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Veröffentlicht am 11.07.2017

Phantastische Reise ins All

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
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Als eine seltsame Wolke im All sichtbar wird, besinnt sich die tschechische Nation auf ihre Größe. Ein Tscheche soll mit dem schnell gebauten Raumschiff „Jan Hus“ dieses Phänomen erforschen und zum Ruhm ...

Als eine seltsame Wolke im All sichtbar wird, besinnt sich die tschechische Nation auf ihre Größe. Ein Tscheche soll mit dem schnell gebauten Raumschiff „Jan Hus“ dieses Phänomen erforschen und zum Ruhm der Nation beitragen. Jakub Procházka, ein junger Astrophysiker ist für diese Mission ausgewählt. Anfangs erfüllt er noch brav seine Pflichten, testet allerlei technisches Gerät, das Sponsoren zur Verfügung gestellt haben und wartet auf den wöchentlichen Videochat mit seiner Frau. Doch immer mehr Technik fällt aus, seine Frau hat ihn verlassen und er selbst überlässt sich seiner Verzweiflung, seiner Einsamkeit und seinen Phantasien. Oder sollte das Wesen, das nun seine Einsamkeit teilt und mit ihm über Gott und die Welt diskutiert etwa real sein?
Der junge amerikanische Autor Jaroslav Kalfar, der aus Tschechien stammt, nimmt den Leser mit auf eine schwindelerregende Reise ins All. Er sprüht vor Einfällen, lässt seinen Protagnisten wie im Fieberwahn über Philosophie, Gott und die Politik sinnieren. Erinnert sich an seine Kindheit, an den Vater, der ein willfähriger Parteigenosse war, an die liebevollen Großeltern und an seine Jugend, während die „Jan Hus“ durchs All saust. Die Absurdität seiner Mission und seiner Situation ist mit hintergründigem Witz geschildert, die Geschichte hat genau so viel Tempo wie die Raumfähre und immer wenn ich dachte, mehr geht nicht, verblüfft und fesselt eine neue Wendung. Selbstreflexion, politische und geschichtliche Rückblenden, Liebesleben, Kindheitserinnerungen, Raumfahrt – kaum ein Thema lässt der Autor aus und das ergibt eine wirbelnde Geschichte, in der ich mich manchmal fast verloren hätte.
Ein tolles Debüt, das wohltuend vom Mainstream abweicht und mich sehr neugierig auf die Entwicklung des Autors macht.
Übrigens finde ich das Cover außerordentlich gut gelungen.

Veröffentlicht am 10.07.2017

Keine Idylle an der Havel

Havelgift
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Brandenburg, einige Jahre nach der Wende: Jo Barrus hat seinen Beruf als Kriminalkommissar an den Nagel gehängt und arbeitet als Privatdetektiv. Eigentlich mehr schlecht als recht. Würde ihn nicht seine ...

Brandenburg, einige Jahre nach der Wende: Jo Barrus hat seinen Beruf als Kriminalkommissar an den Nagel gehängt und arbeitet als Privatdetektiv. Eigentlich mehr schlecht als recht. Würde ihn nicht seine gute Freundin Hildi und seine Nichte unterstützen, käme er kaum über die Runden.
Da bekommt der einen Auftrag von einer ehemaligen Schulkameradin Eva Mahler, die als Ärztin in einer Klinik Karriere gemacht hat. Ein junger Krankenpfleger ist verschwunden, er war ihr Lover und sie scheut natürlich den Gang zur Polizei. Barrus kommt zu spät. Der junge Mann ist vergiftet worden, mit einem Gift, an dem auch Eva Mahlers Klinik forscht.
Ein spannender Krimi, der mich besonders fasziniert hat, weil seine Handlung Mitte der 90iger Jahre spielt. Die Wende ist noch nicht so lange her, es gibt jede Menge gebrochene Biografien – Jo Barrus selbst ist ein Beispiel dafür – die blühenden Landschaften sind noch ausgeblieben. Barrus Ermittlungen führen ihm allzu deutlich vor Augen, dass noch viele Abrechnungen offen sind. Auch er kommt in den Focus des Mörders.
Der Autor legt ein hohes Tempo vor, die Ereignisse überschlagen sich fast und es gibt kaum eine Seite in der die Spannung nachlässt, was an den Perspektivwechseln – auch der Mörder kommt zu Wort – und Nebensträngen liegt. Barrus und seine widerborstige Nichte Berit finde ich besonders gelungen dargestellt. Figuren, die das Leben schon gezeichnet hat und die gerade deshalb so glaubwürdig und sympathisch sind.

