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Veröffentlicht am 01.07.2021

Schock auf dem Schlossgartenfest

Schöner Sterben in Franken
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Das Schlossgartenfest ist immer ein Höhepunkt im Erlangens Kulturkalender. Da darf Buchhändlerin Felicitas Reichelsdörfer nicht fehlen. Während die Besucher durch die Gärten flanieren, fällt Feli Paar ...

Das Schlossgartenfest ist immer ein Höhepunkt im Erlangens Kulturkalender. Da darf Buchhändlerin Felicitas Reichelsdörfer nicht fehlen. Während die Besucher durch die Gärten flanieren, fällt Feli Paar Schuhe in einem Spalt des Brunnens auf, als sie genauer hinschaut, sieht sie auch die dazugehörigen Beine.

Das bedeutet auch für Kommissar Clemens Sartorius das Ende eines schönen Abends mit Freundin Delphine. Und ausgerechnet die Reichelsdörfer muss die Zeugin sein, denn schon einmal mischte sie sich in seine Ermittlungen ein. Gut, es war damals ganz hilfreich, aber Sartorius kann Hobbykriminologen nicht ausstehen, besonders wenn sie so temperamentvoll und spontan wie Feli sind.

Regional fränkisch geht es in diesem Krimi zu. Die Figuren sind mir schon vom ersten Band an ans Herz gewachsen. Erlangen ist auch eine wunderschöne Kulisse für diesen spannenden Roman, bei den Ermittlungen lernt der Leser nicht nur den Schlossgarten und das prunkvolle Markgräfliche Theater kennen, auch die kleinen, unbekannten Ecken von Erlangen werden in Szene gesetzt.

Dass es Feli nicht lassen kann ihre Nase in den Fall zu stecken ist klar und da sie die Schwester des Opfers kannte, hat sie auch die besten Voraussetzungen dafür. Was zu einigen urkomischen Dialogen nicht nur mit Clemens Sartorius führt, sondern auch ihren Freund mit Mitarbeiter gehörig nervt.

Daraus entstehen sehr witzige Szenen und schlagfertige, temporeiche Dialoge, die mir sehr gut gefallen haben. Fast bis zum Schluss tappte ich im Dunkeln, was Täter und Motiv angeht und musste wirklich auf die fulminante Auflösung warten. Ein temporeiches, überraschendes und auch ganz schlüssiges Ende für diesen gelungenen Regionalkrimi.

Das Autorenduo versteht sein Handwerk und die Mischung aus Spannung, Witz und Regionalität ist ausgewogen.

Ein richtiger Blickfang ist einmal mehr das Emons – Cover. Der Wiedererkennungswert für die Regio-Reihe des Verlags ist hoch und doch jedes Mal wieder neu und passend.

Eine Empfehlung für Fans der Krimiunterhaltung mit Heimat-Touch.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Quarantäne

Das Vierzehn-Tage-Date
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Es ist das Frühjahr 2020, eine neue Seuche beherrscht die Nachrichten und das Denken der Menschen. Die Straßen sind menschenleer, genau wie die Lokale. Corinna und David haben über Tinder ein Date vereinbart. ...

Es ist das Frühjahr 2020, eine neue Seuche beherrscht die Nachrichten und das Denken der Menschen. Die Straßen sind menschenleer, genau wie die Lokale. Corinna und David haben über Tinder ein Date vereinbart. Schon bald wird beiden klar, dass sie überhaupt nichts gemeinsam haben. David ist Veganer, trinkt keinen Alkohol und Harmonie ist im wichtig. Corinna ist das genaue Gegenteil, chaotisch, dem Alkohol und anderen Drogen zugeneigt, lebt sie in den Tag hinein. Sie jobbt in einem Pizzaladen und will das Date genau so schnell wie David hinter sich bringen. Aber der Abend entwickelt sich anders. Corinna trinkt und kifft und als sie am nächsten Morgen erwacht, steht ein Mann vom Gesundheitsamt vor der Tür.

Der Pizzabote, der die abendliche Pizza brachte und von Corinna mit Küsschen begrüßt wurde, ist positiv und über David und Corinna wird eine Vierzehn-Tage-Quarantäne verhängt. Nun sind sie Gefangene auf engstem Raum und müssen miteinander zurechtkommen.

Das ist mein erster „Corona-Roman“ und beim Lesen wurde mir bewusst, wie ich schon den Anfang der Pandemie verdrängt habe. René Freund hat seinen Roman wie ein Kammerspiel arrangiert. Zwei Menschen auf engstem Raum müssen sich zwangsweise arrangieren und kennenlernen. Das geht nicht ohne Blessuren ab, beide müssen sich unbequemen Wahrheiten stellen. Es ist die Kunst des Autors ernste Themen und große Gefühle in eine unterhaltsame Geschichte zu verpacken. Als Leserin amüsiere ich mich, schmunzle bei wirklich witzigen Szenen und Dialogen, aber der Kern ist der Geschichte ist viel ernster. Die Einsamkeit der beiden Singles, ihre Verletzlichkeit sind die eigentlichen Themen. Corinna versteckt sie hinter ihrem ruppigen Wesen und dem Alkohol und David hinter seinem Ordnungsfimmel und seinem Harmoniebedürfnis.

