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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.01.2018

Endstation Zirkus

Ohne doppelten Boden
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Zirkus Träume wird die Endstation für die junge Artistin Luzie van Elm werden. Beim Training stürzt sie vom Trapez und bleibt tot in der Manege liegen. Kein Unfall wie Ruth und Becht, das Ermittlerteam ...

Zirkus Träume wird die Endstation für die junge Artistin Luzie van Elm werden. Beim Training stürzt sie vom Trapez und bleibt tot in der Manege liegen. Kein Unfall wie Ruth und Becht, das Ermittlerteam feststellen, das Seil war angeschnitten und mit Kreppband getarnt. Es gibt jede Menge Motive und Verdächtigte, Minka – so ihr Rufname – setzte ihre Attraktivität gekonnt ein, auch wenn sie angeblich nur Beppo, den Clown wirklich liebte. Aber auch ihr Teampartner Gil, der Zauberer der Truppe und der Direktor selbst, hatten alle irgendwann mal eine Beziehung mit ihr.
Während Ruth und Becht noch an diesem Fall arbeiten, kommen sie durch Beppo plötzlich auf eine ganze andere Spur, Fälle, die Jahre zurückliegen, scheinen nun plötzlich wieder aktuell zu werden.
Nach der ersten Hälfte des Buches hatte ich fast den Eindruck in einem neuen Krimi gelandet zu sein, so sehr verschiebt sich der Focus der Ermittlungen. Es ist ganz interessant den Ermittlungen des quirligen Teams zu folgen, wobei ich mich aber immer fragte, wieso der Kommissar Becht immer beim Nachnamen genannt wird und die Kollegin grundsätzlich „Ruth“ bleibt. Die Spurensuche hat mir in der Detailgenauigkeit auch ganz gut gefallen, nur einmal kam ich ins Stutzen: der Clown erscheint bei den Befragungen immer geschminkt, ein Beobachten des Mienenspiels ist dadurch ausgeschlossen. Ob das eine Kommissarin akzeptieren würde?
Ganz gegen Ende des Krimis fügt die Autorin die beiden sehr unterschiedlichen Ermittlungen wieder geschickt zusammen um zu einer logischen Aufklärung zu kommen. Vielleicht hätte man nicht so viele Themen und Spuren einführen sollen, die letztendlich versandeten, das hätte noch für einen zweiten Krimi gereicht.
Es war ein ganz spannender Krimi für zwischendurch.

Veröffentlicht am 21.01.2018

Tod in Ruinen

Tausend Teufel
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Der zweite Band um Goldammers Ermittler Max Heller führt wieder ins zerbombte Dresden. Nachkriegswinter 1947: Die Macht der russischen Besatzer scheint allumfassend, die Bevölkerung hungert und friert ...

Der zweite Band um Goldammers Ermittler Max Heller führt wieder ins zerbombte Dresden. Nachkriegswinter 1947: Die Macht der russischen Besatzer scheint allumfassend, die Bevölkerung hungert und friert und kämpft ums Überleben. Da findet Heller einen bestialisch ermordeten Mann und in der Nähe der Leiche einen Rucksack mit einem abgetrennten Männerkopf. Ermittlungen gestalten sich als schwierig, die Toten waren wohl Russen und die Militärs wollen keine Einmischung von außen.
Max Heller geht aufrecht und gradlinig wie eh und eh durch’s Leben. So wenig wie er während des Nationalsozialismus Parteimitglied war, so wenig möchte er nun der SED beitreten. Das Elend um ihn herum macht ihm zu schaffen, für einen Kanten Brot ist fast jeder bereit sich zu verkaufen. Aber er sieht auch mit Schrecken, wie schnell sich die Menschen von einer Ideologie zu nächsten wenden. Fassungslos macht ihn das Schicksal der elternlosen Kinder, die in den Ruinen leben und die völlig allein gelassen ums Überleben kämpfen.
Ich habe den ersten Band sehr gut gefunden, beim zweiten Band fehlte mir die Weiterentwicklung. Die Schilderung des Elends der Nachkriegszeit mit Hunger und Kälte nimmt breiten Raum ein, was nicht verkehrt ist, denn es wirkt sehr gut recherchiert und real. Schwarzhändler, Korruption, alte Nazis und Wendehälse bestimmen das Bild. Max Heller wird als Figur dargestellt, der über allem steht, der sogar eine Tasse Bohnenkaffee ablehnt, weil er sich nicht verkaufen möchte. Dafür kümmert er sich selbstlos um Alte und elternlose Kinder, selbst wenn es die Ration seiner Familie schmälert. Er wird als Lichtgestalt zwischen all dem Bösen inszeniert, das war mir mit zu wenig Zwischentönen dargestellt.
Der Kriminalfall wirkt etwas kompliziert konstruiert, manchmal hatte ich auch den Eindruck, dass er hinter der Milieu- und Zeitschilderung zurückstehen sollte.
Für das Verständnis ist es hilfreich, den ersten Band zu kennen. Man wird allerdings dann auch das Gefühl haben, dass der Krimi wie ein zweiter Aufguss wirkt.

