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Veröffentlicht am 14.12.2020

Weihnachtsmarkt im Erzgebirge

Erzzauber
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Wenn man an Weihnachten im Erzgebirge denkt, hat man sofort die wunderschönen Schwibbögen, die Räuchermännchen und die Nussknacker aus den Schnitzwerkstätten vor Augen.

So ist es auch auf dem Freiberger ...

Wenn man an Weihnachten im Erzgebirge denkt, hat man sofort die wunderschönen Schwibbögen, die Räuchermännchen und die Nussknacker aus den Schnitzwerkstätten vor Augen.

So ist es auch auf dem Freiberger Weihnachtsmarkt. Ariane, eine eigenwillige, junge Frau steht seit einigen Tagen mit einem Stand dort. Für ihre Freundin verkauft sie hübsche Handarbeiten. Aber Ariane entgeht nichts, so bemerkt sie mit Verwunderung die ständig wechselnden jungen Osteuropäerinnen am Glühweinstand, die viel zu leicht für die kalte Jahreszeit gekleidet sind. Auch ihr Standnachbar Konrad scheint neben den obligatorischen Schnitzarbeiten noch andere Angebote im Sortiment zu haben.

Als dann noch der sympathische Student Christian verschwindet, der als Weihnachtsmann verkleidet für Stimmung bei Klein und Groß sorgte, ist sie alarmiert. Dann wird ein Toter am Marktbrunnen gefunden, gekleidet das traditionelle rote Outfit. Ihr Misstrauen ist geweckt. Was Ermittlungen angeht, ist Ariane nicht ganz unbeleckt. Sie war schon zweimal Zeugin in Mordfällen und hat eine ganz eigene Theorie dazu entwickelt. Nur die Polizei glaubt ihr nicht, ganz im Gegenteil. Auch Ben, der Beamte, den sie damals näher kennengelernt hat, nimmt sie nicht ernst, hat sie sogar ausgelacht.

Was bleibt ihr also übrig, als allein ihrer Theorien nachzugehen. Dass sie dabei in Gefahr kommt, scheint unausweichlich.

Dieser weihnachtlich angehauchte Regionalkrimi ist ein dritter Band und ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass mir ein wenig Vorwissen fehlt, um Ariane so richtig einschätzen zu können. So schienen mir ihre Aktionen nicht immer logisch. Dazu kommt, dass ich mit ihr als Hauptfigur einfach nicht warm wurde. So rechte Spannung wollte deshalb auch nicht aufkommen.

Es wird aus der Sicht von Ariane erzählt, deshalb spielen auch die polizeilichen Ermittlungen keine Rolle. Ariane agiert sehr spontan und sorgt damit oft für turbulente Szenen, das ist ganz vergnüglich zu lesen. Auch der regionale Bezug wird schön in Szene gesetzt, Freiberger Bergmannskapellen, das lokale Brauchtum – das alles hat mir gut gefallen.

Eine echte Lösung für Arianes Mordtheorien gibt es noch nicht, dafür sorgt schon das Ende, das auf den nächsten Band verweist.

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Veröffentlicht am 08.12.2020

Lagarde wird wieder gebraucht

Der Kommissar und der Teufel von Port Blanc
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Die Autorin Maria Dries lässt ihren Commissaire Philippe Lagarde wieder einmal ermitteln. Die Ausgangslage ist wie immer: ein schwieriger Fall, oft sogar ein Cold Case und die örtliche Polizei braucht ...

Die Autorin Maria Dries lässt ihren Commissaire Philippe Lagarde wieder einmal ermitteln. Die Ausgangslage ist wie immer: ein schwieriger Fall, oft sogar ein Cold Case und die örtliche Polizei braucht eine übergeordnete Unterstützung. Das ist ein ganz geschickter Schachzug der Autorin, so kann Lagarde in jedem Band in einer anderen Gegend ermitteln und das bietet immer wieder neue Schauplätze.

Dieses Mal führt ihn der Job an die Côte du Goëlo. Bei Sanierungsarbeiten in einer alten Abtei wurden Frauenskelette gefunden, 4 Skelette offensichtlich neueren Datums. Ein Medaillon, das bei einer Leiche liegt, führt auf die Spur von vier verschwundenen jungen Frauen, alle leicht geistig behindert und alle lebten im Heim Saint-Andrè.

Das Verschwinden der Frauen hat die Polizei damals nicht sonderlich in Aufregung versetzt, man ging von jungen Ausreißerinnen aus und stellte die Suche rasch ein. Ein wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass alle Opfer in staatlicher Obhut lebten.