Veröffentlicht am 06.07.2017

Schöner Urlaubskrimi

Elsässer Versuchungen
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Jules Gabin hat sich mit seinem dritten Fall im Elsass eingelebt. Er hat eine neue Beziehung mit der taffen Staatsanwältin Joanna, die ab und an für einen beruflichen Interessenskonflikt sorgt. Zwar war ...

Jules Gabin hat sich mit seinem dritten Fall im Elsass eingelebt. Er hat eine neue Beziehung mit der taffen Staatsanwältin Joanna, die ab und an für einen beruflichen Interessenskonflikt sorgt. Zwar war die Trennung von seiner bisherigen Partnerin Lilou nicht ganz konfliktfrei verlaufen, aber er ist froh über die Lösung.

Da macht ihm ein ganz pikanter Fall zu schaffen. Ein Toter wurde am französischen Ufer des Rheins angespült und ausgerechnet in Rebenheim hat der Deutsche die letzten Tage verbracht. Offiziell darf er gar nicht ermitteln, da die Police nationale für den Fall zuständig ist und nicht die Gendarmerie, aber Reibereien zwischen den Dienststellen Strasbourg und Colmar führen dazu, dass sein Vorgesetzter ihn inoffiziell auf den Fall ansetzt. Und ausgerechnet jetzt ist Rebenheim in Aufruhr, Frédéric Rocca, der berühmte Schauspieler, will zurück an Ort seiner Kindheit ziehen.

Der dritte Band um Major Jules Gabin hat mir bisher am besten gefallen. Es ist die ausgewogene Mischung aus Urlaubsfeeling, französischem Savoir Vivre und Spannung, die dieses Mal stimmt. Das Elsass und seine manchmal recht urig-knurrig dargestellten Bewohner geben einen schönen Hintergrund ab. Natürlich dürfen auch die Ausflüge in Gastronomie und die Küchenkunst nicht fehlen, da der Südfranzose Dupin inzwischen die Elsässer Küche schätzen gelernt hat. Die Ermittlungen um den Todesfall, der sich schnell als Mord herausstellt, ist spannend und gut aufgebaut. Auch den Plot finde ich originell.

Ein gelungener Urlaubskrimi.


Veröffentlicht am 29.06.2017

Spannende Spurensuche

Todeshaff
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Ich kenne und schätze die Krimis der Autorin Katharina Peters. Zum ersten Mal habe ich nun einen Fall der ungewöhnlichen Ermittlerin Emma Klar gelesen.
Emma arbeitet als verdeckte Ermittlerin des BKA und ...

