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Veröffentlicht am 20.03.2023

Spannender Auftakt einer neuen Reihe

Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)
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Es ist Winter in Berlin und an der Siegessäule treibt der Schnee durch die Nacht. Das perfekte Szenario, um eine Leiche zu finden. Mitten auf der Straße steht ein Lieferwagen, auf dessen Ladefläche eine ...

Es ist Winter in Berlin und an der Siegessäule treibt der Schnee durch die Nacht. Das perfekte Szenario, um eine Leiche zu finden. Mitten auf der Straße steht ein Lieferwagen, auf dessen Ladefläche eine tote Frau liegt. Die Adresse auf ihrem Bauch führt die Ermittler direkt zum Bundeskanzler. Was mag dieser mit dieser toten Frau zu tun haben?

Art Mayer hatte seinen Dienst quittiert und sich in Kreuzberg verkrochen. Er wollte nichts mehr mit dem BKA zu tun haben, bis ihn Martin Buchwald anruft und ihn förmlich anfleht zurückzukommen. Seine Erfolgsquote spricht für sich, seine Methoden allerdings auch. Mit diesen eckt Art immer wieder an und dennoch brauchen die Kollegen ihn. Art ist nach außen hin ein unnahbarer Typ und dennoch machen ihn seine ganz persönlichen Erfahrungen und Verhaltensweisen irgendwie auch weich und verletzlich. Er ist eine vielseitige Figur und mir am Ende des Buches immer noch ein Rätsel. Und das, obwohl der Leser doch schon so einiges über ihn erfährt.

Nele Tschaikowski ist die Neue im Team. Man könnte meinen, sie sei ein Mäuschen, aber schnell bemerkt man, dass sie genau das nicht ist. Sie ist mutig, klug und tough, wenn auch noch unerfahren. Gerade deshalb lernt Art sie schnell zu schätzen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass er ihr zum Ende hin mehr von sich offenbart als jedem anderen in seinem Umfeld. Ein Typ wie Art würde das wohl kaum ohne ein gewisses Maß an Vertrauen tun, obwohl er versucht, eine gewisse Distanz zu Nele (und zum Leser) zu halten. Andersherum weiß er jedoch auch, Neles Geheimnisse für sich zu behalten.

Der Roman entwickelt sich von der ersten Seite an stetig aufwärts. Die Spannung ist immer da und man möchte unbedingt wissen, was weiter passiert. Erst ziemlich am Ende wird die Auflösung präsentiert, wenngleich der Leser nicht umhin kommt, selbst Vermutungen anzustellen. Aber die immer wieder falschen Fährten lassen es spannend bleiben.

Marc Raabe hat hier - nach seiner Tom Babylon Reihe - ein neues, sehr unterschiedliches Ermittlerduo geschaffen, das absolut authentisch wirkt und für den Leser nach einer Weile vertraut erscheint. Mir hat richtig gut gefallen, dass Art, der eigentlich ein eher abweisender Typ ist, schon recht früh zeigt, dass er durchaus empathisch sein kann und vor allem, dass er Neles Vorzüge zu schätzen weiß. Es entsteht also auch ganz am Anfang kein wirkliches Hick-Hack zwischen den beiden, sondern jeder weiß, was er am Anderen hat. Und zwischen allem “Profi sein” kommt hin und wieder das Menschliche zum Vorschein, was die beiden so sympathisch macht.

Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Da jedoch anfänglich nicht klar ist, wer aus der Vergangenheit wer in der Gegenwart ist, kommen die Erkenntnisse eher häppchenweise. Das hat der Autor sehr geschickt gelöst. Ebenso, dass er die Hintergründe seiner Figuren, die in der Vergangenheit ihre Erklärung haben, nicht sofort präsentiert, sondern auch nach und nach, hält die Spannung hoch.
Mit der Erzählung auf zwei Zeitebenen hat Raabe ja bereits Erfahrung und das merkt man auch. Allerdings ist die Gegenwart sehr nah an der momentanen, sehr realen Gegenwart, wie wir sie kennen. Themen wie Corona, der Ukrainekrieg oder auch die Probleme mit der Gasversorgung halten Einzug. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor jedoch auf die digitalen Medien, welche Auswirkungen sie haben können und wie vor allem die Öffentlichkeit durch sie beeinflusst wird. Das macht den Roman überaus authentisch, ohne dass sich der Autor zu sehr in Politik ergehen würde.

