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Veröffentlicht am 02.03.2021

Familiendrama

Die vier Gezeiten
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Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel ...

Im Hotel de Tiden auf Juist herrscht Hektik. Dr. Eduard Kießling und seine Familie absolvieren die Generalprobe für seine Ehrung. Der Ministerpräsident persönlich will ihm für seine Verdienste um die Insel das Große Verdienstkreuz überreichen. Da platzt die junge Helen aus Neuseeland herein, sie ist auf der Suche nach ihrer leiblichen Mutter und hat als Anhaltspunkt ein Strandfoto ihrer Großmutter. Sofort erkennen alle Adda, Kießlings Ehefrau und Mutter von vier Töchtern. Die Aufregung ist groß, die Ähnlichkeit unverkennbar und die Frage bleibt, welche Tochter hat ein Kind zur Adoption freigegeben.

Wanda, die Älteste, ist im Wattenmeer ertrunken, der Prolog – ein Tagebucheintrag von Wanda – legt nahe, dass sie Suizid begangen hat.

Frauke lebt nach einer gescheiterten Ehe wieder allein auf der Insel und auch Theda ist nach einer unglücklichen Liebe wieder zurückkehrt. Die jüngste, Marijke ist die umtriebigste der Töchter. Als Fotografin hat sie große Bekanntheit erlangt und reist durch die Weltgeschichte. Aber allen ist gemeinsam, dass sie Helen mit großer Skepsis, gar Ablehnung begegnen. Vielleicht könnte Addas Mutter Johanne Licht ins Dunkel bringen. Doch seit 3 Jahren leidet sie an Demenz und ihre klaren Momente werden weniger. Adda ist entschlossen, diese Augenblicke zu nutzen. Bis zur ihrer Erkrankung war Johanne das unbestrittene Oberhaupt der Familie und alle hatten sie sich unterzuordnen.

Eine Familiensgechichte über drei Generationen, die fest mit der Insel Juist verknüpft ist, erzählt Anne Prettin aus wechselnden Perspektiven und wechselnden Zeitebenen Wobei die Gegenwart die Rahmenhandlung für Rückblenden bildet, bei denen vor allem Johannes und Addas Schicksal im Vordergrund stehen. Ich muss gestehen, mir sind die Frauen nicht recht nahe gekommen. Die Töchter blieben farblos und ihre Geschichte mochten mich nicht recht fesseln und bei Johanne schlug mein anfängliches Interesse bald in Abneigung um.

Der Roman spart nicht an Dramatik, alles was passieren kann, widerfährt dieser Familie. Unglückliche Lieben, Verrat und Betrug, gebrochene Versprechungen und unerfüllte Liebe, keine Tochter bleibt verschont.

Prettin schreibt unterhaltsam und ich fand das Buch durchaus spannend, aber mir fehlte der Zugang zu den Protagonisten. Das hat mein Lesevergnügen auch geschmälert. Ich meine, weniger Verwicklungen und weniger dramatische Zufälle hätten dem Buch gut getan.

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Veröffentlicht am 01.03.2021

Sittenbild der Belle Epoque

Der Mann im roten Rock
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Julian Barnes, einer der Großen der englischen Autoren, hat mich mit seinem neuen Buch überrascht.
„Der Mann im roten Rock“ ist Dr. Samuel Pozzi ( 1846-1918 ), einem Pariser Arzt, der nicht nur Modearzt ...

