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Veröffentlicht am 15.10.2017

Veilchen in Bestform

Veilchens Rausch
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Valerie Mauser ist eine Polizistin mit Ecken und Kanten. Mehr Ecken als ihrer Karriere gut tun, deshalb ist ihr ehemaliger Mitarbeiter auch jetzt ihr Vorgesetzter, was sich nicht sonderlich gut auf die ...

Valerie Mauser ist eine Polizistin mit Ecken und Kanten. Mehr Ecken als ihrer Karriere gut tun, deshalb ist ihr ehemaliger Mitarbeiter auch jetzt ihr Vorgesetzter, was sich nicht sonderlich gut auf die Stimmung auswirkt.
Da wird auf der Umbrüggler Alm eine junge Serviererin ermordet. Ausgerechnet nach einem Abend, an dem die Innsbrucker Society ausgiebig die Gewinne der TYROVALUE feiern. Die Firma ist wegen ihrer Immobilienspekulation nicht unumstritten und Victoria Schwarz nützt den Kellnerinnen Job um Flugblätter der „Occupartie“ einer NGO, unter die Gäste zu werfen. Das kann Landeshauptmann Freudenschuss nicht dulden und befördert die junge Frau sehr unsanft nach draußen. Freudenschuss ein Mörder? So scheint es, jedenfalls schießen sich alle auf ihn ein. Nur Valerie „Veilchen“ Mauser hat Bedenken.
Joe Fischler hat mit Veilchen, der unangepassten Polizistin mit Temperament und Gerechtigkeitssinn, eine Figur geschaffen, die ich nicht nur originell, sondern auch sehr sympathisch finde. Sicher liegt es auch daran, dass ich als Leserin auch viel über ihr private Seite erfahre. Aber darüber verliert sich nie der Faden des Krimis und der Spurensuche. Nur geht Veilchen eben nicht immer sehr regelkonform vor.
Was ich aber hier besonders gut geschildert fand, ist die Verflechtung von Politik und Geschäftemacherei. Wenn ein Vorteil winkt, ist jeder dabei und dann wird schon mal die Rechtsauffassung sehr weit ausgelegt. Das ist realistisch, man wird überall Vorbilder für die TYROVALUE finden. Geldgier, Eitelkeit und Machtwillen, das entlarvt Joe Fischler in seinem Krimi und verliert dabei nie aus den Augen, dass sein Buch auch unterhalten will.
Das ist meiner Meinung nach auch hervorragend gelungen. Ein sehr spannender Krimi, mit durchaus kritischer Haltung, aber auch dem Quäntchen Ironie und Humor, die das lesen sehr vergnüglich macht.

Veröffentlicht am 20.09.2017

Drei Frauen - Drei Leben

Marlenes Geheimnis
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Zur Beisetzung der Großmutter kommt Nane zurück an den Bodensee, die Heimat ihrer Kindheit. Dort wird sie auch endlich die Vergangenheit ihrer Familie verstehen.
Marlene Riebe hat einen ganz großartigen ...

Zur Beisetzung der Großmutter kommt Nane zurück an den Bodensee, die Heimat ihrer Kindheit. Dort wird sie auch endlich die Vergangenheit ihrer Familie verstehen.
Marlene Riebe hat einen ganz großartigen Familienroman geschrieben. Mit viel Herzblut erzählt sie das Schicksal der Eva Menzel, gleichzeitig auch ein Stück aus der deutschen Geschichte. Glückliche Kindheit, Naziherrschaft, Tod, Vertreibung, Flucht und Not – etwas, was heute in den Geschichtsbüchern abgehandelt wird, aber nun ein ganz persönliches Gesicht bekommt. Hier wird all den starken Frauen ein Denkmal gesetzt, die in den Nachkriegsjahren ihre Heimat verlassen mussten, oft mit Kindern monatelang auf der Flucht waren, ohne zu wissen, was die Zukunft für sie bereit hält.
Der Handlungsstrang, der in die Vergangenheit führt hat mich, auch aus persönlichen Gründen, noch stärker berührt, als die Gegenwartsepisoden. Beides zusammen ergibt einen gelungenen Frauenroman mit Tiefgang und Anspruch, den ich nicht mehr aus der Hand legen mochte. Trotz des ernsten Themas hat mich der Roman gut unterhalten. Stilsicher, kenntnisreich recherchiert und einfach gut geschrieben, so wie ich mir niveauvolle Romane verstelle. Sicher tragen auch die starken Figuren dazu bei, die Riebe beschreibt. Charakter, die man meint zu kennen, so lebensecht und wahr sind sie beschrieben.
Ich wünsche diesem Roman ganz viele Leser, die etwas von der Botschaft auch in unsere Zeit mitnehmen, denn Flucht und Vertreibung sind leider immer wieder aktuell.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Grandios

Acht Berge
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Den Vater haben die Berge nie losgelassen, aber er hatte eine besondere Art sie zu erobern, gar zu bezwingen. Er schaute beim Gehen nicht nach rechts oder links, er machte keine Pausen, er hatte nichts ...

