Später Sommer, früher Herbst
Der BrandDaniela Kriens neuer Roman richtet den Blick auf die mittleren Jahre des Menschenlebens: der Überschwang der Jugend ist häufig genug literarischer Gegenstand, ebenso wie entweder die Abgeklärtheit oder ...
Daniela Kriens neuer Roman richtet den Blick auf die mittleren Jahre des Menschenlebens: der Überschwang der Jugend ist häufig genug literarischer Gegenstand, ebenso wie entweder die Abgeklärtheit oder die Verzweiflung des Alters. Indem die Autorin aber sehr geschickt diese drei Lebensphasen in ihrer Figurenkonstellation verknüpft, hat der Leser Gelegenheit, womöglich durch die Brille seiner eigenen Generationszugehörigkeit, die unterschiedlichen Befindlichkeiten zu studieren.
Die verminderte Lebensintensität, die für Rahel eine ernsthafte Beeinträchtigung darstellt, wird ergänzt durch die unvermutet wieder aufbrechende Frage nach dem unbekannten Vater. Die Reibung der unterschiedlichen Charaktere der beiden Eheleute erweist sich plötzlich als Problem. Das schmerzhafte Bewusstwerden der eigenen Körperlichkeit, das Erleben des beginnenden Abbaus wird sehr verhalten, aber eindrücklich thematisiert.
Sehr überzeugend gestaltet sich der Kontrast zur jungen Generation ihrer beiden Kinder, auch der Gemütsverfassung, wie sie den Randfiguren der Studenten aus Peters universitärem Umfeld und Rahels jugendlichen Patienten zugeschrieben werden.
Gleichfalls abweichend die psychische Konstitution der beiden Vertreter der Altengeneration, Ruth, der Freundin von Rahels verstorbener Mutter, und ihrem Lebensmenschen Viktor.
Das komplexe Geflecht dieser vielfältigen Aspekte positioniert Krien in den auf drei Wochen verdichteten Zeitrahmen eines Urlaubsaufenthalts, lokalisiert in die ungewohnte Umgebung eines einsamen Anwesens.
„Der Brand“ mag kein Text unvergänglicher literarischer Spitzenklasse sein, ein treffendes Zeitbild deutschen Daseins während der Pandemie aber allemal. Eine Sommerlektüre, die sich definitiv lohnt!