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Veröffentlicht am 03.02.2018

Fünf Ostfriesen und ein Fall

Wetterleuchten und ein Todesfall
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Fünf Ermittler, aussortiert aus dem normalen beruflichen Alltag, werden in die Soko 117 abgeschoben. Ihr Büro ist eine kleine abseits gelegene Kammer, mit zwei Schreibtischen und allerhand ausrangiertem ...

Fünf Ermittler, aussortiert aus dem normalen beruflichen Alltag, werden in die Soko 117 abgeschoben. Ihr Büro ist eine kleine abseits gelegene Kammer, mit zwei Schreibtischen und allerhand ausrangiertem Mobiliar. Ein Telefon, das erst nach Diskussionen freigeschaltet wird und ein alter Computer ohne Netzverbindung, sollen Normalität signalisieren. Augenleiden, schwere Diabetes, Burnout, Übergewicht, das sind die Probleme mit denen sich die Fünf herumquälen. Natürlich ahnen sie, dass sie hier auf ein Abstellgleis geschoben wurden, denn das Telefon scheint nie zu klingeln. So verbringen sie ihre Tage bei Tee und Skat und warten auf den Feierabend. Bis dann eines Tag doch etwas passiert: das Telefon klingelt. Eine alte Dame sah beim abendlichen Gassi-gehen während eines Wetterleuchtens etwas Großes in der Nordsee treiben. Zwei Tage später – um nicht den Anschein des Übereifers zu geben, schlagen sie gemeinsam bei der Zeugin auf. Das wiederum erklärt sich aus den Eifersüchteleien untereinander, denn wenn schon mal was passiert, will jeder beteiligt sein.
Die Idee, Außenseiter, ja richtige Loser, zusammenzubringen hat mich schon bei der Beschreibung angesprochen und die ersten Seiten entlockten mir einige Heiterkeitsausbrüche. So witzig sind die Protagonisten und ihre Probleme beschrieben. Im weiteren Verlauf des kurzen Krimis gab es immer wieder solche urkomische Szenen, aber der gemächliche Verlauf und die vielen Wiederholungen schmälerten etwas mein Lesevergnügen. So fand ich den Running Gag mit den Leberwurstbroten für Okko irgendwann auserzählt. Ich vermisste ein wenig den „Krimi-Kick“, den ich aus dem Verlagsnamen geschlossen hatte. Insgesamt ein unterhaltsamer kurzer Roman, mit vielen liebevoll gezeichneten Protagonisten, der eher die Leser von gemütlichen Krimis anspricht.

Veröffentlicht am 31.01.2018

Hollywood Babylon

Der Mann, der nicht mitspielt
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Hollywood, Anfang der 20ger Jahre des letzten Jahrhunderts: Harry Engel hat es, wie so viele als Schauspieler nicht geschafft, mit Kleinst-und Statistenrollen hält er sich über Wasser. In seinem früheren ...

Hollywood, Anfang der 20ger Jahre des letzten Jahrhunderts: Harry Engel hat es, wie so viele als Schauspieler nicht geschafft, mit Kleinst-und Statistenrollen hält er sich über Wasser. In seinem früheren Leben in Deutschland war er Polizist, warum nicht also auch als Privatdetektiv arbeiten.
Da taucht plötzlich die attraktive und geheimnisvolle Pepper Murphy in seinem Wohnbüro auf, ihr Auftrag: er soll ihre Freundin und Kollegin, das verschwundene Starlet Virginia Rappe finden.
Harry Engel hat schon längst alle moralische Bedenken über Bord geworfen, er agiert zwischen allen Fronten, fordert Gefälligkeiten oder lässt sich selbst auf Nebengeschäfte ein. Schließlich muss auch er überleben. Dass er sich in seine attraktive Auftraggeberin verliebt, auch wenn er weiß, dass sie alles andere als ehrlich zu ihn ist, ist nur folgerichtig.
Damit ist die Handlung umrissen. Der Fall Virginia Rappe ging in die Skandalgeschichte von Hollywood ein und noch heute scheint der Kriminalfall nicht eindeutig gelöst. Die Macht der Studios und ihre Angst vor Skandalen war und ist bis heute übermächtig. Hollywood Babylon – ein Sumpf aus Korruption, Skandalen, Drogenrausch, Alkohol und sexueller Ausbeutung, das klingt auch heute noch aktuell. Der Autor taucht tief in Szene ein, die goldene Ära des Stummfilms und die Ära des „Hardboiled“ Krimis. Er hat seine Vorbilder wie Dashiell Hammett oder Chandler gut studiert und trifft genau den Ton dieser desillusionierten und hartgesottenen Detektive. Seine Sprache ist schnell, die Dialoge direkt und zynisch. Die Handlung ist komplex ausgearbeitet und die vielen Anspielungen auf reale Ereignisse und Personen der Filmgeschichte des frühen Hollywoods und der berühmten Studios machen den Detektivroman auch zu einem Buch für Filmkenner. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass für Leser so ganz ohne Interesse an Kino und Filmgeschichte die Handlung manchmal zu ausufernd wirkt.
Wenn das Buch, wie angekündigt, der Auftakt zu einer Reihe über die großen Skandale Hollywoods wird, bin ich gespannt auf die weitere Arbeit des Autors.