Julian Barnes, einer der Großen der englischen Autoren, hat mich mit seinem neuen Buch überrascht.
„Der Mann im roten Rock“ ist Dr. Samuel Pozzi ( 1846-1918 ), einem Pariser Arzt, der nicht nur Modearzt der eleganten Welt, sondern auch als Gynäkologie wegweisend war. Pozzi wurde von John Singer Sargent gemalt, in eben diesem titelgebenden roten Rock. Auf dem Cover sehen wir nur einen Ausschnitt, aber das Gemälde zeigt einen eleganten Mann in den besten Jahren, gekleidet in einen luxuriösen Hausmantel, dessen kostbaren Stoff Singer Sargent in ineinanderfließenden Rottönen malt. Darunter blitzen Rüschen an Kragen und Manschetten. Der Ausschnitt lenkt den Blick des Betrachters auf die feingliedrigen Hände eines begabten Operateurs.
Aber Barnes wählt nicht die direkte Methode um Pozzi zu charakterisieren, er nimmt sich gleich der ganzen Epoche an. Die Belle Epoque, die vielleicht erst in der Rückschau zur „schönen“ wurde.
Seit einer gemeinsamen London-Reise waren Dr. Pozzi, der Graf Montesquiou, ein Homme de lettre und Prince Edmonde Polignac befreundet. Pozzi, aus bürgerlicher Kreisen stammend, suchte und genoss die illustre Gesellschaft. Die Ehe mit Therese, beziehungsweise deren Mitgift, ermöglichte es ihm auch finanziell mitzuhalten, zumindest zu Beginn seiner Laufbahn.
Erstaunlich fand ich immer wieder, dass Pozzi trotz seiner Prominenz und seiner Patientinnen aus Adel, Geldadel und Gesellschaft, ein Anliegen war, auch das allgemeine Krankenhauswesen zu verbessern. Er sorgte für einen vorbildlichen, nach allen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Neubau eines Krankenhauses.
Barnes nähert sich seiner Figur auf vielfach mäandernden Schleifen, dabei fließt viel aus der Politik und der Gesellschaft dieser Epoche ein. Man trifft Sarah Bernhardt, (Pozzi hat wohl eine Affäre mit ihr) die Brüder Goncourt, Alphonse Daudet, Oscar Wilde und viele mehr. Es ist ein großes Vergnügen von Julians Barnes überbordenden Kenntnissen der Zeit zu profitieren. Malerei, Literatur, Musik und Theater, der Autor breitet diese aufregende Epoche vor dem Leser aus.
Immer wieder kommt es zu Vergleichen zwischen Frankreich und Großbritannien, zum Beispiel bei Gerichtsprozessen. Honoriert in Frankreich der Richter Ironie und Schlagfertigkeit des Angeklagten, wird ein Crime passionel generell mit Milde beurteilt, wird Oscar Wilde bei seinem Prozess in London die gegenteilige Erfahrung machen müssen.
Mit seiner eleganten Erzählweise wird die Lektüre immer zu einem unterhaltsamen, wenn auch nicht einfachem Lesevergnügen.
Im Buch finden sich unter anderen Illustrationen auch viele Portraitfotos der Sammlung Potin, so dass die meisten erwähnten Persönlichkeiten auch visuell greifbar werden.
Ganz zum Schluss ergreift Barnes auch noch leidenschaftlich für ein gemeinsames Europa das Wort und verurteilt neu aufkommenden Nationalismus wie Brexit gleichermaßen

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Schmerzhafte Erinnerungen

Stay away from Gretchen
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Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das auf gekonnte Weise Tragik und Komik vereint. Greta Monderath, die betagte Mutter des bekannten Kölner Nachrichtensprechers und Anchorman Tom strandet auf der Autobahn ...

Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das auf gekonnte Weise Tragik und Komik vereint. Greta Monderath, die betagte Mutter des bekannten Kölner Nachrichtensprechers und Anchorman Tom strandet auf der Autobahn bei Würzburg. Als er sie abholt, merkt er bestürzt die Anzeichen einer Demenz. Aber das wollen weder er noch am wenigsten Greta wahrhaben. Beruflich überlastet und egoistisch gibt sich Tom erleichtert mit ihren Erklärungen zufrieden.

Doch während Greta sich immer mehr verliert, drängen Erinnerungen aus ihrer Kindheit unaufhaltsam an die Oberfläche und Tom muss sich dem Gehörten auseinandersetzen. Damit gerät sein Leben komplett aus den Fugen.

