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Batyr

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2019

Stupende Gelehrsamkeit

An den Ufern der Seine
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Ein Muss für intellektuelle Paris-Afficionados: knapp 500 Seiten geballte Information, ein Feuerwerk der Ereignisse innerhalb von zehn Jahren in einer Verflechtung von Literatur, Kunst und Musik, von Philosophie ...

Ein Muss für intellektuelle Paris-Afficionados: knapp 500 Seiten geballte Information, ein Feuerwerk der Ereignisse innerhalb von zehn Jahren in einer Verflechtung von Literatur, Kunst und Musik, von Philosophie und Politik. Einzelheiten aus dem französischen Kulturleben, Streiflichter dieser historisch bedeutsamen Epoche, herausragende Persönlichkeiten, Ereignisse von übergeordneter, internationaler Bedeutung - das alles ist dem Leser in Fragmenten vielleicht durchaus vertraut. Aber eine zusammenhängende Darstellung, wie sie die Autorin in dieser Monogrphie liefert, hat gute Chancen, den Leser mit dieser Stofffülle zu erschlagen. Die chronologische Darstellung birgt die Gefahr, dass es vielleicht nicht immer gelingt, Details aus verschiedenen Abschnitten in einen inhaltlichen Zusammenhang, in ein gedankliches Kontinuum zu setzen. Bedauerlich bei einem so renommierten Verlag wie Klett-Cotta, wenn ärgerliche Druckfehler nicht durch energisches Korrekturlesen ausgemerzt werden.

Veröffentlicht am 12.03.2019

Ja, was denn nun?

Wir, die wir jung sind
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Ja, was denn nun? Einerseits stellt der Roman eine verschlungene Familiengeschichte dar, angesiedelt in der indischen Oberschicht der Gegenwart. Dann wiederum kommt der Text als schwülstige Schmonzette ...

Ja, was denn nun? Einerseits stellt der Roman eine verschlungene Familiengeschichte dar, angesiedelt in der indischen Oberschicht der Gegenwart. Dann wiederum kommt der Text als schwülstige Schmonzette à la Bollywood daher. Letztlich geriert sich dieses Debüt als anspruchsvolle Shakespeare-Adaptation. Alle drei Lesarten funktionieren, aber es knirscht ganz gewaltig. Wer Zuviel will, erreicht weniger als möglich wäre!
Dem westlichen Leser die gänzlich fremde Welt des indischen Subkontinents näherbringen zu wollen, ist ebenso notwendig wie ehrenhaft. Zu viele Klischees beherrschen die Köpfe. Fatal, wenn gerade diese Klischees bestätigt und weiter verfestigt werden.
Der angestrebte Mix aus Tradition und Moderne hätte der Autorin die Chance eröffnet, ein differenziertes Bild der Heimat Ihrer Familie zu zeichnen. Stattdessen bekommt der Leser nur Schablonen statt Charaktere präsentiert. Da sind die weitverzweigten Familienbeziehungen, wo jeder auf irgendeine Weise mit irgendeinem x-beliebigen anderen verwandt ist - oder doch beinahe. Die wirtschaftlichen und politischen Dimensionen der Handlung beschränken sich auf eine plakative Darstellung von Korruption, Rücksichtslosigkeit, gedankenlosem Konsum. Der atemberaubende Aufstieg einer aufstrebenden Industrienation, die die westliche Welt lehrt, was Moderne ist, hätte ein subtileres Portrait verdient.

Veröffentlicht am 18.02.2019

Verstörend

Die Mauer
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Das ist eine Zukunftsperspektive, die den Leser nicht in zeitliche und geographische Fernen führt. Vor unserer Haustür entfaltet sich eine neue Daseinsform, vielleicht nur wenige Jahre nach unserer heutigen ...

