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Veröffentlicht am 26.11.2019

Wenn die Guten nicht kämpfen...

Unter Wölfen
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„Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Schlechten“ Isaak Rubinstein lässt sich von seiner früheren Freundin Clara, die im Nürnberger Widerstand aktiv ist, überreden in die Rolle des Sonderermittlers ...

„Wenn die Guten nicht kämpfen, siegen die Schlechten“ Isaak Rubinstein lässt sich von seiner früheren Freundin Clara, die im Nürnberger Widerstand aktiv ist, überreden in die Rolle des Sonderermittlers und Sturmbannführers Adolf Weissmann zu schlüpfen. Die äußerliche Ähnlichkeit ist da und der Weissmann bereits unschädlich gemacht. Dafür will Clara Isaaks Familie vor der nahenden Deportation retten und verstecken.

Weissmann sollte als Sonderermittler den rätselhaften Mord an der Schauspielerin Lanner aufklären, die in der Wohnung von Obersturmbannführer Nosske zu Tode kam. Und so sieht sich der jüdische Antiquar Isaak plötzlich in der Höhle des Löwen einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüber. Er muss einen Mord aufklären und gleichzeitig alle mit seiner Rolle überzeugen. Aber was er nicht ahnt, Weissmann hat den Anschlag überlebt…

Vorweg – der Krimi ist unglaublich spannend geschrieben, man fiebert mit Isaak, dem buchstäblich in jedem Augenblick die Enttarnung droht. Da gibt es Begegnungen mit Leuten, die Weissmann kannten, er muss Insiderwissen vortäuschen und soll außerdem noch an Informationen für die Widerstandsgruppe „Fränkische Freiheit“ sammeln. Mehr als einmal hilft ihm der blanke Zufall aus brenzligen Situationen.

Der Krimi hat als historischen Hintergrund das Jahr 1942 gewählt, die Nazi müssen Misserfolge an der Ostfront vertuschen und gleichzeitig soll die „Umsiedlung“ der jüdischen Bevölkerung in den Osten erfolgen. Man ahnt, was das heißt und die Stimmung auf den Straßen ist sehr gut eingefangen. In den Wohnungen, in denen die verbliebene jüdische Bevölkerung gepfercht wird, wechseln sich Hoffnungslosigkeit und Selbsttäuschung ab. Vielleicht wird es nicht so schlimm, hoffen vor allem die älteren Menschen der jüdischen Gemeinde.

Allerdings bleibt dieser historische Kontext wirklich nur eine Tapete. Zwar sind die Daten und Ereignisse aus dem Nürnberg dieser Zeit korrekt, aber sie dienen wirklich nur als farbiger Hintergrund. Im Mittelpunkt steht das Katz und Maus Spiel von Isaak Rubinstein gegen seine Gegner. Da muss, wie bereits erwähnt, viel zu oft der Zufall eingesetzt werden. Aber so bleibt der Spannungsbogen bis zum Schluss sehr hoch. Das liegt auch an dem engen Zeitrahmen, den die Geschichte hat, denn es bleiben nur wenige Tage, den Plan durchzuführen. Ich finde, die Autorin kann mitreißend schreiben und packt die Leser von der ersten Seite an. Da kann ich auch akzeptieren, dass mich das Zeitbild nicht ganz überzeugt hat.

Mit Isaak hat die Autorin auch eine sympathische Figur erschaffen, die in Notsituationen über sich selbst hinauswachsen muss und dessen Wandlung vom zurückhaltenden jüdischen Antiquar zum durchsetzungsstarken Ermittler in wenigen Stunden gelingt.

Am Ende scheint es, dass Isaak seine Bestimmung gefunden hat und das lässt auf Folgebände schließen, auf die ich schon sehr gespannt bin.

Veröffentlicht am 25.11.2019

Tod eines Wilderers

Mydworth - Tod im Mondschein
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Die Zwanziger Jahre haben im englischen Krimi eine Hochkonjunktur. So legte das Erfolgsduo Matthew Costello und Neil Richards nach der Cherringham Serie ein neues Projekt vor. Mit „Mydworth – Tod im Mondschein“ ...