Veröffentlicht am 20.01.2018

Olgas Entscheidung

Olga
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Olga weiß schon sehr früh, was sie im Leben erreichen möchte, egal welche Schwierigkeiten das Schicksal ihr auch beschert. Früh zur Waise geworden, lebt sie bei einer gefühlskalten Großmutter, die dem ...

Olga weiß schon sehr früh, was sie im Leben erreichen möchte, egal welche Schwierigkeiten das Schicksal ihr auch beschert. Früh zur Waise geworden, lebt sie bei einer gefühlskalten Großmutter, die dem Kind keine Zuneigung zeigen kann. Mit unglaublicher Energie und Willenskraft gelingt ihr trotz vieler Widerstände die Ausbildung zur Lehrerin.

Schon als Kind freundet sie sich mit den Geschwistern vom Gutshof an, obwohl Viktoria die Standesunterschiede sehr betont, aber mit Herbert verbindet sie bald mehr. Ihre Liebe überdauert die Kinder- und Jugendzeit und findet doch nie eine echte Erfüllung, denn Herbert kann und will sich nicht über die elterliche Ablehnung dieser Verbindung hinwegsetzen. Auch Pommern ist ihm zu eng, er sucht das Abenteuer, die Weite, die Entdeckung der Welt. Wenn Herbert auf Schwierigkeiten stößt, dann flieht er, denn anders kann ich seine Reisen nicht interpretieren. Er liebt Olga, aber es macht ihm auch nichts aus, monate- ja jahrelang fernzubleiben und seine Liebe aus der Ferne zu leben. Ein interessantes Zitat auch auf Seite 80: „Nichts was er geben konnte, versagte er ihr. Was sie vermisste, war er zu geben nicht fähig.“

Schon nach einigen Seiten fällt der Ton des Erzählens auf. Eine unaufgeregte, zurückhaltende Stimme aus dem Hintergrund, die Olga und Herberts Geschichte erzählt. Das liest sich leicht, aber manchmal auch zu beschaulich und fast eintönig. Erst im zweiten Teil bekommt der Erzähler Kontur. Es ist Ferdinand, ein stiller Pastorenjunge, der mit der alten Olga, die inzwischen nach zwei Kriegen und Vertreibung im Westen der jungen Republik lebt, Freundschaft schließt.

Der dritte Teil des Romans gibt dann auch Olga eine Stimme, Briefe die sie an ihre Liebe Herbert schreibt. Mir gefällt die Hauptfigur, eine starke Frau, lebensklug und intelligent, die sich nie von äußeren Umständen beeindrucken lässt und in ihren Lebensentscheidungen erstaunlich souverän ist.

Ich habe das Buch von Bernhard Schlink gern gelesen, aber es fehlte mir das gewisse Etwas. Ich möchte es nicht auf fehlende Spannung oder Dramatik reduzieren, aber der Ton des Romans war mir - wie schon gesagt - zu beschaulich.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Lucrezia

Die letzte Borgia
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Mit dem Namen Lucrezia Borgia verbindet man sofort Machtgier, Giftmischerei und Gattenmord. Dass sich dahinter eine jahrhundertelange Verleumdung und falsche Geschichtsschreibung verbirgt, wird schon länger ...

Mit dem Namen Lucrezia Borgia verbindet man sofort Machtgier, Giftmischerei und Gattenmord. Dass sich dahinter eine jahrhundertelange Verleumdung und falsche Geschichtsschreibung verbirgt, wird schon länger in den neueren Forschungen dokumentiert. Also bietet sich eine solch umstrittene, von Legenden umrankte Figur für einen farbigen historischen Roman geradezu an.

Lucrezia, die uneheliche Tochter des Papsts Alexander VI, soll in dritter Ehe mit dem Herzog Alfonso d’Este verheiratet werden. Der machthungrige Clan der Borgias verspricht sich noch mehr Einfluss auf die Politik. Schon seit Jugendzeiten ist sich Lucrezia ihre Stärke und Position bewusst, sie regiert wie selbstverständlich im Vatikan mit und weiß ihre Interessen zu wahren.

