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Veröffentlicht am 03.10.2020

Wenn Träume zerplatzen und dann doch die Hoffnung obsiegt

Die Hafenschwester (2)
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Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den zweiten Teil der Hafenschwester Trilogie. Er schließt nicht direkt an den ersten Band an. Dazwischen liegen ca. 15 Jahre. So ist der Roman zwar unabhängig ...

Das Buch:
Es handelt sich bei diesem Buch um den zweiten Teil der Hafenschwester Trilogie. Er schließt nicht direkt an den ersten Band an. Dazwischen liegen ca. 15 Jahre. So ist der Roman zwar unabhängig vom ersten Teil zu lesen, aber es lohnt sich auf jeden Fall bei Band 1 zu beginnen um Marthas Geschichte von Anfang an zu verfolgen.

Worum geht’s?
Wir schreiben das Jahr 1913 in Hamburg. Milli ist nach Amerika ausgewandert und Martha und Paul leben ein glückliches, gut situiertes Familienleben. Zwar darf Martha – bedingt durch ihre Eheschließung – nicht mehr arbeiten, dafür engagiert sie sich ehrenamtlich wie eh und je für die Ärmsten der Armen in Hamburgs Gängevierteln. Die perfekte Welt wird von einer Einladung Millis nach Amerika gekrönt, weil Marthas Patenkind Anna heiraten wird. Die Reise auf dem imposanten Imperator ist ein wirkliches Highlight. Doch kurz nach ihrer Rückkehr beginnt der erste Weltkrieg und Marthas heile Welt wird schwer erschüttert…

Die Charaktere:
Martha ist und bleibt die interessante Frau, die der Leser im ersten Teil bereits kennengelernt hat. Und trotzdem erscheint sie anders – reifer, älter. Sie ist DIE Hafenschwester, ihr guter Ruf eilt ihr stets voraus. Entgegen ihrer Vergangenheit ist sie heute eine anerkannte Persönlichkeit in Hamburg – und zwar in allen Gesellschaftsschichten. Sie ist bemerkenswert klug und schlagfertig und einfach der Sympathieträger der Geschichte. Ich mochte sie bereits im ersten Teil sehr und daran hat sich jetzt nichts geändert. Ihre Familie mit ihrem Mann Paul und ihren 3 Kindern empfindet sie als hohes Gut und sorgt entsprechend gut für sie. Als in den Wirren des ersten Weltkrieges ihre heile Welt zusammenzubrechen droht, behauptet sie sich um ihre Familie zu ernähren und zusammenzuhalten und hat sogar noch die Kraft, für so viele andere da zu sein.

Paul kommt schwerst verletzt aus dem Krieg nach Hause. Ja, er lebt, hat noch alle Gliedmaßen, dafür ist sein Gesicht schwer gezeichnet. Während Paul zunächst beinahe den Lebenswillen verliert, kümmert sich Martha nicht nur um sein seelisches Heil sondern mit aller Kraft auch um seine körperliche Genesung. Hierbei ist es beeindruckend mit welcher Vehemenz und Tatkraft sie sich dieser Aufgabe widmet.

Marthas Bruder Heinrich heiratet heimlich eine Chinesin – Li-Ming. Diese Figur ist aus meiner Sicht jene, die sich am meisten entwickelt. Bei ihrem ersten Auftreten wusste ich so gar nicht, wohin ich sie stecken sollte, hatte sogar kurz das Gefühl, dass sie ein negativer Part werden könnte, aber je weiter die Geschichte fortschreitet, desto sympathischer wird diese Frau. Der Leser erfährt von ihrem schweren Schicksal der gebundenen Füße, nimmt teil an ihrer Odyssee, als Heinrich im Krieg als verschollen gilt und lernt sie und ihre Traditionen immer besser kennen. Zunächst hat sie etwas Unnahbares an sich, sie scheint verschlossen, aber irgendwann offenbart sie sich Martha und wird letztlich zu einem wirklichen Familienmitglied. Mochte ich sie am Anfang nur bedingt, ist sie mir zum Ende der Geschichte jedoch sehr ans Herz gewachsen. Als Chinesin in Hamburg hat sie es sicherlich nicht leicht gehabt.

Heinrich ist ein Mann der Tat – ganz ähnlich wie seine Schwester. Als Kapitän zur See ist er alles andere als feige und das zeigt er hier auch sehr deutlich. Oftmals kann man die Sorge Li-Mings und Marthas nur allzu gut mitfühlen, wenn Heinrich wieder einmal zu lange nicht nach Hause kommt und nichts von sich hören lässt. Aber die Geschichten, die er im Anschluss zu berichten hatte, habe ich geliebt. Ich konnte ihn mir so richtig als Haudegen vorstellen, der immer ein Abenteuer mit nach Hause bringt.

