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Veröffentlicht am 25.05.2021

Im Korsett der Siebziger Jahre

Freiflug
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Wer kennt heute noch den Namen Rita Maiburg? Nur drei-vier kleine Straßen tragen ihren Namen und doch hat die junge Frau etwas Besonderes gewagt: Sie klagte auf Einstellung als Pilotin bei der Lufthansa. ...

Wer kennt heute noch den Namen Rita Maiburg? Nur drei-vier kleine Straßen tragen ihren Namen und doch hat die junge Frau etwas Besonderes gewagt: Sie klagte auf Einstellung als Pilotin bei der Lufthansa. Das war 1974 und die Gleichberechtigung der Frauen in Familie und Beruf noch meilenweit entfernt.

Christine Drews nahm diese Geschichte als Hintergrund für ihren Roman „Freiflug“. Allerdings täuscht hier der Klappentext ein wenig, denn Rita Maiburgs Fall ist nur der Aufhänger für die fiktive Geschichte um die junge Anwältin Katharina Berner. Auch sie eine Frau, die sich nicht in das Korsett pressen lassen, dass für junge Frauen damals vorgesehen war.

Interessant auch wie Drews die verschiedenen Generationen skizziert. Katharina als Nachzüglerin und ihre älteren Schwestern trennen Welten. Sie können, genau wie Eltern, ihre Lebenspläne überhaupt nicht nachvollziehen.

Mir hat dieser Roman ausgesprochen gut gefallen. Ich habe die 70ger Jahre als Mädchen schon sehr bewusst erlebt und vieles, was hier thematisiert wurde, kenne ich aus eigener Erfahrung. Das Zeitbild ist unglaublich lebendig und farbig erzählt und es machte beim Lesen stellenweise richtig wütend, wie über Mädchen und Frauen entschieden wurde. Gut, dass wir heute schon sehr viel weiter sind, auch wenn zu absoluter Gleichberechtigung noch vieles fehlt. Daneben entsteht auch ein stimmiges Bild der Bundesrepublik dieser Zeit. Schüler und Studenten werden aktiver, mit dem Bulli nach Afghanistan ist groß in Mode, die jungen Leute leben freizügiger. Also fast wie eine kleine Geschichte der BRD.

Ich finde das Zeitbild auch sehr stimmig, es weckt viele Erinnerungen. Allerdings über einen Ausdruck bin ich gestolpert, auf Seite 86 wurde gescherzt und das Wort "Nippel-Gate" fiel. Der Ausdruck wurde erst 2004 durch den Janet Jackson-Auftritt geprägt und der Watergate-Skandal, die Urform aller später "....Gates" war auch erst im Herbst 74. Das ist also ein Ausrutscher.

Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen und ich mochte gar nicht aufhören zu lesen und er weckte viele Erinnerungen an diese Zeit. Insofern war ich wahrscheinlich genau die Zielgruppe. Jüngere Leserinnen werden sich kaum vorstellen können, wie es vor knapp 50 Jahren mit der weiblichen Selbstbestimmung so war.

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Veröffentlicht am 25.05.2021

Anna Wagner und ein alter Fall

Nordwestzorn
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Anna Wagner, die letztens einen Fall in Sankt Peter Ording aufklären konnte, ist zurück. Dieses Mal aber für länger. Sie ist die Leiterin einer Kommission, die sich um alte, unaufgeklärte Vermisstenfälle ...

Anna Wagner, die letztens einen Fall in Sankt Peter Ording aufklären konnte, ist zurück. Dieses Mal aber für länger. Sie ist die Leiterin einer Kommission, die sich um alte, unaufgeklärte Vermisstenfälle kümmert und damit steht einem Umzug nichts mehr im Weg. Auch Hendrik Norberg freut sich auf ihre Rückkehr, er verspricht sich spannende Fälle und gute Zusammenarbeit. Seit er aus familiären Gründen den Abschied vom LKA nahm um als Polizist in SPO mehr Zeit für seine mutterlosen Söhne zu haben, fehlt ihm ein wenig die Herausforderung.

Gleich der erste Fall, den Anna bearbeitet geht auch Hendrik an die Nieren. Vor Jahren verschwand ein Schüler spurlos während einer Klassenfahrt aus dem Landschulheim. Es gab die üblichen Verdächtigungen und Vermutungen, auch gegen den Leiter des Heimes Carsten Witt, aber letztendlich wurde die Suche eingestellt Die Akten stellen Anna Wagner nicht zufrieden, sie findet die damaligen Ermittlungen schludrig und einseitig und zieht damit den Zorn der Beamten auf sich. Der Corpsgeist ist ausgeprägt. Diese Erfahrung muss auch Hendrik Norberg machen, dem ein ehemaliger Kollege das Leben schwer macht.

