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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.09.2017

Lebensgier

Durch alle Zeiten
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Elisabeth stammt aus ärmlichsten Verhältnissen, doch kann sie den Besuch einer Hauswirtschaftsschule durchsetzen. Sie ist grade 17, als sie sich in Niklas verliebt. Doch der ist bereits vergeben und Elisabeth ...

Elisabeth stammt aus ärmlichsten Verhältnissen, doch kann sie den Besuch einer Hauswirtschaftsschule durchsetzen. Sie ist grade 17, als sie sich in Niklas verliebt. Doch der ist bereits vergeben und Elisabeth ist einfach nicht standesgemäß. Sie geht nach England, verliebt sich in ihren Arbeitgeber, wird schwanger, kehrt nach Österreich zurück und sucht schnell einen Mann, dem sie ihr Kuckuckskind unterschieben kann. Aber auch in dieser Ehe wird sie nicht glücklich. Wieder lässt sie sich auf eine Affäre ein und wird wieder schwanger. Dann als geschiedener Frau wird Josef ihr Rettungsanker. Ein Bauer, den sie nicht liebt, aber der bereit ist, sie zu heiraten. Die Ehe wird die Hölle, Josef ist gewalttätig und trunksüchtig. Aber über all die Jahre ist Niklas in ihren Gedanken……
Ich bin weder mit der Hauptfigur, noch mit der Erzählweise warmgeworden. Elisabeth schien mir eine leidenschaftliche Frau zu sein, aber sie handelt über all die Jahre ohne Reifungsprozess. Sicher war vieles den gesellschaftlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit geschuldet, aber sie nimmt sich Freiheiten ohne über die Folgen nachzudenken. Sie sucht letztendlich immer wieder einen Mann als Beschützer und ehrbare Fassade. Sie nimmt dabei auch Ungeheuerlichkeiten widerspruchslos hin. Als sie nach der Geburt von Josefs Sohn länger im Krankenhaus bleiben muss, weiß sie, dass auf der 15jährigen Magd nicht nur die Versorgung der kleinen Kinder und des Haushalts lasten, sondern dass auch Josef sein sexuelles Verlangen an ihr austobt. Doch sie reagiert nicht, erst als sich das Mädchen umbringt, zeigt sie ihr Mitgefühl.
Der Schreibstil wechselt kapitelweise von der Gegenwart zur Vergangenheit, aber da auch nicht linear, so dass ich mich immer wieder einfühlen musste, in welchen Lebensabschnitt ich grade steckte. Dabei hätte die direkte Sprache und das Zeit- und Sittenbild durchaus das Potential gehabt mich anzusprechen.
Das Cover fand ich ansprechend, bildet auch ganz typisch die 60iger Jahre ab, spiegelt aber nicht den Inhalt des Romans wider.

Veröffentlicht am 20.09.2017

Drei Frauen - Drei Leben

Marlenes Geheimnis
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Zur Beisetzung der Großmutter kommt Nane zurück an den Bodensee, die Heimat ihrer Kindheit. Dort wird sie auch endlich die Vergangenheit ihrer Familie verstehen.
Marlene Riebe hat einen ganz großartigen ...

Zur Beisetzung der Großmutter kommt Nane zurück an den Bodensee, die Heimat ihrer Kindheit. Dort wird sie auch endlich die Vergangenheit ihrer Familie verstehen.
Marlene Riebe hat einen ganz großartigen Familienroman geschrieben. Mit viel Herzblut erzählt sie das Schicksal der Eva Menzel, gleichzeitig auch ein Stück aus der deutschen Geschichte. Glückliche Kindheit, Naziherrschaft, Tod, Vertreibung, Flucht und Not – etwas, was heute in den Geschichtsbüchern abgehandelt wird, aber nun ein ganz persönliches Gesicht bekommt. Hier wird all den starken Frauen ein Denkmal gesetzt, die in den Nachkriegsjahren ihre Heimat verlassen mussten, oft mit Kindern monatelang auf der Flucht waren, ohne zu wissen, was die Zukunft für sie bereit hält.
Der Handlungsstrang, der in die Vergangenheit führt hat mich, auch aus persönlichen Gründen, noch stärker berührt, als die Gegenwartsepisoden. Beides zusammen ergibt einen gelungenen Frauenroman mit Tiefgang und Anspruch, den ich nicht mehr aus der Hand legen mochte. Trotz des ernsten Themas hat mich der Roman gut unterhalten. Stilsicher, kenntnisreich recherchiert und einfach gut geschrieben, so wie ich mir niveauvolle Romane verstelle. Sicher tragen auch die starken Figuren dazu bei, die Riebe beschreibt. Charakter, die man meint zu kennen, so lebensecht und wahr sind sie beschrieben.
Ich wünsche diesem Roman ganz viele Leser, die etwas von der Botschaft auch in unsere Zeit mitnehmen, denn Flucht und Vertreibung sind leider immer wieder aktuell.

