Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.12.2017

Zuckersüß

Wir sehen uns beim Happy End
0

Emilia ist eine ganz besonders harmoniesüchtige Frau. Sie hat sich ganz dem Happy End verschrieben. So sehr, dass sie sogar einen eigenen Blog hat, auf dem sie für viele tausend Follower tragische Enden ...

Emilia ist eine ganz besonders harmoniesüchtige Frau. Sie hat sich ganz dem Happy End verschrieben. So sehr, dass sie sogar einen eigenen Blog hat, auf dem sie für viele tausend Follower tragische Enden von Filmen und Büchern umdichtet. Warum sollte es keine glückliches Ende für Rose und Jack auf der Titanic geben? Sie selbst steht schließlich auch kurz vor dem großen „JA“ . Seit 5 Jahren ist sich glücklich liiert, hat ihren Beruf aufgegeben um ihrem Philipp ein gemütliches Nest zu bauen und ihren Blog zu führen, da kommt die große Überraschung: ihr Freund sieht das ganze ein wenig anders und möchte sich trennen.
Emilia rennt aus dem Haus und kurz darauf einen Mann über den Haufen……..


Mehr werde ich von dieser wendungsreichen Romanhandlung nicht verraten. Charlotte Lucas ist eine bekannte Autorin, die sowohl unter ihrem Pseudonym, wie auch unter ihren richtigen Namen erfolgreiche Bestseller schreibt. Sie kennt das Rezept und mischt die Zutaten jedes Mal neu zu einer gelungenen Geschichte.

Das ist Unterhaltung pur, leicht geschrieben, zuckersüß und ganz bedenkenlos zu konsumieren. Ich habe mich anfangs über die Realitätsferne und das Frauenbild gewundert, bin aber dann doch in die Geschichte eingetaucht. Es macht einfach Spaß sich für einige Stunden verzaubern zu lassen. Der Roman ist fantasievoll und voller Wendungen, das Titelbild ist bezaubernd, ebenso wie die Heldin, der man jeden Übergriff verzeiht – von einen Happy End für „Krieg und Frieden“ hat sie dann doch abgesehen – so dass man ihr selbst ein glückliches Ende von Herzen gönnt.

Ein gelungenes Buch in diesem Genre.

Veröffentlicht am 03.12.2017

Witwe im Wartestand

Ehemänner
0

Jarvis Miller lebt seit 6 Jahren in einer Art Schwebezustand. Sie ist, wie sie es selbst ausdrückt, eine Halbwitwe. Nach einem Unfall liegt ihr Mann, der renommierte Künstler Martin Miller, im Koma und ...

Jarvis Miller lebt seit 6 Jahren in einer Art Schwebezustand. Sie ist, wie sie es selbst ausdrückt, eine Halbwitwe. Nach einem Unfall liegt ihr Mann, der renommierte Künstler Martin Miller, im Koma und lebt nur durch die Beatmungsmaschine. Wöchentlich besucht sie ihn im Pflegeheim und diese Besuche werden immer mehr zu Qual.
Jarvis hat sich als Ehefrau und nun auch als Hinterbliebene immer ganz der Kunst ihres Mannes unterordnet. So sehr, dass ihre eigene Persönlichkeit verloren gegangen scheint. Kontakte pflegt sie pflichtschuldig nur zur Galeristin und zu einem Freund ihres Mannes. Bis sie eine defekte Waschmaschine in einen Waschsalon zwingt und sie dort auf drei Ehemänner trifft.

Obwohl eine gewisse Melancholie die Geschichte der Jarvis Miller durchzieht, hat mich die Leichtigkeit der Sprache in Bann gezogen. Der Weg zurück ins Leben ist auch ein Weg zu einer eigenständigen Persönlichkeit der jungen Frau. Diese Entwicklung ist sehr glaubhaft geschildert und Jarvis‘ komplexer Charakter finde ich sehr interessant. Irgendwann muss sie sich einer Entscheidung stellen, ob sie Martin gehen lassen kann und je mehr sie sich öffnet, umso häufiger stellt sich diese Frage.

Der Autorin gelingen Sätze die lange nachhallen, die ich beim Lesen am liebsten gleich alle markiert hätte. Sehr poetisch, aber auch immer mal wieder von leiser Ironie durchzogen. Sicher liegt das auch an der Übersetzung, die mir sehr gelungen scheint.

Ein gelungener Roman, der mich neugierig auf die früheren Bücher der Autorin macht.