Den Vater haben die Berge nie losgelassen, aber er hatte eine besondere Art sie zu erobern, gar zu bezwingen. Er schaute beim Gehen nicht nach rechts oder links, er machte keine Pausen, er hatte nichts als den Gipfel im Blick. Sobald Pietro alt genug ist, wird er vom Vater mitgenommen, die Touren länger und härter und die Höhenkrankheit, die ihn überfällt, übersieht der Vater meist.
So hätte Pietro nie die Berge lieben gelernt, wenn nicht die Mutter gewesen wäre. Sie ist eine Frau, die die Mitte liebt, sie braucht keine Gipfel, es genügen ihr die Almen und die Bergdörfer. Grana wählt sie als sommerliches Feriendorf aus, sie mieten eine Wohnung und verbringen viele herrliche Wochen dort, auch wenn der Vater oft nur kurze Zeit aus Mailand kommen kann. Dort lernt Pietro auch Bruno kennen. Der Bub lebt als Hütejunge bei seinem Onkel, der Vater ist ein meist abwesender gewalttätiger Säufer, die Mutter hat sich ganz in sich zurückgezogen.
Zwischen Bruno und Pietro entwickelt sich eine Freundschaft, die ohne viel Worte auskommt. Sie vertrauen einander, sind fast Brüder im Geist und wenn der Sommer endet, gehen sie auseinander und wissen doch, dass sie bald wieder zusammen sein werden.
Viel später haben sich die Lebenswege endgültig getrennt, Pietro hat mit seinem Vater gebrochen und sein Studium aufgegeben. Er reist als Dokumentarfilmer ruhelos um die Welt. Bruno ist im Tal geblieben. Das Angebot der Gualdis, Bruno nach Mailand zur Ausbildung mitzunehmen, hat der Vater und auch der Onkel verhindert. Als Maurer verdient Bruno nun gutes Geld, aber es ist nicht der Weg, den er sich erträumte.
Der Tod von Pietros Vater bringt die zwei wieder zusammen, eine Almhütte sollen sie als Rückzugsort wieder aufbauen, das Grundstück bekommt Pietro mit dieser Bitte vererbt. In diesem Sommer werden die zwei wieder eins. Eine Männerfreundschaft, innig und vertrauensvoll, trotz unterschiedlicher Lebenswelten eine Einheit.
Eine Freundschaft, die über viele Jahre und Unterbrechungen felsenfest bleibt, die Beschreibung der Landschaft und der Bergwelt, die mich tief beeindruckt hat und dazu die Figuren Bruno, Pietro und die Eltern Gualdi, die mich berührten, das alles hat mir dieses Buch sehr ans Herz wachsen lassen. Dabei wird nicht verschwiegen, dass es die Bergwelt der Kinder nicht mehr gibt, Straßen haben die Täler durchzogen und Skilifte die Berghänge erobert. Die Gefahren lauern nicht mehr nur in Gletscherspalten, sondern in einer Welt, in der Berge zum Erlebnisfaktor geworden sind. Das müssen auch Bruno und Pietro schmerzhaft erfahren.
Es gibt nicht viele Bücher, die in ihrer Einfachheit grandios sind. Für mich zählen die „Acht Berge“ von Paolo Cognetti dazu. Das Buch lässt mich berührt, traurig und gleichzeitig auch glücklich zurück und ich weiß, dass ich es noch oft zur Hand nehmen werde. Ich bedaure nur, dass ich mit meinen Worten diesem Roman nicht gerecht werden kann.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Ein besonderer Kriminalroman

Ermordung des Glücks
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34 Tage ist her, dass der kleine Sohn der Familie Grabbe verschwunden ist, 34 Tage des Hoffens und Bangens für die Eltern. Dann steht Jakob Franck vor ihnen. Sie wissen sofort, was er ihnen zu sagen hat.
Jakob ...

