Überirdisch nur im wörtlichen Sinne
Der Planet der verbotenen Erinnerungen
In seinem Roman „Der Planet der verbotenen Erinnerungen“ von Sebastian Pierling enführt den Leser ins dritte Jahrhundert, in dem die Menschen nicht mehr länger an die Erde gebunden sind und ihren Lebensmittelpunkt ...
In seinem Roman „Der Planet der verbotenen Erinnerungen“ von Sebastian Pierling enführt den Leser ins dritte Jahrhundert, in dem die Menschen nicht mehr länger an die Erde gebunden sind und ihren Lebensmittelpunkt ins All verlegt haben. Der Hauptcharakter, Benjamin, ist Dozent an der größten Universität des neuen Zusammenlebens, Alpha Zentauri und beschäftigt sich tagtäglich mit den menschlichen Erinnerungen und mit Möglichkeiten, diese zu manipulieren. Als sein ehemaliger Professor stirbt und mehr als kryptische Gedanken zurück lässt beschließt Benjamin, sich auf die Suche nach der Herkunft des Professors zu machen um aus dessen Vermächtnis schlau zu werden. Dafür reist er einmal quer durchs Universum und stößt auf die Spur der Exegeten, einer religiösen Gemeinschaft - obwohl die Religion schon seit Jahrzehnten verboten ist.
Seit über einem Jahr beschäftige ich mich nun schon intensiver mit aktueller christlicher Literatur in Deutschland und dieser Roman bestätigt in meinen Augen das Vorurteil das ich dazu von vornherein im Kopf hatte. Man meint es gut, aber an der Umsetzung scheitert‘s.
Benjamin ist an sich ein spannender Charakter, doch leider lernt man ihn nicht all zu genau kennen. Man erfährt so gut wie nichts über sein Leben oder seine Herkunft – dafür jedoch umso mehr über die seines ehemaligen Professors der auch als einziger Charakter selbst zu Wort kommt. Und so fühlt es sich auch so an, als ob eher dieser Professor der Hauptcharakter des Buches ist – nur, dass der schon zu Beginn der Geschichte tot ist.
Auch die Welt, die Pierling sich ausgedacht hat, hat viel Potential: Die Menschen des Alls sind optimierbar, durch technische Hilfsmittel genau wie durch biochemische Manipulationen und Forscher können nicht nur auf körperliche Daten sondern auch auf die Erinnerungen der Menschen zugreifen. Zwar ist die Technisierung immer noch eine freie Entscheidung, doch wer sich nicht den neusten technischen Standards anpasst gilt als kaputt und minderwertig. In all dem hat Benjamin einen der spannendsten Berufe – nur leider bekommt man nichts davon mit. Was genau bewirkt er mit seiner Erinnerungsforschung? Ist sein Gebiet für Laien zugänglich oder braucht es bestimmte Qualifikationen? Und lassen sich solche Veränderungen rückgängig machen? Der Leser erfährt nichts von alledem und auch Benjamin scheint dieses Wissen zwischendurch abhanden gegangen zu sein, denn er reagiert in Situationen, die er vorher als vollkommen normal beschrieben hat, wie jemand, der noch nie so etwas erlebt hat.
Am wenigsten Sinn ergibt jedoch die Geschichte selbst, denn Pierling verliert sich in Andeutungen und der Leser kann den konkreten Inhalt nicht erkennen. Was war nun die Hintergrundgeschichte des Professors, um die es ja anscheinend geht? Was hat es mit den Exegeten auf sich? Wie verhält es sich mit der Religion? All diese Fragen stellen sich zu Beginn des Buches und werden bis zum Ende nicht aufgelöst. Man möchte meinen, hier wurde bereits für einen Folgeband geplant, denn anders lassen sich die vielen inhaltlichen Lücken nicht erklären, doch dann wäre es doch wahrscheinlich zumindest zu einer Teilerkenntnis gekommen, auf der man dann hätte aufbauen können.
Dabei sieht das Buch so vielversprechend aus und auch das „Gütesiegel“ des C. S. Lewis-Preises verleitet zu der Annahme, dass hinter dem galaktischen Cover ein guter Roman wartet. Dazu jedoch eine Warnung: Sebastian Pierling erhielt den Preis 2016 (verliehen auf der Leipziger Buchmesse 2017), tatsächlich erschienen ist der Roman jedoch erst 2 Jahre später. Wer sich auf der Website des Preises die Buchbeschreibung durchliest wird den Roman nicht wiedererkennen (abgesehen davon, dass sich der Titel in der Zwischenzeit vollkommen verändert hat ist auch die Handlung eine ganz andere) und so ist wohl auch die Gültigkeit des Preises ein bisschen „abgelaufen“.
Insgesamt hat mich dieser Roman sehr enttäuscht. Da ich außerhalb der christlichen Szene viel Science Fiction und ähnliches lese hatte ich hohe Erwartungen an dieses Buch (schließlich erlebt man nicht oft eine Kombination aus Fantasy und Religion) und wurde entsprechend stark enttäuscht. Die Idee dahinter gefällt mir zwar immer noch sehr gut, jedoch lässt der Roman selbst massiv zu wünschen übrig und so kann ich das Buch nicht wirklich weiterempfehlen.