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Veröffentlicht am 08.08.2024

Toxische Mütter ermatten im Tanz um das goldene Kalb

Die Perserinnen
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Meine schwierige Aufgabe besteht darin, Ihnen den Roman „Die Perserinnen“ von Sanam Mahloudji schmackhaft zu machen, denn er ist lesenswert, ohne sie gleichzeitig abzuschrecken, denn er hat seine Schwächen.

„Die ...

Meine schwierige Aufgabe besteht darin, Ihnen den Roman „Die Perserinnen“ von Sanam Mahloudji schmackhaft zu machen, denn er ist lesenswert, ohne sie gleichzeitig abzuschrecken, denn er hat seine Schwächen.

„Die Woche war eine einzige Cartoon- und Drogenparty gewesen, bis vor einer Stunde, als ich meine Tante Shirin gegen Kaution aus dem Gefängnis von Aspen holen musste, wo sie wegen versuchter Prostitution festgehalten wurde“

So beginnt der Roman und dies ist die umgreifende Klammer in der Ist-Zeit im Jahr 2009. Ich kann Ihnen aber schon verraten, die Autorin schildert uns am Ende des Buches zwar noch den Prozeß, den Richterspruch allerdings enthält sie uns vor und überlässt Shirins letztendliches Schicksal der Phantasie der Lesenden.

Um diesem Buch gerecht zu werden, sollte man es nicht vom Ende her rezensieren und so beziehe ich mich nachfolgend zunächst nur auf den ersten von drei Teilen, , also auf die ersten 110 Seiten, dieses Romans:

Die Iranerin SHIRIN Valiat verläßt mit ihrem Mann HOUMAN, ihrem Sohn MOHAMMED, ihrem Bruder NADER, sowie ihrer Schwester SIMA und deren Säugling BITA in den Revolutionswirren 1978 in letzter Minute den Iran in Richtung USA. Ihre sechsjährige Tochter NIAZ läßt sie, mehr ungewollt, als gewollt, bei ihrer Mutter ELIZABETH, der Großmutter der kleinen Niaz, zurück, ging man doch davon aus, daß man bald zurückkehrt, sobald sich die Lage im Heimatland wieder beruhigt hat. Zur Sicherheit hat jede der Exilantinnen etliche Millionen auf Schweizer Konten gebunkert und noch eine Handvoll Diamanten im Gepäck.

Nun aber schreiben wir bereits das Jahr 2009, Shirin ist mittlerweile 54 Jahre alt und wird im US-amerikanischen Nobelskiort Aspen der Anbahnung zur Prostitution verdächtigt. In 25 sich abwechselnden Kapiteln kommen nun Elizabeth, Shirin, Bita, Niaz und Sima zu Wort und schildern Kindheit, Jugend, Ist-Zeit und die Familienverhältnisse aus ihrer Sicht.

Abgestoßen hat mich weniger die teils explizite Sprache, sondern vielmehr die Dekadenz und die verstörende Empathie- und Lieblosigkeit, die bei den Frauen dieser Familie vorherrscht. Der grenzenlose Dünkel dieser Familie, die unter dem Schah zu den reichsten Irans gehörte, beruht nicht nur auf ihrem jahrhundertealten Reichtum, sondern auch auf ihrer Abstammung von einem großen persischen Kriegshelden. In der Diaspora allerdings wird hemmungslos gekokst, gesoffen, fremdgegangen, das Geld verschleudert und das Gastland Amerika und die Amerikaner zutiefst verachtet. Es schockierte mich, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Shirin vor ihrem Sohn Mohammed, der mittlerweile auch schon Mitte 30 ist, nackt auszieht und von diesem ihren noch sehr gut erhaltenen Körper bewundern läßt, um dann den Augenblick seiner Geburt zu schildern: „..Eines Tages bin ich aufs Klo, um zu kacken, und zack, da warst du.“

