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Veröffentlicht am 24.03.2021

Liebe und Glück - Trauer und Tränen

Kurz bevor das Glück beginnt
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Es gab da einen Physiotherapeuten, der mit einer schmerzhaften Trennung zu kämpfen hatte, einen Landarzt, der über den selbst gewählten Tod seiner Frau hinwegkommen musste und einen Luftfahrtingenieur, ...

Es gab da einen Physiotherapeuten, der mit einer schmerzhaften Trennung zu kämpfen hatte, einen Landarzt, der über den selbst gewählten Tod seiner Frau hinwegkommen musste und einen Luftfahrtingenieur, den die Erinnerung an seine vergangene Liebe dreißig Jahre lang umtrieb, ohne dass er sich davon lösen konnte. Dann gab es meine beste Freundin, die in den Tag hineinlebte, ohne sich um die Zukunft zu sorgen, eine junge Vertretungsärztin, die glaubte, nichts wert zu sein und eine Supermarktkassiererin, die sich als alleinerziehende Mutter abstrampelte…………………..


So beschreibt Julie, die Hautperson dieses wunderbaren Romans, auf einer der letzten Seiten die Geschichte. Sechs Hauptpersonen und ein kleiner Mensch, mehr braucht die Autorin nicht um das ganze Leben mit seiner Fülle, seinem Glück und seinem Unglück vor den Augen der Leserinnen auszubreiten. Sie macht das mit einer fast märchenhaften Erzählweise, mit Sätzen die sogleich zu Herzen gehen. Ganz besonders wenn sie Julie selbst zu Wort kommen lässt, wie das an einigen Wendepunkten des Romans geschieht.

Julie ist zwar grade mal 20 Jahre jung, aber durch einen jugendlichen Fehltritt bereits Mutter eines liebenswerten Jungen, der für sie alles ist. Zwar konnte sie ihre Ausbildung nicht beenden und sitzt an einer Supermarktkasse, allein gelassen von den bigotten Eltern, die Christentum nur strafend verstehen, aber sie hält den Kopf aufrecht. Immer wieder tröstet und motiviert sie sich mit Lebensweisheiten und ist sicher, dass das Glück auch für sie bald beginnt, besonders als sie Paul kennenlernt, ausgerechnet an der Kasse, als sie vor Frust und Müdigkeit kaum noch die Tränen zurückhalten kann.

Paul ist ei liebenswerter älterer Herr, der sich zum ersten Mal selbst versorgen muss und im Supermarkt die falschen Waagentasten drückt und der als einer der wenigen Kunden, den Menschen hinter dem Laufband wahrnimmt. Diese Begegnung wird eine Wendemarke in Julies Leben.

Dieses Buch ist mit viel Empathie für seine Personen geschrieben und das überträgt sich auf die Leser, zwar sind manche Zufälle fast schon zu viel und manche Wendung erscheint zu märchenhaft, aber gerade das macht den Reiz dieser Geschichte aus. Nicht umsonst liebt Julie die Geschichte des „Kleinen Prinzen“.

Obwohl Tränen, Herzschmerz und Glück hier ganz nah beieinander liegen, wird es selten zu kitschig oder rührselig, denn immer rechtzeitig kommt einer der erwähnten Monologe von Julie.
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Veröffentlicht am 24.03.2021

Bemerkenswerter historischer Krimi

Abels Auferstehung
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Paul Stainer leidet immer noch an Körper und Seele an den Folgen des Großen Kriegs. Jetzt wurde auch noch seine Frau Edith Opfer eines tödlichen Missverständnisses. Ein Mordanschlag, der ihm gelten sollte, ...

Paul Stainer leidet immer noch an Körper und Seele an den Folgen des Großen Kriegs. Jetzt wurde auch noch seine Frau Edith Opfer eines tödlichen Missverständnisses. Ein Mordanschlag, der ihm gelten sollte, trifft sie und ihren Geliebten.

Nun muss er auch noch den Mord an einem jungen Mann in Leipzig aufklären. Offensichtlich ein Student, der zu einer schlagenden Studentenverbindung gehört. Eine frische Mensur zeigt das.

Die junge Journalistin Marlene Wagner wartet auf ihren Bruder, als entlassener Kriegsgefangener sollte mit einen Transport eintreffen, doch er war nicht im Zug und es gibt kein Lebenszeichen von ihm. Da erhält sie einen Hinweis, dass ein junger Mann bei Basel tot aus dem Rhein gezogen wurde. Die Uniform und das Alter passen, zudem gibt es einen Hinweis auf Leipzig. Glücklicherweise ist es nicht der Bruder, aber der journalistische Instinkt in Marlene erwacht und sie beginnt den Leipziger Spuren zu folgen.

Beide Handlungsstränge nähern sie an, während beim Basler Toten die Spur nach Leipzig führt, findet Steiner bei dem jungen Mann ein Buch über Basel.