Der Antagonist in diesem Roman ist der 1. Weltkrieg und gegen ihn scheinen all die sympathischen Figuren absolut machtlos zu sein. Es ist erschreckend mitzuerleben, wie eine politische Situation das Leben so nachhaltig verändern kann. Die stolze Stadt Hamburg liegt an seinem Ende zerstört am Boden – moralisch zerstört, weil seine Einwohner die Hoffnung verloren hatten.

Historische Fakten:
Die geschichtlichen Hintergründe des Romans sind exzellent recherchiert und nachweisbar. Die Beschreibungen des alten Hamburg sind so lebhaft und bildgewaltig geschrieben, dass sich selbst Nicht-Hamburger wohl beinahe zu Hause fühlen könnten. Für Leser, die sich in Hamburg auskennen, ist es eine Freude mit Martha durch die Straßen zu ziehen und viele Dinge wiederzuerkennen, weil es sie heute noch in moderner Form gibt. Die Autorin lässt den Leser in diese mondäne Stadt eintauchen, obwohl er von längst vergangenen Zeiten liest.

Mich haben insbesondere die medizinischen Hintergründe der Gesichtschirurgie und die Geschichte des ersten Weltkriegs gefesselt. Beide Stränge sind geschickt in die Schicksale der Figuren verwoben, sodass es noch nicht einmal auffällt, dass man gerade etwas Neues lernt. In diesem Roman wird Geschichte lebendig und ich dachte öfter, würde so Geschichtsunterricht gemacht werden, wie die Autorin ihren Roman schreibt, es gäbe viel mehr gute Noten. Die Mischung aus menschlichem Schicksal und Geschichte ist wundervoll!

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt bildhaft und leicht zu lesen. Sie beschreibt Orte und Figuren so, dass man sich fühlt, als stünde man genau dort in der Szene, über die man gerade liest. Das Buch beginnt sehr ruhig – ganz im Gegensatz zum ersten Band. Aber damit soll die gute Zeit zum Ausdruck gebracht werden. Es macht außerordentlich viel Freude sich der Historie hingeben zu können.

Und auch während des Krieges wird es nur bedingt wirklich laut. Die schrecklichen Erlebnisse im Frontgeschehen kommen nur selten zum Anklang, vielmehr beschreibt Melanie Metzenthin, welche Tragödien sich daheim in Hamburg ereignen. Die Lage der Menschen spitzt sich stetig zu und endet mit der Abdankung des Kaisers, des Werftarbeiterstreiks und der sehr raschen Einführung von Vergünstigungen im Arbeitsleben, die wir heute auch noch kennen.

Auffällig ist, dass – im Gegensatz zum 1. Band – die Politik recht kurz kommt. Und das obwohl Martha und Paul keineswegs ihr Interesse daran verloren hätten – im Gegenteil, sie sind weiterhin engagiert. Aber in dieser Geschichte stehen eindeutig andere Fakten im Fokus, welche toll verarbeitet und immer an die Figuren geknüpft sind. Nie hat der Leser das Gefühl belehrt zu werden. Vielmehr fängt Melanie Metzenthin die Stimmung zu jener Zeit ein, weshalb die Geschichte bis zur letzten Seite lebendig bleibt.

Obwohl Martha und Paul eine tiefe Liebe verbindet, gibt es in diesem Roman überhaupt keinen Kitsch. Sehr gekonnt bringt die Autorin diese Gefühle anders zum Ausdruck, man könnte sagen zwischen den Zeilen, aber dennoch fühlbar.

Fazit:
Ein weiteres gelungenes Werk dieser Autorin. Es ist eine Reise in die Vergangenheit – in die medizinische, die politische und die menschliche. Eine wundervolle Geschichte über zerbrochene Träume und neu gefundene Hoffnung. Für Fans historischer Romane ein Must read.

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Sehr dramatisches Thema, nicht ganz leicht zu lesen.

Adresse unbekannt - Nominiert zum Deutschen Jugendliteraturpreis
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Das Buch:
Nach dem Lesen der Leseprobe war ich sehr gespannt darauf, wie die Autorin dieses wirklich schwere Thema der Obdachlosigkeit kindgerecht aufbereitet hat. Ich bedanke mich für den Gewinn des ...