Diesen Frauen geht es in einer derart penetranten Art und Weise ausschließlich um das Aussehen und Äußerlichkeiten, daß nichts anderes mehr Thema ist. Ohne jeglichen Esprit, Geist oder Gefühl, von Mitgefühl ganz zu schweigen. Lesende werden gequält mit ständigen Beschreibungen des Aussehens, der Gesichtsgestaltung, Kosmetik, Kleidung, Accessoires, Schmuck, Modemarken etc. Natürlich, man kann als Autorin die ständige Beschäftigung der Protagonistinnen mit der Oberfläche des Körpers auch als Metapher für die Oberflächlichkeit ihres Wesens verwenden, doch die Intensität, mit der dies hier betrieben wird, deutet für mich darauf hin, daß es die Autorin nicht schafft, die nötige Distanz zu ihren Figuren einzulegen, was die Begeisterung für Äußerlichkeiten anbelangt. Die Männer werden in diesem Roman fast durchgehend als Witzfiguren dargestellt, Karikaturen ihrer selbst, meist tumbe übergroße Playmobil-Männchen und kaum der Erwähnung wert. Willkommen im Matriarchat der schlechten Art.

Selten hat mich Gelesenes so wenig berührt. Die Autorin ist teilweise sehr um Metaphern bemüht, die aber sehr gewollt und seltsam substanzlos ins Leere laufen, nur wenige treffen ins Schwarze. Überwiegend werden kurze Sätze oder Fragen bezugslos hintereinander gereiht. Ich befürchtete schon, daß sich sowohl der anspruchslose Schreibstil, als auch der belanglose Inhalt über die nächsten gut 300 Seiten von Teil II und Teil III fortsetzten.

Mir kam schon der Gedanke, ob die Autorin womöglich von den iranischen Mullahs bezahlt wurde, um die Kaste des Geldadels unter dem Schah Regime im schlechtest möglichen Licht erscheinen zu lassen. Dieser Abschnitt wäre auch durchaus geeignet, Fremdenhass auf die Orientalen zu schüren oder entstehen zu lassen.

Wir Menschen gewöhnen uns ja erstaunlich schnell an einen Umstand und so kann ich nun nicht mit Sicherheit sagen, ob es darauf zurückzuführen ist oder ob nun im II. und III. Abschnitt tatsächlich der Stil des Buches anspruchsvoller geworden ist.

Auch im II. Teil wird wieder in den Zeiten hin und hergesprungen, was dem Roman aber in keinster Weise Abbruch tut. Diese sich abwechselnden Kapitel aus verschiedener Sicht lesen sich sehr gut. Alle weiblichen Mitglieder der Familie erzählen in der Ich-Form, lediglich in den Kapiteln über Elisabeth weicht die Autorin davon ab. Warum, erschließt sich mir nicht. Obwohl dramatische und ihrem Wesen nach herzzerreißende Geschehnisse geschildert werden, bleibe ich von diesen auch im Rest des Buches seltsam unberührt.

Gegen Ende dieses II. Teils hält die Autorin für die Lesenden aber noch einen absoluten Knaller bereit, diesen werde ich aber nicht einmal andeuten, nur so viel sei verraten, es geht um familiäre Verhältnisse, es platzt quasi die Bombe.

Im III. Teil kommt dann die ganze Familie in der Ist-Zeit, etwa im Jahre 2009, in Amerika zusammen, um Shirin bei ihrem Prozeß zu unterstützen: Oma Elisabeth kommt aus Iran angeflogen mit der mittlerweile 30-jährigen Enkelin Niaz, die Shirin’s Tochter ist. Bita, die Tochter der im Jahre 2006 verstorbenen Sima, die Elisabeths zweite Tochter war. Und, was für eine blöde Frage, selbstverständlich sind keine männlichen Familienmitglieder anwesend. Es gibt noch einen Sohn von Elisabeth, NADER, also den Bruder von Shirin und der verstorbenen Sima, der mit ihnen in die USA gekommen ist. Dieser lebt irgendwo im Süden der USA ein einfaches Leben als Monteur von Klimaanlagen. Ich vermute, daß das Vermögen der Familie sich ausschließlich auf den Konten der weiblichen Mitglieder befindet. Genauer erläutert wird das von der Autorin aber nicht. Allgemein bemerke ich bei zeitgenössischen Belletristen eine zunehmende Vorliebe für die Lücke und eine Neigung dazu, Fragen aufzuwerfen, aber diese unbeantwortet zu lassen. Stilmittel die, dezent eingesetzt, durchaus ihre Berechtigung haben, in Masse auftretend aber lediglich der Bequemlichkeit der Autorinnen und Autoren geschuldet zu sein scheinen. Wurde mir doch tatsächlich erst jüngst von einem deutschen Autor empfohlen, die kommentarlos fehlenden zwei Jahrzehnte im Roman mit meiner eigenen Phantasie auszufüllen, sofern ich darüber verfüge. Wir können also durchaus damit rechnen, daß wir in Bälde im Restaurant die von uns bestellten Speisen selbst aus der Küche zu unserem Tisch tragen oder, falls wir zu den letzten Gästen gehören, nach dem Bezahlen noch schnell durchwischen müssen.

