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Veröffentlicht am 05.02.2021

Eine deutsche Familiengeschichte

Wo wir Kinder waren
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Vier Generationen lang ist das Stammhaus der Puppenfabrik Langbein auch das Herz der Familie. Seit der Gründung durch Albert Langbein und seiner Frau Mine sind Puppen und Plüschtiere mehr als nur Ware. ...

Vier Generationen lang ist das Stammhaus der Puppenfabrik Langbein auch das Herz der Familie. Seit der Gründung durch Albert Langbein und seiner Frau Mine sind Puppen und Plüschtiere mehr als nur Ware. Vom kleinen Beginn an, da die Einzelteile in mühseliger Heimarbeit gefertigt und zu den Langbeins zur Montage gebracht wurden, waren Direktor und Mitarbeiter eine verschworene Gemeinschaft. Doch die Zeiten sind nicht einfach, Weltkriege und Mangelwirtschaft der DDR bis hin zur Enteignung haben die Langbeins immer wieder herausgefordert.

Bis hin in die Gegenwart, als drei Cousins, Iris, Jan und Eva das inzwischen lange leerstehende Haus ausräumen. Die drei haben sich auch nicht mehr viel zu sagen, zu unterschiedlich sind ihre Lebenswege verlaufen. Iris stammt vom Zweig der Familie ab, die gleich nach Kriegsende in den Westen gingen, ihr fehlt bis auf ein paar schöne Ferienerinnerungen die Bindung an Sonneberg, aber auch in den Generationen davor gab es immer wieder Probleme zwischen Geschwistern.

Kati Naumanns Roman ist eine großartige Familiengeschichte, warmherzig und lebendig erzählt, hat sie mich sofort in Bann gezogen. Es ist aber auch die deutsche Geschichte der letzten hundert Jahre. Heruntergebrochen auf eine kleine Stadt, eine kleine Gemeinschaft, eine Familie, aber mit den gleichen Auswirkungen. Inflation und Hunger nach dem Ersten Weltkrieg, ein mühsamer, zum Scheitern verurteilter Prozess einer neuen Staatsform und schon wehen die Fahnen mit dem Hakenkreuz auch in Sonneberg. Nach der bitteren Kriegszeit kommt die Teilung Deutschlands und damit auch die Teilung der Familie. Verstaatlichung, Enteignung, Gleichschaltung – und plötzlich die Wende.

Historie entfaltet oft im Kleinen eine besondere Wirkung, wenn man Ereignisse daran festmachen kann, was sie für einzelne Menschen bewirken. Das ist mir in diesem Roman ganz besonders bewusst geworden. Aber das ist nur der Hintergrund, im Mittelpunkt stehen die Menschen und nicht nur die Cousins der Gegenwart haben mir sehr gut gefallen, eine besondere Lieblingsfigur ist für mich Flora, die vom „Drückerkind“ zur Direktorin aufsteigt. Großherzig, liebevoll und weise lenkt sie die Geschicke der Fabrik und der Familie.

Unterhaltsam zu lesen, immer wieder mit Rückblenden in die Vergangenheit aufgelockert, ist das Buch eine wirkliche Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 02.02.2021

Gelungener Krimi mit Charme

Löwenfisch
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IT-Spezialistin Sonja hilft einem alten Schulfreund seiner Computer zu sichern, kurz danach verschwindet Anton Zargl spurlos. Weil er von Recherchen zu einem großen Coup im Drogengeschäft erzählte, das ...

IT-Spezialistin Sonja hilft einem alten Schulfreund seiner Computer zu sichern, kurz danach verschwindet Anton Zargl spurlos. Weil er von Recherchen zu einem großen Coup im Drogengeschäft erzählte, das seinen Durchbruch als Enthüllungsjournalist werden sollte, macht sich Sonja Sorgen und bittet den Freund ihrer Mutter, den pensionierten Kriminalisten Johann Rumpler um Hilfe.

Rumpler kontaktiert seinen ehemaligen Kollegen Moser und rennt dabei offene Türen ein. Auch er hat von Gerüchten gehört, dass hohe Polizeikreise verwickelt sein sollen, umso besser wenn ein außen stehender Ermittler unter dem Radar bleiben kann.

Rudolf Trink schickt seinen sympathischen Ermittler nun schon zum dritten Mal ins Rennen. Jeder Fall ist in sich abgeschlossen und verlangt keine Vorkenntnisse. Der Krimi ist der klassischen Tradition verpflichtet und kommt ganz ohne Gewaltorgien aus, trotzdem entwickelt sich eine spannende Geschichte in ganz eigenem Tempo. Der Autor verwendet selbst die Genre-Bezeichnung Slow-Crime und das trifft es sehr gut.