Veröffentlicht am 29.11.2017

Mordserie

Die Stunde des Wolfs
0

Lauri Kivi ist Kriminalreporter bei einer renommierten finnischen Zeitung. Ein Fall eines erweiterten Suizids – ein Polizeibeamter hat seine Kinder und seine Frau getötet, danach sich selbst – lässt ihn ...

Lauri Kivi ist Kriminalreporter bei einer renommierten finnischen Zeitung. Ein Fall eines erweiterten Suizids – ein Polizeibeamter hat seine Kinder und seine Frau getötet, danach sich selbst – lässt ihn an der einfachen Erklärung zweifeln. Über zu viele solche Familiendramen hat er in den letzten Monaten berichten müssen, er beschließt einen Hintergrundbericht zu schreiben und sucht Kontakt zu den Hinterbliebenen. Dabei hat er sehr schnell den Verdacht, dass ein außenstehender Serienmörder am Werk ist. Aber nicht nur, dass er mit seiner Vermutung allein steht, er gerät auch in Verdacht, selbst beteiligt zu sein.

Ich muss gleich vorweg nehmen, dass ich mit diesem Kriminalroman überhaupt nicht warm wurde. Es ist die exzessive Schilderung von Gewalt, die mich abgestoßen hat. Prügelattacken gegen die Ehefrauen und die Kinder, Missbrauch der Kinder über Generationen, Alkoholexzesse und Schweigen im Umfeld. Auch Kivi selbst ist das Opfer eines brutalen Vaters, der ihm mit seinen Schlägen sogar das Gehör raubte. Er selbst kann auch seine Wut und seine Gewaltausbrüche nicht immer unter Kontrolle halten. Das ist auch der Grund, warum er seine Familie und seine kleine Tochter verlassen muss, um endlich diese Spirale zu unterbrechen.

Der Autor arbeitet mit vielen Rückblenden, immer wieder springt die Handlung in die Kindheit Lauris und seines Bruders und in die Kindheit des Vaters. Das was die Väter ihren Kindern antun, ist schwer auszuhalten und ich hatte den Eindruck, dass die Beschreibung von Gewalt eine Spannung und eine Dramatik erzeugen soll, die das Buch allein von der Geschichte nicht erhielte. Trotzdem fand das Buch zäh und spannungsarm. Die Figuren waren mir zu grob gezeichnet.

Kein Buch, dem ich etwas abgewinnen konnte.

Veröffentlicht am 28.11.2017

Mord und Märchen

Grimms Morde
0

Kassel 1821: Die napoleonische Besetzung ist vorbei, der alte Kurfürst verstorben, sein Sohn hat die Regentschaft über das Fürstentum übernommen und die alte Ordnung wieder hergestellt. Da wird die langjährige ...

Kassel 1821: Die napoleonische Besetzung ist vorbei, der alte Kurfürst verstorben, sein Sohn hat die Regentschaft über das Fürstentum übernommen und die alte Ordnung wieder hergestellt. Da wird die langjährige Mätresse des alten Kurfürsten tot aufgefunden. Ermordet, wie in einem Märchen der Brüder Grimm.

Jacob Grimm, Bibliothekar und Zensor im Kurfürstentum gerät in das Blickfeld des Polizisten Blauberg. Grimm ist nicht sonderlich gut angesehen im Beamtenstaat, war er doch auch während der Napoleonszeit Beamter und daher schon per se verdächtig.Die Schwestern Anette und Jenny von Droste haben dieses Märchen zur Sammlung beigesteuert und namentlich Anette fühlt sich mitschuldig, denn es ist kein altes Märchen, die sie den Grimms übermittelt haben, sondern eine von ihr ausgedachte Geschichte.

Tanja Kinkel, die wie immer in ihren Romanen das Umfeld hervorragend recherchiert, lässt eine unruhige Zeit lebendig werden. Auch ihren Hauptprotagonisten, den Brüdern Grimm und den Schwestern Droste, gibt sie viel Raum. Sie werden lebendig, so sehr, dass man sehr gern mehr über sie erfahren möchte und das ist ein Mehrwert, den ich an diesem Buch gleich von Beginn an schätzte.

Die restrektive Ständepolitik und die fest gemauerte Vorherrschaft des Adels machen es der bürgerlichen Polizei schwer in diesen Kreisen zu ermitteln. Umso einfacher ist es, sich an den bürgerlichen Jacob Grimm zu halten. Trotz allerlei Bedenken gegen weibliche Einmischung – damals hatte die Frau den gottgewollten Platz einzunehmen – ist Jacob zunehmend von der klugen und scharfzüngigen Anette angetan und nimmt ihre Hilfe an.