Shirin, die Hauptfigur, ist das perfekte Stereotyp der reichen, verwöhnten, arroganten, geist- und empathielosen Orientalin. Natürlich gibt es diese auch in der US-amerikanischen und europäischen Ausführung, dann eher in blond, doch zu finden sind sie alle an ähnlichen Orten wie Aspen, St. Moritz, Gstaad, St. Tropez, Acapulco oder auf Sylt. Würde man ihnen ihr Geld nehmen, hätte man vermutlich stinknormale Proleten vor sich. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch.

Die Kapitel in denen NIAZ aus Iran berichtet oder SIMA aus dem Jenseits, zeugen von mehr Tiefe und Reflexion. Doch emotional berührt oder mit Erkenntnissen in Erstaunen versetzt wurde ich in diesem Roman nur an ganz wenigen Stellen.

Doch, eine Stelle hat mich zutiefst berührt, und zwar, als Elisabeth ihrer Enkelin Niaz gesteht, daß deren Mutter Shirin sie sehr wohl mit in die USA nehmen wollte. Ich wünschte die Autorin hätte auch an anderer Stelle des Romans mit derartiger Verve erzählt.

Gerade die Szenen und Beschreibungen des teils grotesken Verhaltens der Exilantinnen in der Diaspora hätte der Autorin breiten Raum geboten, die Lesenden wenigstens zum Lachen zu bringen. Hier hat die Autorin eindeutig eine Chance vertan. Die Finger meiner beiden Hände reichen leider aus, um die Stellen aufzuzählen, an denen ich spontan lachen mußte.

Was mich anbelangt, so kann und werde ich mich nicht dem derzeitigen Trend anschließen, eine Frau die sich verhält wie ein Mann, den jeder aufgrund seines Verhaltens als Arsch bezeichnen würde, als „Starke Frau“ zu bezeichnen.

Interessante Einblicke in das Alltagsleben in Iran unter dem totalitären Mullah-Regime erhalten wir, wenn in einem Kapitel Niaz, die bei der Oma geblieben ist, zu Wort kommt. Mich wunderte z.B., daß Elizabeth Valiat immer noch Eigentümerin riesiger Ländereien in Iran ist und diese nicht schon längst vom Regime dem Volk übertragen wurden. Die Antwort liegt darin, daß sich nur so der einzelne Funktionär des Regimes, unter Vorwand einer fadenscheinigen Anklage, bereichern kann.

Ich hätte mir als Leser noch mehr Einblicke in die Lebenswelt der Menschen unter dem Terrorregime der Mullahs gewünscht, aber ich denke, daß auch die Autorin sicher noch Familie in Iran hat und es daher lieber nicht auf die Spitze treiben wollte.

Eine Sternebewertung fällt mir bei diesem Roman besonders schwer. Genau genommen glaubte ich beim Lesen eine Adventsbeleuchtung neben mir zu haben, die abwechselnd ein bis vier von fünf Sternen aufblinken ließ.

Ich komme zu keinem Schluß, ob die mangelnde emotionale Tiefe und relative Humorfreiheit von der Autorin bewußt so gestaltet wurde oder ob sie es schlichtweg nicht besser kann. Der nächste Roman von Sanam Mahloudji wird mir hoffentlich in diesem Punkt Klarheit verschaffen. Gemäß dem Grundsatz „In dubio pro reo“ bleibt mir also nichts anderes übrig, als 4 Sterne zu vergeben, obwohl es gefühlt eigentlich nur dreieinhalb sind.

