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Veröffentlicht am 30.08.2021

Es ist nie zu spät

Das geheime Leben des Albert Entwistle
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Wenn man sich sein halbes Leben lang verstecken muss, kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Seele bleiben. Der Postbote Albert spürt das in den Monaten vor seiner Pensionierung immer stärker. Andere ...

Wenn man sich sein halbes Leben lang verstecken muss, kann das nicht ohne Auswirkungen auf die Seele bleiben. Der Postbote Albert spürt das in den Monaten vor seiner Pensionierung immer stärker. Andere Menschen hat er immer gemieden, er ist ein Einzelgänger, unnahbar und wortkarg.

Aber das war nicht immer so. Als junger Mann begegnete Albert seiner großen Liebe. Aber das war zu einer Zeit, als Homosexualität als abartig und schmutzig galt. Alberts Vater machte in seinen Beruf als Polizist besonders gern Jagd auf Schwule und als er seinen Sohn mit George ertappte, stellte er ihn vor eine grausame Wahl. Albert bleibt nur die Erinnerung an George.

Als Alberts Katze Gracie stirbt und damit das einzige Wesen, das ihm nahe steht, beginnt er seine Situation mit anderen Augen zu sehen und er macht zum ersten Mal einen Schritt aus seiner Isolation. Er merkt erstaunt, dass er seinen Mitmenschen nicht gleichgültig ist und wie einfach es sein kann, am Leben teilzunehmen.

Die englische Kleinstadt-Atmosphäre fand ich sehr gut getroffen, überhaupt hatte ich bei vielen Beschreibungen gleich das Kopfkino parat, weil mich der Roman von Matt Caine an die britischen Sozialkomödien erinnert. Warmherzig wird die Welt der kleinen Leute dargestellt, die sich nicht unterkriegen lassen. Der Ton ist leise und anrührend und natürlich wächst Albert dem Leser ans Herz. Wenn es gar zu märchenhaft wird – im realen Leben geht es natürlich rauer zu – findet der Autor immer wieder eine Wendung, die verhindert, dass es kitschig wird.

Alberts schüchtern verhaltenes Coming Out hat mich sehr berührt und als er erkennt, dass er kein Außenseiter mehr ist, dass sich die Welt in den letzten 50 Jahren doch verändert hat, musste ich tatsächlich ein-zweimal schniefen.

Eine sehr schöne Geschichte, die viel Warmherzigkeit ausstrahlt.

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Veröffentlicht am 27.08.2021

Es ist nie zu spät für Träume

Bis ans Ende aller Fragen
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Als Maxi mit Anfang Vierzig ihr Teenager Tagebuch findet, wird ihr klar, wie wenig von ihren Jugendträumen sich erfüllt hat. Sie hat weder Mann noch Familie und statt Ärztin ist sie die Besitzerin eines ...

Als Maxi mit Anfang Vierzig ihr Teenager Tagebuch findet, wird ihr klar, wie wenig von ihren Jugendträumen sich erfüllt hat. Sie hat weder Mann noch Familie und statt Ärztin ist sie die Besitzerin eines hübschen Cafés geworden.

Ihre letzte Beziehung ist gescheitert, ihr Freund wollte nie Kinder und es ist für sie ein Schlag ins Gesicht, als sie ihn mit seiner neuen, viel jüngeren Frau trifft und er stolz den Nachwuchs präsentiert.

Da lernt sie im Café den Witwer Gerold mit seinen zwei bezaubernden Kindern kennen. Da kommt ihre Nichte, die bei ihr jobbt, auf die skurrile Idee Maxi als frischgebackene Witwe zu Besuchen bei Trauertreffs der Kirchengemeinde zu schicken. Dort soll sie den perfekten Mann mit Anhang finden. Und tatsächlich, es gibt schon Kandidaten, bei denen Maxi ein gewisses Kribbeln verspürt.

Aber, wie jeder weiß, Lügen haben kurze Beine. Maxi schlittert immer tiefer in das Lügengespinst und ihr Leben wächst ihr bald über den Kopf.