Wie schon beim beim ersten Buch „Der rote Judas“, an den „Abels Auferstehung“ unmittelbar anknüpft, ist der Hintergrund der Zwanziger Jahre ganz besonders gelungen. Die Zeitgeschichte wird hier stimmig und lebhaft geschildert, das geht bis in die kleinen Details, wie das Schicksal der Straßenbahnfahrerin Josefine König, die nun – nach der Heimkehr der Männer – ihre Anstellung verlieren soll. Die Stimmung in der Stadt, die politischen Strömungen, das alles hat Thomas Ziebula wieder genau getroffen und das finde ich an diesem historischen Krimi auch ganz besonders.

Dazu kommt die genaue und vielschichte Charakterzeichnung seiner Protagonisten, bis hin zu den Nebenfiguren. Paul Stainer kämpft mit seinen Kriegstraumata und dem Alkohol. Diese Figur finde ich ganz besonders eindringlich dargestellt. Aber auch Marlene Wagner gefällt mir sehr gut, genau wie Rosa Sonntag starke Frauenfiguren.

Wie sich die einzelnen Erkenntnisse und Handlungsfäden allmählich verbinden, ist sehr spannend erzählt, auch die Ermittlungsarbeit ist interessant und immer neue Wendungen halten den Spannungsbogen durchgehend hoch.

Thomas Ziebula hat mit dem zweiten Paul Stainer Krimi wieder sein Können unter Beweis gestellt.

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Veröffentlicht am 24.03.2021

Ein Highlight

Der große Sommer
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Ein Mann läuft über den Friedhof einer Kleinstadt und sucht eine bestimmte Grabstätte. Dabei schweifen seine Gedanken in die Vergangenheit, in den Sommer, der für ihn als 16jährigem Schüler ein prägender ...

Ein Mann läuft über den Friedhof einer Kleinstadt und sucht eine bestimmte Grabstätte. Dabei schweifen seine Gedanken in die Vergangenheit, in den Sommer, der für ihn als 16jährigem Schüler ein prägender war.

Friedrich hat Schulprobleme, um noch einmal versetzt zu werden, sind Nachprüfungen in Latein und Mathe fällig. Statt Sommerferien verdonnert ihn seine resolute Mutter zu einem Aufenthalt bei seinem Großvater, einem strengen und unnahbaren Mediziner.

Trotz aller Vorbehalte empfindet Friedrich den Aufenthalt als prägend. Das liegt sicher auch an der liebevollen Großmutter Nana, die Friedrich von ihrer außergewöhnlichen Liebesgeschichte erzählt und auch an Beate, seiner ersten Liebe, die kurz vor den Ferien im Stadtbad kennengelernt hat. Es liegt aber auch am Großvater, der ihn wie einen Erwachsenen behandelt, nichts fordert, aber Möglichkeiten aufzeigt. Besonders als sein Freund Johannes in eine schlimme Krise gerät.

Ewald Arenz erzählt wunderschön, es ist das zweite Buch, das ich von ihm lese und wieder kann ich von der ersten Seite an in seine Geschichte eintauchen. Er beschreibt die Schmerzen und Freuden des Erwachsenwerdens sensibel und voller Verständnis. Seine Figuren werden lebendig und bleiben im Gedächtnis. Ich glaube, das gelingt nur, wenn ein Autor seinen Protagonisten nahe ist und dies dem Leser vermitteln kann. Man leidet mit ihnen, freut sich mit ihnen und streift mit ihnen durch die Treffpunkte ihres Sommers, ob es das nächtliche Eindringen ins Schwimmbad oder die Treffen in einer alten Bauruine sind.

Wenn dieser Sommer zu Ende geht, geht auch Friedrichs Kindheit zu Ende und mit dem Rückblick schließt sich der Kreis.

Ich sage das nicht oft, aber dieses Buch hat mich richtig beglückt.

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Veröffentlicht am 23.03.2021

Die 49 Geheimnisse von Grady

Hard Land
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Sam ist 15, ein schwieriges Alter – kein Kind mehr, aber noch nicht erwachsen. Er ist in der Schule ein Außenseiter und seit sein einziger Schulfreund weggezogen ist, noch mehr zum Einzelgänger geworden. ...

Sam ist 15, ein schwieriges Alter – kein Kind mehr, aber noch nicht erwachsen. Er ist in der Schule ein Außenseiter und seit sein einziger Schulfreund weggezogen ist, noch mehr zum Einzelgänger geworden. Die familiäre Situation ist belastend, seine Mutter ist todkrank und zu seinem Vater findet er keinen richtigen Draht.