Wie sich beide allmählich öffnen, ihre Enttäuschungen und Erwartungen zugeben, hatte etwas sehr anrührendes und der Autor findet auch genau die richtigen Worte dafür. Ich kenne die Bücher René Freunds und war immer begeistert.

Wenn man sich das Cover ansieht, so findet man schon den Kern der Geschichte darin abgebildet. Zwei Personen sitzen nahe beieinander, aber beide verschanzen sich hinter ihren Laptops. Kontakt per Social Media scheint beiden sicherer als persönlicher Kontakt. So ist das eine ganz aktuelle Momentaufnahme von innerer Distanz.

Nach den Vierzehn Tagen hat sich für Corinna und David das Leben verändert – wie wird nicht verraten.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Unterwegs

Happy Road
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Was ist das größere Wagnis: eine monatelange Reise im umgebauten VW quer durch Mitteleuropa bis in den hohen Norden oder sich auf eine Gemeinsamkeit auf engstem Raum mit einem Menschen einzulassen, den ...

Was ist das größere Wagnis: eine monatelange Reise im umgebauten VW quer durch Mitteleuropa bis in den hohen Norden oder sich auf eine Gemeinsamkeit auf engstem Raum mit einem Menschen einzulassen, den man erst kurz kennt?

Sarah lebt in Berlin, ist Pressereferentin eines Abgeordneten und lernt Mathias aus Österreich kennen, Skilehrer und Elektriker und eigentlich das genaue Gegenteil zu ihr. Doch gegen alle Bedenken siegt die Lust auf das „Vanlife“, eine Reise quer durch Europa, antizyklisch um den hohen Norden im Winter kennenzulernen.

Sarah und Mathias nehmen den Leser mit auf ihre Reise, die manchmal abenteuerlich, manchmal sehr komisch und immer ein Blick auf die Menschen ist. Es macht Spaß sich auf diese Reise einzulassen, besonders wenn man weiß, dass man selbst eine solche Reise nur noch im Buch machen kann. Ich habe die Geschichten sehr genossen, mich manchmal gewundert und immer wieder über die interessanten Begegnungen mit den Einheimischen gefreut. Die Offenheit, die den Reisenden begegnet, ist einfach nur schön. Mathias mit seinem bodenständigen Dialekt sorgt auch immer wieder für Bodenhaftung

Das Leben auf engstem Raum, oft unter widrigen Wetterbedingungen ist nicht immer einfach und bringt das junge Paar auch oft an ihre Grenzen. Aber wie Mathias schon am Anfang ihrer Reise konstatierte: „donn wiss ma’s, ob’s klappt mit ons“. Ja, es klappt schon mit den beiden, aber einen gewissen Lernprozess müssen sie schon durchlaufen. Und sie müssen bereit sein, Pläne umzuschmeissen, wenn es nicht mehr anders geht.

Ein abenteuerlicher und interessanter Reisebericht, der mich gelehrt hat, das Camping-Touren jetzt „Vanlife“ heißt und aus Campern „Vanlifer“ wurden.

Es gibt nur einen Kritikpunkt. So schön das Buch gestaltet ist, so viel Reisesehnsucht die Bilder verbreiten, die blasse hellgraue Farbe der Schrift ist eine Tortur für die Augen und hat damit einen Punktabzug verdient.

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Veröffentlicht am 26.06.2021

Toller historischer Medizin-Krimi

Die Totenärztin: Wiener Blut
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1908 war es nicht leicht für Frauen Medizinerin zu werden und noch viel schwieriger gestaltet es sich für Fanny Goldmann in ihrer Disziplin als „Totenärztin“, also Pathologin zu arbeiten. Sie wird von ...

1908 war es nicht leicht für Frauen Medizinerin zu werden und noch viel schwieriger gestaltet es sich für Fanny Goldmann in ihrer Disziplin als „Totenärztin“, also Pathologin zu arbeiten. Sie wird von den Kollegen nicht ernst genommen und auch nur als Sektionsgehilfin eingestellt. Also hauptsächlich Neben- und Putzarbeiten beschäftigt. Aber Fanny hat Stehvermögen und lässt sich nicht unterkriegen. Als eines Abends ein Toter in die Prosektur gebracht wird, scheinen der Geruch und der schäbige Mantel sofort auf einen Obdachlosen zu deuten. Aber Fanny schaut genauer hin, gepflegte Nägel, gute Wäsche – das passt nicht zusammen und sie beschließt gegen die Anordnung zu handeln und führt nachts heimlich eine Obduktion durch. Das Ergebnis ist eindeutig und Fanny Goldmann beginnt in diesem Mordfall nachzuforschen.