Eine komische, manchmal absurde Geschichte, die temporeich und turbulent erzählt wird. Das ist recht unterhaltsam, wenn man ausblendet, dass Maxi eine gestandene Frau ist. Ich konnte das nicht immer und fand deshalb die Protagonistin einfach albern und nicht viel reifer als zu ihren Tagebuchzeiten. Auch die Ideen ihrer verpeilten Nichte Summer sind vom gleichen Kaliber.

Aber mit vielen kleinen und großen Katastrophen, die durchaus Situationskomik haben, stolpert Maxi in ein Happy End.

Anne Hertz – das sind die Schwestern Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz – ist prädestiniert für leichte und lockere Unterhaltung mit Tempo und Turbulenzen und deshalb ist das Buch genau richtig für ein verregnetes Wochenende.

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Veröffentlicht am 26.08.2021

Freundschaft fürs Leben?

Unter Freunden
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Margot und Flora sind Freundinnen seit sie als junge Schauspielerin in New York Fuß fassen wollten. Über Margot lernt Flora auch Julian kennen, einen aufstrebenden Theatermacher und Schauspieler. Sie werden ...

Margot und Flora sind Freundinnen seit sie als junge Schauspielerin in New York Fuß fassen wollten. Über Margot lernt Flora auch Julian kennen, einen aufstrebenden Theatermacher und Schauspieler. Sie werden ein Paar, während Julian hochgelobte Stücke inszeniert, die leider nie finanziellen Erfolg haben und die „Good Company“ ein Theaterensemble gründet, bleibt Flora im Hintergrund die gute Fee. Sie ist überall zur Stelle, wo sie gebraucht wird, so symbiotisch mit Julians Arbeit verbunden, dass sie sogar den Namen Florian erhält. Mit Werbespots und Synchronsprechen trägt sie ihre Familie, die mit der kleinen Tochter Ruby komplett wird.

Margot heiratet einen Chirurgen und geht mit ihm nach Kalifornien und wird als Serienstar bekannt, auch Julian und Flora folgen einige Jahre später nach Los Angeles. Alles wäre nun friedlich, wenn nicht Flora in einer Kiste Julians Ehering finden würde, den er angeblich vor Jahren beim Schwimmen verloren hatte.

Der Betrug springt Flora buchstäblich an und ihre Sicherheit, ihr Vertrauen geht in die Brüche.

Der Roman erzählt aus den wechselnden Perspektiven von Margot und Flora und es entwickelt sich ein Rückblick auf Liebe und Freundschaft. Das gelingt der Autorin mit stilistischer Leichtigkeit. Die frühen Jahre in Manhattans Theaterszene erinnerten mich an die frühen Woody Allen-Filme. Manhattan als Nabel der Kunstwelt. Aber auch die späteren Jahre in Kalifornien bieten interessante Einblicke in die Filmwelt, mitunter auch mit bösen Seitenhieben.

Die Figuren sind sehr interessant gezeichnet, ihr Leben und ihr Charakter wird aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und sind dadurch sehr vielschichtig und nie flach. Besonders die Beziehung zwischen Flora und Margot hatte ein großes Spannungspotential.

Der Roman um Ehe, Freundschaft und Betrag ließ sich leicht und unterhaltsam lesen. Ich war durch die vielen euphorischen Besprechungen des Erstlings der Autorin neugierig geworden. Ich wurde nicht enttäuscht, hatte mir allerdings noch etwas mehr literarischen Tiefgang und Charakter erwartet.

Ausgezeichnet fand ich das Ende des Romans, der offen lässt, wie sich die Protagonisten entscheiden werden.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Faszinierender Kriminalroman

Mord im Wendland
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Zwei Gelegenheitsgauner wollen mit dem illegalen Abschuss eines Wolfs sich ein Zubrot verdienen, das geht aber gründlich schief und als sie sich verlaufen und verstecktes Auto nicht wiederfinden, stoßen ...

Zwei Gelegenheitsgauner wollen mit dem illegalen Abschuss eines Wolfs sich ein Zubrot verdienen, das geht aber gründlich schief und als sie sich verlaufen und verstecktes Auto nicht wiederfinden, stoßen sie auf ein kleines, heruntergekommenes Gehöft mitten im Wald. Ein Licht lockt sie an und als sie durch die offen stehende Tür sehen, finden sie zwei Tote. Schockiert wollen sie sich aus dem Staub machen und werden unterwegs von der Polizistin Sabine Langkafel aufgegriffen. Als sie von ihrem Fund erzählen, ahnt Sabine noch nicht, was das für Auswirkungen auf sie und ihren Vater haben wird.