Doch als er im kleinen Kino der Stadt einen Ferienjob annimmt, ändert sich sein Leben. Er lernt Brandon, Cameron und Kirstie, die Tochter des Inhabers kennen. Die Drei sind in ihrem letzten Highschool-Jahr und auf dem Absprung zum College und sie nehmen Sam ein wenig unter ihre Fittiche. Und damit wird aus diesem Sommer, trotz aller Trauer das, was bereits im ersten Satz des Buches anklingt: „In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb.“

Benedikt Wells ist ein Shooting Star unter den jungen Schriftstellern und seine Bücher werden regelmäßig zu Bestsellern. Nicht unverdient, wie ich finde. Er trifft ganz genau den Ton dieser Teenager, kann sich in ihr Denken und Fühlen hineinversetzen.

Die Geschichte spielt in einer amerikanischen Kleinstadt in den 80iger Jahren und auch hier hat Wells ein ganz genaues Gespür für die Zeit und die Atmosphäre. Was ich ganz erstaunlich finde, wenn ich bedenke, dass er erst Mitte der 80iger geboren wurde.

Das schmerzhafte Ende einer Jugend wird sehr empathisch beschrieben, manchmal anrührend und nah an der Sentimentalität, aber nie ins Kitschige abrutschend. Wells hat eine leichte und ansprechende Art zu schreiben, der Leser kann sich wunderbar in die Geschichte fallen lassen. Dass alles ein wenig zu glatt erscheint, muss gar kein Manko sein.

Durch das ganze Buch läuft wie ein Roter Faden die Geschichte des einzigen namhaften Bürgers der Kleinstadt, ein Schriftsteller, dessen Gedichtzyklus seit Jahrzehnten Thema in der Highschool ist. Mit der Auflösung der „49 Geheimnisse von Grady“ endet das Buch und dieses Ende ist für mich die einzige kleine Schwachstelle des Buches.

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Kann ein Roboter morden?

Inspektor Takeda und die stille Schuld
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Bei einem Brand in einer Seniorenresidenz sterben acht Bewohner. Die Brandermittlung ergibt sehr schnell den Hinweis auf ein Verbrechen und so kommen die Kommissare Claudia Harms und Ken Takeda ins Spiel. ...

Bei einem Brand in einer Seniorenresidenz sterben acht Bewohner. Die Brandermittlung ergibt sehr schnell den Hinweis auf ein Verbrechen und so kommen die Kommissare Claudia Harms und Ken Takeda ins Spiel. Takeda ist ein japanischer Beamter und im Rahmen eines Austauschprogramms zwei Jahre in Hamburg. Mit Kollegin Harms verbindet ihn ein kompliziertes, bis ins Private reichendes Verhältnis.

Kurz danach erschüttert ein weiterer Brandanschlag die Öffentlichkeit. Diesmal wird ein pflegebedürftiges älteres Ehepaar getötet. In beiden Fällen finden Claudia und Ken eine Gemeinsamkeit. Es war ein Pflegeroboter im Einsatz. Diese Roboter werden von einer Hamburger Firma in Zusammenarbeit mit einem japanischen Konzern entwickelt und erprobt. Lisa, so der sympathische Name der Maschine, soll den älteren Patienten bei Handreichungen Hilfestellung geben. Aber sowohl der ambulante Pflegedienst, wie auch die PflegerInnen der Seniorenresidenz stehen dem Einsatz mehr als skeptisch gegenüber. Lisa scheint wesentlich mehr zu können, als bekannt und die Mitarbeiter fühlen sich – zu Recht – von Lisa überwacht.

Dr. Nakamura, leitender Wissenschaftler bei der Entwicklung, hinterlässt bei Befragungen auch einen zwiespältigen Eindruck bei Ken und Claudia.

Der fünfte Band der Inspektor Takeda Serie von Henrik Siebold ist nicht nur ein sehr spannender Krimi sondern packt auch ein gesellschaftlich heißes Eisen an. Die Pflege, ob ambulant im eigenen Heim oder in einer Pflegeeinrichtung, leidet unter ständiger Personalnot. Kann eine Maschine, wie der Pflegeroboter da Abhilfe schaffen? Ist es ethisch vertretbar, einen Teil der menschlichen Kontakte einer auf Zuwendung programmierten Maschine zu überlassen? Und wo ist die Grenze der Einsatzmöglichkeiten einer KI? Genauso wichtig ist auch die Frage, wer die Programmierung überwacht?

Waren die Opfer nur zufällig ausgewählt oder gibt es über den Pflegeroboter hinaus noch Gemeinsamkeiten bei den Opfern? Der Plot hält mit diesen Fragen den Spannungsbogen durchgehend sehr hoch und bis zum Schluss rätselte ich über Motiv und Täter. Daneben finde ich bei den Krimis von Siebold die Auseinandersetzung zwischen der deutschen und japanischen Kultur besonders interessant. Mit Claudia und Ken treffen nicht nur zwei völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander, ihre persönliche Beziehung wird durch die kulturellen Unterschiede noch herausfordernder.

Wie der Autor aktuelle gesellschaftliche Themen mit einer wendungsreichen und fesselnden Krimihandlung verbindet, ist beeindruckend. Mir hat dieses Buch wieder ausnehmend gut gefallen.

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