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Veröffentlicht am 19.03.2020

Regionalkrimi mal anders

Der Franken-Bulle
1

Die erfolgreiche Krimiautorin Barbara Schauer hat sich für die Verfilmung ihres Buches einen kleinen Cameo Auftritt gewünscht. In einer Szene soll sie das Mordopfer spielen. Die Klappe fällt auf der Oberen ...

Die erfolgreiche Krimiautorin Barbara Schauer hat sich für die Verfilmung ihres Buches einen kleinen Cameo Auftritt gewünscht. In einer Szene soll sie das Mordopfer spielen. Die Klappe fällt auf der Oberen Brücke in Bamberg und der Schuss streckt die Schauer nieder. Das Requisit wurde mit einer scharfen Waffe ausgetauscht. Wer profitierte vom Tod der Autorin?
Kommissar Horst Müller tappert mit seiner Kollegin Paulina durch den Fall. Ich wähle den Ausdruck „tappert“ ganz bewusst, denn Kommissar Müller ist ein bekennender Derrick Fan. Und nicht nur das, auch die gesammelten Folgen
der „Schwarzwaldklinik“ genießt er gern mit einem Gläschen Eierlikör. Horst Müller scheint in der Vergangenheit steckengeblieben zu sein und er ist sich des Anachronismus durchaus bewusst, ja man kann sagen, er genießt es.

In diesem Krimi wird nicht mit Seitenhieben gespart, es trifft die Branche der Regionalkrimis, die der Autor wohl selbstironisch aufs Korn nimmt, denn schließlich lesen wir ja gerade einen aus seiner Feder und so wird immer mal auch auf den Vorläuferband Bezug genommen. Schließlich hat ja Müller auch diesen Fall gelöst.

Dazu wird immer mal wieder ein Handlungsstrang um eine Theatergruppe eingeblendet, die in einem Hotel ein neues Stück probt. Die „Bärenfalle“ orientiert sich durchaus an Agatha Christies „Mausefalle“. Auch hier wieder der Subtext, den der Autor in seine Handlung einbaut.

Die Dialoge fand ich ganz witzig, wobei mir aber im Lauf der Geschichte die ständigen Anspielungen auf die altmodischen Gewohnheiten von Müller und seine grammatikalische Besserwisserei etwas zu viel wurden. Da setzte für mich ein Abnützungseffekt ein.
Ich habe das Buch ganz gern gelesen, obwohl ich mir nach der Beschreibung sowohl mehr Spannung, wie auch mir Bamberg Lokalkolorit erhofft habe.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Wer hat die Teekanne geklaut

Krabbenkuss mit Schuss
1

Ostfriesland ist ein heißes Krimipflaster. Ganz besonders für Lehrerin Rosa, die ein unnachahmliches Talent für Leichenfunde zeigt. Nicht immer zur Freude von Dorfpolizist Rudi, der aber im Grunde ihren ...

Ostfriesland ist ein heißes Krimipflaster. Ganz besonders für Lehrerin Rosa, die ein unnachahmliches Talent für Leichenfunde zeigt. Nicht immer zur Freude von Dorfpolizist Rudi, der aber im Grunde ihren Spürsinn und ihre scharfsinnigen Schlussfolgerungen schätzt.

Rosa wollte eigentlich nur die Alpakafarm von Frau Ewenberg besuchen um einen Klassenausflug zu besprechen. Dort herrscht Aufregung, da einige Alpakastuten hochträchtig sind und die Geburten jeden Augenblick erwartet werden. Aber dann unterbricht ein Schrei die friedliche Umgebung und als Rosa Frau Ewenberg ins Haus folgt, sieht sie die Dame am Fuße der Treppe knien, wo ihr Ehemann in seinem Blut liegt. Ist er die Treppe heruntergestürzt?

Rudi hat nun einen zweiten Fall, denn eine ominöse Erpressung beschäftigt ihn bereits. Die vergoldete Teekanne, das Firmenzeichen eines bekannten Ostfriesen-Tee Herstellers wurde entwendet und für die Rückgabe eine seltsame Forderung gestellt. Da kommt seinem Kollegen Schnepel die Ehefrau als Hauptverdächtige grade Recht, außerdem hat der Tote auch in dieser Teefirma gearbeitet. Wer Schnepel kennt, weiß wie schnell.

Gut, dass Rosa wieder in ihrer Schnüfflerehre gepackt ist, wer weiß, was Schnepel sonst für krude Theorien aufstellt, die außer ihm, keiner so recht glaubt.