Das Cover ist sehr schön gestaltet in gemalter Weise, wie ich es liebe. Im Klappentext einen Rechtschreibfehler zu übersehen ist eigentlich eines großen Verlages wie Piper nicht würdig. Auch der Text beschenkt uns mit einigen Rechtschreibfehlern, die ihrem Wesen nach von keiner noch so intelligenten KI entdeckt werden können. Hier sollten Verlage vielleicht doch wieder dazu übergehen, ein wenig Geld in die Hand zu nehmen, um ein Buch vor der letztendlichen Drucklegung noch einmal von einem befähigten Menschen durchlesen zu lassen.

Ich empfehle Ihnen, diesen Roman trotz eventuell auftretender innerer Widerstände zu Ende zu lesen und sich diesen dann ein zweites Mal vorzunehmen oder sich die Kapitel einzeln zu Gemüte zu führen. Davon, dieses Buch zu verschenken, ohne den Inhalt zu kennen, würde ich allerdings abraten, denn das Wort „Kacke“ wird inflationär gebraucht. Ich vermute allerdings, daß dies auf einem kulturellen Missverständnis beruht. Im Orient ist der Sprachgebrauch ein sehr blumiger und so finden Körperausscheidungen bei Flüchen, Beschimpfungen oder wenn man einer Aussage eine besondere Intensität verleihen will, mannigfaltige Anwendung. Diese eins zu eins ins Deutsche zu übersetzen wäre aber unangebracht. Doch ist dies in diesem Roman offensichtlich geschehen.

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Veröffentlicht am 02.07.2024

DIE PHANTASTISCHE WELT DER AUS DEM FENSTER GEFALLENEN - Spannend und klug !

Warkiaptu
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David, die Hauptfigur, Mitte zwanzig, fällt besoffen aus seinem Fenster im vierten Stock. Er landet in Warkiaptu, einer Welt, in der seit Jahrtausenden alle Lebewesen ankommen, deren Fenstersturz tödlich ...

David, die Hauptfigur, Mitte zwanzig, fällt besoffen aus seinem Fenster im vierten Stock. Er landet in Warkiaptu, einer Welt, in der seit Jahrtausenden alle Lebewesen ankommen, deren Fenstersturz tödlich endet. Da Gegenstände per se unlebendig sind, landet auch alles was sonst noch so aus dem Fenster geworfen wird in dieser Welt und diese ist also mit Vielem gut ausgestattet und technologisch relativ gut aufgestellt.

Einmal in Warkiaptu angekommen altert man nicht mehr und lebt ewig unverändert, sofern man nicht ermordet wird oder einen tödlichen Unfall hat.

Da sich in Warkiaptu Menschen aller Jahrhunderte tummeln, findet dort eine Einordnung und Bewertung geschichtlicher Ereignisse kaum statt und so sind z.B. Drogen mehr oder weniger freigegeben und auch ein SS-Mann kann sich ungeniert in Uniform in der Öffentlichkeit bewegen.

Die in Warkiaptu ankommenden Menschen verteilen sich auf fünf Bezirke, die den verschiedenen Epochen entsprechen und werden im Groben auch von den Menschen der entprechenden Zeit bewohnt, da sich diese unter ihresgleichen am Wohlsten fühlen.

David landet im 5. Bezirk, der überwiegend von Menschen unserer Zeit und des 20. Jahrhundert bewohnt wird.

Wie in jeder Gesellschaft ringen auch in Warkiaptu verschiedene Gruppierungen um Macht, Einfluß und Geld. Es steht ein großes Referendum an, in dem entschieden werden soll, ob die weitgehende Eigenständigkeit der fünf Bezirke durch eine Zentralmacht ersetzt wird.

Ziemlich schnell gerät der gutmütige und etwas gleichgültig dem Leben und den Menschen gegenüberstehende Vegetarier David zwischen die Fronten und unter die Knute des brutalen SS-Mannes Strohmüller. Da David neu in dieser Welt ist, weiß er nicht, wem er trauen kann, bis er die Polizistin Gudrun kennenlernt.

