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Veröffentlicht am 16.05.2020

Sommerfrische auf Norderney

Die Tote in der Sommerfrische
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Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ist Norderney ein mondänes Seebad. Dort trifft sich der Adel, wohlhabendes Bürgertum und Industrielle zur Sommerfrische. Auch Viktoria Berg genießt dort einen Urlaub, ...

Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ist Norderney ein mondänes Seebad. Dort trifft sich der Adel, wohlhabendes Bürgertum und Industrielle zur Sommerfrische. Auch Viktoria Berg genießt dort einen Urlaub, bevor sie eine Stelle als Lehrerin antritt. Sie hat sich erfolgreich einer Verheiratung widersetzt und möchte ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben führen. Bei einem Spaziergang am Strand beobachtet sie, wie ein junger Mann eine Tote aus dem Wasser birgt. Sie kannte die junge Frau, deren Mutter im Dienst ihrer Eltern stand. Christian Hinrichs, ein junger Journalist, weist Viktoria auf eine Verletzung an der Schläfe der jungen Frau hin. Doch die Polizei will davon nichts wissen. Ein Dienstmädchen, das ins Wasser geht – die gibt es nur eine Schlussfolgerung. Außerdem sollen die wohlhabenden Sommerfrischler nicht unnötig belästig werden.

So beginnen Christian und Viktoria mit eigenen Nachforschungen, die bald einiges an Ungereimtheiten zu Tage fördert und beider näher, aber auch in Gefahr bringt.

Seebad und Sommerfrische – bei diesen Worten hat man sofort Bilder im Kopf. Elegante Damen, die mit Sonnenschirm und in Begleitung von Herren in leichten Sommeranzügen und Strohhut auf der Promenade flanieren, Badekarren und Strandkörbe im Sonnenschein und leichter Brise. In dieser heiteren Atmosphäre hat Elsa Dix ihren historischen Kriminalroman angesiedelt und ihr gelingt es spielend, dieses Flair einzufangen.

Ihre Figuren sind plastisch und farbig gezeichnet, ob schnöseliger Adliger oder einflussreicher Industrieller, sie wirken absolut lebendig auf mich. Das Augenmerk liegt natürlich auf Christian und Viktoria, die beide ein wenig am Rand dieser Gesellschaft stehen. Christian, der sich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet hat und Viktoria, die ganz bewusst einen anderen Lebensweg geplant hat. Bei ihnen verspürt man ein gewisses Prickeln, aber die gesellschaftlichen Hürden sind hoch.

Da von einem „ersten Fall“ die Rede ist, bin ich neugierig, wie sich das Verhältnis der Beiden in diesem Spannungsfeld entwickeln wird.

Die Autorin hat sich einen sehr spannenden Handlungsablauf ausgedacht, der den Leser lange im Unklaren über Motiv und Möglichkeiten lässt. Aber allmählich schält sich ein Verdacht heraus und die Art, wie Christian und Viktoria zu ihren Erkenntnissen kommen, lässt mich auch manchmal schmunzeln. Ganz besonders den Mut und die Tatkraft von Viktoria gefällt mir.

In diesen Krimi ist viel historisches Wissen um die Frühzeit des Badetourismus eingeflossen, ebenso wie um die gesellschaftlichen Normen dieser Zeit. Mir gefällt es gut, wenn ein kenntnisreicher Hintergrund mit einer angenehmen und locker zu lesenden Sprache vereint wird.

Ein wirklich spannender und unterhaltsamer Krimi, der mich schon neugierig auf eine eventuelle Fortsetzung macht.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Der Sommer der Liebe

Wie uns die Liebe fand
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Madame Nan, so wird Marie-Anne Nanon liebevoll von allen genannt, hat nie das kleine Dorf im Elsass verlassen. Das ist ihre Welt und die ist auch groß genug. Nun ist sie 92 Jahre alt und blickt zurück ...

Madame Nan, so wird Marie-Anne Nanon liebevoll von allen genannt, hat nie das kleine Dorf im Elsass verlassen. Das ist ihre Welt und die ist auch groß genug. Nun ist sie 92 Jahre alt und blickt zurück auf die Geschicke ihrer Familie und die des Ortes, das schon durch seine Lage immer auch Spielball der Weltpolitik war.