Rosa, Rudi und Postbote Henner samt seiner großen Familie bilden einen ganz besonderen ostfriesischen Kosmos. Man kann gar nicht anders, als von ihnen begeistert zu sein. Wenn es ein Beispiel für trockenen ostfriesischen Humor braucht, dann muss man nur zu den Krimis des Duos Christiane Franke und Cornelia Kuhnert greifen. Man merkt, dass den beiden Autorinnen ihren Spaß mit der Geschichte und ihren Protagonisten an. Ihren Plot haben sie mit viel Augenzwinkern entwickelt und auch was ihren Figuren im Lauf der Geschichte sonst noch passiert, ist witzig und unterhaltsam. Dazu gibt es Küstenfeeling pur und immer mal wieder ein leckeres Rezept zum Nachkochen und nachbacken. Schließlich ist ja auch der Ostfriesische Tortenclub im Ort beheimatet, so darf die Anleitung für die legendäre Ostfriesentorte nicht fehlen.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Der Geschmack von Gin

Der Gin des Lebens
2

Carsten Sebastien Henn ist ein ausgewiesener Connaisseur, der auch noch gut schreiben kann.
In seinem neuen Buch nimmt er sich sehr kenntnisreich dem Klassiker unter den Long Drinks an: dem Gin.

Schon ...

Carsten Sebastien Henn ist ein ausgewiesener Connaisseur, der auch noch gut schreiben kann.
In seinem neuen Buch nimmt er sich sehr kenntnisreich dem Klassiker unter den Long Drinks an: dem Gin.

Schon das Titelbild weckt Lust darauf und macht auf den Kriminalroman neugierig. Der ist nun ganz klassisch aufgebaut. Ein junger Mann wird aus der Bahn geworfen und nimmt das zum Anlass sich mit einem Hobby seines verstorbenen Vaters zu beschäftigen: der Destillation von Gin. Eine Flasche seiner Eigenmarke gibt es noch und Bene Lerchenfeld ist überrascht vom exzellenten Geschmack. Notizen und eine Visitenkarte aus dem Nachlass des Vaters führen Bene nach Plymouth und dort ins Callaghans Bed & Breakfast.

Nun beginnt eine spannende Spurensuche in der Vergangenheit, eine Suche nach dem perfekten Gin und eine Suche zum Weg in Cathy Callaghans Herz.
Eingestreut und farblich abgesetzt ist eine Geschichte des Gins, seiner Herstellung, der diversen Geschmacksträger „Botanicals“ genannt und viel Wissenswertes, das Henn seinen Lesern mitgibt. Die haben mir mindestens so gut gefallen wie der übrige Roman. Außerdem gibt es im Klappenumschlag Karten und ich liebe Landkarten, die mich direkt in den Handlungsort katapultieren. Der Krimi ist grundsolide aufgebaut, birgt allerdings keine besonderen Überraschungen oder Höhepunkte. Henn kann aber schreiben und so liest sich seine Geschichte flüssig und unterhaltsam. Allerdings fand ich den Plot ein wenig zu sehr ausrechenbar.

Gelungen ist die Mischung aus Lovestory, Krimi und Familiendrama. Ich könnte mir das Buch wirklich gut verfilmt vorstellen, ideal für einen Samstagabend im ZDF am Sendeplatz von Lindström und Pilcher.

Wer englisch angehauchte Cozy Crimes mag und vielleicht auch Interesse an Gin hat, ist bei diesem Buch bestens aufgehoben.

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Sommerfuglen

Glasflügel
1

Der Morgen beginnt nicht schön für den Kopenhagener Schüler, der sich mit Zeitungsaustragen sein Taschengeld aufbessert. In einem Stadtbrunnen findet er einen Toten. Es bleibt nicht bei diesem Leichenfund. ...

Der Morgen beginnt nicht schön für den Kopenhagener Schüler, der sich mit Zeitungsaustragen sein Taschengeld aufbessert. In einem Stadtbrunnen findet er einen Toten. Es bleibt nicht bei diesem Leichenfund. Jeppe Kørner wird auch an den Folgetagen damit konfrontiert. Alle Toten haben eines gemeinsam: sie waren in einer privaten Jugendpsychiatrie – dem Haus Sommerfuglen (Schmetterling) – tätig. Das Heim wurde nach dem Suizid einer jungen Bewohnerin geschlossen, ihr Vater gab der Heimleitung die Schuld. Damit steht er ganz oben auf der Verdächtigenliste.

Aber es ist nicht so einfach, wie es scheint. Jeppe, der schmerzlich seine Kollegin Anette Werner vermisst, stochert im Nebel, Verdächtige haben ein Alibi, ehemalige Bewohner sind zum Teil in anderen Kliniken oder im Ausland.