Rumpler ist ein Mensch der seinen Ruhestand genießen kann, er kocht gern und gut, verwöhnt seine Katze und wenn er wieder in eine Ermittlung verwickelt wird, gibt das seinem Leben noch eine besondere Würze. Er zieht glasklare Schlussfolgerungen und geht auch der Gefahr nicht aus dem Weg. Daneben hat der Autor noch einige, auch recht skurrile Figuren eingebaut, die wunderbar zur Atmosphäre beitragen. Die Austriazismen bringen Charme und ein wenig Wiener Schmäh in die Lektüre.

Wenn ich mit Rumpler über den Naschmarkt schlendere, wo er die Zutaten für ein schönes Essen kauft, kommt Reisesehnsucht hoch. Und als dann Rumplers Ermittlungen noch nach Drosendorf führen, das ich aus einem schönen Waldviertel-Urlaub kenne, möchte ich am liebsten gleich die Koffer packen.

Ein gelungener Krimi, der Spannung und Atmosphäre bestens mischt und dem ich viele Leser wünsche.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Sylt-Thriller

Das Klagen der Möwen
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Mit „Das Klagen der Möwen“ habe ich mein erstes Buch von Daniela Arnold gelesen, eine Autorin die Thriller-Genre schon beachtliche Erfolge erzielt hat.
In den Dünen von Sylt wird eine getötete junge Frau ...

Mit „Das Klagen der Möwen“ habe ich mein erstes Buch von Daniela Arnold gelesen, eine Autorin die Thriller-Genre schon beachtliche Erfolge erzielt hat.
In den Dünen von Sylt wird eine getötete junge Frau gefunden. Erste Spuren weisen auf ein Sexualdelikt hin. Der örtliche Polizist Uwe Petersen, der mit dem Vater des Opfers befreundet ist, legt sich schon sehr früh auf einen Täter fest. In Carsten Normanns Familie war das Opfer oft als Babysitterin tätig und nur Carsten scheint für ihn als Täter in Frage zu kommen. Petersen agiert einseitig und vor allem sehr öffentlich. So gerät die ganze Familie ins Zentrum einer Hetzjagd. Frau und Kind werden bedroht, das Haus belagert und beschmiert. Kollegin Rieke rät vergebens zur Besonnenheit und erst als eine weitere Leiche gefunden wird, ermittelt vor allem sie auch in andere Richtungen.
Das Buch beginnt mit einem sehr spannenden und düsteren Prolog, der mir unter die Haut ging und mich vermuten lässt, dass hinter der Geschichte wesentlich mehr steckt. Diese Spannung bleibt das ganze Buch über sehr hoch, denn die Verbindung zum Prolog bleibt lange im Dunkeln. Ausgesprochen realistisch wurde die Macht der Öffentlichkeit geschildert. Denn in der anonymen Masse lässt es sich leicht mit Steinen werfen, hier ufert unter den Augen der Polizei eine Hexenjagd aus und lässt Marie Normann fast schutzlos zurück.
Diesen realistischen Blick hätte ich mir auch für die Ermittlungen gewünscht. Da klafften meiner Meinung nach einige Logiklücken, die auch durch den hohen Spannungsbogen nicht kaschiert wurden.
Für das Ende gibt es noch eine Überraschung, die man so nicht erwarten konnte und die mich nicht ganz befriedigte.
Dass die Familie aber auf Sylt nicht mehr bleiben konnte und wollte, war wiederum ganz in der Lebenswirklichkeit verankert.

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Veröffentlicht am 27.01.2021

Tod in den Bergen

Grenzfall - Ihr Schrei in der Nacht
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Alexa Jahn ist kaum in der neuen Dienststelle in Weilheim angekommen, als ein mysteriöser Fall auf das Team wartet. In einer unwegsamen Bergregion am Brauneck bei Lenggries wird erst ein herrenloser Rucksack ...

Alexa Jahn ist kaum in der neuen Dienststelle in Weilheim angekommen, als ein mysteriöser Fall auf das Team wartet. In einer unwegsamen Bergregion am Brauneck bei Lenggries wird erst ein herrenloser Rucksack und bald darauf eine tote Frau in der Bergwand gefunden. Was nur auf den ersten Blick wie ein Bergunfall aussieht, bekommt bald eine besondere Brisanz, denn der Leichnam ist nicht komplett. Nur der Oberkörper hängt an der Wand, andere Leichenteile werden am Achensee in Österreich gefunden.