Veröffentlicht am 18.09.2017

Auf der Suche nach den Wurzeln

Slawa und seine Frauen
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Felix erfährt erst sehr spät, dass sein Großvater nicht sein leiblicher Großvater ist. Seine Großmutter kam 1962 als sehr linientreue DDR – Bürgerin zum Studium in die Sowjetunion und verliebte sich dort ...

Felix erfährt erst sehr spät, dass sein Großvater nicht sein leiblicher Großvater ist. Seine Großmutter kam 1962 als sehr linientreue DDR – Bürgerin zum Studium in die Sowjetunion und verliebte sich dort in Slawa, einen ukrainischen Juden. Prompt wird sie schwanger, aber für Slawas Familie ist es undenkbar, so kurz nach dem Holocaust eine Deutsche in der Familie aufzunehmen. Geschickt hintertreiben sie die Beziehung und Slawa sah seine Freundin niemals wieder.
Nun machen sich Felix und seine Mutter auf in der Ukraine nach Spuren von Slawa Fahlbusch zu suchen. Endlich soll dieses Kapitel abgeschlossen werden. Erstaunlich freundlich und offen werden sie aufgenommen, sofort stellt sich so etwas wie eine verwandtschaftliche Beziehung her, obwohl Slawa schon lange verstorben ist. Sie erfahren, dass auch er versuchte seine Jugendliebe und seine Tochter zu finden.
Die Reise führt in die Vergangenheit, in die harte und trostlose Wirklichkeit der heutigen Ukraine und trotz des Humors in der Sprache des Autors, der immer wieder aufblitzte, bin ich nie so ganz in die Geschichte eingetaucht. Ich las mich redlich durch die Kapitel und merkte, dass mein Interesse an den Figuren auch im weiteren Verlauf der Suche nicht anwuchs.
Einen wichtigen Teil nimmt die Beschreibung der Situation in der Ukraine ein, nach der Loslösung von der alten Sowjetunion, ein noch junger und unstabiler Staat. Der Autor beschreibt die Hoffnungen der Menschen für ihre Zukunft, ihre Liebe zum Land und seiner Geschichte und ihren Wunsch nach einer eigenen Identität. Darüber ist mir fast die Suche nach den Spuren des Großvaters abhanden gekommen.
Insgesamt ein interessantes Buch, aber anders als ich aus Leseprobe und Kurzbeschreibung erwartet hätte.

Veröffentlicht am 18.09.2017

Alte Sagen - neuer Mord

Erzähl mir vom Tod (Ein Fall für Anne Kirsch 3)
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Anne Kirsch, Sauerländer Kommissarin, hat nach Ansicht ihres Chefs ein Problem mit ihrer Teamfähigkeit. Ein Seminar soll eine Disziplinierungsmaßnahme abwenden. Das findet in Obermarsberg statt, ausgerechnet ...