Ich habe erst vor kurzem den ersten Band der Autorin gelesen und mochte mir deshalb die Fortsetzung nicht entgehen lassen. Anna Wagner bildet zusammen mit Hendrik Norberg ein gutes Team auch wenn sie in unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Die Polizeiarbeit nimmt einen großen Teil des Kriminalromans ein und sie sind sehr spannend beschrieben. Wie Spuren nach so langer Zeit wieder aufgenommen werden und wie neue Blickwinkel auch neue Erkenntnisse bringen können, schien mir sehr realitätsnah erzählt.

Überhaupt gefällt mir der Stil von Svea Jensen (Pseudonym einer bekannten Autorin) ausgezeichnet. Ihr Krimi hält sehr gut die Waage zwischen privaten Befindlichkeiten und Problemen und dem zu klärenden Fall. Manchmal vermischt sich das, dann wird es noch intensiver. Besonders gefiel mir, wie die Autorin die Auswirkung von Polizeiarbeit auf das Leben der betroffenen Personen zeigt, wenn sich Vorverurteilung und Gerüchte die Hand geben.

Eine sehr gelungene Fortsetzung, da bin ich gespannt wie sich die Reihe weiter entwickelt.

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Veröffentlicht am 20.05.2021

Abgründig und düster

Letzte Ehre
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ariza Nasri gilt als Verhörspezialistin, sie ist nicht unumstritten, nicht jedem gefällt ihre Vorgehensweise. Vielleicht ist es gerade ihre gebrochene Biografie, die ihr das Gespür für Schwingungen, nicht ...

ariza Nasri gilt als Verhörspezialistin, sie ist nicht unumstritten, nicht jedem gefällt ihre Vorgehensweise. Vielleicht ist es gerade ihre gebrochene Biografie, die ihr das Gespür für Schwingungen, nicht Ausgesprochenes gibt.

Stefan Barig sitzt vor ihr. Die 17jährige Tochter seiner Lebensgefährtin ist spurlos verschwunden. Seine Aussagen sind auf den ersten Blick schlüssig, aber Fariza spürt etwas Verborgenes und es gelingt ihr, seine Aussagen zu erschüttern.

Es geht um Macht und Machtfantasien, den männlichen Blick auf weibliche, auch kindliche Opfer. Ani verbreitet in seinem Buch eine Düsternis, die mir sehr nahe ging. Gerade das Unausgesprochene, die Gedanken von Opfer, Täter und Ermittlerin Nasri verwebt sich zu einem Buch, das unter die Haut geht. Die einzelnen Szenen fügen sich nur langsam zu einem Ganzen und ich musste beim Lesen oft unterbrechen, weil es mir auf’s Gemüt schlug. Es dauert, bis sich die unterschiedlichen Handlungsstränge zusammenfügen, die Handlung folgt nicht unbedingt den linearen Krimi-Ermittlungen. Beeindruckend war für mich die Charakterisierung der Kriminalbeamtin Fariza Nasri. Ein vielschichtiger Charakter, in sich gekehrt, Einzelgängerin und doch zu Empathie fähig. Sie kann den Menschen tief in die Seele blicken und das ist mehr als einmal erschreckend.

Ani schreibt keine leicht zu konsumierenden Krimis, er lässt den Leser oft allein mit seinen Gedanken und das macht auch den Reiz dieses Autors aus. Er setzt ein Kopfkino in Gang und ich muss mich fast dagegen wehren, dass das mich das Buch tagelang beherrscht. Die Thematik ist düster und leider aktuell und mich hat das Buch manchmal an meine Grenzen gebracht.

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Schickt Stafford in den Ruhestand

Um Mitternacht ab Buckingham Palace
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London 1941, die Bombardierung durch die Deutschen wird immer bedrohlicher, als dann auch noch Gerüchte um eine geplante Entführung der Prinzessinnen Elizabeth und Margaret aufkommen, wird beschlossen, ...