Das Buch:
Nach dem Lesen der Leseprobe war ich sehr gespannt darauf, wie die Autorin dieses wirklich schwere Thema der Obdachlosigkeit kindgerecht aufbereitet hat. Ich bedanke mich für den Gewinn des Buches beim Verlag und der Autorin.

Worum geht’s?
Der 12jährige Felix und seine Mutter Astrid leben in einem als Wohnmobil ausgebauten Bus. Anfänglich ist alles ein Abenteuer, ein Urlaub, aber bald schon wird klar, dass sich dieser Wohnsitz zur Dauerwohnung entwickelt. Grund hierfür ist unter anderem, dass Astrid keinen Job besonders lange behält und auch keinerlei Anstalten macht, sich an die Sozialbehörden zu wenden, aus Angst davor, dass man ihr ihren Sohn wegnehmen könnte.
Auch seinen Freunden soll Felix nichts von ihrer Misere erzählen. Diese jedoch kommen eines Tages von selbst hinter das Geheimnis und halten trotz allem weiter zu Felix.

Charaktere:
Die drei Freunde Felix, Winnie und Dylan besuchen eine Schule mit Französischleistungskurs. Sie sind ganz normale Fast-Teenager, die man – jeden für sich irgendwie mögen muss. Über Winnie musste ich häufig schmunzeln. In ihrer unnachahmlichen Art hat sie mich an Hermine Granger erinnert. Alles weiß sie besser, hat immer das letzte Wort und will Felix und Dylan irgendwie erziehen. Dennoch ist sie dabei liebenswert. Das bemerkt auch Felix und obwohl sie ihn hin und wieder gewaltig nervt, löst sie in ihm auch warme Gefühle aus, Zuneigung.

Felix mochte ich allerdings besonders. Trotz der wirklich nicht kindgerechten Umstände verliert er nicht seinen Humor. Er ist intelligent und schlagfertig. Oftmals tat er mir allerdings einfach leid, weil seine Mutter in meinen Augen einfach nicht die Reife besitzt, sich um ein Kind zu kümmern. Vielmehr ging sie mir mit ihrem falschen Stolz irgendwann gehörig auf die Nerven. Es ist deutlich wichtiger für sie, nach außen hin ein bestimmtes Bild zu wahren, anstatt sich Hilfe zu suchen. Außerdem finde ich es doch reichlich naiv zu glauben, dass sie sich im Job alles erlauben dürfe und nur ihre Chefs ihr wahres Talent nicht erkennen. Manches Mal habe ich mich ernstlich gefragt, wer von den beiden der Erziehungsberechtigte ist. Darüber hinaus finde ich es schon reichlich seltsam, wenn eine Mutter von ihrem Sohn mit dem Vornamen angesprochen werden möchte. Ich glaube, Astrid lebt in ihrer ganz eigenen Welt, die nicht viel mit der Realität oder Verantwortung zu tun hat. Ebenso ist ihr Konstrukt aus Lügen und Übertreibungen nicht unbedingt der Rahmen für die Erziehung eines 12jährigen.

Umso mehr war ich positiv überrascht über Dylan und Winnie, die es letztlich mit ihrem Einsatz und ihrer Loyalität Felix gegenüber schaffen, die Situation zu entschärfen und mithilfe anderer Menschen Felix und Astrid wieder zu einer festen Bleibe verhelfen. Am Ende des Buches war ich mehr denn je davon überzeugt, dass die 3 Jugendlichen deutlich weiter in ihrer persönlichen Entwicklung sind, als es Astrid je sein wird. Sie wirkt auf mich wie eine Hippiefrau der 60er Jahre.

Schreibstil:
Das Thema des Buches ist zugegeben ein sehr schwieriges und für mich wäre es wohl auch eine Herausforderung, wenn ich meinem Sohn erklären müsste, was Obdachlosigkeit für ein Kind bedeutet. Dennoch wurde ich mit dem Buch die ganze Zeit nicht richtig warm. Mich interessierte der Fortgang der Geschichte durchaus, ich mochte die Jugendlichen und war immer wieder überrascht darüber, wie andere Menschen auf Felix reagiert haben. Aber dennoch hat mich die Geschichte nicht wirklich mitgerissen. Ich könnte hier nicht auf den Punkt sagen, warum genau das so war und möglicherweise sehen andere Leser dies auch völlig anders.