In der ersten Hälfte dieses klugen und philosophisch anspruchsvollen Romans liegt der Schwerpunkt weniger auf der Entwicklung der Handlung, als auf der Beschreibung der miteinander konkurrierenden politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen und deren zugrunde liegenden Weltanschauungen und mag für manche der Lesenden etwas anstrengend sein. Doch dann nimmt die Handlung Fahrt auf und die Spannung steigt bis zum Showdown, nur hie und da retardiert durch Ausflüge ins Philosophische.

Was die Hauptfigur David anbelangt, haben wir es durchaus mit einem Entwicklungsroman zu tun, was Warkiaptu anbelangt mit einem politischen und Gesellschaftsroman und der Frage wieviel und wie wenig Staat braucht der Mensch um sich frei entfalten zu können.

Mir hat der kluge, von feinsinnigem Humor durchzogene Stil des Autors sehr zugesagt. Die Grundidee ist großartig und durchdacht ausgestaltet. Mir persönlich hätte es etwas weniger Beschreibung der konkurrierenden Gruppen und ihrer Führer, sowie derer Intrigen und dafür etwas mehr Beschreibung des Alltagslebens in Warkiaptu im Detail sein können. Noch besser gefallen hätte mir dieses Buch im Hardcover.

Dennoch gebe ich diesem sehr empfehlenswerten Roman fünf von fünf Sternen, da hier eine großartige Idee klug und stringent umgesetzt und mit viel Philosophischem unterfüttert wurde.

Fragen der individuellen Freiheit anhand einer phantastischen Welt. Wieviel Staat braucht der Mensch um in Freiheit leben zu können ? Fragen mit denen sich jeder von uns früher oder später beschäftigen muß.

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Kurzweiliger Wohlfühl-Krimi nicht nur für Waldi-Fans

Mord im Antiquitätenladen
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Für alle, die Waldi kennen, ist dieser Krimi sicher ein besonderer Genuß, denn bei Siggi, der Hauptfigur, sehen wir natürlich Waldi vor uns. Vor allem auch, weil dieser genauso spricht wie Waldi.
Doch ...


Für alle, die Waldi kennen, ist dieser Krimi sicher ein besonderer Genuß, denn bei Siggi, der Hauptfigur, sehen wir natürlich Waldi vor uns. Vor allem auch, weil dieser genauso spricht wie Waldi.
Doch nicht nur damit, Waldi hautnah erleben zu können , sondern auch mit einer spannenden Geschichte werden die Lesenden belohnt.

In seinem Antiquitätenladen entdeckt Siggi einen Toten, doch als die Polizei eintrifft ist dieser verschwunden und man glaubt ihm nicht. Doch ein rätselhaftes Stück Wandteppich hängt plötzlich neben dem Sessel, in dem Siggi die Leiche entdeckt hat. Nun muß Siggi vs. Waldi auf eigene Faust ermitteln. Hierbei hilft ihm die aus dem Nichts aufgetauchte attraktive Doro, die sich als Putzfrau bei ihm selbst einstellt und der befreundete Galerist Anton.

Mit diesem Buch kann man sich ein schönes Wohlfühl-Wochenende bereiten, denn die Story ist spannend bis zum Schluß und die lockere Schreibe ein Genuß. Das Setting der Welt des Kunst- und Antiquitätenhandels bereitet zudem interessante Einblicke für jeden Interessierten. Gewürzt ist die ganze Geschichte mit viel trockenem Waldi-Humor, wie wir ihn auch aus dem Fernsehen kennen, mit dem Herz am rechten Fleck und nie um einen Kommentar verlegen.

Über ein paar kleine Ungereimtheiten habe ich gerne hinweg gelesen. Ich habe mich an meine Jugendzeit erinnert, als ich „Die Abenteuer der Schwarzen Hand“ und andere Jugendkrimis las. Mir hat’s riesig Spaß gemacht und für mich könnte es ruhig der Auftakt zu einer Reihe von Waldi-Krimis sein. Für die Hinzuziehung einer Co-Autorin gibt es hier nichts einzuwenden.

Meine Erwartungen haben sich voll erfüllt und daher gibt es von mir fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 09.05.2024

Spannender 20er-Jahre-Krimi mit Leipziger und Münchner Lokalkolorit und noch viel mehr !

Evas Rache
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Wir reisen zurück ins Jahr 1922. In der Messestadt Leipzig treibt ein brutaler Frauenmörder sein Unwesen.