Der Schreibstil ist gewohnt leicht zu lesen. Mir gefällt es, dass der Autor es vermag, Stimmungen einzufangen und Örtlichkeiten zu beschreiben, ohne dabei allzu ausschweifend zu werden. Die Beschreibungen schwingen immer mit, aber die Handlung bleibt stets im Vordergrund. So wird ein gewisses Kopfkino erreicht. Ich denke, auch Leser, die Berlin nicht kennen, werden sich dennoch wie zu Hause fühlen, sich einfangen lassen von dem, was der Autor beschreibt.

Normalerweise sind Cover für mich nicht wirklich wichtig. Aber in diesem Fall ist es einfach speziell. Das grelle Pink dürfte im Buchladen aus den ganzen anderen Covers hervorstechen und der schwarze Buchschnitt tut sein Übriges. Ich finde es sehr gelungen, schon deshalb, weil es etwas anderes ist, als man es gewohnt ist.

Fazit:
Ein rundum gelungener Roman, ein Pageturner, der trotz seiner knapp 600 Seiten nie langweilig wird. Wer Tom Babylon mochte, der wird Art Mayer zu schätzen wissen. Ich bin sehr gespannt auf den 2. Teil, der allerdings erst in 2024 kommen soll. Klare Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 05.03.2023

Starker Auftakt einer neuen Märchenreihe

Magic Kingdom. Im Reich der Märchen, Band 1: Der Fluch der dreizehnten Fee (Abenteuerliche, humorvolle Märchen-Fantasy)
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Zunächst habe ich geglaubt, die Idee, alte Märchen neu zu erzählen, sei nicht wirklich neu. Auch glaubte ich, dass die Idee, aus der Sicht der bösen Figuren zu erzählen, nicht neu ist. Es gibt inzwischen ...

Zunächst habe ich geglaubt, die Idee, alte Märchen neu zu erzählen, sei nicht wirklich neu. Auch glaubte ich, dass die Idee, aus der Sicht der bösen Figuren zu erzählen, nicht neu ist. Es gibt inzwischen ja einige Reihen, die sich mit diesem Thema befassen. Im vorliegenden Buch geht es aber nicht vordergründig darum, alte Märchen neu zu erzählen, sondern diese Geschichte ist eine ganz eigene. Sie spielt im Märchenland und uns begegnen auch einige - nicht allzu viele übrigens! - Figuren, die wir aus uns bekannten Märchen kennen, aber der Grundtenor dieser Geschichte ist die Geschichte um Filomena.

Filomena ist 12 Jahre alt und ein ganz normales Mädchen mit ganz normalen Sorgen. Okay, vielleicht ist bei ihr alles etwas mehr als nur ganz normal. Sie hat nicht besonders viele Freunde, wird von ihren Eltern mehr als überbehütet, was sie auch gründlich nervt, und sie ist der größte Fan der Magic Kingdom Buchreihe. Als der letzte Teil ihrer geliebten Buchreihe einfach nicht erscheint, obwohl er über ein Jahr gehypt wurde, bricht zuerst ihre Welt zusammen und kurz darauf findet sie sich in einer völlig anderen Welt wieder. Natürlich nicht ganz freiwillig, aber…

Filomena ist mir sofort ans Herz gewachsen. Sie ist klug und liebenswürdig. Sie liebt ihre Eltern, obwohl diese sie keinen Schritt allein tun lassen. In der Schule hat sie ständig Ärger mit den Alfredos - einer fiesen Gang, die sie ständig mobben, obwohl sie doch nur in Ruhe gelassen werden will. Ich habe herzlich gelacht über die vielen Namen, die Filomena ihnen im Verlauf der Geschichte gibt. Allein schon daran merkt der Leser sehr deutlich, wie sehr sie diese Schüler verachtet.
Obwohl Filomena durch ihre Eltern viele Ängste eingepflanzt bekommt, lernt der Leser sehr schnell, dass sie alles andere als feige ist. Sie ist ein sehr mutiges Mädchen, das ihre Angst zwar kennt, sich von ihr aber nicht kontrollieren lässt.