Das ist eine Zukunftsperspektive, die den Leser nicht in zeitliche und geographische Fernen führt. Vor unserer Haustür entfaltet sich eine neue Daseinsform, vielleicht nur wenige Jahre nach unserer heutigen Gegenwart angesiedelt. Gewiss, die Prothese unserer heutigen Kommunikation, das Handy ist immer noch existent, im Roman Kommunikator genannt. Aber alle andere Infrastruktur ist auf ein unvorstellbar niedriges Niveau zurückgefallen. Die Gesellschaft Großbritanniens agiert am Limit, die Bedrohung prägt das gesamte politisch, wirtschaftliche, soziale Leben. Bis in den allerpersönlichsten Bereich sind die Konsequenzen des ‚Wandels‘ präsent. Entlarvend, dass Kavanagh, der Ich-Erzähler, beiläufig erfährt, dass dieses Stadium globaler Entwicklung auf Suaheli ganz anders benannt wird: das Ende. Kavanagh berichtet von seinem Weg durch die Welt in wuchtigen, archetypischen Bildern. So karg und schmucklos die Sprache ist, gebannt begleitet der Leser seine Hauptfigur, die Welt ist verstörend wiedererkennbar, wenn auch vollkommen verändert. Lapidar wird es wiederholt konstatiert: die Generation der Eltern trägt die Verantwortung für den Zustand der Welt, in der Kavanagh und seine Altersgenossen leben, die sie verteidigen müssen. Eine Lektüre, die plastisch vor Augen führt, wohin die Reise führen ... kann? Oder zwangsläufig führen wird?

Veröffentlicht am 14.02.2019

Herzzerreißend

Niemals ohne sie
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Was zunächst gut getarnt als tumultöser Schelmenroman sich präsentiert, entpuppt sich sehr schnell als Familientragödie. Die unendliche Weite Kanadas mit den reichen Bodenschätzen bildet den Hintergrund ...

Was zunächst gut getarnt als tumultöser Schelmenroman sich präsentiert, entpuppt sich sehr schnell als Familientragödie. Die unendliche Weite Kanadas mit den reichen Bodenschätzen bildet den Hintergrund für das Handlungsgerüst, und der Clan der Familie Cardenal zeichnet sich dadurch aus, dass jedes Mitglied, Vater und Mutter ebenso wie die einundzwanzig Kinder, über ein mehr als zugespitztes Charakterprofil verfügt. Raffiniert verschränkt die Autorin die Zeitebenen, die Gegenwart des Treffens bei der Erzsuchertagung in dem schäbigen Hotel, mit den unterschiedlichen Stadien der Kindheit, die sich zwangsläufig dadurch ergeben, dass bei dieser großen Kinderzahl sich die Verhältnisse, die Beziehungen der Geschwister kontinuierlich verschieben. Ebenso raffiniert, jedes Kapitel von einem anderen Familienmitglied berichten zu lassen und es dem Leser zu überlassen, die genaue Perspektive selbst zu entschlüsseln, da keine Überschrift den Namen des Sprechenden verrät. Erst im Laufe des Romans enthüllt sich die volle Wucht des Geschehens, aus Andeutungen wird die herzzerreißende Wahrheit, die jedes einzelne Familienmitglied zu einem Leben unter einer düsteren Wolke der Schuld und der Scham verurteilt.

Veröffentlicht am 30.01.2019

Gerundetes Leben

Fünf Tage im Mai
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Das kleine Mädchen, die junge Frau, die uns ihre Geschichte erzählt, erfährt in ihrem Leben ein großes Glück. Von klein auf hat sie ihren Tat‘ka an ihrer Seite, der für sie zum vertrautesten, zum geliebtesten ...

Das kleine Mädchen, die junge Frau, die uns ihre Geschichte erzählt, erfährt in ihrem Leben ein großes Glück. Von klein auf hat sie ihren Tat‘ka an ihrer Seite, der für sie zum vertrautesten, zum geliebtesten Menschen wird. Und bei ihrer letzten Begegnung gibt er ihr eine selbst - schmerzlich! - erworbene Erkenntnis mit auf den Weg, der ihr das Dasein unendlich erleichtern wird. Dieses kleine Büchlein, dieses literarische Debüt steckt so voller Weisheit, wenn es die Wirren des Erwachsenwerdens nachzeichnet. Die kleinen Begebenheiten ebenso wie die große Krise, an der die Erzählerin zu zerbrechen droht, künden von der unendlichen und bedingungslosen Liebe, die ein Alter einer ganz Jungen entgegenzubringen vermag. In gekonnter Konzentration verdichten sich die Welterfahrungen zweier Menschen, das gerundete Leben des Urgroßvaters und das noch in irrenden Schleifen fortschreitende Dasein des ‚Dirndls‘, in der Verkürzung auf die ‚Fünf Tage im Mai‘. Ein Weg ins Leben, ein Weg aus dem Leben, dem zu folgen sich gelohnt hat.