Kriminalkommissar Stainer und seine Crew haben alle Hände voll zu tun. Schnell ist ein Verdächtiger ...

Wir reisen zurück ins Jahr 1922. In der Messestadt Leipzig treibt ein brutaler Frauenmörder sein Unwesen.

Kriminalkommissar Stainer und seine Crew haben alle Hände voll zu tun. Schnell ist ein Verdächtiger gefasst. Doch war er es wirklich ?

Gleichzeitig versucht eine Bande zwielichtiger Gestalten um den Kriegsheimkehrer Nakaski im Auftrag der russischen Bolschewiki durch Entführung der Frau des Münchner Ingenieurs Dorn die Pläne für dessen Hubschrauber-Triebwerk zu erpressen. Dorns Gattin Eva, die dabei ist, sich aus ihrer vom Gatten zugewiesenen Rolle als Dummchen zu befreien, ist nach Leipzig gereist, um in einem Aufwasch ihren Göttergatten zu erschießen und dessen Geliebte zu erwürgen. Soweit die Pläne. Doch dann laufen die Dinge aus dem Ruder.

Der Kriminalkommissar Stainer, ein Guter, ein Gerechter, aber auch, wie so oft, ein Leidender, ein fast Gescheiterter, im ewigen Kampf mit den Umständen, mit sich und dem Alkohol.

Dies ist mein erstes Buch von Ziebula. Sein flotter Schreibstil hat mich von Anfang an gepackt. Ich erlebe das Geschriebene wie eine Graphic Novel. Schon die rasante Fahrt zu einem der Tatorte könnte man wunderbar illustrieren. Die Protagonisten nehmen ziemlich schnell Gestalt an.

Zu Anfang präsentiert uns Ziebula fünf Szenen, die im Laufe des Buches zusammenlaufen. Er bereichert nicht nur mit gut recherchiertem Lokalkolorit aus München und Leipzig, sondern auch mit sehr informativem politischen Hintergrundwissen. Er macht den Lesenden bewußt, wie tief verwurzelt Antisemitismus und der militärische Nationalismus der Deutschen, trotz des verlorenen Krieges, waren und wie in dieser Zeit mit der Gründung der NSDAP der Keim für die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts so rasch aufgehen konnte.

Ich bin kein ausgesprochener Krimi-Leser, doch dieser 4. Band aus der Reihe um Kommissar Stainer hat selbst mich wirklich gepackt. Ziebulas dichte, gut ausformulierte Erzählweise, gewürzt mit einer Prise Humor und vielen gut recherchierten interessanten Details, hat für mich diesen Krimi zu einem spannenden Leseerlebnis gemacht.

Dieses Buch erhält von mir fünf Sterne, da es nicht nur alles erfüllt, was man von einem guten Kriminalroman erwarten darf, eine interessante Story, unterhaltsam und spannend erzählt, ein sympathischer Ermittler, den man auch privat kennenlernt und lebendiges Lokalkolorit, sondern weil es zudem noch durch gut recherchierte Details und ein unaufdringliches politisches Statement überzeugt.

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Veröffentlicht am 01.05.2024

Kaleidoskopartige Eindrücke vom Ringen um und Leben mit der Kunst

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen
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Flotter Ritt durch das New York der Zwanziger Jahre und die Kunstszene verwoben mit kreativem Schaffen im Spannungsfeld zwischen Kunst und Alltag

In ihrem Roman Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen ...

Flotter Ritt durch das New York der Zwanziger Jahre und die Kunstszene verwoben mit kreativem Schaffen im Spannungsfeld zwischen Kunst und Alltag

In ihrem Roman Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen läßt sich die rumänisch-schweizerische Schriftstellerin Dana Grigorcea von Fragen zum Thema Kunst leiten und versucht den künstlerischen Schaffensprozeß zu ergründen.

Der 222 Seiten umfassende Roman spielt zeitlich und örtlich an zwei verschiedenen Settings, die in reizvoller Weise miteinander verbunden werden.

Im Hier und Jetzt erleben wir die Schriftstellerin Dora, die im Rahmen eines Literaten-Stipendiums in einem Hotel in Italien versucht, die Amerikareise des Bildhauers Constantin Avis im New York der 20er Jahre literarisch festzuhalten. Als Vorbild für die Romanfigur dient ihr hierfür der rumänische Bildhauer Constantin Brâncuși.