Ihr zur Seite stehen Jack Stalker und Alistair Bartholomäus Barnaby - ihre liebsten Figuren aus Magic Kingdom. Die beiden sind etwa in Filomenas Alter, aber schon echte Helden, die sich um das Märchenland verdient gemacht haben. Nun aber brauchen sie dringend Hilfe - von ihr, einer Sterblichen. Ich mag Jack und Alistair. Ich habe so oft mit ihnen gelacht, wenn ihnen in unserer Welt etwas seltsam vorkam, und um sie gezittert, wenn sie sich in ein neues Abenteuer stürzen mussten. Darüber hinaus lernt der Leser auch sie im Verlauf der Geschichte besser kennen. Häppchenweise werden ihre Geschichten erzählt, die so das Geschehen untermalen und zugleich verständlicher machen.

Und natürlich gibt es - wie in jedem Märchen - auch die böse Rolle. Königin Olga will unbedingt das ganze Märchenland beherrschen und jedes Mittel ist ihr Recht, um an ihr Ziel zu kommen. Man kann sie mit gutem Gewissen verachten, denn schon dass sie Königin ist, geht nicht mit rechten Dingen zu. Die Autorin hat eine glaubwürdige Antagonistin kreiert, die durch Boshaftigkeit und Hässlichkeit gekennzeichnet ist. Sie tritt nicht besonders häufig in Erscheinung, ist aber zu jeder Zeit präsent.

Der Autorin gelingt es ganz hervorragend, das Märchenland und unsere Welt miteinander zu verbinden. Man weiß zu jeder Zeit, wo man sich befindet und es ist herrlich zu beobachten, wie sich die Kinder gegenseitig ihre Welt erklären. Darüber hinaus finde ich es wirklich amüsant, wenn sich die Autorin mitten im Märchenland der Jugendsprache, wie wir sie kennen, bedient. Ich schätze, da wird sich jeder Leser gleich zu Hause und gut aufgehoben fühlen.

Die Autorin vermag es auch, die Beschreibungen von Märchenland und realer Welt so darzustellen, dass sich spontan Bilder im Kopf bilden und man eine ganz konkrete Vorstellung hat, wie es wo aussieht. Das gefällt mir sehr. Es erleichtert das Eintauchen in die Geschichte ungemein.

Der Schreibstil ist aus meiner Sicht der Zielgruppe angepasst. Er lässt sich wunderbar leicht lesen und man muss sich nicht auf schwierige Satzkonstruktionen konzentrieren, sondern kann ganz gebannt seinen Helden folgen. Einzig der Umstand, dass sich hier und da Rechtschreibfehler eingeschlichen haben, gefällt mir nicht so gut.

Der gesamte Aufbau der Geschichte ist wunderbar. Sie ist in 4 Teile eingeteilt, welche jeweils mit einem Prolog beginnen. Diese Prologe erzählen ihre ganz eigene Geschichte, die letztlich zum Erkennen der Wahrheit beiträgt. Die Kapitel sind kurz gehalten, sodass auch ungeübtere Leser ganze Kapitel lesen können. Durch die Kürze der Kapitel baut sich die Spannung schnell auf und man ist stets mehr mittendrin als nur dabei.

Last but not least: Ich mag das Cover. Mit den goldenen Buchstaben ist es ein echter Hingucker und es passt zum Inhalt des Buches.

😊 Fazit:
Das vorliegende Buch ist ein starker Auftakt zu einer neuen Kiinderbuchreihe, der mir mir sehr gut gefällt. Die Protagonisten wirken authentisch und nicht zu überzeichnet. Durch Sprachstil und Geschichtenaufbau kann die Autorin ihre Zielgruppe ganz bestimmt erreichen. Wer Märchen mag, wird dieses Buch lieben und wohl ebenfalls zum Fan von Magic Kingdom werden. Ich freue mich jedenfalls sehr auf den 2. Teil.