Die Autorin verflechtet zwei Zeitebenen miteinander. Gretas Leben in den Kriegs- und Nachkriegskriegen mit all dem Elend von Flucht, Vertreibung, Hunger und Entwurzelung. Diese Erinnerungen sind prägend, wurden aber konsequent tief vergraben und so erfährt Tom zum ersten Mal davon und muss schmerzhaft erkennen, dass auch die zweite und sogar die dritte Generation davon geprägt werden. Ein Thema, dem erst in der neueren Zeit Aufmerksamkeit gewidmet wurde und das doch so wichtig ist.

Auch habe ich zum ersten Mal von den „Brown Babies“ gehört. Ein dunkles Kapitel in unserer Geschichte, denn diese Kinder wurden von amerikanischer und deutscher Seite gleichermaßen diskriminiert. Die Mütter wurden oft zur Adoptionsfreigabe gezwungen und/oder unter Zwangsvormundschaft gestellt. Auch das ein Thema, über das gern geschwiegen wurde.

Diese Themen verbinden sich dem Roman zu einer anrührenden, höchst emotionalen Familiengeschichte, die mich gefesselt hat. Das war ein Pageturner, wie ich es mir anfangs nicht vorstellen konnte. Es gab Seiten, da reichte mir ein Taschentuch nicht aus. Und das alles ohne rührselig zu werden oder in Kitsch auszuarten. Das fand ich großartig geschrieben.

Die Autorin zieht Parallelen zur Flüchtlingswelle 2015, also 60 Jahre nach der Flüchtlingswelle, in der die Deutschen die Flüchtenden waren und das ist ein eindringlicher Appell.

Diesen Roman werde ich nicht so schnell aus dem Gedächtnis verlieren, eine emotionale Familiengeschichte, die sich so oder so ähnlich sicher häufiger zugetragen hat, wobei mir das Happy End, das Frau Abel ihrem Protagonisten Tom gönnt, unnötig erschien.

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Veröffentlicht am 25.02.2021

Bussi wider Willen in Tirol

Totentanz im Pulverschnee
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Dass sich Arno Bussi bei einer Liebschaft mit der Frau des Innenministers erwischen ließ, hat ihm eine Strafversetzung in die Statistikabteilung des Bundeskriminalamts eingetragen. Ein langweiliges Dasein, ...

Dass sich Arno Bussi bei einer Liebschaft mit der Frau des Innenministers erwischen ließ, hat ihm eine Strafversetzung in die Statistikabteilung des Bundeskriminalamts eingetragen. Ein langweiliges Dasein, zwar langweilt er sich dort, aber ein Urlaub in Tirol ist dennoch fast eine Strafe für ihn. Aber die Mama hat ihn überredet und Nachgeben ist einfacher als Widerstand.

In Maria Schnee erwartet ihn Ballermann-Getöse. Das Dorf rüstet zum Eisfestival und sein Triathlontraining gerät ins Hintertreffen, als die Mama die Entführung der reizenden Hotelangestellten Rosa beobachtet haben will. Außerdem ist das Hotelschwimmbad gesperrt und ein heftiger unerwarteter Schneefall verhindert auch das Lauftraining. Also kann sich Arno Bussi genauso gut in Ermittlungen stürzen. Dann taucht eine Leiche auf und Arno steckt wieder mitten drin. Aber auf eigene Faust, denn die örtliche Polizeidienststelle will von Einmischungen aus Wien nichts wissen.

Joe Fischler hat ein Händchen für skurrile Fälle und ebensolche Figuren. Das macht aus dem dritten Band der Arno-Bussi-Reihe wieder ein gelungenes Lesevergnügen. Er schreibt einfach unterhaltsam und witzig. Die Bände sind immer in sich abgeschlossen und lassen sich auch ohne Vorkenntnisse genießen.