In diesem zweiten historischen Roman über die Familie Borgia richtet die Autorin das Augenmerk auf die dritte Ehe Lucrezias und die Machtansprüche, die daraus erwachsen. Intrigen, Liebschaften und Ränkespiele bei Hof sind sehr farbig und detailreich erzählt. Man spürt aus jedem Absatz die genaue Recherche, auch wenn sich natürlich Geschichtliches der Dramaturgie des Romans unterordnet.
Aber es gelingt der Autorin die Figur der Lucrezia lebendig werden zu lassen und die Frau hinter dem überlieferten Bild zu zeigen. Sehr gekonnt und auch gut zu lesen ist der historische Hintergrund. Die Kunst der Renaissance und das Menschenbild dieser Zeit wurde gut transportiert. Das Leben am herzoglichen Hof und das Leben im Vatikan, die politischen Verbindungen und die Intrigen um Macht und Geld sind spannend erzählt. Da es eine Unzahl von historischen Dokumenten gibt, konnte Sarah Dunant aus dem Vollen schöpfen
.
Trotzdem vermochte es das Buch nicht, mich völlig in Bann zu ziehen, wobei ich gar nicht im Detail benennen kann, woran das liegt. Vielleicht fehlt mir einfach nur die Kenntnis des ersten Bands, ich denke, das wäre hilfreich gewesen.

Veröffentlicht am 14.01.2018

Mother Hook

Engelskinder
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Elly Griffiths ist eine Autorin, die ich sehr schätze und ihre Hauptfigur, die forensische Anthropologin, Dr. Ruth Galloway ist eine Frau nach meinen Geschmack. Inzwischen liegt mit „Engelskinder“ das ...

Elly Griffiths ist eine Autorin, die ich sehr schätze und ihre Hauptfigur, die forensische Anthropologin, Dr. Ruth Galloway ist eine Frau nach meinen Geschmack. Inzwischen liegt mit „Engelskinder“ das siebte Buch vor und auch dieses Mal hat mich die Geschichte absolut überzeugt.


Dr. Galloway findet bei Sicherungsgrabungen ein Frauenskelett. Der Fundort am Richtplatz, die Art der Beisetzung und eine Besonderheit am Skelett, nämlich ein Eisenhaken statt der linken Hand, deuten auf „Mother Hook“ hin, eine sogenannte Babyfarmerin im viktorianischen England. Die Frau wurde wegen vielfachen Kindsmord gehenkt und ihre Geschichte ist in Literatur und Liedgut eingegangen, wie bei uns der „schwarze Mann“. Gleichzeitig beschäftig sich DCI Nelson mit einem verdächtigen Fall von plötzlichem Kindstod. Der Mutter verstarb schon zum dritten Mal ein Baby und Faserspuren in Mund und Nase lassen einen furchtbaren Verdacht bei Nelson keimen, aber die Beweislage ist dürftig und die Presse und die Öffentlichkeit stehen auf Seiten der verzweifelten Frau.


Ich bin immer wieder fasziniert, wie geschickt die Autorin aktuelle Fälle mit historischen Begebenheiten verknüpft und dadurch eine ganz besondere Spannung erzielt. Dabei zwingt sie die Leser zur Stellungnahme. Auch Ruth hat ihre Tochter bei einer Tagesmutter, ist sie deshalb eine schlechtere Mutter als Liz, die sich ganz ihren Kindern widmete und doch ihren Tod nicht verhindern konnte? Waren die Babyfarmerinnen des frühen 19. Jahrhunderts die Vorläuferinnen unserer Tagesmütter?


Während Ruth historischen Fällen von Kindesmord und Verwahrlosung nachgeht, muss Nelson sich der gleichen Problematik in der Gegenwart annehmen. Pikant ist das Verhältnis zwischen Ruth und Nelson, denn er ist der Vater ihrer Tochter, entstanden aus einem verzweifelten One Night Stand, den beide nicht vergessen können. Die berufliche Zusammenarbeit ist immer in labilem Gleichgewicht.


Elly Griffiths kann wunderbar Stimmung erzeugen, mit ihr tauche ich immer wieder in vergangene Zeitalter, wobei in diesem Fall die viktorianische Ära nicht ganz so geheimnisvoll wirkt, wie die keltische Atmosphäre der früheren Bücher. Der Figurenkosmos um Ruth ist mir inzwischen schon vertraut, aber auch Neuentdecker werden keine Probleme haben in die Geschichte zu finden. Der Sog entwickelt sich schon nach kurzer Zeit.
Wieder ein ausgezeichneter, klassischer Kriminalroman, den ich nur empfehlen kann.