Madame Nan wurde sehr früh Witwe und musste ihre Töchter alleine durchbringend, alle Frauen der Familie sind stark bis starrköpfig und gehen ihren Weg. So auch Marie, die Älteste, die mit Malou nach Hause kommt. Malou stammt aus Algerien und schafft es nicht nur schnell in das Herz von Marie und ihrer Familie, er wird auch bald ein fester Bestandteil im Dorf. Spätestens seit er Mr Boberschram in seinem kleinen Laden, vor einem Überfall bewahrte.

Kurz danach übernehmen die Nanons das kleine Geschäft und als Marie und Malou ihre „Liebesbomben“ kreieren, läuft der Laden. Und damit passiert auch etwas ganz Magisches in diesem kleinen Dörfchen Bois-de-Val am Fuß des Sonnenbergs. Sind es nur die Liebesbomben, die den Liebeszauber bewirken?

Das ist ein Märchen von und über die Liebe, eine Liebe die Schmetterlinge tanzen lässt und die Realität für einige Zeit außer Kraft setzt, wenn man nur daran glaubt. Die Autorin hat einen reizenden Sprachstil, das Buch ist liebenswert geschrieben und ich habe es in einem Rutsch weggelesen.

Aber es ist auch ein wenig wie Zuckerwatte, man beißt hinein, es zergeht im Mund und zurück bleibt nur ein süßer Geschmack. Aber es hat mich wirklich für einige Stunden gut unterhalten, verzaubert wäre jetzt zu viel gesagt, aber besonders Madame Nan ist Charakter, deren Erinnerungen ich gerne gefolgt bin.

Die Autorin beschreibt das dörfliche Elsass wie aus einem Bilderbuch des Künstlers „Onkel Hansi“, man meint die Häuser und die Storchennester zu sehen. Nicht zu vergessen auch den kulinarischen Anhang, denn was wäre das Elsass ohne seine Gerichte und seinen Wein. So finden sich einige Rezepte für Flammkuchen, Schiffala und Zwiebelsuppe und viele andere Köstlichkeiten, die zum Ausprobieren und Nachmachen anregen.

Eine „verzauberte“ und unterhaltsame Lektüre.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein Schwein schnüffelt

Sterben auf Portugiesisch
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Inspektor Fernando Valente hat letztes Weihnachten ein Schwein davor bewahrt zu Schinken und Würsten zu werden. Das gelang ihm, weil er Raquel, vielleicht nach ihren üppigen Formen so genannt, kurzerhand ...

Inspektor Fernando Valente hat letztes Weihnachten ein Schwein davor bewahrt zu Schinken und Würsten zu werden. Das gelang ihm, weil er Raquel, vielleicht nach ihren üppigen Formen so genannt, kurzerhand zum Polizeischwein ernannte. Da die Presse ganz begeistert reagierte, wurde Raquel ganz offiziell in Dienst gestellt, sehr zum Leidwesen der Revierchefin, die auch noch Fernandos Schwester ist. Soviel zur Vorgeschichte.

Am Strand der Alentejo-Küste wurde ein toter junger Mann gefunden. Eingraben bis zum Hals, die Hände mit Handschellen gefesselt und einen Schlüssel im Magen. Der junge Mann war Zauberkünstler, hat er vielleicht an einem Trick geübt, der schrecklich schief gegangen ist? Aber warum hat ihm niemand geholfen, denn selbst einbuddeln konnte er sich mit gefesselten Händen nicht. War es ein bizarrer Unfall oder Mord?

Kurz darauf wird ein zweiter Toter im Meer gefunden, auch hier könnte es ein Unfall gewesen sein, aber Fernando glaubt nicht an Zufälle. Zum Glück soll Raquel im Meer schwimmen um ein wenig „abzuspecken“, so kann Fernando gleichzeitig am Strand ermitteln, dabei ahnt er nicht, wie nah er der Lösung schon gekommen ist.