Nicht nur die Arbeit mit dem neuen Team gestaltet sich schwierig, auch der österreichische Kollege ist unumgänglich und keine echte Hilfe. Alexa ist ziemlich auf sich allein gestellt, denn ihr Mentor fällt krankheitsbedingt aus und dass ihr als Neuling die Leitung der Ermittlungen übertragen werden, führt zu Problemen mit den Platzhirschen in Weilheim. Alexa scheint an ihre Grenzen zu kommen, denn der Fall ist komplex und die Spurenlage mehr als dürftig.

Ein erster Fall mit Alexa Jahn und Bernhard Krammer. Aus dem Untertitel des Krimis ist schon zu sehen, dass sich die beiden ungleichen Ermittler zusammenraufen werden. Den Einstieg in die Serie fand ich gelungen. Die Ermittlungsarbeiten sind spannend und mit dem Kompetenzgerangel über die Ländergrenzen ergeben sich auch reichlich Szenen, die zusätzlich Unterhaltungswert haben. Mit der jungen Kommissarin wird auch eine echte Sympathieträgerin eingeführt.

Es ist der erste Krimi der Autorin und ich finde das Debüt gelungen. Die ausgewogene Mischung von Kriminalistik und privaten Problemen und Gedanken der Ermittler machen das Buch interessant und kurzweilig zu lesen. Anna Schneider schreibt flüssig, sie hat einen verzwickten, aber schlüssigen Plot aufgebaut, der durch die Anklänge in der Vergangenheit des Täters vielschichtig wird.

Ein gelungener Einstieg in eine neue Reihe, die neugierig auf die weitere Entwicklung macht.

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Veröffentlicht am 26.01.2021

Immer wieder gekonnt

Fürchte dich vor morgen
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Ausgerechnet Kommissar Bodo Völxen findet beim Pilzesammeln im Deister eine Leiche. Die Tote ist eine junge Frau und in ihrer Brust steckt eine Saufeder, ein Speer wie man ihn früher zur Wildschweinjagd ...

Ausgerechnet Kommissar Bodo Völxen findet beim Pilzesammeln im Deister eine Leiche. Die Tote ist eine junge Frau und in ihrer Brust steckt eine Saufeder, ein Speer wie man ihn früher zur Wildschweinjagd verwendete. Das wirkt wie ein Hinweis und Völxen und sein Team ermitteln in der Prepper-Szene. Der Vater der jungen Frau ist ein Anhänger und hat einen Hof zur Festung ausgebaut, inclusive autarker Strom-und Wasserversorgung und Lebensmittelvorräte und Bunker.

Ich bin ein Fan der Hannover-Krimi von Susanne Mischke und habe Bodo Völxen und seine Kollegen von Anfang an begleitet und ihre Entwicklung verfolgt. Der Macho Rodriguez ist inzwischen Vater und sehnt seinen Vaterschaftsurlaub herbei, Oda ist ebenfalls verheiratet und scheint ein wenig von ihrem Biss verloren zu haben, nur Völxen bleibt unerschütterlich der Alte auch wenn er noch ein wenig schwerer und behäbiger geworden ist.

Wie immer bei der Autorin ist der Plot gut und logisch entwickelt, es gibt einige Finten die sehr schlüssig in die Handlung passen und so die Spannung bis zum Ende hoch halten. Viele aktuelle Bezüge machen ebenfalls den Reiz aus, die Prepper und Staatsverweigerer nehmen auch in der Presse immer wieder Raum ein und als Hintergrund für einen Krimi gefiel mir die Szenerie ganz ausgezeichnet. Mir schien das auch sehr detailliert recherchiert und aufbereitet.
Die Autorin schreibt konventionelle Krimis, die dargestellte Polizeiarbeit ist realistisch, aber es gelingt ihr immer wieder den typischen Humor ihrer Reihe einzubauen. Ein Augenzwinkern ist immer dabei, das macht die Geschichten über die Spannung hinaus auch so sympathisch.

Auch wenn ich finde, dass der 10. Fall vielleicht nicht der stärkste Band der Reihe geworden ist, hat sich das Warten darauf gelohnt und ich hoffe, dass Susanne Mischke auch weiterhin ihrem Hannover-Setting treu bleibt.

Mein Fazit: ein gut und kurzweilig zu lesender Krimi, realistisch, spannend und hochaktuell.

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