Der Krimi ist sehr gradlinig erzählt und chronologisch erzählt. Bis auf zwei kleine Abschnitte, die in die Gedankenwelt des Täters führen, folgt die Handlung allein den Ermittlungen.

Verwunderlich wie leicht Lagarde nach langer Zeit ganz einfach Spuren findet, die den Beamten damals entgingen. Vielleicht kommt deshalb auch keine richtige Spannung auf, es wirkt sehr vorhersehbar und ein geübter Krimileser ist bald schon sehr viel weiter, als der Ermittler.

Die Autorin lässt viel Landschaft in ihre Frankreichkrimis einfließen, das ist eigentlich ganz schön, erinnert aber in der Art der Beschreibung ein wenig an Tourismusbroschüren. Genau wie die Beschreibungen der Mahlzeiten, die Lagarde in diversen Restaurants einnimmt, das geht fast nie ohne Aufzählung des kompletten Tagesmenüs. Maria Dries schreibt sehr routiniert und mir scheint, dass inzwischen – bis auf die wechselnden Einsatzorte – zu wenig neue Ideen Lagardes Abenteuer aufpeppen..

Leichte Krimikost mit Frankreich-Touch.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Nur ein Augenblick

Der Moment zwischen den Zeiten
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Eine nicht mehr ganz junge Frau, Ärztin auf der Frühchenstation im Krankenhaus, lebt seit Jahren mit ihrem Freund Mauro. Sie sitzen im Restaurant beim Mittagessen und zum Schluss eröffnet er ihr fast beiläufig, ...

Eine nicht mehr ganz junge Frau, Ärztin auf der Frühchenstation im Krankenhaus, lebt seit Jahren mit ihrem Freund Mauro. Sie sitzen im Restaurant beim Mittagessen und zum Schluss eröffnet er ihr fast beiläufig, dass er sich trennen möchte. Er hat eine neue Beziehung, es ist etwas Ernstes und es soll schnell gehen. Paula ist wie versteinert und das ist erst der Anfang: kurz danach hat Mauro einen tödlichen Verkehrsunfall.

Nur Mauros Freund und Geschäftspartner weiß von der neuen Beziehung. Für alle anderen ist Paula die Hinterbliebene, die trauernde Frau. Doch in ihrer Trauer ist so viel mehr, da ist Wut auf Mauro, Wut auf die unbekannte neue Freundin, vielleicht auch Wut auf sich, weil sie nichts merkte. In ihren Schmerz mischen sich Erinnerungen an den allzu frühen Tod ihrer Mutter, ihre Einsamkeit als Jugendliche. Jetzt zieht sie sich wieder völlig in sich zurück und versucht der Stille durch endlose Schichten im Krankenhaus zu entgehen.

Aber sie beginnt auch die Vergangenheit zu hinterfragen, hat sie Mauro eigentlich je richtig verstanden? Hat sie ihn geliebt?

Es sind die unmittelbaren Monate nach dem schmerzhaften Ende einer Beziehung um die dieser Roman kreist. Der Schmerz, die Verletzung, die Wut, all diese Gefühle sind in Paula und bewegen ihre Gedanken und ihr Handeln. Es ist quälend darüber zu lesen, aber auf eine empathische Art quälend. Ich habe mich sehr in die Protagonistin hineinfühlen können.

Der Autorin gelingt es trotz des Themas einen poetischen Erzählton zu finden. Die Szenen auf der Frühgeborenenstation sorgen auch immer wieder für zärtliche Augenblicke und Paula findet dort Ruhe und zu sich selbst. Ich fand den Roman sehr empathisch erzählt und die Entwicklung der Protagonistin sehr nachvollziehbar. Die verschiedenen Phasen der Trauer, von Verzweiflung und Schuldgefühlen bis hin zum neu erwachenden Optimismus und Lebensmut sind realistisch und fesselnd erzählt.

Das Buch hat mich wirklich berührt.

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Veröffentlicht am 05.12.2020

Damengambit

Real Tigers
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„Wie die meisten Varianten des Verderbens begann auch diese mit Männern in Anzügen.“

Mit diesem ersten Satz hatte mich der neue Band von Mick Herron gleich wieder an der Angel. Es geht um die Agenten ...

„Wie die meisten Varianten des Verderbens begann auch diese mit Männern in Anzügen.“

Mit diesem ersten Satz hatte mich der neue Band von Mick Herron gleich wieder an der Angel. Es geht um die Agenten auf dem Abstellgleis des britischen Geheimdiensts, die in Slough House mit absurden Recherchen beschäftigt werden. Jackson Lamb – unsympathisch, ekelig und aus allen Körperöffnungen stinkend – ist der Chef. Aber man sollte sich von seinem Äußeren nicht täuschen lassen, er ist ein Meister im Spiel, ist dem Gegner immer drei Züge voraus, wobei die Gegner meist in den eigenen Reihen MI5 zu finden sind.