Zwar konnte ich mir die Szenarien vorstellen, die Situationen in denen sich die Figuren bewegten, aber ich fühlte mich oft nur als Zuschauer, wie jemand der unbeteiligt daneben steht.

Was ich jedoch als wirklich positiv hervorheben möchte, ist das Ende des Buches. Hier hat die Autorin Fragen zum Buch formuliert, die nicht ganz so leicht zu beantworten sind und vielleicht als Grundlage für eine Diskussion in größerer Runde dienen können. Da dieses Buch in gewisser Weise auch eine Sozialstudie ist, ein Thema, das Kinder und Jugendliche berühren soll, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass in einem Fach wie Gesellschaft diese Fragen in der Schule diskutiert werden könnten. In jedem Fall jedoch regt Nielsen den Leser zum Nachdenken an.

Neben allen sozialen Aspekten des Buches gelingt es der Autorin meiner Meinung nach wirklich toll, die zwischenmenschlichen Aspekte der Jugendlichen einzufangen. Das aufkeimende Interesse am anderen Geschlecht, die Nervosität, die damit einhergeht, wie wichtig es wird, dass man einen guten Eindruck macht usw. Diese Teile des Buches haben mir durchweg gefallen.

Eignung für Kinder:
Dieses Buch ist definitiv für ältere Kinder bzw. Jugendliche geeignet. Hier gibt es keine Illustrationen mehr und das Thema ist einfach zu schwer, um einfach als Unterhaltung zu dienen. Aus meiner Sicht regt das Thema und die Geschichte zum Nachdenken an, was mir sehr gefällt. Jedoch könnte ich mir vorstellen, dass gerade sensible Kinder durchaus einen Austausch im Anschluss an die Lektüre brauchen könnten. Die Geschichte kommt einer möglichen Realität sehr nahe, finde ich.

Das Buch ist ein Hardcover mit etwas dickeren Seiten, weshalb es einem mehrfachen Lesen durchaus standhalten kann.

Fazit:
Der Leser muss sich auf die Geschichte einlassen wollen. Sie liest sich nicht einfach so weg und dient nicht ausschließlich als Unterhaltung. Vielmehr regt sie zum Nachdenken an. Insbesondere die Fragen am Ende des Buches unterstützen diesen Prozess. Ich kann dieses Buch nicht uneingeschränkt weiter empfehlen, aber wer sich mit diesem schwierigen Thema befassen möchte, ist hier ganz sicher richtig. 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 24.08.2020

Wie aus Unbekannten Freunde werden – ohne es zu merken…

Der beste Notfall der Welt
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Das Buch:
Der beste Notfall der Welt ist ein Buch für Leser ab 9. Ich habe es im Zuge einer Verlosung bei vorablesen.de gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke – für das Buch und den Spaß am Lesen. Das ...

Das Buch:
Der beste Notfall der Welt ist ein Buch für Leser ab 9. Ich habe es im Zuge einer Verlosung bei vorablesen.de gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke – für das Buch und den Spaß am Lesen. Das Buch hielt, was die Leseprobe versprochen hatte.

Worum geht’s?
Bens Eltern wollen zu zweit in den Urlaub fahren. Eigentlich sollte seine Oma in dieser Zeit auf ihn aufpassen, springt aber kurzfristig ab. Gut, dass Bens Vater einen guten Freund hat, der diesen Job gern übernimmt. Dessen Sohn Gustav ist im gleichen Alter wie Ben und meint, dass die beiden sich schon verstehen würden… Wenn er sich da mal nicht täuscht! Auf dem Weg nach Hause fährt Gustavs Vater eine Maus an, welche Gustav und Ben unbedingt retten und gesund pflegen möchten. Aber ob diese Maus wirklich eine normale Maus ist?

Charaktere:
Ben und Gustav könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine ist der typische Nerd mit Interesse für sein Mikroskop und Bücher, der andere der Draufgänger – sportlich, manchmal vorlaut und draufgängerisch. Ich finde die beiden Jungs toll getroffen und habe mehr als einmal an meinen Sohn und seinen Kumpel gedacht, während ich das Buch las. Beide Charaktere sind wunderbar eingefangen, bleiben natürlich und jeder auf seine Art sympathisch. Auch ihre Probleme miteinander werden großartig lebendig und vor allem dem Alter entsprechend beschrieben. Ich konnte mir die Situationen sehr gut vorstellen – sowohl jene wenn sie gegeneinander agieren, als auch jene, in denen sie miteinander am selben Strang ziehen. Darüber hinaus ist es toll zu sehen, wie sich ihre Beziehung zueinander mehr und mehr entwickelt, sie die Vorzüge des jeweils anderen zu schätzen lernen um am Ende festzustellen, dass sie wohl doch sowas wie Freunde sind.

