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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2017

Amüsante Liebesgeschichte

Und jetzt auch noch Liebe
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Emmas Freund Ned ist witzig, charmant, ein ewiger Junge. Er hat jeden Tag neue Ideen um Karriere zu machen, aber keine einzige wird umgesetzt. Umgesetzt wird nur das Gehalt, das Emma mühsam als 2. Regieassistentin ...

Emmas Freund Ned ist witzig, charmant, ein ewiger Junge. Er hat jeden Tag neue Ideen um Karriere zu machen, aber keine einzige wird umgesetzt. Umgesetzt wird nur das Gehalt, das Emma mühsam als 2. Regieassistentin bei einer B-Fernsehproduktion verdient. Und dann passiert es, Emma wird schwanger, Ned bekommt Panik und macht sich mit Emmas Notgroschen davon.
Das ist die Ausgangslage dieser witzigen und überdrehten Liebesgeschichte. Die Autorin sprüht vor Ideen, die Gags folgen Schlag auf Schlag und das Timing stimmt dabei. Dazu gibt es einem Kosmos voller liebenswerter, exzentrischer Charaktere, deren Beschreibung allein schon für Lacher sorgt und die ich gar nicht alle erwähnen will. Die Leser werden ihren Spaß mit ihnen haben. Die wenigen bösen Jungs und Mädchen runden die Geschichte bestens ab.
In Emmas Job als Kinderbetreuerin bei einer Zombiefilm-Produktion - ihr Neffe soll als Kinderdarsteller auftreten - geht es auf diesem Filmset genauso rund, wie in Emmas Elternhaus unter der Fuchtel ihrer äußerst modebewussten Mutter. Dass Emma bei all diesem Trubel ihr Herz verliert und es lange nicht merkt, bereitet mir als Leserin großes Vergnügen.
Eine wirklich witzige, ideenreiche Liebesgeschichte, die locker und unterhaltsam zu lesen ist. Die Sprache ist frech, manchmal ein wenig deftig, kleinere Längen – z.B. bei den Dreharbeiten – fallen gar nicht ins Gewicht.
Ich habe diese Liebesgeschichte in einem Rutsch gelesen und wahrscheinlich auch für den einen oder anderen erstaunten Blick gesorgt, wenn ich in der Bahn laut lachen musste.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Eine Frau - ein Dorf - ein Leben

Kirchberg
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Kirchberg, ein Dorf in Schwaben. Dort ist Hanna bei den Großeltern aufgewachsen, sie war ein ungewolltes Kind und die Mutter war ihr nur von wenigen Besuchen und kostspieligen, meist unnützen Geschenken ...

Kirchberg, ein Dorf in Schwaben. Dort ist Hanna bei den Großeltern aufgewachsen, sie war ein ungewolltes Kind und die Mutter war ihr nur von wenigen Besuchen und kostspieligen, meist unnützen Geschenken in Erinnerung. Ihre Kindheit war liebevoll, trotzdem – Hanna verlässt mit knapp Zwanzig ihre Heimat. Nun, wiederum knapp zwanzig Jahre später kehrt sie zurück.

Sie, die mit Worten arbeitete, kurz vor ihrer Habilitation stand, verliert durch einen Schlaganfall nach einer Kopf-OP ihre Sprache. Sie findet die Worte nicht mehr, sie sieht die Dinge und vermag sie nicht zu benennen. Sie flüchtet in das Haus ihrer Großeltern, igelt sich ein. Aber sie bleibt nicht unbemerkt, die Nachbarin kommt, sie wird umsorgt, auch ein Jugendfreund kommt zu ihr. Jetzt, wo Hanna ihrer Sprache beraubt ist, scheint sie zum ersten Mal Worte zu finden, für ihr Leben, ihre Leidenschaft und lebenslange, unerfüllte Liebe und die ewige Frage nach dem unbekannten Vater. Doch sie bleiben in ihrem Kopf.

Der Roman ist nicht nur die Lebensgeschichte einer Frau mit geplatzten Hoffnungen und Lebensträumen, er ist auch eine Beschreibung eines Dorfes. Von der Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart. Vom lebendigen Dorf mit Gasthaus, Kirche und Schule bis zur Ansiedlung von Häusern ohne gemeinschaftliches Leben. Es ist auch die Geschichte von Großvater Erich, der als Vertriebener kam und in Kirchberg eine neue Heimat und eine Liebe fand und doch immer ein Außenseiter blieb. Vielleicht erklärt sich deshalb, das er es sich eine Generation später zur Aufgabe macht, der italienischen Einwandererfamilie Bracaglia zu helfen, heimisch zu werden. Der „Italienerbub“ Patrizio wird Hannas Freund, aber wird er auch mehr?