Die Zwanziger Jahre haben im englischen Krimi eine Hochkonjunktur. So legte das Erfolgsduo Matthew Costello und Neil Richards nach der Cherringham Serie ein neues Projekt vor. Mit „Mydworth – Tod im Mondschein“ erscheint schon die dritte Folge eines richtigen Cosy Crime.
Lord und Lady Mortimer sind nach dem Krieg auf’s Land zurückgekehrt. Sir Harry war dekorierter Pilot und danach als Agent im Auftrag der Krone unterwegs. Sein amerikanische Frau Kat stammt aus ärmlichen Verhältnissen in der Bronx und war im Krieg Krankenschwester. Die Beiden mussten sich erst an das geruhsame Landleben gewöhnen und Kat sich an ihre Rolle als Lady. Doch auch in Mydworth gibt es Rätsel und Verbrechen, die gelöst werden müssen.
So wird im Wald des Emporkömmlings Shreeve die Leiche eines jungen Wilderers gefunden. Offensichtlich ist er gestolpert und dabei hat sich ein tödlicher Schuss gelöst. Aber so einfach wollen es nur der örtliche Constable und der Gutsbesitzer haben. Harry und Kat fallen sofort einige Ungereimtheiten auf.
Das E-Book ist schnell gelesen, dafür sorgen die leichte, unterhaltsame Sprache und die kleinen Begebenheit am Rand der Geschichte, die sich sehr witzig lesen. Wenn zum Beispiel Kat dem altgedienten Hausmädchen die Vorzüge eines Kühlschranks mit Eisfach oder eines Staubsaugers nahebringen will und auf Ablehnung stößt, weil dieses elektrische Teufelszeug nicht zur Ehre eines englischen Hausmädchens passt. Auch dass sich Kat gern auf ein Motorrad schwingt und die Umgebung erkundet, ruft in Mydworth Erstaunen hervor.
Sympathische Hauptfiguren und eine überschaubare Anzahl von Protagonisten werden nett in Szene gesetzt. Natürlich bleiben die Personen ziemlich flach, das ist auch schon dem geringen Umfang geschuldet. Eine unterhaltsame Geschichte, der man den Reihencharakter ein wenig anmerkt und genau das Richtige für Entspannung zwischendurch.

Veröffentlicht am 24.11.2019

Provinzposse

Bülent Rambichler und der störrische Karpfen
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Bülent Rambichler, ein Hauptkommissar hat sich geschworen, nicht mehr freiwillig in seinen fränkischen Heimatort zu kommen. „Heimweh ist’s, wenn’s daheim weh tut“ so definiert er das für sich. Aber als ...

Bülent Rambichler, ein Hauptkommissar hat sich geschworen, nicht mehr freiwillig in seinen fränkischen Heimatort zu kommen. „Heimweh ist’s, wenn’s daheim weh tut“ so definiert er das für sich. Aber als in Strunzheim der allerseits beliebte zweite Bürgermeister kopfüber im Karpfenteich gefunden wird und auf dem Allerwertesten eingeritzt auch noch eine bezeichnende Botschaft prangt, bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Zu allem Übel wird ausgerechnet sein Vater verdächtigt. Da verlangt es schon die Familienehre, dass er ermittelt.

Aber was heißt schon ermitteln in diesem Krimi, der alles an schenkelklopfendem Humor mitnimmt. Das wäre auch gar nicht so schlimm, wenn die Autorin nicht öfters mal die Grenze zur Vulgarität und zur Fäkalsprache nach unten schiebt. Weil die Ehefrau des Verstorbenen aus Oberbayern stammt, darf neben dem fränkischen auch gleich der bayrische Dialekt benützt werden.

Die Figuren sind ulkig bis zur Karikatur gezeichnet, ein greises, aber fideles Zwillingspaar, ein tiefenentspannter Schulfreund von Rambichler (so viele Synonyme für die Selbstgedrehte aus heimisch angebautem Kraut habe ich selten gelesen) und nicht zuletzt Bülents Vater, Erkan Rambichler.

Die Handlung nimmt dann auch ihren gemächlichen Verlauf, Bülents Erkenntnisse kommen eher per Zufall zu ihm, wenn er sich aus den diversen Fettnäpfchen befreit hat. Das ist auch immer wieder lustig, wenn man derben Humor mag.

Für mich war an diesem Buch von allem zu viel und deshalb hielt sich auch mein Lesevergnügen in Grenzen.

Veröffentlicht am 20.11.2019

Lee Miller in Paris

Die Zeit des Lichts
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Die junge Amerikanerin Lee Miller kommt Ende der Zwanziger nach Paris, dem Zentrum der Kunst, Literatur und ein Hotspot für Amerikaner, die in das Lebensgefühl dieser Jahre eintauchen wollen.

Lee hat ...

Die junge Amerikanerin Lee Miller kommt Ende der Zwanziger nach Paris, dem Zentrum der Kunst, Literatur und ein Hotspot für Amerikaner, die in das Lebensgefühl dieser Jahre eintauchen wollen.

Lee hat ein gewisses Ansehen als Model erworben, aber sie möchte nicht länger vor der Kamera posieren, sie möchte selbst fotografieren und gestalten. Als sie dem schon arrivierten Man Ray begegnet und er sie nach einiger Zeit als Assistentin engagiert, scheint sie ihrem Ziel schon sehr nahe. Die Zusammenarbeit beginnt sie zu inspirieren, sie wagt immer häufiger fotografische Experimente und bald wird sie die Geliebte und Muse Man Rays.