Mir gefiel ausnehmend gut, wie die Autorin historisch Belegtes mit romanhaften Elementen mischt und sie damit die Figuren lebendig und interessant gestaltet. Eine Nebenfigur, Lotte Grimm, die dem Haushalt der Brüder vorsteht und sich weder von den finanziellen Einschränkungen, noch von den männlichen Vorstellungen vom rechten Platz der Frau, einschränken lässt, hat mir besonders gut gefallen.

Kinkel wählt einen Sprachstil, der der Zeit angepasst ist. Vielleicht einige Seiten lang ungewohnt für heutige Leser, aber man ist sehr schnell vertraut damit.

„Grimms Morde“ ist eine lebendige und unterhaltsame Mischung aus Kriminalroman, Literatur- und Zeitgeschichte. Es war spannend und weckte den Wunsch mehr über die Zeit und die Personen zu erfahren. Das machte das Buch zu einem richtigen Lese – Highlight für mich. Eine Biographie der Droste steht nun gleich als nächstes Buch auf meiner Wunschliste.

Veröffentlicht am 24.11.2017

Gier und Macht

Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens
0

Bottinis Kriminalroman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ hat sich so ganz anders entwickelt, als ich nach den ersten Seiten angenommen habe.

Kurz zum Inhalt: Lisa Marthen, die Tochter eines ...

Bottinis Kriminalroman „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ hat sich so ganz anders entwickelt, als ich nach den ersten Seiten angenommen habe.

Kurz zum Inhalt: Lisa Marthen, die Tochter eines deutschen Großgrundbesitzers in Rumänien fällt einem Mord zum Opfer. Ioan Cozma, ein älterer Polizeibeamter wird als zuständiger Ermittler für den Fall ausgewählt. Sehr zu seinem Unmut, es trennen ihn nur noch wenige Jahre von der Pensionierung und er hatte vor, sie unter dem Radar von Vorgesetzten abzusitzen. Es gibt einige Punkte in seiner Vergangenheit, die er nur zu gern vergessen würde. Die Spuren des Verdächtigen führen vom Banat bis nach Mecklenburg, dem Heimatort der Marthens und auch Cozma folgt diesen Spuren.

Ausgehend von diesem Verbrechen entwickelt Bottini einen großartigen und komplexen Roman, der sich nicht allein auf einen Kriminalfall reduzieren lässt. Seine Figuren, die er sehr menschlich und vielschichtig in Szene setzt, haben alle gebrochene Biografien. Dies ist nicht nur der Wende 89 in Deutschland geschuldet, auch in Rumänien gibt es nach der Abkehr von Kommunismus neue Strukturen. Ob sie für die Menschen Gutes bringen, sei dahingestellt.

Die meisten Protagonisten in diesem Buch gehören eher zu den Verlierern. Aber nicht nur politische und gesellschaftliche Verwerfungen prägen den Landstrich, die Globalisierung hat längst Einzug gehalten. Die Kleinbauern geben unter Druck ihre Ländereien ab, Großgrundbesitzer aus Asien, Saudiarabien und auch Deutschland verteilen das Land unter sich. Monokulturen sind die Folgen und der Gewinn wird woanders gemacht, während in Rumänien – wie auch in anderen Ländern – die Bevölkerung nichts davon spürt. Bis auf eine Handvoll Gewinner, die vor nichts zurückschrecken um ihre Interessen durchzusetzen. In korrupten Politikern finden sie stets willige Helfer.

Ganz realistisch beschreibt Bottini die Vorgänge und sein Krimi bleibt bei aller Ernsthaftigkeit und Gesellschaftskritik immer auch spannend. Dass man ihn nicht einfach „runterlesen“ kann, sondern das Thema reflektiert, empfinde ich als großes Plus. Politthriller, Wirtschaftskrimi, Familiendrama – der Kriminalroman hat viele Facetten und mir gefiel es, wie Bottini das alles in einem Buch zusammenführt.

Nicht immer ist die Lektüre ganz einfach, besonders am Anfang, wenn Namen und Handlungsstränge eingeführt werden. Ohne das ausführliche Register am Ende des Buches hätte ich mir dabei wohl schwer getan alle Namen zuzuordnen.

Ein besonderer Kriminalroman, der Stellung bezieht.