft bei einer regelrechten körperlichen Anspannung, wenn wieder einmal ein Konflikt oder eine Situation schier ausweglos zu sein schien - vom Taschentuchverbrauch ganz zu schweigen!

Sie schafft es, den Leser mit in das helle Licht zu nehmen, in dem alles rosig ist, nur um ihn dann in den Abgrund zu stürzen, weil sie einem liebgewonnenen Charakter Böses widerfahren lässt. Sie sagte selbst einmal dazu: “Aber so ist das Leben nun mal!” Und damit hat sie Recht, was der Grund ist, dass ihre Geschichten stets authentisch wirken.

Die Geschichten der Autorin lesen sich immer leicht, sodass der Leser in die Geschichte fallen kann. Mit jedem Satz vermittelt die Autorin etwas; es gibt keine Phrasen, keine Längen, keine Langeweile. Die Geschichte ist nicht künstlich verlängert, sondern sie braucht eben diesen Raum. Und ginge es nach mir, könnte die Geschichte länger gewesen sein.

Historische Fakten:
Fakten, mit denen Heike Wolf arbeitet, sind stets recherchierbar. Sie betreibt einen eigenen Blog, auf dem sie weitere Informationen zur Verfügung stellt und auf den es sich lohnt vorbeizuschauen. So lernt der Leser ganz nebenher auch etwas über die Geschichte der Zeit, des Landes, die Gepflogenheiten. Das macht die Geschichte für mich zusätzlich interessant.
Fazit:
Das Buch ist ein absolutes Muss für Liebhaber der historischen Literatur. Zwischen Emotionen hin- und hergerissen bleibt der Leser garantiert in der Geschichte, bis auch die letzte Zeile gelesen ist. 5 von 5 Sternen

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