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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2019

Enttäuschend

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Zu der Unzahl bestehender Krimischauplätze rund um den Globus gesellt sich nun also noch eine fiktive Location, zwischen England und Skandinavien in der Nordsee gelegen: Doggerland. Es wird sich zeigen, ...


Zu der Unzahl bestehender Krimischauplätze rund um den Globus gesellt sich nun also noch eine fiktive Location, zwischen England und Skandinavien in der Nordsee gelegen: Doggerland. Es wird sich zeigen, welchen erzählerischen Mehrwert diese Erweiterung der literarischen Landkarte bietet. Zunächst einmal befriedigt die Autorin ihr Bedürfnis, an diesem erfundenen Gemeinwesen allerlei soziologische, politische und wirtschaftliche Entwicklungen durchzudeklinieren.
Hinsichtlich der Charaktere ist der Leser gespalten: die Mehrzahl der handelnden Personen bleibt weitgehend schemenhaft. Unsympathische Figuren sind sehr unsympathisch, der Rest ist indifferent. Allein die Hauptfigur Karen verfügt über ein etwas ausdifferenzierteres Profil, das bereits in der Eingangspassage des Romans deutlich wird: Sie ist nicht so alt, dass sie, gänzlich jenseits von gut und böse, als asexuelles Wesen durchgehen würde. Andererseits nicht mehr so jung, dass ihr der Leser ihr unüberlegtes Verhalten nachsehen könnte: die unter erheblichem Alkoholeinfluss verbrachte Nacht mit einem Kollegen, der ihr nicht einmal sympathisch ist.
Dass den eingeschobenen Rückblenden auf das Leben einer Hippie-Kommune im Sinne eines stringenten Handlungsaufbaus eine besondere Relevanz zukommt, wird dem Leser schnell klar. Allerdings wird im Verlauf des Romans auch eine Vielzahl blinder Motive eingeflochten, die nicht weiterführen.
Am ärgerlichsten ist allerdings der schlampige Sprachgestus, der vermutlich dem Übersetzer anzukreiden ist: ein klappernder Satzbau, wenn nach einem Einschub vor dem Satzende nur noch ein Wort kommt, wenn der gleiche Pleonasmus der ‚weiblichen Polizistin‘ gleich mehrfach auftaucht, wenn vollkommen falsche Wörter verwendet werden, etwa, wenn ein Korken aufgedreht wird.
Die Auflösung ähnelt von der Konstruktion her einem typischen Plot eines Schauerromans aus dem 19. Jahrhundert. Wie ein des ex machine taucht eine weitere Person aus dem Nichts auf, auf der plötzlich die gesamte Entwicklung der Handlung ruht.
Quintessenz: eine rundherum ärgerliche Lektüre, pure Zeitverschwendung.Eine mühsam zusammengestoppelte Handlung, eine Sprachfassung gänzlich unter Niveau, vollkommen uninteressante, weil stereotype Charakterzeichnung. Warum ein fiktiver Schauplatz, Doggerland, bemüht werden muss, um über 500 Seiten diesen Roman in Gang zu halten, bleibt absolut unerfindlich.

Veröffentlicht am 19.01.2019

Furioses Sittenbild

Die Farben des Feuers
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Dieser rasante Gesellschaftsroman weckt Erinnerungen an die großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts. Eine moderne Comedie Humaine, ein furioses Sittenbild aus der Epoche zwischen den beiden ...

Dieser rasante Gesellschaftsroman weckt Erinnerungen an die großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts. Eine moderne Comedie Humaine, ein furioses Sittenbild aus der Epoche zwischen den beiden Weltkriegen: Die Erbin einer Privatbank verliert ihren gesamten Besitz, wird sozial deklassiert und entwickelt einen ebenso rasenden wie zielgerichteten Hass auf die Menschen ihrer Umgebung, die an ihrer Misere schuld sind. Wie ein feinjustiertes Uhrwerk richtet ihre Rache diese Menschen zugrunde, die jeweils einen bestimmten Typus niedriger Gesinnung repräsentieren. Geschliffen formulierte Charakterdarstellungen, eine sich in immer irrsinnigeren Pirouetten beschleunigende Konstruktion der Handlung, die süffisante Ironie eines Sprachgebrauchs, der an die große französische Tradition erinnert - das sind die Merkmale dieses Romans, der dem Leser ungetrübtes Lektürevergnügen bietet.

Veröffentlicht am 27.11.2018

Die 20er - wieder einmal

Das Palais Reichenbach
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Nach dem enormen Erfolg der Verfilmung von Volker Kutschers „Der nasse Fisch“ fürs Fernsehen haben die 20er Jahre jetzt natürlich Konjunktur. Nur dass die Autorin ihr Augenmerk auf die Schicht des nach ...