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Veröffentlicht am 08.12.2022

Humorvolles Kinder-Gangster-Abenteuer mit jeder Menge Erklärungen

Die Smartphone-Waisen 1: Das Schloss der Smartphone-Waisen
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Marla Madelhuber verliert als Kind ihre Eltern, als diese ihr zu ihrem 10. Geburtstag gratulieren wollen. Sie stehen mit ihrem Smartphone und einem Selfie-Stick am Berghang und machen einen Schritt zu ...

Marla Madelhuber verliert als Kind ihre Eltern, als diese ihr zu ihrem 10. Geburtstag gratulieren wollen. Sie stehen mit ihrem Smartphone und einem Selfie-Stick am Berghang und machen einen Schritt zu viel, weil sie unaufmerksam sind. Als Erwachsene eröffnet Marla in Berlin ein Kinderheim für jene Kinder, die ein ähnliches Schicksal teilen wie sie. Doch eines Tages kommt ein Brief, der das kleine Paradies der Smartphone-Waisen zu zerstören droht… Nun ist guter Rat teuer und eine Lösung scheint zunächst nicht in Sicht.

Die fünf Kinder – Smartphone-Waisen – sind ziemlich unterschiedliche Charaktere, was der Geschichte schon mal reichlich Pepp verleiht. Mein Lieblingscharakter ist Kalli. Er liebt Ordnung, seine Sachen sind stets ordentlich und gebügelt und seine Haare jeden Tag gekämmt. Er ist der klassische Nerd mit richtig viel Grips und Ideen – und sowohl der Entführungs- als auch der Einbruchsleiter. Allein über diese Begrifflichkeiten konnte ich schon herzlich lachen.

Die Autorin schreibt herrlich leicht und kindgerecht. Man fliegt nur so durch die Geschichte. Das Beste dabei ist aber, dass sie den Leser mit in die Geschichte holt. Sie spricht ihn einfach direkt an und so manches Mal fühlt man sich dann auch erwischt, wenn sie sagt: „Na hast Du gedacht, dass…“ Diese Art mit dem Leser in Kontakt zu treten, verkürzt die Distanz zum Autor, finde ich. Darüber hinaus schafft sie es so, auf unterhaltsame Art und Weise Dinge zu erklären, die im Verlauf der Geschichte sonst vielleicht keinen Platz gehabt hätten. Ich mag diese Art zu schreiben sehr.

Am Beispiel von Artschie – dem Enkel von Oma Hermine, der das Schloss gehört, in das die 5 Kinder nur allzu gern einziehen würden – wird ganz wunderbar gezeigt, dass mehr in Menschen steckt, als man auf den ersten Blick vielleicht sieht. Und so werden die 5 Smartphone-Weisen – Kalli, Leo, Tara, Bodhi und Bhavani – und Artschie am Ende dicke Freunde, obwohl es anfangs gar nicht so aussah. Auch der Umstand, dass die 5 Kinder nicht unbedingt in ein Schema passen – Leo strickt, Tara kann hellsehen z.B. – finde ich super gelungen. Ihr Anderssein stört hier niemanden, ganz im Gegenteil, es ist eher von Vorteil, denn Kalli weiß alles zu nutzen um die gemeinsamen Pläne umzusetzen.

Oma Hermine ist einfach knorke. Sie kann zwar nicht mehr so gut laufen, hat aber einen Rennrollstuhl und ist einfach echt cool, genauso wie ihr Butler Mr. Gordon. So manches Mal wissen die beiden schon recht genau, was abgeht, dennoch sind sie weit davon entfernt, die Kinder zu bremsen oder auszuschimpfen. Es geht vielmehr darum, dass sie eigene Erfahrungen machen – so wie es im Grunde auch in der Realität sein soll(te), wie ich finde.

Die Illustrationen im Buch sind nicht allzu häufig, was mir gut gefällt, aber die Bilder, die wir finden, sind treffsicher gezeichnet. Ich mag sie sehr und es macht einfach Spaß auch einmal länger zu verweilen und die Details zu betrachten. Sie passen stets zu der Stelle im Buch, an der sie eingefügt wurden und untermalen die Geschichte, ohne ihr die Show zu stehlen.

Dieses Buch ist hervorragend geeignet zum Selbst- oder zum Vorlesen. Auch als Erwachsener hat man hier jede Menge Spaß und betrachtet die Welt der Kinder vielleicht auch einfach mal mit anderen Augen. Es lohnt sich jedenfalls.