Gustavs Vater pflegt ein nicht alltägliches Hobby, welches ihn mir auf Anhieb sympathisch machte. Irgendwie dachte ich bei mir, das könnte auch mein Hobby sein. Und ganz sicher können daraus echte Geschichten entstehen. Vielleicht pflegt der Autor selbst dieses Hobby – wer weiß…?

Ein bisschen nervig fand ich das Fabel. Aber ohne es wäre die Geschichte nicht diese Geschichte. Sehr lebhaft beschreibt der Autor wie dieses kleine Wesen Ben und Gustav ärgert und sie manchmal sogar fast auffliegen lässt, einfach weil es Recht haben will. Mit etwas Abstand betrachtet ist das Fabel sogar ganz niedlich, aber mitten in der Geschichte gelingt es dem Autor immer und immer wieder dessen Nervigkeit darzustellen, sodass sich der Leser hin und wieder zusammen reißen muss, um nicht mit den Augen zu rollen. Etwas in den Hintergrund tritt allerdings die Maus, um die sich ja so fast alles dreht. Sie ist der Grund, warum Ben und Gustav überhaupt eine gemeinsame Mission haben, dennoch erfährt man über sie recht wenig. Es bleibt Raum für Spekulation und eigene Interpretation. Das gefällt mir einerseits gut, andererseits hätte ich gern etwas mehr über die Geschichte hinter der Geschichte erfahren.

Schreibstil:
Der Autor schreibt dem Alter angemessen. Es gibt kaum schwierige Sätze, dafür aber herrliche Beschreibungen. Zitat S. 7 „Das traf Gustav wie ein nasser Lappen“. Hier war die Rede von einer Bemerkung, die sein Vater gemacht hatte. Mit solchen Sätzen wird dem Leser sofort klar, was gemeint ist. Das Buch ist gespickt mit solchen bildlichen Beschreibungen, die sehr deutlich machen, wie die Gefühlslage der Person gerade ist. Das finde ich absolut wundervoll.

Auch gelingt es dem Autor Dinge, die vielleicht nicht jedem Kind auf Anhieb bekannt sind, zu erklären ohne oberlehrerhaft zu wirken. Oft erklärt Ben – der Nerd, der eh alles weiß – solche Umstände und zwar so, dass es immer noch nicht von oben herab wirkt. In diesem Zusammenhang ist es Pauli wirklich super gelungen, Kindgespräch mit Wissen zu vereinen. Es macht Spaß Ben dabei „zuzuhören“, wie er seine Welt erklärt.

Ein Name hat mir ganz besonders gefallen. Ich habe schallend gelacht: Frau Koller. Dazu muss man wissen, dass Frau Koller ständig schimpft, Kinder nicht mag und überhaupt eher ruppig daher kommt. Der Name ist einfach perfekt gewählt!

Der Autor ist Schweizer und bisweilen merkt man dies auch in seinen Formulierungen, die in meinen Ohren so typisch schweizerisch klingen. „Hat es noch ein Brot?“ um zu fragen, ob vielleicht noch ein Brot da wäre. Vielleicht könnten Kinder darüber fallen, eben weil es im deutschen Sprachgebrauch nicht ganz so geläufig ist. Aber ich denke, man gewöhnt sich daran und es ist auch recht offensichtlich, was mit solchen Formulierungen gemeint ist.

Alles in allem lässt sich die Geschichte leicht und locker lesen, man kann darin versinken und die Bilder auferstehen lassen, sich manchmal vielleicht etwas hinzudenken oder auch weg lassen, wenn es für einen selbst nicht passt.

Illustrationen:
Die Illustrationen im Buch sind wundervoll. Bereits in der Leseprobe war ich fasziniert davon. Sie sind in schwarz-weiß gehalten und sehen wie Bleistiftzeichnungen aus. Im Gegensatz zu Büchern für Erstleser unterstreichen sie zwar noch die Geschichte, sind aber nicht mehr ganz so häufig zu finden. Es lohnt sich auf jeden Fall, genauer hinzusehen. Ich bin beeindruckt von ihnen.