René Anour hat das Wien kurz nach der Jahrhundertwende sehr schön eingefangen. Kunst, Lebensgefühl und das Anbrechen einer modernen Ära sind der lesenswerte Hintergrund. Seine Protagonistin Fanny ist eine junge Frau, die ihr Leben in die Hand nimmt. Sich nicht mehr den Konventionen beugen will, die nur Heirat und Mutterschaft für eine junge Frau vorsieht. Sie ist mutig und auch bereit Risiken einzugehen um ihrem Verdacht nachzugehen, auch wenn sie sich dabei in die Wiener Unterwelt begeben muss. Ihr anfänglicher Gegenspieler erweist sich immer mehr als Hilfe und Unterstützung.

Mir hat dieser historische Krimi ausnehmend gut gefallen. Es stimmte dabei alles, der atmosphärische Hintergrund, die gekonnte Figurenzeichnung und sehr viel Wissenswertes aus der Frühzeit der Rechtsmedizin. Das alles zusammen ergibt einen sehr spannenden Kriminalroman, bei dem ich in einen richtigen Lesesog geraten bin.

Der Schreibstil des Autors ist farbig und bildreich und historische Details sind augenscheinlich sehr genau recherchiert. Eine Reise durch die Katakomben der Wiener Altstadt hat mich sehr fasziniert. Hilfreich ist auch die historische Wienkarte auf der Innenseite des Covers. Das Nachwort, das die geschichtlichen Details erläutert und von den Romanelementen trennt, gefiel mir genauso, wie das Glossar zu Fachausdrücken aus der Gerichtsmedizin.

Fanny Goldstein und ihr erster Fall weckt die Lust auf eine Fortsetzung und für entsprechende Neugierde sorgt ein sehr geschickt eingebauter Cliffhanger in der letzten Szene.

Ein rundum gelungener historischer Krimi, den ich nicht aus der Hand legen konnte.

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Veröffentlicht am 25.06.2021

Miss Fisher ermittelt

Mord in der Mittsommernacht
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Miss Phryne Fisher ist mir als Detektivin aus der witzigen australischen Fernsehserie bekannt. Ich mag diese emanzipierte elegante Ermittlerin, die in den 20ger Jahren des letzten Jahrhunderts in Melbourne ...

Miss Phryne Fisher ist mir als Detektivin aus der witzigen australischen Fernsehserie bekannt. Ich mag diese emanzipierte elegante Ermittlerin, die in den 20ger Jahren des letzten Jahrhunderts in Melbourne lebt. Vermögend wie sie ist, hätte sie einen Beruf nicht nötig. Es ist die Lust am Abenteuer und an kriminalistischen Rätseln, die sie zur Detektivin werden ließ. Gleich zwei Fälle hat sie im Band „Mord in der Mittsommernacht“ zu lösen.

Eine ältere Dame bittet sie, den Tod ihres Sohnes zu klären, denn an einem Selbstmord glaubt sie nicht. Der Sohn hatte einen erfolgreichen Antiquitäten- und Trödelhandel. liegt hier der Grund für seinen Tod? Zeitgleich kommt ein zweiter Auftrag: für eine Erbangelegenheit soll sie nach einem unehelichen Kind der Erblasserin forschen, denn ohne das unbekannte Kindes kann das Erbe nicht aufgeteilt werden. Hier wartet eine begüterte, italienischstämmige Familie auf ihren Einsatz.

Phryne löst ihre Fälle mit Scharfsinn und Eleganz. Die Beschreibung ihrer Garderobe samt Hüten war ein Genuss. Auch ihr unkonventionelles, durchaus glamouröses Leben samt attraktivem Liebhaber macht Spaß zu verfolgen. Zusammen mit ihrem unkonventionellen Haushalt geht sie die Aufgaben an. Nicht immer werden Phrynes Gedankengänge klar und der Leser hat auch nicht immer die Möglichkeit an ihren Schlussfolgerungen teilzuhaben. Aber auch wenn das Miträtseln ein wenig fehlt, ist das Buch ein spannender und kurzweiliger Lesegenuß.
Die Zwanziger Jahre sind farbig eingefangen und Melbourne in dieser Epoche war mir unbekannt. Umso mehr habe ich Phrynes Ermittlungen in der feinen australischen Gesellschaft genossen.

Kleine kursiv gedruckte Einsprengsel verweisen auf Ereignisse in der Vergangenheit, die konnte ich aber nicht immer mit der Handlung in Verbindung bringen.

Es ist immer ein Risiko, wenn Figuren oder Geschichten die man aus Filmen kennt nun in Buchform vor sich hat. Aber bei diesem Krimi, den der Insel-Verlag neu auflegte, ist das gut gelungen. Lediglich den Titel „Mord in der Mittsommernacht“ konnte ich nicht in Bezug zur Handlung bringen.

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