Arno ist eigentlich ein Frauenschwarm wider Willen, er verliebt sich ständig und sehr schnell und geht dann doch am Ende wieder leer aus. Seine Ermittlungen wirken unorthodox, aber er weiß sich zu helfen und wenn Frau Major Erna Katz aus Innsbruck eintrifft, kann eigentlich nichts schiefgehen.

Auch wenn Joe Fischler seinen Krimi sehr humorvoll angelegt hat, steckt doch ein ernsthafter und spannender Fall dahinter, dessen Plot sehr überzeugend ist. Auch die überraschende Auflösung hat mir sehr gut gefallen, weil sie sich schlüssig in die Spuren einfügt und nicht einfach ein Täter aus dem Hut gezogen wird.

Der Verlag hat mit einer gelungenen Covergestaltung und einem hübsch gezeichneten Ortsplan im Umschlag einen schönen Rahmen für das Taschenbuch geschaffen.

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Veröffentlicht am 24.02.2021

Drei Frauen und ihre Liebe zu Büchern

Die Bücherfrauen
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Prairie Hill und New Hope in Kansas sind, bzw waren kleine, unbedeutende Örtchen in Kansas. Prairie Hill hat nach einem Tornado aufgehört zu existieren und Gayle sucht in den wenigen Resten ihres früheren ...

Prairie Hill und New Hope in Kansas sind, bzw waren kleine, unbedeutende Örtchen in Kansas. Prairie Hill hat nach einem Tornado aufgehört zu existieren und Gayle sucht in den wenigen Resten ihres früheren Heims nach Erinnerungsstücken.

Angelina will nach 10 Jahren Unterbrechung endlich ihre Doktorarbeit beenden. Sie plant eine Arbeit über die Bedeutung der von Carnegie gestifteten Büchereien für das kulturelle Leben auf dem platten Land. Als Kind verbrachte sie einmal einen unvergesslichen Monat auf der Farm ihrer Großmutter und die örtliche Carnegie Bibliothek legte den Grundstein für ihre Liebe zur Literatur.

Traci ist eine junge Künstlerin aus New York, die dringend einen Job braucht und möglichst weit weg von ihrem Vermieter und der verwanzten kleinen Wohnung. Das Angebot als Gastkünstlerin ein Jahr im Kulturzentrum von New Hope zu arbeiten, ist eine Chance für sie.

So begegnen sich drei unterschiedliche Frauen und müssen sich den Herausforderungen stellen. Das Leben in amerikanischen Kleinstädten kennt man in ihrer Gleichförmigkeit aus vielen Filmen und genau diese Bilder lässt die Autorin entstehen. Bibelfest und voller Gottvertrauen, konservativ und nach anfänglichem Misstrauen doch offen für Neues, so zeigen sich vor allem die Frauen. In denen scheint das Gen der Siedlerfrauen zu stecken. Jede Schwierigkeit wird angegangen und immer findet sich ein Weg, wenn man nur zusammenhält und aufeinander achtet.

Die Personenzeichnung von Romalyn Tilghman fand ich ziemlich stereotyp. Richtig nah kommt man den Frauen nicht und auch die Handlung hat etwas von der Landschaft: Gleichförmig und vorhersehbar. So ist auch die Erzählweise sehr konventionell, fast ein wenig hölzern, was möglicherweise der Übersetzung geschuldet sein könnte. Der Blickwechsel auf die drei Hauptpersonen brachte auch nicht viel Spannung in die Handlung, auch wenn ein paar Familiengeheimnisse dafür sorgen sollten. Stellenweise erinnerte mich die Erzählweise an den Stil der 50iger/60iger Jahren. Ich hatte mir nach der Verlagswerbung etwas Anspruchsvolleres, Literarisches erhofft, aber so bleibt es beim Eindruck eines nett zu lesenden, aber beliebigen Frauenromans, der so typisch den amerikanischen Mittelwesten beschreibt, Coca-Cola-Marshmallow-Torte inklusive.

Schade, dass das Thema der Carnegie-Büchereien dabei in den Hintergrund geriet.

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