Tauglichkeit für Kinder:
Bei dem Buch handelt es sich um ein Hardcover mit etwas dickeren Seiten. Die Kapitel sind sehr kurz – nie länger als 5 Seiten – sodass auch Lesemuffel diese Geschichte lesen können oder dieses Buch perfekt als Abendlektüre vor dem Schlafengehen dienen kann. Die Schriftgröße ist ebenfalls sehr kindgerecht. Inhaltlich spricht die Geschichte sicherlich Jungs eher als Mädchen an, immerhin geht es auch um zwei Jungen. Aber abenteuerlustige Mädchen werden hier ganz bestimmt auch ihren Spaß haben.
Durch die Entwicklung der Freundschaft zwischen Ben und Gustav kann die Geschichte vielleicht auch zum Nachdenken anregen. Ist der Andere wirklich doof, nur weil er anders ist? Pauli gelingt es die Individualität des Einzelnen zu vermitteln – auch hier wieder ohne den erhobenen Zeigefinger.

Fazit:
Eine tolle Geschichte über Freundschaft und Einfallsreichtum, witzig und vor allem kurzweilig erzählt. Eine Geschichte, die den Leser zum Lachen und Nachdenken bringt und eine Geschichte, die das Leben eines 9jährigen wundervoll einfängt. Absolut lesenswert! 5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 10.08.2020

Mehr Bericht als Krimi

Gerecht ist nur der Tod
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Das Buch:
Ich habe das Buch im Zuge eines Thriller-Events bei Lovelybooks gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke. Dieses ist das letzte der drei Bücher, das ich gelesen habe, worüber ich im Nachhinein ...

Das Buch:
Ich habe das Buch im Zuge eines Thriller-Events bei Lovelybooks gewonnen, wofür ich mich herzlich bedanke. Dieses ist das letzte der drei Bücher, das ich gelesen habe, worüber ich im Nachhinein betrachtet sehr froh bin. Zunächst kann ich sagen, dass dieses Buch bei weitem kein Thriller ist und auch der aufgedruckten Kategorie Kriminalroman wird das Buch nicht gerecht.

Worum geht’s?
In aller Öffentlichkeit wird ein Kölner Unternehmer erschossen, während er sich auf dem Weg zu seiner Trauung befindet. Die Psychologin Ina Reich soll das Ermittlerteam um Hauptkomissar Schellenberg begleiten und beobachten. Bis auf den Hauptkomissar scheint jedoch niemand Ina Reich willkommen zu heißen. Somit sind Konflikte innerhalb der eigenen Reihen vorprogrammiert.

Charaktere:
Ina Reich ist Psychologin, die mithilfe eines möglichst positiven Berichts das angekratzte Image der Kölner Polizei aufpolieren soll. Sie selbst ist jedoch ein Mensch mit vielen eigenen – vor allem alten, nicht aufgearbeiteten – Problemen und darüber hinaus tablettensüchtig. Die Autorin hat ihr wenig Ausstrahlung mitgegeben, weshalb ich sie nicht wirklich sympathisch finde. Eher erscheint sie mir gefangen in ihrer eigenen Welt.

Hauptkomissar Schellenberg – auch nicht frei von privaten Problemen – ist da schon sympathischer. Streckenweise hatte ich jedoch das Gefühl, dass er mehr ein Lehrer für seine Kollegin Bulut, die zudem scheinbar auch noch in ihn verliebt ist, denn ihr Vorgesetzter ist. Und entweder wollte er den Umstand ihrer Verliebtheit nicht sehen oder er war tatsächlich eher blind – Buluts Eifersucht war allerdings unübersehbar.

Bulut ist mir in ihrer ständigen Ablehnung gegen alles und ihrem permanenten Misstrauen gehörig auf die Nerven gegangen. Klar ein Rebell passt schon ganz gut in einen Krimi, aber irgendwie war Bulut mir zu wenig subtil in ihren Verhaltensweisen. Eher ruppig und vordergründig – ein Mensch, dem ich im wahren Leben auch nicht unbedingt begegnen möchte.

Schreibstil:
Zitat S. 67 „Ich bin nur Zuschauerin in dieser Ermittlung.“ Genau diesen Eindruck hatte ich beim Lesen leider auch. In der Ich-Form erzählt hatte ich über lange Strecken das Gefühl einen Bericht zu lesen. Dialoge sind eher Mangelware, weshalb mir die Geschichte ziemlich zäh erscheint. Die Idee des Buches fand ich anfänglich gut – jemand Außenstehendes taucht in die Polizeiarbeit ein. Die Autorin konnte mich mit dieser Art zu schreiben leider nicht mitreißen, denn ich mag Geschichten, in die ich eintauchen kann, bei denen ich das Gefühl habe, mitten drin zu sein. Hier fühlte ich mich stets außen vor geblieben.