Eines wird dem Leser aber schnell klar, die Missstände in Sommerfuglen gingen tief und sie stehen sicher auch den Morden in Verbindung. Außerdem zeigt die Autorin in ihrem spannenden Krimi auch die Systemfehler in einem Gesundheitssystem auf, in dem Patienten sich der Wirtschaftlichkeit unterordnen müssen. Die Überforderung der Schwestern und Pfleger ist greifbar.

So beginnt nämlich auch das Buch. Im vorangestellten Prolog werden wir Zeugen, wie eine an ihre Grenzen gekommene, labile Schwester einen hochbetagten und schwierigen Patienten per Injektion „erlöst“. Damit begleitet mich natürlich den ganzen Krimi über die Frage, ob hier schon ein Fingerzeig auf den Täter gegeben wurde.

Anette Werner fühlt sich in der Elternzeit unglaublich müde, es gibt keine ruhigen Nächte mehr, aber auch gelangweilt. Ihr fehlt die Arbeit, vielleicht auch die intellektuelle Herausforderung. Was in manchen Krimis der Part der Privatermittler ist, die der Polizei ins Handwerk pfuschen, das übernimmt nun Anette. Allerdings mit guten Ergebnissen, die Jeppe immer mal wieder auf die Sprünge helfen. Denn wer als Ersatz einen netten Kollegen bekam, der intern der „Hosenträger-Onkel“ genannt wird, kann auch jede Hilfe gebrauchen.

In einem kleinen Nebenstrang darf man sich auch auf die Schriftstellerin Esther freuen, die man schon aus den vorhergegangen Büchern kennt. Auch hier schafft es die Autorin, mich lange im Unklaren zu lassen, ob Esters Erlebnis eine Verbindung zu Sommerfuglen zeigt.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, die Spannung kontinuierlich hoch und wird immer wieder mal durch leisen Humor oder eine witzige Bemerkung gebrochen. Deutlich zu spüren ist auch das Anliegen, das die Autorin transportieren möchten: die Zustände in einem immer stärker belasteten Gesundheitssystem, das für Personal und Patienten gleichermaßen grenzwertig ist.

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Veröffentlicht am 13.03.2020

Vielschichtig

Die Geheimnisse meiner Mutter
1

Rose hat ihre Mutter nie gekannt. Als Kind dachte sie sich Fantasiegeschichten aus, die sie ihren Schulfreunden erzählte. Erst als Erwachsene erfährt Rose vom Verschwinden der Mutter Elise, ihrer Liebesbeziehung ...

Rose hat ihre Mutter nie gekannt. Als Kind dachte sie sich Fantasiegeschichten aus, die sie ihren Schulfreunden erzählte. Erst als Erwachsene erfährt Rose vom Verschwinden der Mutter Elise, ihrer Liebesbeziehung zur damals berühmten Schriftstellerin Constance Holden, und dass sie ihr Baby bei einer Freundin zurückließ und spurlos verschwand.
Rose liest die beiden Bücher der Holden, die offensichtlich nach Elises Verschwinden nie wieder einen Roman schrieb und beginnt die Frau zu suchen, die zuletzt mit ihrer Mutter sprach.
Der zweite Handlungsstrang berichtet aus der Perspektive von Elise, einer bildhübschen, aber orientierungslosen Frau. Sie lernt Connie kennen und lieben, aber die Beziehung scheitert, auch an ihrer Unfähigkeit Bindungen einzugehen.
Jessie Burton hat einen Sprachstil, der mir sehr gut gefallen hat. Sehr sensitiv beschreibt sie die Frauen, deren Leben und deren Vorstellungen von Glück. Das ist fast ein wenig spröde, so wie auch ihre Frauenfiguren spröde und zerbrechlich wirken. Die Suche nach dem Glück, nach der eigenen Stärke, die Rose und vor ihr, ihre Mutter Elise durchmachten, führt auch zu dramatischen, für mich nicht immer verständlichen Aktionen. So muss ich feststellen, dass mir Elise eigentlich als Charakter immer fremd blieb und ich wenig mit ihren Launen anfangen konnte. Vielleicht werde ich ihr damit nicht gerecht, denn ihre inneren Kämpfe werden von Jessie Burton sehr empathisch beschrieben.
Rose und Elise sind ähnliche Charaktere, sie lassen sich treiben, warten auf Etwas, dass ihrem Leben eine Wende gibt. Während das bei Elise sehr früh geschieht, sie lernt mit 20 Connie kennen und lieben, ohne dass sie daraus Sicherheit zieht oder reift, treibt Rose noch mit Mitte 30 ziellos durchs Leben. Erst als ihr Vater ihr von Constance Holden erzählt, beginnt sie sich mit Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Das Buch ist sprachlich schön geschrieben, mein Manko war nur, dass ich mit den Frauenfiguren nicht recht warm geworden bin und das mir dadurch das letzte Quäntchen bei diesem Roman fehlte.

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