Der Roman spielt in einer eng umgrenzten Welt und in einem eng umgrenzten Zeitraum. Die Sprache ist manchmal fast kühl und unbeteiligt, berichtend und nie wertend, aber dabei, vielleicht auch durch die Einflechtung mancher schwäbischen Ausdrücke, fast liebevoll. Die Figur Hanna ist mir nahegekommen, auch die anderen Figuren fand ich präzise und lebensecht charakterisiert. Der melancholische Grundton hat lange bei mir nachgehallt.

Verena Boos hat ein Buch geschrieben, das sicher nicht den Mainstream bedient, dem ich aber viele Leser wünsche.

Veröffentlicht am 29.09.2017

Ein schicksalhafter Augenblick

Morgen ist es Liebe
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Martin Hallberg, erfolgsverwöhnter Anwalt, gibt sich die Schuld am Tod seiner Frau. Darüber hat er seinen Lebenswillen verloren, er verlässt sein Heim und lebt als Bettler und Landstreicher, bis er beschließt, ...

Martin Hallberg, erfolgsverwöhnter Anwalt, gibt sich die Schuld am Tod seiner Frau. Darüber hat er seinen Lebenswillen verloren, er verlässt sein Heim und lebt als Bettler und Landstreicher, bis er beschließt, seinem Leben ein Ende zu machen. Der Abschiedsbrief an die Familie ist geschrieben und steckt in der Manteltasche, als er von seiner Bank im verschneiten Weinberg einen Autounfall beobachtet.
Dr. Alexandra Novak kommt spät von einer Weihnachtsfeier, sie will trotz widriger Straßenverhältnisse schnell zum Haus der Mutter um dort ihren Weihnachtsurlaub zu verbringen. Sie wählt eine Abkürzung durch Weinberge, verliert die Gewalt über den Wagen. Martin kann sie im letzten Augenblick aus dem brennenden Auto ziehen, deckt sie mit seinem Mantel zu und verschwindet.
Ein schicksalhafter Augenblick, der das Leben zweier Menschen verändern wird. Das ist die Ausgangslage für diesen zauberhaften Roman, der wie geschaffen ist für die Weihnachtszeit. Eine berührende Stimmung und Herzenswärme durchzieht das Buch, ohne jemals in Kitsch abzugleiten. Das hat mir ganz besonders gefallen, denn die Gratwanderung zwischen Gefühl und Kitsch ist oft schwierig. Erstaunlich wie es der Debütautorin gelingt, diese Gefahr zu umgehen. Dafür sorgt auch immer wieder eine witzige Begebenheit oder die Kabbelei mit der überfürsorglichen Mutter. Die Sprache ist sicher und niveauvoll, die Figuren sind lebensecht dargestellt und mir schnell ans Herz gewachsen.
Mir hat der Roman gut gefallen, auch wenn die Geschichte recht vorhersehbar war und sich gegen Ende hin leicht zog. Es ist ein Debütroman und ich denke, die Autorin hat Potential. Sie hat hier schon Unterhaltung mit Anspruch und genau den richtigen Lesestoff für die Winterzeit abgeliefert, wenn man gern an Weihnachtswunder glaubt.
Deshalb gibt es auch aufgerundet 4 Sterne.

Veröffentlicht am 25.09.2017

Alte Spuren

Nachts am Brenner
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Kommissar Grauner aus Südtirol wird zu einem Mordfall am Brenner gerufen. Wer hatte einen solchen Hass, dass er den greisen Mann so schrecklich zugerichtet hat. Bei den Ermittlungen stößt Grauner auf die ...