Darüber hinaus hatte ich immer öfter das Gefühl, dass die eigentliche Ermittlung und die Auswirkung der Geschehnisse auf die Ermittler in den Hintergrund rückten. Viel intensiver wurde das zwischenmenschliche Miteinander im Team um Schellenberg beleuchtet. Daher hatte die Geschichte in ihrem Fortgang für mich auch immer weniger den Charakter eines Krimis.

Ich hatte ich mich auch oder gerade wegen der Anmerkung, dass hinter Judith Bergmann eine Bestseller-Autorin stecke, auf einen guten, spannenden Krimi gefreut. Diese Erwartung wurde leider nicht erfüllt.

Fazit:
Es passiert mir wirklich selten, dass ich zu einem Buch so wenig zu sagen weiß. Empfehlen kann ich es nicht. 2 Sterne

Veröffentlicht am 10.08.2020

Hm… was soviel heißt wie „Das dritte Abenteuer“

Snöfrid aus dem Wiesental (3). Das ganz und gar fantastische Geheimnis des Riesenbaumes
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Das Buch:
In diesem dritten Band um den eigentlich eigenbrötlerischen Snöfrid nimmt der Autor seine kleine und große Leserschaft mit auf die Reise in eine wirklich fantastische Welt rund um die Natur und ...

Das Buch:
In diesem dritten Band um den eigentlich eigenbrötlerischen Snöfrid nimmt der Autor seine kleine und große Leserschaft mit auf die Reise in eine wirklich fantastische Welt rund um die Natur und das Zusammenspiel darin. Es ist nicht unbedingt notwendig die Vorgänger zu kennen, denn wann immer Schmachtl sich darauf bezieht, erklärt er in kurzen Rückblicken die Zusammenhänge.

Worum geht’s?
Genau genommen mag ein Snöfrid Ruhe, Haferbrei und so überhaupt keinerlei Aufregung. Aber wenn ein Snöfrid, so wie dieser hier, erst mal heraus gefunden hat, dass Abenteuer doch überaus großartig sein können, dann passiert es schon mal, dass sich die Abenteuerlust breit macht und er sich wünscht, ein eben solches zu finden. Dass er sich auf dem direkten Weg in ein Abenteuer befindet, als die wütenden Bauern Snöfrid aus dem Wiesental vertreiben wollen, ahnt er nur, aber schneller als er hören kann (sehen kann er nämlich nicht wirklich gut), ist er mitten drin und soll den Fluch über den Lautlosen Wäldern lösen. Eine wirklich, wirklich fantastische Reise beginnt, auf der er allerhand seltsame Wesen trifft – einige nett, andere weniger…

Charaktere:
In dieser Geschichte gibt es herrlich skurrile Geschöpfe, die unterschiedlich sympathisch sind. Snöfrid ist natürlich ganz eindeutig DER Sympathieträger, immerhin ist er der Held der Geschichte. Seine Freunde wachsen dem Leser ebenso schnell ans Herz – und der erfahrene Snöfridleser wird den einen oder anderen Charakter bereits kennen. Laut lachen musste ich über das Einhörnchen, welches sich furchtbar darüber aufregt, wenn es Pony genannt wird. Ebenso findet Björn, der wunderkleine Kauz, es nicht witzig, wenn Snöfrid ihn Björni nennt. Hierin findet der (vermeintlich erwachsene) Leser Reaktionen von Kindern wieder, die ihn definitiv zum Schmunzeln bringen.

Zur nicht so netten Fraktion gehören die Thula – aber auch nur ein Teil von ihnen. Sie sind der Auslöser für so vieles, was in der Welt von Snöfrid passiert. Doch obwohl sie ja quasi die Bösen sind, stellt der Autor sie nicht unveränderbar böse dar. Ja, er gibt ihnen wirklich unschöne Eigenschaften wie z.B. Gier, aber jedweder Schaden, den sie anrichten, kann am Ende wieder korrigiert werden. Dennoch wird man als Leser nachdenklich, wenn man eben dies auf die ganz reale Welt überträgt.

Eben weil alle Charaktere so unwirklich sind, findet sich der Leser in einer reinen Fantasiewelt wieder, aber dennoch sind die Parallelen zur Realität sehr offensichtlich. Das macht das Buch für mich zu einem wirklich guten Kinderbuch. Keine der Figuren erhebt den Finger um eine andere zu maßregeln, vielmehr ziehen z.B. die Snöfride einfach ihre Konsequenzen.