London 1941, die Bombardierung durch die Deutschen wird immer bedrohlicher, als dann auch noch Gerüchte um eine geplante Entführung der Prinzessinnen Elizabeth und Margaret aufkommen, wird beschlossen, die beiden Mädchen inkognito nach Irland zu bringen.
Zu ihrer Sicherheit werden sie Detective Strafford – nur richtig mit dem R – und die junge Geheimdienstlerin Celia Nashe begleiten. Doch das Geheimnis hält nicht lang, in dem schäbigen, kalten Herrenhaus Clonmillis Hall weiß bald jedes Küchenmädchen, um wen es sich handelt. Zwar hält besteht die Republik Irland auf ihre Neutralität im Zweiten Weltkrieg, aber die Gräueltaten der Engländer wurden in Irland nicht vergessen und zeigen sich schon bald, dass unterschiedliche Gruppierungen den Aufenthalt der jungen Prinzessinnen für sich nutzen wollen.
Nach der Buchbeschreibung hatte ich so richtig Lust auf diesen historischen Krimi bekommen. Seite für Seite las ich und wartete, dass irgendwas passiert, was die Bezeichnung Krimi verdient. Zäh zieht sich die Handlung. Man lernt eine trotzige, ziemliche hinterfotzige Margret kennen und eine junge Elizabeth, die von ihrer Bedeutung schon sehr überzeugt ist. Zwischendurch blitzen immer mal wieder kindliche Unsicherheit, Heimweh und Ängste auf, was dann doch für einen kleinen Sympathiefunken sorgt.
Strafford zeigt ganz interessante Züge, aber trotzdem bleibt er blass und außer seiner Vorliebe für Bibliotheksschmöker ist mir auch nicht viel im Gedächtnis geblieben. Miss Nashe ist beim Geheimdienst fehl besetzt, was ihr auch selbst bald klar wird.
Dann überschlagen sich die Ereignisse, rings um Clonmillis Hall gibt es Tote und die Grenzen zwischen Freund und Feind überschneiden sich.
Der England-Irland Konflikt wäre ein interessanter Hintergrund gewesen und auch das Thema des Buchs klang gut, aber die Umsetzung hat mich überhaupt nicht überzeugt.
Wenn ich meine Eindrücke zusammenfassen soll: ich habe mich gelangweilt. Ich gebe sehr selten nur einen Stern, aber wann, wenn nicht hier.

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Loslassen und Neuanfang

Der Himmel ist hier weiter als anderswo
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Felicitas hat das Leben übel mitgespielt. Jung wurde sie Witwe und steht nun mit ihren vier Kindern allein da. Ihre Wohnung wurde ihr gekündigt und seit den dramatischen Ereignissen um Jans Tod, kann und ...

Felicitas hat das Leben übel mitgespielt. Jung wurde sie Witwe und steht nun mit ihren vier Kindern allein da. Ihre Wohnung wurde ihr gekündigt und seit den dramatischen Ereignissen um Jans Tod, kann und mag sie ihre Geige nicht mehr zur Hand nehmen. Damit fällt ihr Verdienst als Orchestermusikerin und Geigenlehrerin weg. Als sie auf einem Immobilienportal ein altes großes Haus im Alten Land entdeckt – ein ehemaliger Gasthof – kauft sie ihn spontan. Endlich Platz für ihre Kinder und private Geigenstunden kann sie sicher auch dort geben.

Aber es ist alles nicht so rosig, der Bau ist marode und die Sanierungskosten übersteigen bald ihre Möglichkeiten und auch ihre Kinder sind fordernd. Nicht alle Dorfbewohner stehen ihr wohlwollend gegenüber, gut, dass wenigstens ein Nachbar, der Tischler Jesko ihr mit Rat und Tat zur Seite steht.

„Der Himmel ist hier weiter als anderswo“ – der Titel hat mich sofort für das Buch eingenommen. Er weckt ein wenig Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einer weiten Landschaft. Das Buch ist sehr schön geschrieben, die Autorin schafft es schnell, mich in das Leben von Fee und ihren Kindern zu ziehen. Ich habe den Gasthof vor mir gesehen, den verwilderten Garten und den maroden Bootssteg und hätte es am liebsten der Protagonistin nachgemacht und mich auf die Arbeit gestürzt.

Natürlich fehlen die Schwierigkeiten nicht, die Probleme mit der pubertierenden Tochter, dem schulmüden Sohn und der liebenswerten Martha, die ein ganz besonderes Kind ist. Der kleine Golo dagegen ist ein – manchmal altkluger – Sonnenschein, dem die Herzen zufliegen.

Die Autorin hat ihre Protagonisten sehr menschlich gezeichnet, sie wirkten wirklich immer echt und lebensnah. Ich hatte das Gefühl, dass Valerie Pauling ihre Figuren mit Sympathie erdacht hat.

Eine warmherzige Geschichte vom Loslassen und einem Neuanfang, natürlich ist die Liebesgeschichte mit Jesko schon vorprogrammiert, das hat mich aber nicht gestört. Auch das alle Probleme sich immer schnell in Wohlgefallen auflösen, darf in einem Roman so sein. Schließlich möchte ich mich unterhalten. Das ist der Autorin mit ihrem Buch auch sehr gut gelungen.

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