Fazit:
Eine tolle Geschichte, spannend und humorvoll erzählt und durchaus dazu gemacht, noch ein zweites Mal gelesen zu werden. Die Illustrationen sind klasse gezeichnet und machen Freude. Von mir gibt es deshalb eine klare Leseempfehlung – sowohl für große als auch kleine Leser.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Welches Arschloch bin ich selbst?

Ein Arschloch kommt selten allein
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Auf den ersten Blick mag der Titel des Buches etwas rüde und provokativ daher kommen. Soll er vielleicht auch! Beim Lesen jedoch bemerkt man schnell, dass die Ausführungen der Autorin weder das Eine noch ...

Auf den ersten Blick mag der Titel des Buches etwas rüde und provokativ daher kommen. Soll er vielleicht auch! Beim Lesen jedoch bemerkt man schnell, dass die Ausführungen der Autorin weder das Eine noch das Andere sind. Vielmehr erklärt sie sachlich fundiert, ohne Zurückhaltung aber mit einem Augenzwinkern und jeder Menge Humor die unterschiedlichen Arschlochtypen und - was ich am Wichtigsten finde - wie sie zu dem wurden, was sie sind. Dazu nutzt Claudia Hochbrunn Beispiele, die für wirklich jeden nachzuvollziehen sind.

Im ersten Teil des Buches werden die verschiedenen Typen vorgestellt und bereits hier kommt der Leser nicht umhin, sich die Frage zu stellen, welche Eigenschaften wohl auf ihn selbst zutreffen. Das betrifft sowohl die positiven als auch die negativen Eigenschaften. Mir ging es so, dass ich mich des Öfteren mal ertappt fühlte und so bleibt Hochbrunns Aussage, dass jeder von uns irgendeinem Arschlochtyp entspricht, (leider) wahr. Das Wichtigste jedoch ist, selbst wenn sie hier von Arschlöchern spricht, so wohnt jedem Charaktertyp niemals nur Negatives inne.

Der zweite Teil ist einem Selbsttest gewidmet. Der macht allerdings nur wirklich Spaß (und Sinn), wenn man ehrlich zu sich selbst ist. Und immerhin muss man das Ergebnis ja niemandem verraten. Es ist erstaunlich, welche Erkenntnisse man selbst für sich daraus ziehen kann. Natürlich sind die Fragen und möglichen Antworten teilweise etwas überzogen, aber am Ende folgt eine wunderbar verständliche Erklärung in der Auswertung. Ich hatte meinen Spaß und habe mehr als einmal herzhaft gelacht.

Den dritten Teil widmet die Autorin der Frage, wer zu wem passt. Gerade hier wird es sehr deutlich, dass niemals alles schlecht ist, sondern dass in jedem Typen sowohl positive als auch negative Eigenschaften stecken und dass auf jeden Topf auch ein Deckel passt - eben wie es im Leben tatsächlich ist. Mich hat dieser Teil besonders fasziniert, denn vor dem Hintergrund des eigenen Tests kann man hier auf den Prüfstand stellen, ob man tatsächlich einen passenden Partner hat. Falls nicht… Nun vielleicht ist das der Grund für den letzten Streit?

Im vierten und letzten Teil geht es um die Frage, wie man am besten mit den unterschiedlichen Arschlochtypen umgehen kann. Mit Sicherheit ist dies keine Anleitung dafür, wie es ab sofort richtig und gut läuft, aber es lohnt sich auf jeden Fall darüber nachzudenken und mit etwas Glück kommt sogar der eine oder andere Aha-Effekt dazu, dem das Verstehen des Anderen zugrunde liegt.

Claudia Hochbrunn ist Fachärztin für Psychatrie und Psychotherapie. Ihre Ansichten - mögen sie auch noch so humorvoll dargelegt werden - sind also fachlich fundiert. Und gerade dieser Aspekt bringt mich beim Lesen dazu, doch einmal genauer über das Gelesene nachzudenken, vielleicht in Gedanken ein paar Kreise zu ziehen und Revue passieren zu lassen. Wie schon oben erwähnt, man muss die eigenen Erkenntnisse ja mit niemandem teilen, aber der Mehrwert in der Interaktion mit anderen Menschen oder aber bei der eigenen Betrachtung von Situationen dürfte unbedingt gegeben sein.