Sabine Langkafel bekommt natürlich bei der Dimension des Verbrechens Beamte von LKA vorgesetzt, Melanie Gierke lässt sie jeden Moment spüren, dass eine Landpolizistin für sie keine gleichwertige Kollegin darstellt, so geht Sabine eben eigenmächtig einigen Spuren nach.

Seit Jahrzehnten ist das Wendland geprägt vom Widerstand gegen die Atomenergie. Die Freie Republik Wendland hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens viele Aussteiger angelockt. Einige sind wohl geblieben. Ein Gruppe Bhagwan Anhänger hat sich auf dem Hof eingerichtet, über Jahrzehnte fast vollkommen vergessen von den Bewohnern der kleinen Gemeinde Gartow.

Der Krimi von Klaas Kroon war wie eine Zeitreise für mich. Das fand ich besonders stimmungsvoll und hatte viele Erinnerungen geweckt. Manches kommt mir heute fast lachhaft vor, so ich erinnere mich noch gut an die orange gekleideten Sannyasins in den Städten.

Sabine Langkafel ist als Hauptfigur eine echte Sympathieträgerin. Unbeirrt in ihren Ermittlungen, dabei immer empathisch, authentisch und kollegial. Sie hat in diesem Buch ihren ersten Auftritt und ich finde, sie hat Potential für weitere Folgen.

Der Plot ist nicht nur spannend, er ist auch vielschichtig und gesellschaftskritisch. Das alles ergibt einen Kriminalroman, der mich von der ersten Seite an begeistert und r mich noch lange beschäftigt hat. Das erlebe ich bei einem Krimi nicht so oft.

Meine uneingeschränkte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 19.08.2021

Unruhiges Sabbatical

Trüffelgold
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Zurück ins Perigord heißt es für Marie Mercier, die Pariser Kommissarin mit deutschen Wurzeln. Sie hat das Haus der geliebten Großmutter geerbt und ein Sabbatical soll ihr Klarheit über ihre Zukunft bringen.

Beinahe ...

Zurück ins Perigord heißt es für Marie Mercier, die Pariser Kommissarin mit deutschen Wurzeln. Sie hat das Haus der geliebten Großmutter geerbt und ein Sabbatical soll ihr Klarheit über ihre Zukunft bringen.

Beinahe wird Marie Zeugin, wie ein ihr flüchtig bekannter Radfahrer erschossen wird und natürlich interessiert sie der Mordfall in ihrem neuen Heimatort, dem beschaulichen Saint-André-du-Perigord.

Zwar möchte der ermittelnde Kommissar, Michel Leblanc keine Einmischung, aber Marie kann ihren Reflexen nicht immer Einhalt gebieten. Vor allem, da ihre Jugendfreundin Hélène mit dem Toten liiert war und sie sich damit auch persönlich betroffen fühlt und sie der Meinung ist, dass Leblanc in die falsche Richtung ermittelt.

Julie Dubois hat hier ihren Krimi-Erstling vorgelegt. Sie folgt damit dem Muster der beliebten und erfolgreichen Urlaubskrimis. Die Handlung wird sehr schön und farbig in die zauberhafte Landschaft des Perigord eingebettet. Kulinarische Besonderheiten, den Stellenwert der guten regionalen Küche, die Marie von ihrer Großtante erlernen will, geben dem Krimi einen gemütlichen Anstrich.

Die Figur der Marie Mercier hat mir gut gefallen, eine Großstädterin, die sich auf ihre Wurzeln besinnen will und nach hektischen Jahren im Pariser Kommissariat mit der Ruhe noch nicht so ganz zurechtkommt, das hat sicher noch viel Potential für weitere Fälle.

Die Autorin schreibt unterhaltsam und flüssig, der Fall stellt sich als verzwickt dar und bezieht daraus auch seine Spannung. Aber in erster Linie habe ich es als schönen Ausflug nach Frankreich gelesen.

Das pittoreske Titelbild hat dazu sicher beigetragen.

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