Eines Abends begegnet Catherine Standish, seine unscheinbare Assistentin, ihrem ehemaligen Liebhaber. Kurz danach wird sie in einen Lieferwagen gezerrt und verschleppt. Ein Bild von ihr, gefesselt und geknebelt wird an River Cartwright geschickt und damit nimmt die Geschichte ihren Verlauf.

Ein raffiniertes Katz und Maus Spiel beginnt, ein Agentenroman der Extraklasse, very british und skurril. Wer da wen in die Pfanne hauen will, bleibt lange im Dunkeln, aber das macht den besonderen Reiz dieser Reihe aus. Die Welt der Agenten, der Politik, der schmutzigen Spiele um Macht und Einfluss wird mit viel Action geschildert. Die Versager aus dem Slough House lassen sich nicht unterbuttern und zeigen, was sie drauf haben. Jeder von ihnen hat seine eigenen Fähigkeiten und auch wenn sie sich nicht leiden können, wenn eine der Ihren in Gefahr ist, halten sie zusammen.

Ich mag die Schreibweise von Herron mit seinen schnellen Perspektivwechseln sehr, er schreibt witzig, temporeich und voller ironisch-böser Anspielungen. Bei manchen hatte ich gleich ein reales Bild der britischen Politik vor Augen. Trotz der genussvoll zelebrierten Beschreibung von Jackson Lambs Unarten, hat sich auch in diesem Band wieder meine Sympathie für ihn eingestellt. Wie ich überhaupt die Beschreibung der ausgemusterten Agenten toll fand, sie sind ja nicht unfähig, wurden meist ein Opfer von Intrigen und warten – wohl vergebens – auf ihre Rehabilitation.

Auch nach dem dritten Band bin ich neugierig auf die weiteren Folgen.

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Veröffentlicht am 04.12.2020

Krimi mit Zeitgeschichte

Lügenpfad
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Frank Liebknecht fühlt sich recht wohl in seiner kleiner Polizeiwache in Vielbrunn im Odenwald. Er hat ein Haus gekauft und will sich dort richtig niederlassen. Eher aus Zufall stößt er auf ein Ereignis ...

Frank Liebknecht fühlt sich recht wohl in seiner kleiner Polizeiwache in Vielbrunn im Odenwald. Er hat ein Haus gekauft und will sich dort richtig niederlassen. Eher aus Zufall stößt er auf ein Ereignis aus den 80iger. Damals geriet der Ort im Zuge der RAF Fahndung kurz ins Blickfeld der Polizei. Seit dieser Zeit ist auch eine junge Frau spurlos verschwunden. Er hört sich ein wenig bei den älteren Dorfbewohnern um ahnt nicht, welche Lawine er damit lostritt und wie sehr er persönlich betroffen wird.

Schon im Klappentext erfährt man vom geschichtlichen Hintergrund des Krimis. Es war der „Deutsche Herbst“ – die RAF war aktiv und der Odenwald durch die Nähe zum amerikanischen Militär und ganz besonders zu einem Munitionsdepot interessant. Ich lese sehr gerne Kriminalromane, die einen zeitgeschichtlichen Hintergrund haben. Auch hier wechseln sie die Handlungsstränge ab und allmählich werden die damaligen Ereignisse im Ort deutlicher.

Der Erzählstrang der Gegenwart (hier 2013) ist ebenfalls sehr spannend, aber hier merkte ich, dass mir als Einsteigerin in die Serie etwas fehlte. Die Mitarbeiter des nächstgrößeren Kommissariats, die wohl mit Frank schon lange zusammenarbeiten, blieben mir fremd. Wie war die Vorgeschichte zur Freundschaft mit Marcel? Natürlich konnte ich mir einiges zusammenreimen und für den aktuellen Fall war es auch kein Manko, aber trotzdem fiel mir der Einstieg deshalb ein wenig schwer.

Auch brauchte ich einige Zeit bis ich mich mit dem Erzählton der Autorin anfreunden konnte. Viele Andeutungen, viel zwischen den Zeilen und alles ein wenig stockend erzählt, das ergab für mich gefühlte Längen im Text. Da das Thema mich sehr interessierte und auf mich auch einen sehr gut recherchierten Eindruck machte, konnte mich der Krimi im Großen und Ganzen doch überzeugen.

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