Veröffentlicht am 30.01.2018

Was ist mit Vater

Früher hab' ich nur mein Motorrad gepflegt
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Irgendwann erreicht jeden von uns dieser gefürchtete Anruf: es ist was mit Mutter oder Vater passiert und dann stellt sich die Frage – was nun?

Wer sich im Bekanntenkreis umhört, wird schnell feststellen, ...

Irgendwann erreicht jeden von uns dieser gefürchtete Anruf: es ist was mit Mutter oder Vater passiert und dann stellt sich die Frage – was nun?

Wer sich im Bekanntenkreis umhört, wird schnell feststellen, dass das kein Einzelfall ist. Jahrelang hat man den Gedanken daran weit weggeschoben. Es geht den alten Eltern ja noch gut. Sicher, kleine Gebrechen und Einschränkungen hat man wahrgenommen, aber es funktioniert doch alles. Bei den paar Besuchen war der Kaffeetisch gedeckt, der Kuchen war selbst gebacken und Hilfe wurde gar nicht erwartet oder gar angenommen. Aber wenn man sich die Zeit nimmt und hinter die Fassade aus Stolz und Eigensinn schaut, sieht es doch ganz anders aus.

Der Kabarettist Bernd Gieseking schrieb auf, wie es ihm erging, als er sich der Tatsache stellte, dass die Kräfte der alten Eltern nachgelassen haben und Unterstützung gebraucht wird.
Für einige Wochen hat er sich in einem Wohnwagen im Garten der Eltern einquartiert um da zu sein und zu erkennen, wo er helfen kann. Dabei hat er mehr über sich gelernt, als er dachte und auch seine Eltern aus einem völlig neuen Blickwinkel gesehen. Er wäre kein erfolgreicher Kabarettist, wenn er nicht aus den vielen kleinen Alltagsepisoden Witz und Komik geschöpft hätte. Das Leben im Alter muss ja nicht freudlos sein.

Aber hinter den amüsanten Geschichten steckt schon mehr. Wenn er seinen Vater zum Arzt begleitet und feststellt, dass selbst er kaum den Ausführungen des gehetzten Arztes folgen kann – wie soll sein schwerhöriger Vater das verstehen. Oder wenn er begreift, dass seine Hilfe auch am Stolz der Eltern kratzt, die ein Leben lang unabhängig waren und nun schwer einsehen können, dass sich das Eltern – Sohn Verhältnis langsam umkehrt. Er muss sich aber auch der Frage stellen, wie viel er selbst aufgeben kann. Wohnort, Beruf, Lebensmittelpunkt – das ist heute nicht mehr an den Heimatort gebunden und führt zu Situationen, die frühere Generationen nicht kannten.

Eine Herausforderung also, der er mit Humor und spitzer Feder begegnet. Ein Buch, das mich gut unterhalten, aber auch sehr nachdenklich gestimmt hat.

Veröffentlicht am 27.01.2018

Kunst und Mord

Tod im Wald der Engel
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Nach der Vernissage ihrer neuen Ausstellung schwirrt Anna Berg der Kopf. Die unfreundlichen Bemerkungen eines Journalisten machen ihr zu schaffen und deshalb wandert sie spät nachts noch über die Ölgangsinsel ...