Ganz besonders angetan hat es mir die Beschreibung des Riesenbaumes. Hier ist der Fantasie des Lesers wirklich keine Grenze gesetzt, worum genau es sich vielleicht handelt – je nachdem wie global die Denkweise des Einzelnen ist. Wirklich toll gemacht!

Schreibstil:
Ich liebe ihn! Bereits in den beiden Vorgängern hat es mich fasziniert, mit welch einer Selbstverständlichkeit Schmachtl die Geschichte schreibt, als säße er dem Leser – oder vielmehr einer ganzen Schar von Zuhörern – gegenüber. Er spricht seine Leser direkt an und Vermutungen aus. „Vielleicht habt ihr ja schon einmal davon gehört…“ Damit erreicht der Autor eine wunderbare Lebendigkeit. Liest man zu zweit, kann man hier vielleicht zu einem Austausch ansetzen. Es ist eine Freude sich die Geschichte erzählen zu lassen.

Außerdem ist die bunte Vielfalt an Adjektiven und Adverbien einfach eine Wucht. Allein der Titel macht Lust darauf, wenigstens mal in das Buch hineinzulesen. Der Autor umschreibt mit diesen vielen Adjektiven und Adverbien so gekonnt, dass man sich vieles richtig gut vorstellen kann. So ist Snöfrids Freund nicht einfach ein kleiner Kauz, sondern eben ein wunderkleiner Kauz, der, wenn er sich aufregt, fuppt (sich aufplustert). Mit seiner Wortwahl erreicht der Autor bei weitem nicht nur die Kinder, sondern auch die vorlesenden Erwachsenen.

Der Autor baut Spannung auf, indem er etwas ankündigt. Er unterbricht wenn es am spannendsten ist und wünscht eine Gute Nacht. Einfach herrlich! Ich würde sagen, dieser Autor weiß, wie er Kinder in der Geschichte hält. Ein wichtiger Punkt ist der, dass er die Geschichte so erzählt, als würden er und der Leser den Snöfrid tatsächlich begleiten. So wird aus einem Zuschauer ein Beteiligter… Ich mag das sehr!

Illustrationen:
Die Bilder im Buch sind, wie in den Vorgängerteilen auch, liebevoll und niedlich gezeichnet. Sie passen zur Geschichte und man mag sie betrachten und kann sich dann die fantastischen Wesen besser vorstellen, von denen erzählt wird.
Sie dominieren allerdings nicht, eher dienen sie als Unterstützung der Geschichte und sind teilweise recht klein. Wie in jedem Buch zieht sich oberhalb jeder Seite der Streifen „Wiesental“ durch. Damit haben die Bücher einen sehr, sehr hohen Wiedererkennungswert.

Tauglichkeit für Kinder:
Die Geschichte selbst ist aus meiner Sicht bereits für Kinder im Vorschulalter bestens geeignet, spätestens aber ab der 1. Klasse. Für Selbstleser – wenn sie nicht gerade so richtige Leseratten sind – vielleicht ab dem 2. oder 3. Lesejahr, da die Geschichte mit etwas über 200 Seiten und nicht so großflächigen Illustrationen doch recht lang ist. Auf jeden Fall bietet sie die Grundlage für spannende Diskussionen, denn selbst, wenn der Autor in einer Fantasiewelt schreibt, ist vieles 1:1 in die Realität übertragbar. Und vorgelesen gefällt mir die Geschichte beinahe noch besser, als wenn ich sie still für mich lese. Denn laut gelesen hat sie noch eher diesen Touch von direkter Erzählung.

Das Buch ist robust und hat festere Seiten. So übersteht es auch das häufige Anfassen von Kinderhänden unbeschadet. Das gefällt mir ausgesprochen gut. Denn gerade, wenn man es vielleicht in kürzeren Abschnitten vorliest, könnten gerade der Rücken und die Ecken der Seiten vielleicht leiden. Somit ist m.M. nach auch der Preis gerechtfertigt.

Fazit:
Auch nach dem dritten Abenteuer bin ich noch begeistert vom Snöfrid und werde vermutlich noch das ein oder andere mehr lesen. Besonders gefällt mir die überhaupt nicht vordergründige Erklärung des Zusammenspiels in der Natur und was passiert, wenn nur eine Winzigkeit verändert wird. Mit diesem Buch gibt es viel Spaß für Selbst- und Vorleser und von mir 5 Sterne.

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