Das zweite Setting ist der Aufenthalt von Constantin Avis in New York etwa 100 Jahre vor unserer Zeit. Eines seiner Hauptwerke „Vogel“ hat er mitgebracht, da er hoffte, diesen im Rahmen einer Einzelausstellung präsentieren zu können. Doch kurz vor seiner Ankunft ist sein Mäzen und Galerist verstorben.

Beide Schauplätze wechseln sich in den einzelnen Kapiteln fast regelmäßig ab.

In temporeichen irisierenden Sequenzen dürfen wir daran teilhaben, wie Constantin das New York der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erlebt. Dann kehren wir wieder in die Gegenwart zurück und beobachten Dora beim Schreiben des nächsten Kapitels und im kreativen Schaffen im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des Alltags und den Ansprüchen ihre Kunst betreffend.

Mit Dora in Italien ist Loris, ihr 8 -jähriger Sohn und sein Kindermädchen Macedonia. Später kommt Regis hinzu, mit dem Dora eine toxische Beziehung zu führen scheint.

Dora hält sich in ihrer eigenen Scheinwelt auf und erschreibt sich in Constantin und Lidy die Traumbeziehung, die sie eigentlich leben möchte, während alle anderen Protagonisten der Gegenwart die Realität nicht verdrängen.

Das Buch schließt ab mit einem Epilog in dem der Prozess beschrieben wird, den Constantin mit der Zollbehörde führt, in dem es im Kern um die Frage geht Was ist Kunst ? Dieser beruht auf dem entsprechenden historischen Ereignis in dem die Frage geklärt wurde, ob es sich beim Werk „Vogel“ des Bildhauers Constantin Brâncuși um Kunst handelt oder nicht. Es ist amüsant zu lesen, doch mit 13 Seiten empfand ich dieses Kapitel, im Vergleich zu anderen nur wenige Seiten umfassenden, überbetont, denn die Frage Was ist Kunst ist für den Künstler und den kreativen Schaffensprozess unerheblich und nur in Fragen der Besteuerung von Relevanz.

Ich bin dankbar dafür, daß mir die Autorin den Künstler Constantin Brâncuși und sein, vermutlich ein wenig vergessenes Werk, nahegebracht hat.

Der Schreibstil ist ein kaleidoskop- bis stroboskopartiger und nicht nur für den Durchschnittsleser gewöhnungsbedürftig und ein wenig anstrengend.

Die Autorin versteht es, sich in die Charaktere ihrer Figuren hineinzuversetzen. Ich vermute, daß sie in diesen Roman auch viele Aspekte ihres eigenen Lebens hat einfließen lassen.

Dieser manche Aspekte der Kunst betrachtende Roman ist kein Buch durch das sich Lesende bequem tragen lassen können, man muß schon selbst kräftig strampeln, um mitzukommen. Zwischendurch abzudriften, ohne etwas zu verpassen, kann man sich bei diesem Buch nicht leisten und das spricht in meinen Augen eindeutig für dieses literarische Werk.

Ich kann mich aber dennoch nicht des Eindrucks erwehren, daß dem Werk etwas Provisorisches anhaftet, etwas Unfertiges. Wie eine Art Skelett, das man erst noch in eine gesättigte Lösung halten muß, damit sich an ihm viele interessante Kristalle ausbilden und die Form vollenden können.

Ich hätte mir gewünscht, daß bei Fragen der Kunst mehr in die Tiefe gegangen wird, so wird vieles nur angesprochen und bleibt dann an der Oberfläche. Auch andere angerissene Fragen bleiben unbeantwortet, manch Schilderung ohne Erklärung oder nur mit sehr verstecktem Bezug.
Doch wer sagt, daß ein Roman immer eine abgerundete Sache sein muß ? Natürlich wäre das uns als Lesende lieber, doch das Leben an und für sich ist ja auch weit davon entfernt, eine abgerundete Sache zu sein.

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen von Dana Grigorcea ist 2024 bei Penguin Random-House in München mit der ISBN 978-3-328-60154-8 als Hardcover erschienen und kostet 24,- Euro.

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