Nach dem enormen Erfolg der Verfilmung von Volker Kutschers „Der nasse Fisch“ fürs Fernsehen haben die 20er Jahre jetzt natürlich Konjunktur. Nur dass die Autorin ihr Augenmerk auf die Schicht des nach dem verlorenen Weltkrieg entmachteten Adels legt. Aber ein Roman mit dem mehr als begrenzten Umfang von 300 Seiten hat einfach nicht die Chance, diese Vielzahl von angerissenen Themen adäquat abzuhandeln. Die materielle Gefährdung durch die drohende Enteignung, das Hochkommen radikaler politischer Kräfte, die blühende Kulturszene, die restriktive Sexualmoral - das ist schlicht zu viel für so einen kurzen Text. Was ich der Verfasserin hingegen hoch anrechne, ist ihr Verzicht auf ein happy ending. Dass die Tochter nicht ihrer Liebe folgt, dass der Chef des Hauses am Freitod des ältesten Sohnes zerbricht, dass es für den jüngeren Sohn nicht die Möglichkeit gibt, irgendwo im Geheimen ein freies Leben zu führen - das beweist, dass der Ehrgeiz der Autorin über das Schreiben eines Groschenromans hinausgeht. Natürlich sehr ironisch, dass der arme verkannte Schriftsteller sich am Ende zum Erfolgsautor mausert. Anerkennenswert, dass J. Winter ihre Geschichte nicht im luftleeren Raum ansiedelt, sondern durch vielerlei Realien tatsächlich ihre Kenntnisse über diese Epoche unter Beweis stellt

  • Einzelne Kategorien
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  • Charaktere
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 25.11.2018

Guter Typ

Ofirs Küche
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Ein rundherum gelungenes Buch! Schon die Coverillustration sendet die richtigen Signale: kein HiTech-Labor, sondern eine rummelige Familien-Küche. Endlich mal jemand, der die Zubereitung einer Mahlzeit ...

Ein rundherum gelungenes Buch! Schon die Coverillustration sendet die richtigen Signale: kein HiTech-Labor, sondern eine rummelige Familien-Küche. Endlich mal jemand, der die Zubereitung einer Mahlzeit nicht als heilige Handlung zelebriert! Die Rezepte sind küchentechnisch einfach und absolut alltagstauglich. Es ist nicht notwendig, sich eine ganze Vorratskammer neuer Zutaten zuzulegen. Für die paar speziellen Dinge, die wirklich benötigt werden, nennt Ofir gleich die Geschäfte, die in jeder größeren Stadt aufzutreiben sind. Die youtube-Tracks haben genau das bewiesen, was er uns versprochen hat: in null Komma nix ist das Gericht fertig. Und seine nonchalante Art, uns im Vorwort seine Familiengeschichte und seine bisherige Biographie zu präsentieren, ist einfach atemberaubend! Die großartigen Fotografien voller Atmosphäre ergänzen den Band auf das trefflichste!

Veröffentlicht am 22.11.2018

Trau schau wem

Der Mann am Grund
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Mal was anderes: Prag als Schauplatz eines Kriminalromans ist eine Novität, die Astrologie in die Ermittlungsarbeit einzubeziehen, ebenso ein Novum.
Im Grunde vervielfältigt sich die Zahl der Handlungsstränge ...

Mal was anderes: Prag als Schauplatz eines Kriminalromans ist eine Novität, die Astrologie in die Ermittlungsarbeit einzubeziehen, ebenso ein Novum.
Im Grunde vervielfältigt sich die Zahl der Handlungsstränge im Verlauf des Romans immer weiter. Überaus gekonnt, wie die Autorin alle Details miteinander verknüpft und verzahnt, so dass keine losen Enden den Leser verärgern.
Ein privates Familienunglück, den Tod des kleinen Marek zum Ausgangspunkt des kriminellen Geschehens zu machen, stellt einen raffinierten Kunstgriff der Autorin dar. Sehr geschickt, wie sie ein Geflecht aus Schicksal und Schuld um diesen Todesfall entwirft. Der kleine Kerl selbst ist sich eigentlich bewusst, dass seine Furcht unbegründet ist - und gibt ihr dennoch Raum. Die drei Menschen jedoch, die ihm am nächsten stehen, verstricken sich in Lüge und Verrat: statt zu seiner Familie heimzukehren, gibt der Vater dem Impuls zum schnellen Sex mit einer Angestellten nach; statt im Hause auf die ihr anvertrauten Kinder zu achten, versucht die Stiefmutter Einsamkeit und Heimweh bei einem Spaziergang mit einem Nachbarn zu bekämpfen; statt sofort Alarm zu schlagen, sucht die ältere Schwester den Unfall zu ignorieren.
Im Gefolge dieser privaten Tragödie entfaltet sich die ganze Perfidie des titelgebenden Mannes am Grund. Die Zwangsläufigkeit, mit der das Schicksal an allen beteiligten Personen ein Exempel statuiert, präsentiert sich geradezu mit antiker Wucht, und das Motiv der Astrologie dient nur dazu, diese Unausweichlichkeit des Geschehens zu verdeutlichen.