Ich kenne und schätze die Krimis der Autorin Katharina Peters. Zum ersten Mal habe ich nun einen Fall der ungewöhnlichen Ermittlerin Emma Klar gelesen.
Emma arbeitet als verdeckte Ermittlerin des BKA und hat als Tarnung einen Job in einer Privatdetektei, zusammen mit den privaten Kollegen übernimmt sie nach Absprache mit Chefin Johanna, Fälle bei denen einen gewisser Freiraum von Vorteil ist.
Aktuell überwacht sie Christoph Klausen, der nach 10 Jahren Haft wegen Totschlags auf freien Fuß gekommen ist und da zwei Tote im Salzhaff gefunden wurden, die Verbindung zum damaligen Opfer hatten, gerät Klausen wieder ins Visier. Die Spuren führen in die Vergangenheit der DDR und die Wendezeit. Alle drei Opfer waren als Pädagogen in einem Jugendwerkhof tätig, eine Erziehungsform der DDR, die man nur als unmenschlich bezeichnen kann. Die jugendlichen Insassen sollten zu wahren „Sozialisten“ umerzogen werden, aber ihr Status war mehr oder weniger rechtlos und sie fast völlig unkontrolliert dem System ausgeliefert. Erst in den letzten Jahren begann man mit der Aufarbeitung der Methoden der Werkhöfe und den Schicksalen der Insassen. Dieser geschichtliche Teil hat mir auch sehr gut gefallen.
Der Krimi ist wieder sehr spannend aufgebaut, die kleinteilige Suche nach den Spuren der Vergangenheit hat mich fasziniert. Anfangs erforderte die eigenwillige Ermittlerkombination meine volle Aufmerksamkeit, vielleicht weil ich auch den Vorgängerband nicht kenne. Aber die Handlung ließ mich nicht los, die vielschichtig beschriebenen Figuren fand ich besonders interessant und auch welche Auswirkung verdrängte Erfahrungen noch Jahrzehnte später haben. Mich überzeugte der Handlungsaufbau, der die unterschiedlichen Biografien und Bewältigung der Vergangenheit sehr plastisch erzählt. Aber das ist nicht die einzige Spur der Emma und ihre Kollegen nachgehen, es gibt seltsame Geldströme und weitere Ungereimtheiten, denen die Ermittler nachgehen.
Nur der Schluss ist mir fast zu plötzlich und zu forciert gekommen, die Actionszenen waren zwar sehr dramatisch geschildert, wirkten auf mich aber fast ein wenig aufgesetzt und passten meiner Meinung nach nicht ganz zum bisherigen Krimi.
Aber es klang auch an, dass man sich auf vielleicht auf eine Fortsetzung freuen kann und auf die Entwicklung von Emma Klar bin ich sehr gespannt.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Sturz in den Tod

Madame le Commissaire und der Tod des Polizeichefs
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Das ist der dritte Band aus der Isabelle Bonnet Serie. Ich habe noch keinen der früheren Bände gelesen, habe das auch überhaupt nicht als Manko empfunden. Das Buch ist völlig unabhängig von den Vorgängern ...

Das ist der dritte Band aus der Isabelle Bonnet Serie. Ich habe noch keinen der früheren Bände gelesen, habe das auch überhaupt nicht als Manko empfunden. Das Buch ist völlig unabhängig von den Vorgängern zu lesen.
Isabelle, die hochdekorierte Polizistin aus Paris, die sich nach einem diffizilen und gefährlichen Auftrag als einfache Kommissarin in ihre Heimatstadt in der Provence versetzen ließ, nimmt langsam Abstand und finde allmählich zum ruhigen Lebensgefühl zurück. Sie überprüft alte ungelöste Kriminalfälle, manche bringt sie sogar zur Aufklärung. Allerdings gibt es da immer wieder Spezialaufträge aus Paris. So soll sie den Selbstmord des Polizeichefs prüfen. Sie macht sich natürlich keine Freunde unter den Polizeikollegen mit ihren Fragen und ihren besonderen Befugnissen. Gut, dass ihr etwas konfuser, aber blitzgescheiter Assistent Apollinaire zu ihr steht.
Isabelle findet den Selbstmord viel zu glatt und diverse Winzigkeiten, die niemand beachtet, ergeben im Zusammenhang ein ganz anderes Bild. Dass Isabelle damit nicht nur dem Nachfolger auf die Füße tritt, versteht sich von selbst. Südfrankreich ist schon längst in Kartelle aufgeteilt, die Russen für das Sexgeschäft, die korsischen Banden für die Drogen.
Der Krimi ist wirklich spannend, der Handlungsort Provence passt ausgezeichnet und gibt einen stimmungsvollen Hintergrund ab in der genau richtigen Dosierung. Isabelle als Ermittlerin ist eine faszinierende Person, charmant und gutaussehend, aber auch hart und zielgerichtet. Ihr Privatleben ist noch etwas chaotisch, ist immer eine unterhaltende Nebenhandlung, nimmt aber nicht zu viel Raum ein. Die Krimihandlung bleibt immer im Vordergrund. Obwohl ich schon bald einen Verdacht hatte, der sich letztendlich auch bestätigte, hat die Spannung nie nachgelassen. Dafür gibt es einfach zu viele geschickte Wendungen und Haken. Das ist ausgesprochen flüssig und unterhaltsam erzählt, die Cote d’ Azur mit ihren Nobelorten wird genau so lebendig, wie die provenzalische Kleinstadt, mit dem etwas verschlafenen Charme. Ein idealer Urlaubskrimi, der Lust auf weitere Bände macht.