34 Tage ist her, dass der kleine Sohn der Familie Grabbe verschwunden ist, 34 Tage des Hoffens und Bangens für die Eltern. Dann steht Jakob Franck vor ihnen. Sie wissen sofort, was er ihnen zu sagen hat.
Jakob Franck ist ein pensionierter Kriminalkommissar, immer wieder wird er gebraucht, wenn es darum geht, die letzte Nachricht zu überbringen. Feinfühlig, wie kein zweiter, weiß er welche Worte er sagen muss. Aber als sich die Ermittlungen im Kreis drehen, die Eltern nicht mit Lennards Tod abschließen können, kann auch er nicht ruhen und beginnt aktiv zu ermitteln.
Die Ermordung des Glücks ist ein Kriminalroman, der aus dem Rahmen fällt. Sehr viel Raum nehmen die Personen mit ihren Gedanken und Gefühlen ein. Friedrich Ani gibt ihnen Tiefe, lässt den Leser unmittelbar an Trauer, Verzweiflung und Wut teilhaben. Franck vergräbt sich immer tiefer in den Fall, wälzt alte Akten und dabei kommt ihm auch seine eigene Unzulänglichkeit in den Sinn. Auch er muss mit vier ungelösten Mordfällen leben, das Versagen nagt an ihm.
Der Grundton des Buches ist düster und melancholisch. Aber trotzdem konnte ich in innere Beziehung zu den Figuren aufbauen. Das ist die Besonderheit des Autors, er bringt seine Figuren den Lesern ganz nahe. Wie sich Tanja Grabbe in ihrer Trauer verliert, wie sich der Vater und der Onkel verändern, wie Jakob Franck immer mehr zu zweifeln beginnt, hat mich sehr berührt.
Anis Kriminalromane sind immer etwas Besonderes, aber mit der neuen Figur des Jakob Franck, der hier zum zweiten Mal zum Einsatz kommt, hat er eine ganz eigene Form gefunden. Tiefgründig und kritisch, menschlich – das Buch hat mich sehr beschäftigt.

Veröffentlicht am 15.08.2017

Gefährlicher Auftrag

Bodden-Tod
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Greta Sievers ist Schriftstellerin, deren Taschenbuchverkäufe grade eine Flaute haben. Mit Heftchenromanen verdient sie ihre Brötchen. Da bekommt sie ein Jobangebot, das zwar sehr lukrativ, aber auch etwas ...

Greta Sievers ist Schriftstellerin, deren Taschenbuchverkäufe grade eine Flaute haben. Mit Heftchenromanen verdient sie ihre Brötchen. Da bekommt sie ein Jobangebot, das zwar sehr lukrativ, aber auch etwas seltsam ist. Sie soll eine Künstlerbiografie schreiben. Auftraggeber ist der Enkel des Künstlers, der auch den Rahmen vorgibt. Wohnung im Haus, sehr hohe Bezahlung, aber auch ständige Verfügbarkeit .

Es ist der Ort, der Greta reizt, Fischland und das Örtchen Wustrow direkt am Bodden ist ein Sehnsuchtsort von ihr. Doch bald nach der Ankunft stellt sie fest, dass ihre Arbeit nicht konfliktfrei über die Bühne gehen wird. Ihr Auftraggeber, Matthias Röwer, hat sehr genaue Vorstellungen und ist kein Mensch, den man leicht überzeugen kann, dennoch fühlt sie sich von ihm angezogen. Seine Blindheit trägt sicher noch zu seiner Verschlossenheit bei.

Greta ist fasziniert ist von dem, was sie nach einigen Tagen der Recherche findet. Ihre Vorgängerin ist spurlos verschwunden und ein Verdacht lastet bis heute auf Matthias Röwer. Sie merkt sehr bald, dass die Beschäftigung mit der Familie nicht ungefährlich ist.

Ein spannender Krimi, eine geheimnisvolle, dramatische Familiengeschichte und ein wunderbar beschriebenes Fischland. Das alles verbindet sich zu einem gelungenen Roman, der mir von der ersten Seite an gefallen hat. Die Schilderung der Halbinsel und der Künstlerorte Barnsdorf und Wustrow sind farbig und lebendig. Die Landschaft ersteht vor den Augen der Leser. Man spürt aus jedem Satz, dass die Autorin die Landschaft kennt und liebt.

Die Spannung zieht das Buch aus der Familie des Künstlers und dem Geheimnis um die verschwundene erste Biografin. Gerüchte wabern im Ort und Greta ist bald unsicher, wem sie vertrauen kann. Dieser Spannungsbogen ist toll komponiert, auch als Leserin war ich ganz nah bei Greta und ihren Ängsten und Vermutungen.

Ganz besonders gefiel mir die Beschreibung der Bilder, auch wenn ich wusste, dass sie nur in der Fantasie der Autorin gemalt wurden, hatte ich sie farbig und plastisch vor Augen. Ebenso gelungen war die Charakterisierung der Figuren. Vielschichtige Charaktere, von denen ich gern mehr lesen würde.

Es war mein erstes Buch der Autorin und sicher nicht mein letztes. Wieder einmal ein gelungener Krimi aus dem Emons Verlag. Übrigens, der stimmungsvolle Sonnenuntergang auf dem Cover ist ein Foto der Autorin und ist noch das Tüpfelchen auf dem i.

5 Sterne für diesen Küstenkrimi.