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Die Autorin ergeht sich nicht in ellenlangen Ausführungen in Medizinerdeutsch, das man nur mit einem Lexikon versteht, sondern schreibt kurz und knackig in Beispielen, die jeder schon mal erlebt haben könnte oder sich zumindest gut vorstellen kann. Sie schreibt mitten aus dem Leben und somit für wirklich Jedermann. Damit wird aus dem Sachbuch eher eine Ansammlung von lebensnahen Anekdoten, über die der Leser schmunzeln kann.

Fazit:
Ein Sachbuch, das eigentlich gar keines ist. Ein Buch, das dem Leser zeigt, welcher Typ er selbst (vermutlich) ist und wie er mit anderen Typen (besser) umgehen kann. Das Buch zeigt ehrlich die Schwachstellen der einzelnen Arschlochtypen, tut dies jedoch stets mit einem Augenzwinkern und ganz viel Humor. Und wie der Klappentext so schön sagt: Bitterböse, sehr, sehr lustig und leider wahr. Unbedingt lesen! Es lohnt sich. 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 24.11.2021

Gamaches erster Fall

Das Dorf in den roten Wäldern
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Diese Rezension möchte ich mit einem Zitat beginnen, welches den Inhalt des Buches sehr genau zusammenfasst: S. 392 "Das Leben hier war weit davon entfernt, hektisch zu sein. Aber es stand auch nicht still."
Eben ...

Diese Rezension möchte ich mit einem Zitat beginnen, welches den Inhalt des Buches sehr genau zusammenfasst: S. 392 "Das Leben hier war weit davon entfernt, hektisch zu sein. Aber es stand auch nicht still."
Eben dieser Umstand macht das Buch, in dem es um den ersten Fall im kleinen Örtchen Three Pines irgendwo in Kanada geht, für mich so lesenswert. Gewöhnlich ist die Sparte Cosy Crime nicht unbedingt meine bevorzugte, als ich im Buchhandel jedoch die vielen unterschiedlichen Bücher von Louise Penny sah, habe ich zugegriffen. Das Werbekonzept ist bei mir also aufgegangen.

Im kleinen Örtchen Three Pines wird die Leiche der allseits sehr beliebten, ehemaligen Dorflehrerin Jane Neal gefunden. Eben weil Mrs Neal bei allen so beliebt war und sie ganz offensichtlich keine Feinde hatte, erscheint es überaus fraglich, ob es sich tatsächlich um Mord oder doch eher um einen Unfall handelt. Chief Inspector Armand Gamache glaubt zunächst das Offensichtliche, aber ist das wirklich so?

Gamache ist ein sympathischer Mensch, ruhig und direkt. Er wird von seinen Mitarbeitern nicht nur wegen seiner Erfahrung sehr gemocht, sondern insbesondere wegen seiner wertschätzenden Art. Ich finde es wirklich bemerkenswert, wie er auch schwierige Situationen stets auf Augenhöhe und ohne seinen Gegenüber abzuwerten meistert. So mochte auch ich ihn auch von Anfang an. Ein wenig erinnert er mich an Columbo, der zwar auch diverse unangenehme Fragen stellt, aber dabei immer wertschätzend bleibt.

Umgeben ist Gamache von vielen Mitarbeitenden, von denen nicht viele wirklich im Vordergrund stehen. Er ist die zentrale Figur auf der Ermittlerseite. Zwei sind aber dennoch zu erwähnen. Zum Einen wäre da Yvette Nichol - eine junge, aufstrebende Polizistin, die verzweifelt darum bemüht ist, Ansehen zu erlangen - insbesondere Gamaches Ansehen. Zu Beginn erscheint sie beflissen und sympathisch. Doch schon bald wird sie mir immer unsympathischer. Sie wirkt auf mich überheblich und arrogant, glaubt ständig, dass sie von ihrer Umwelt nur missverstanden wird und greift schlussendlich sogar zum Stilmittel der Lüge womit sie Gamaches Ermittlungen behindert. Ihr fehlt eben genau das, was alle Charaktere und auch ich an Gamache schätzen.
Der andere Mitarbeiter ist Inspector Beauvoir, eine treue Seele und zufrieden in seiner Position als Gamaches Mitarbeiter. Er bewundert Gamache und hat bereits viel von ihm gelernt. Dabei ist er ebenso sympathisch wie Gamache und obwohl wir die beiden noch gar nicht näher kennen, macht es den Eindruck, als würden sie bereits viele Jahre zusammenarbeiten. Eine wunderbare Mischung aus Menschlichkeit und Effizienz.