Was für ein Lesespaß! Das sommerliche Treiben an der portugiesischen Küste, strahlender Sonnenschein und flirrende Hitze, dazu urige Kneipen und ein ebenso uriges Zuhause für Inspektor Valente, bringen so richtig Urlaubsstimmung in das Buch. Dazu gibt es neben den Polizisten wunderbare Charaktere, allen voran, Fernando Valentes Großmutter Mafalda, die trotz ihres hohen Alters agil, klug und witzig ist. Ein schönes Gegenüber zu seiner Mutter, eine grummelige, vom Leben enttäuschte Frau, die ihren Sohn unter die Haube bringen will. Eine passende Kandidatin wird Fernando auch recht penetrant präsentiert. Da muss er schon zu Tricks greifen, um dieser Gefahr zu entrinnen.

Aber neben all diesen amüsanten und heiteren Einschüben und Szenen, ist „Sterben auf Portugiesisch“ auch ein Krimi mit einem spannenden Plot, der einen ernsten Hintergrund hat. Hier verführt die Autorin zum Miträtseln, denn wie kleine Puzzleteile präsentiert sie Hinweise für den Leser, die sich erst zum Schluss zu einem fertigen Bild fügen.

Ich mochte schon den ersten Band und auch jetzt wurden meine Erwartungen erfüllt. Aber keine Angst, man braucht keine Vorkenntnisse um das Buch genießen zu kennen.
Heide van Elderen hat eine angenehme und lockere Schreibe, ihr Plot ist wirklich gut ausgedacht und die Liebe zu Portugal spürt man in den Beschreibungen. Die machen richtig Lust auf Land und Leute.

Beste Unterhaltung mit Spannung, die in dieser reisearmen Zeit ein wenig Urlaubsgefühle weckt, deshalb kann ich den Krimi nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Krimi-Persiflage

SoKo Heidefieber
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Es gibt kaum ein Buchgenre das so blüht wie der Regionalkrimi. Fast jede Gegend, jede Stadt hat ihren eigenen Autor. In den Titeln werden gern Begriffe wie Tod, Fieber, Mord, Blut mit der jeweiligen Landschaft ...

Es gibt kaum ein Buchgenre das so blüht wie der Regionalkrimi. Fast jede Gegend, jede Stadt hat ihren eigenen Autor. In den Titeln werden gern Begriffe wie Tod, Fieber, Mord, Blut mit der jeweiligen Landschaft kombiniert. Da wird es Zeit, dass dieses Genre auch mal auf’s Korn genommen wird.
Da wird kurz nach einer Lesung ein beliebter Regionalkrimi-Autor gemeuchelt und zwar haargenau so, wie in seinem Buch beschrieben. Es bleibt nicht bei einem Toten, quer durch die Bundesrepublik sterben die Autoren nach ihren eigenen ausgedachten Methoden.
Eine Soko wird gebildet, da tummeln sich die üblichen geltungssüchtigen und schwafelnden Profiler und Besserwisser, auch ein schmieriger Privatdetektiv darf seinen Kurzauftritt absolvieren, aber die Arbeit bleibt natürlich an Kommissar Gerold Gerold (er heißt wirklich so) und seiner Mitarbeiterin hängen. Aber gut, das bringt die beiden dann auch noch privat sehr viel näher.
Ja, das ist eine Persiflage und der Autor scheut keine Mühen. Es darf auch ein echter Schriftsteller, Frank Schulz, Autor der Onno Viets Krimis, auftreten und muss dabei sehr viel erleiden. (Entweder ist er mit Henschel gut befreundet, oder Henschel übt Rache) Auch Ex-Verleger Haffmanns mischt mit. So gibt es jede Menge Anspielungen auf die Literatur- und Krimiszene und ich hätte fast noch einen Kurzauftritt von Matzbach, einem Detektiv aus der Haffmanns Verlag Riege, erwartet.
Aber es ist zu viel! Das Gag Feuerwerk brennt zu schnell ab und es wird bald fade. Ich habe mich anfangs mit den Anspielungen und dem namedropping noch amüsiert, aber bald merkte ich, dass meine Augen immer schneller zum Seitenende wanderten und ich mich wirklich motivieren musste, weiterzulesen. Henschel spart nicht mit Seitenhieben auf Medien, Überschriften in fetten Großbuchstaben und Talkshow-Geschwafel stellt er gnadenlos bloß.
Bei Regio-Krimis spielt ja auch Dialekt ein Rolle und da dürfen auch diese Passagen nicht fehlen und da die Handlung quer durch die Bundesrepublik führt, wird geschwäbelt, platt gesnackt und berlinert.
Als Idee gefiel mir der „Überregionalkrimi“, die Ausführung fand ich dann doch nicht ganz gelungen. Es war nicht mein Buch, aber für die vielen Insider-Anspielungen gibt es einen Extra-Stern.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Schuldig