Nach der Vernissage ihrer neuen Ausstellung schwirrt Anna Berg der Kopf. Die unfreundlichen Bemerkungen eines Journalisten machen ihr zu schaffen und deshalb wandert sie spät nachts noch über die Ölgangsinsel im Neusser Hafen. Die Bemerkung einer Besucherin hat sie auf diese Idee gebracht. Als sie ihr eine Katze mit blutigem Fell zuläuft, sich aber wieder losreißt, alarmiert sie die Feuerwehr um das verletzte Tier zu retten. Die Leute finden wohl die Katze, aber das Blut auf ihrem Fell stammt von einem erschlagenen Mann im Gebüsch. Anna gerät unter Verdacht, denn der Tote ist der unverschämte Journalist, der ihr mit einer vernichtenden Kritik die Ausstellung vermieste. Die ermittelnde Oberkommissarin glaubt ihr nicht, ganz im Gegenteil, wie ihr Verhalten beweist und Anna bleibt nichts anderes übrig, als selbst nach Spuren zu suchen.

Anna versucht nun Beweise für ihre Unschuld zu finden. Sie geht ganz unbegangen, manchmal sogar naiv an die Befragungen, aber ihre Spontanität und ihre Gabe auf Menschen zuzugehen, bringen erstaunliche Ergebnisse. Eine ganze Menge Leute hatten Grund den Journalisten zu hassen, nicht zuletzt auch Oberkommissarin Richards, der er unverhohlen Unfähigkeit und Fehler unterstellte.

Es ist wirklich unterhaltsam sich mit Anna in diesen Fall zu ermitteln. Wir folgen der Hauptfigur, geraten mit ihr auf Nebengleise und ganz allmählich ergeben die Puzzleteile ein Ganzes. Es ist eine gradlinige Erzählweise, in der dritten Person gehalten, die ganz von der sympathischen Protagonistin getragen und durch die Dialoge aufgelockert wird. Der Plot ist gerade durch den kleinstädtischen Bezug reizvoll und solide ausgearbeitet. Der regionale Bezug zum Naturschutzgebiet der kleinen Halbinsel im Neusser Hafen macht den Lesern mit Ortskenntnis ganz besonderes Lesevergnügen. Das Wissen um die besonderen Pflanzen dieser Gegend, die auch die Künstlerin zu ihren Bildern inspirierten, hat für mich die Geschichte noch abgerundet.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Gelungen

Je tiefer man gräbt
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Cornwall ist Krimiland und Cornwall ist Gartenland. Das passt es doch ausgezeichnet, dass Mary Ann Fox in ihrem Buch „Je tiefer man gräbt“ gleich beides verbindet.


Mags kehrt nach einer unglücklichen ...

Cornwall ist Krimiland und Cornwall ist Gartenland. Das passt es doch ausgezeichnet, dass Mary Ann Fox in ihrem Buch „Je tiefer man gräbt“ gleich beides verbindet.


Mags kehrt nach einer unglücklichen Ehe desillusioniert und mit einer Menge Schulden in ihr heimatliches cornisches Rosehaven zurück. Gärten waren immer schon ihre große Leidenschaft und von ihrem Vater hat sie das Talent und auch das Wissen zum Gärtnern bekommen. Ihre kleine Gartenbaufirma beginnt sich gerade einen Namen zu machen, aber ein Nebenjob ist immer willkommen.

So führt sie am Tag der offenen Gartentür Besuchergruppen durch die großartigen Gärten von „The Shelter“, einen Garten, bei dem ihr Vater maßgeblich zur Restaurierung beigetragen hat. Als sie ungewöhnliche Hortensienfarben bemerkt, ist ihr Interesse geweckt. Natürlich gibt es im Herrenhaus auch ein Geheimnis,gestohlener Familienschmuck und eine verschwundene Verlobte lassen Mags erst recht neugierig werden.


Ich weiß nicht, was mir besser gefallen hat: die Beschreibung von Mags als liebenswerte Gärtnerin oder Mags als neugierige Schnüfflerin, die viele Fragen stellt und Schlüsse zieht, die sie selbst in Gefahr bringen. Beides ist gut abgestimmt und hat mir viel Spaß gemacht. Das ist ein ganz typischer und empfehlenswerter Wohlfühlkrimi, der sich spannend liest und dessen Figuren man so richtig ins Herzen schließen kann. Wer Gärten und Blumen liebt und englische Landhauskrimis schätzt, wird bei diesem Buch ganz auf seine Kosten kommen.


Ich hoffe, Mary Ann Fox hat noch viele neue Ideen, mit denen sie ihr Protagonistin Mags in neue Fälle verwickeln kann. Auf weitere Bände bin ich jedenfalls sehr gespannt.