Die Dorfbewohner sind vielfältig. Manche machen sich schnell verdächtig, andere schließt der Leser wohl sofort aus. Die Autorin versteht es, Dinge zunächst auf eine bestimmte Art erscheinen zu lassen und dann ganz langsam das Bild zu übermalen oder auch den Hauch der Friedfertigkeit abzuziehen. Dabei geht sie behutsam vor, allerdings ist es nicht so, dass sich die Geschichte lang hinziehen würde. Es passiert immer irgendetwas und so habe ich das Gefühl, dass das Tempo der Geschichte an das des gewöhnlichen Dorflebens angepasst ist.
Zu Beginn des Buches taucht der Leser in ein Dorf irgendwo in Kanada ein. Es ist ruhig und beschaulich und die Dorfbewohner sind eben Dorfbewohner, denen man nichts böses zutrauen möchte. Häppchenweise lässt Penny mehr und mehr die Masken fallen, die Dorfbewohner werden zu Freunden des Lesers - oder eben auch zu Menschen, die man lieber nicht kennen möchte. So erhält der Leser einen Blick hinter die Kulissen, wo längst nicht mehr alles dörflich und beschaulich ist.

Besonders fasziniert hat mich dabei der Umstand, dass die Autorin einen tiefen Einblick in die kanadische Gesellschaft liefert. Quebec ist ein Kanton, in dem beispielsweise englisch und französisch gesprochen wird. Allein hierin liegen schon gesellschaftliche Gegensätze. Zudem konfrontiert sie den Leser mit Vorurteilen und Diskimierung in der Gesellschaft. Dies tut sie jedoch so überhaupt nicht vordergründig, sondern lässt es vielmehr wie nebenbei einfließen und verdichtet so immer mehr das Bild dieses kleinen Dörfchens in dem bis zu Jane Neals Tod die Welt noch in Ordnung war.

Mir gefällt - ganz gegen meine Gewohnheit - die Gemächlichkeit der Geschichte und der Umstand, langsam zusammen mit Gamache und Beauvoir die Dorfbewohner kennenzulernen. Die Autorin zeichnet vielschichtige Charaktere, die so überaus authentisch daherkommen, als könnte man ihnen an jeder beliebigen Straßenecke begegnen. Sie spielt mit kleinen Details ohne sich in ihnen zu verlieren; sie beschreibt die Dinge, sodass es dem Leser leicht fällt, sich das Dorf und die Menschen darin vorzustellen. Dabei bedient sich die Autorin einer Schreibweise, die einen durchgängigen Lesefluss ermöglicht. Nur ganz zu Anfang, wenn die Figuren noch nicht so bekannt sind, muss man sich vielleicht etwas mehr konzentrieren, eben weil es recht viele Figuren sind, die hier agieren.

Einen Minuspunkt muss ich jedoch anbringen. Obwohl mir das Buch wirklich gut gefällt, finde ich den Preis von 17,90 Euro für ein Softcover mit knapp 400 Seiten unverhältnismäßig hoch.

Fazit:
Ein gelungener Cosy Crime im fernen Kanada, bei dem es Freude macht, gemeinsam mit den Ermittlern dem Fall auf die Spur zu kommen. Die Gemächlichkeit der Geschichte passt zum Leben in einem Dorf und die Charaktere sind vielschichtiger, als es zunächst den Anschein hat. Wer Freude an der Langsamkeit haben kann und wer auch nicht vor gesellschaftskritischen Aspekten innerhalb einer fiktiven Geschichte zurück schreckt, sollte hier unbedingt zugreifen. Es lohnt sich. 5 von 5 Sternen.

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