Blutige Düne
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Liv Lammers hat ein gespaltenes Verhältnis zu Sylt. Sie liebt die Insel, auf der sie geboren und aufgewachsen ist, doch ein schlimmer Zwist mit der Familie führte zum endgültigen Bruch. Allerdings gehört ...

Liv Lammers hat ein gespaltenes Verhältnis zu Sylt. Sie liebt die Insel, auf der sie geboren und aufgewachsen ist, doch ein schlimmer Zwist mit der Familie führte zum endgültigen Bruch. Allerdings gehört Sylt zu ihrem Zuständigkeitsbereich als Kommissarin. Als nun in Tinnum, ausgerechnet in der Mörderkuhle ein Toter gefunden wird, an einen Baum gefesselt und mit schwarzem Nagellack „Schuldig“ auf seiner Brust geschrieben steht, kehrt sie zurück.

Der Tote gehörte zu einer Rockergang und war Geschäftsführer eine Tabledance-Bar. Alle Hinweise führen in ein Milieu, das man auf Sylt nicht erwartet hätte, aber Geld ist, ist auch das organisierte Verbrechen nicht weit. Illegales Glückspiel, Prostitution und Bandenkrieg machen eben auch vor einer Urlaubsidylle nicht halt. Als noch ein zweiter Überfall nach dem gleichen Muster geschieht, werden Livs Ermittlungen kompliziert, zumal sich eine SOKO für organisiertes Verbrechen vom LKA einmischt, besonders der Leiter agiert unsäglich arrogant und will Liv und ihr Team möglichst klein halten.

Außerdem eskaliert auch der Streit mit ihrem Vater, der seine Macht auch an Livs Tochter Sanna demonstrieren will.

Viele Baustellen, viele Handlungsstränge und viele Personen. Das ist eigentlich nicht schlecht und verspricht viel Spannung. Das garantieren die Bücher von Sabine Weiss immer, es ist schließlich schon der vierte Band mit Liv Lammers. Aber für mich war es nicht der Beste. Die Beschreibungen aus dem Rocker- und Prostititionsmilieu sind wohl sorgfältig recherchiert und zwangsläufig führt das auch zu harten Szenen, aber die Figurenzeichnung ist mir dieses Mal zu klischeehaft geraten. Da wird wirklich nichts ausgelassen. Der Familienzwist der Lammers zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bücher und man erfährt in jedem Buch ein weiteres Detail, aber es ergeben sich keine Konsequenzen daraus.

So interessant ich diese Familienkonstellation finde und sie trägt auch zum Verständnis von Livs Charakter bei, so denke ich doch, dass es allmählich zu einer klaren Entscheidung kommen müsste. Aber auch dieses Mal endet dieser Handlungsstrang mit einem Cliffhänger, was mich trotz meiner kleinen Kritikpunkte schon dem nächsten Band entgegenfiebern lässt.

Sehr gelungen – wie in jedem Band – sind die Sylt Beschreibungen. Da kann die Autorin sofort die Insel lebendig werden lassen und Bilder in meinem Kopf hervorzaubern. Diese Atmosphäre schätze ich sehr.

Gegen Ende nimmt die Geschichte noch einmal ordentlich Tempo auf und die Auflösung ist gelungen, die ganzen Fäden, die zwischendurch arg zerfasert wirkten, werden schlüssig zusammengeführt. Kleine Hinweise waren schon früh eingestreut, deren Bedeutung aber erst im Laufe der Handlung sichtbar werden.

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