Kommissar Grauner aus Südtirol wird zu einem Mordfall am Brenner gerufen. Wer hatte einen solchen Hass, dass er den greisen Mann so schrecklich zugerichtet hat. Bei den Ermittlungen stößt Grauner auf die Visitenkarte eines Peter Geislers und von dem Augenblick an bekommt der Fall eine neue Dimension. Als vor Jahrzehnten Grauners Eltern ermordet wurden, wollte ein Zeuge Peter Geisler gesehen haben, der war aber zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Wo kommen nun diese Karte und diese Spur her?
Der dritte Südtirol-Krimi von Lenz Koppelstätter ist ernster als seine Vorgänger. Grauner will allein dieser Spur nachgehen, daher fehlen die amüsanten Kabbeleien mit seinem Mitarbeiter Saltapepe, die aus dem Kulturclash Neapel-Südtirol entstehen. Wie immer spielt auch die Historie eine Rolle beim Plot. In einer von der Geschichte so gebeutelten Region wie Südtirol, bietet sich das auch geradezu an. Und so taucht Grauner immer tiefer in Nachkriegszeit ein, als der Brenner Drehkreuz von Schmuggel, Schiebereien und heimlichen Grenzübertritten war.
Aber auch die aktuellen Ermittlungen treten nicht auf der Stelle und auch hier bleiben die Themen gleich. Lediglich das Schmuggelgut ändert sich. Zwar spielt Südtirol und die Berglandschaft eine Rolle in diesem Krimi, sie tritt aber zurück hinter den anderen Themen, den Leser erwartet also nicht unbedingt ein Urlaubskrimi.
Ich habe mit Spannung auf den neuen Krimi des Autors gewartet und wurde nicht enttäuscht. Wie immer ist dieser Fall abgeschlossen und man braucht keine Vorkenntnisse um das Buch zu genießen. Sehr geschickt hat Koppelstätter einen kleinen Cliffhanger auf den letzten Seiten eingebaut, so dass die Erwartung auf Band 4 hoch bleibt.

Veröffentlicht am 24.09.2017

Ohne Vergangenheit keine Zukunft

In einem anderen Licht
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Miriam ist Journalistin beim angesehenen Frauenmagazin Anabel. Sie verantwortet die Organisation der Preisverleihung für Zivilcourage, eines Preises den die angesehene Hamburger Reedereierbin Dorothea ...

Miriam ist Journalistin beim angesehenen Frauenmagazin Anabel. Sie verantwortet die Organisation der Preisverleihung für Zivilcourage, eines Preises den die angesehene Hamburger Reedereierbin Dorothea Sartorius gestiftet hat. Frau Sartorius ist eine medienscheue Mäzenin, die sich bisher jedem Interview verweigert hat. Nun bekommt Miriam tatsächlich die Chance zu einem persönlichen Gespräch und gleichzeitig erhält sie seltsame Mails, die sie auffordern Dorothea nach einer „Marguerite“ zu fragen.
Das große Geheimnis von Dorothea Sartorius wird im Klappentext schon angedeutet, als Leserin ahnte ich also schon, in welche Richtung Miriams Recherchen führen werden. Trotzdem bleibt die große Neugierde erhalten. Wie wurde aus einer engagierten, vielleicht fehlgeleiteten junger Frau aus der Terrorszene, eine zurückhaltende Hamburger Bürgerin? Stimmen die Andeutungen vielleicht gar nicht? Die Briefeschreiberin bleibt in ihren Anschuldigungen vage und was bedeutet in diesem Zusammenhang der Vorwurf, Dorothea wäre eine Verräterin?
Miriam wird immer mehr in ihre Recherchen hineingezogen, vor allem, da Dorothea nicht leugnet, sondern ihr sogar rät, die Wahrheit zu suchen. Diese Suche lenkt Miriam auch von ihrer persönlichen, sehr traurigen Situation ab. Sie hat ihren Mann, einen Kriegsberichterstatter verloren und danach eine Fehlgeburt erlitten. Auch Max, ihr fünfjähriger Sohn kommt mit der Trauer um den toten Vater nicht gut zurecht und stellt emotionale Ansprüche an sie, die sie fast überfordern.
Ein Roman, der zwei weibliche Protagonisten zwingt, sich mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinanderzusetzen – das ist ein interessanter Ansatz, von dem ich mir allerdings mehr versprochen hatte. In manchen Passagen wurde mir der Schreibstil zu rührselig und in den Recherchen gab es zu viele Zufälle, die immer dann bemüht wurden, wenn die Geschichte ins Stocken geriet. Die Liebesgeschichte um die Journalistin Miriam bringt zusätzlich einen neuen Erzählstrang und Ton in das Buch.
Nichts desto trotz ist es ein spannender Roman um die Frage, wie sich ein Mensch verändern kann, was die Zeit und die gelebte Vergangenheit bedeutet und wie man damit umgeht. Das Thema RAF in einem Roman aufzugreifen und in eine Lebensgeschichte einzubauen, fand ich mutig.