Ehrgeiziges Debüt
ZugvögelCharlotte McConaghy hat sich viel vorgenommen.
Ihr Engagement für Natur und Umwelt dürfte mit Fug und Recht als Zentralpunkt ihres literarischen Debüts ausgemacht werden. Befremdend ist in diesem Kontext ...
Charlotte McConaghy hat sich viel vorgenommen.
Ihr Engagement für Natur und Umwelt dürfte mit Fug und Recht als Zentralpunkt ihres literarischen Debüts ausgemacht werden. Befremdend ist in diesem Kontext allerdings, dass die Autorin vollkommen ohne politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche Bezüge auskommt. Alle Personen verbleiben in diesem Roman bei einem ganz allgemeinen Beklagen einer zerstörten Umwelt, dem Verschwinden der meisten Gattungen von Wildtieren. Sogar die als Wissenschaftler bezeichneten Figuren, allen voran Frannys Ehemann Niall, beschränken sich auf ein übermäßig emotionales Lamento.
In direktem Zusammenhang mit diesem Umweltthema ist die Gestaltung des Textes als Abenteuerroman anzusehen. Die Reise, die tatsächlich von der Arktis in die Antarktis führt, lässt vermuten, dass McConaghy sich an keinem geringeren literarischen Vorbild als Melvilles Moby Dick orientiert, auch wenn man Frannys unbedingte Willenskraft in der Verfolgung ihres Zieles in Rechnung stellt.
Des Weiteren lässt sich konstatieren, dass die Autorin entscheidende Anleihen beim englischsprachigen Schicksalsroman des 19. Jahrhunderts gemacht hat. Durch eine geschickte Konstruktion von gestaffelten Rückblenden erschließt sich dem Leser nach und nach das ganze Ausmaß der Unglücksfälle, die Frannys Schicksal bestimmen. Eine Prise folkloristischer keltischer Mythen ist da durchaus passend. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Prägnanz der Figurencharakterisierung. Während Franny und einige Besatzungsmitglieder der Saghani in ihrer ganzen Getriebenheit sehr plastisch gestaltet sind, bleibt ein Großteil des Personals, allen voran Frannys Lebensmensch Niall, seltsam blass und geradezu widersprüchlich in der Charakterzeichnung.
Am Rande sei ausgesprochen kritisch angemerkt, wie demonstrativ die Übersetzerin ihre political correctness vor sich herträgt. Gendergerecht von den ‚Studierenden‘ in Nialls Lehrberanstaltungen zu sprechen, oder noch alberner, auf ‚Lebenspartner und -partnerinnen‘ zu rekurrieren, verrät ein ängstliche Verhaftung an den Zeitgeist, die ein Unvermögen dokumentiert, den Ansprüchen der literarischen Vorlage gerecht zu werden.
Fazit: eine spannende Lektüre, deren Defizite aber trotzdem das Potential der Autorin unterstreichen und auf eine Weiterentwicklung hoffen lassen.