Doch je sicherer sie sich ihrer Kunst und ihrer Persönlichkeit wird, umso mehr fühlt sie sich von ihm eingeengt und vereinnahmt. Sie fühlt, dass er sie nie als gleichberechtigte Künstlerin anerkennen wird.

Dieser Roman fängt sehr farbig das Lebensgefühl jener Zeit ein. Die Autorin hat sich für ihr Debüt eine interessante Frauenfigur als Protagonistin gewählt, deren Lebensweg sehr abenteuerlich und von vielen Brüchen durchzogen ist. Allerdings beschränkt sie sich nur auf einen kurzen Zeitraum. Von Lee Miller, der Kriegsberichterstatterin erfährt der Leser nur in kurzen eingeschobenen „Vorblicken“.Anfangs hatte ich mehr einen biografischen Roman erwartet und war deshalb fast enttäuscht, dass so vieles vom Leben dieser Frau im Dunkeln blieb, allerdings nahm mich der Schreibstil der Autorin bald richtig gefangen. Whitney Scharer kann hinreißend erzählen und lässt die Pariser Jahre richtig lebendig werden. Sie lässt die Leser eintauchen in die Welt der Boheme, Cocteau, Picasso, Kiki, die Dadaisten und Surrealisten, sie alle tauchen in Man Rays und Lee Millers Umfeld auf.

Ganz besonders gelungen fand ich den Prolog des Buches, er zeigt eine alternde, alkoholkranke Lee, die auf einer Farm in England lebt und die die Erinnerungen und Arbeiten aus ihrer Pariser Zeit im hintersten Winkel ihres Gedächtnisse und auf dem Dachboden verborgen hat. Doch dann wird sie durch einen Auftrag für einen Artikel wieder daran erinnert….

Ein schöner Roman, der Lust macht mehr über die faszinierende Lee Miller zu erfahren.

Veröffentlicht am 19.11.2019

Schuld

Lauerholz
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Auf einer Wiese an der Lübecker Wakenitz werden zwei Teenager gefunden, in enger Umarmung sind sie offensichtlich gemeinsam in den Tod gegangen. Was kann passiert sein, dass die Jugendlichen keinen anderen ...

Auf einer Wiese an der Lübecker Wakenitz werden zwei Teenager gefunden, in enger Umarmung sind sie offensichtlich gemeinsam in den Tod gegangen. Was kann passiert sein, dass die Jugendlichen keinen anderen Ausweg mehr wissen? Am Tatort überfällt Kommissar Birger Andresen ein seltsames Gefühl, das auch der junge Kollege Morten teilt. Ist der Fall wirklich zu eindeutig wie es scheint?

Kann es etwas mit dem Prolog zu tun haben. Dort wird im düsteren Wäldchen Lauerholz,der Junge, Leif offensichtlich von Freunden verfolgt und gehetzt, er rennt zu den Bahngleise und ein Güterzug nähert sich.

Die Benachrichtigung der Eltern ist in so einem Fall nie einfach, aber was Andresen im Zimmer des jungen Mädchens findet, erstaunt ihn sehr. Aber die Mutter blockt ab, ähnlich ergeht es ihm im Elternhaus des Jungen.

Der Krimi hat für seinen Plot ein schwieriges Thema gewählt, Suizid von Jugendlichen und was dazu führt, ist sicher nicht leicht umzusetzen. Das ist dem Autor hier gelungen. Feinfühlig werden die Hintergründe beleuchtet, Charakterbilder gezeichnet und mit spannender Polizeiarbeit abgerundet. Zusätzlich wird Spannung durch einen Nebenstrang der Handlung erzeugt. Der Kommissar begleitet einen Privatdetektiv, der nach 30 Jahren endlich erfahren will, warum seine Eltern ermordet wurden.

Da komme ich nun zu einem Knackpunkt für mich. Ich bin mit diesem Fall in die Serie um Birger Andresen eingestiegen und was mir selten passiert, ist hier eingetreten. Ich hatte das Gefühl, dass mir Vorwissen aus den früheren Bänden fehlt. So konnte ich diverse Beziehungen nicht nachvollziehen und auch die Nebenhandlung erschien mir dadurch nebulös. Deshalb blieben mir Birger Andresen und seine Kollegen, samt ihren Interaktionen fremd. Da sind Kenner der Reihe mit Sicherheit im Vorteil.

Mir gefiel die Handlung mit ihrer Ausgangsidee und die schlüssige Auflösung. Ebenso gefiel mir die einfühlsame Zeichnung der Jugendlichen mit ihren Ängsten und Nöten.

Insgesamt bin ich aber mit Birger Andresen nicht recht warm geworden und das hat mein Lesevergnügen ein wenig geschmälert.