Anne Kirsch, Sauerländer Kommissarin, hat nach Ansicht ihres Chefs ein Problem mit ihrer Teamfähigkeit. Ein Seminar soll eine Disziplinierungsmaßnahme abwenden. Das findet in Obermarsberg statt, ausgerechnet zur Zeit des großen mehrtägigen Mittelaltermarkts. Dort wird in alten Kostümen aufgetreten, Handel getrieben und die Zuschauer unterhalten. Dass ein Bäckergeselle eine jämmerliche Nacht am Pranger verbringen musste und Gunnar gar mit einem alten Eisen geblendet wurde, hat aber mit Folklore nicht allzu viel zu tun. Dann gibt es den ersten Toten und Anne Kirsch darf endlich bei den Ermittlungen mitmischen und das seltsame Seminar, inclusive eines narzisstischen, manipulativen Leiters in den Wind schießen.
Bis zur Mitte des Krimis ist der „3. Fall für Anne Kirsch“ nur am Rande ein Krimi. Es geht viel um das Seminar, seltsame Teilnehmer und urige Typen rund um den Mittelaltermarkt in Obermarsberg. Viele Figuren treten auf, die ich manchmal gar nicht recht einordnen konnte. Als dann endlich Anne Kirsch ermittelt, nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf, aber ich hatte bis dato schon das Gefühl, das einiges an Potential ungenützt blieb. Der Roman schildert malerisch den Markt, die alten Bräuche und Sagen. Schnell wird auch dem Leser klar, dass alle Vorfälle in alten Sagen ihre Vorbilder haben und der Kreis der Verdächtigen engt sich ein.
Verschenkt ist der eigentliche Höhepunkt der Geschichte, die Entlarvung des Täters, die ganz Schluss ein nebensächliches Anhängsel wirkt. Die Charaktere rund um Seminar und Dorf sind nicht immer ganz echt geraten, manche Handlungen haben sich mir dadurch nicht immer schlüssig dargestellt.
Mein Fazit: Ein unterhaltsamer Heimatkrimi für zwischendurch, der aber noch einiges an Potential verschenkt hat. Wobei ich meine, dass die Autorin schon bewiesen hat, dass sie es noch besser kann.

Veröffentlicht am 17.09.2017

Grandios

Acht Berge
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Den Vater haben die Berge nie losgelassen, aber er hatte eine besondere Art sie zu erobern, gar zu bezwingen. Er schaute beim Gehen nicht nach rechts oder links, er machte keine Pausen, er hatte nichts ...

Den Vater haben die Berge nie losgelassen, aber er hatte eine besondere Art sie zu erobern, gar zu bezwingen. Er schaute beim Gehen nicht nach rechts oder links, er machte keine Pausen, er hatte nichts als den Gipfel im Blick. Sobald Pietro alt genug ist, wird er vom Vater mitgenommen, die Touren länger und härter und die Höhenkrankheit, die ihn überfällt, übersieht der Vater meist.
So hätte Pietro nie die Berge lieben gelernt, wenn nicht die Mutter gewesen wäre. Sie ist eine Frau, die die Mitte liebt, sie braucht keine Gipfel, es genügen ihr die Almen und die Bergdörfer. Grana wählt sie als sommerliches Feriendorf aus, sie mieten eine Wohnung und verbringen viele herrliche Wochen dort, auch wenn der Vater oft nur kurze Zeit aus Mailand kommen kann. Dort lernt Pietro auch Bruno kennen. Der Bub lebt als Hütejunge bei seinem Onkel, der Vater ist ein meist abwesender gewalttätiger Säufer, die Mutter hat sich ganz in sich zurückgezogen.
Zwischen Bruno und Pietro entwickelt sich eine Freundschaft, die ohne viel Worte auskommt. Sie vertrauen einander, sind fast Brüder im Geist und wenn der Sommer endet, gehen sie auseinander und wissen doch, dass sie bald wieder zusammen sein werden.
Viel später haben sich die Lebenswege endgültig getrennt, Pietro hat mit seinem Vater gebrochen und sein Studium aufgegeben. Er reist als Dokumentarfilmer ruhelos um die Welt. Bruno ist im Tal geblieben. Das Angebot der Gualdis, Bruno nach Mailand zur Ausbildung mitzunehmen, hat der Vater und auch der Onkel verhindert. Als Maurer verdient Bruno nun gutes Geld, aber es ist nicht der Weg, den er sich erträumte.
Der Tod von Pietros Vater bringt die zwei wieder zusammen, eine Almhütte sollen sie als Rückzugsort wieder aufbauen, das Grundstück bekommt Pietro mit dieser Bitte vererbt. In diesem Sommer werden die zwei wieder eins. Eine Männerfreundschaft, innig und vertrauensvoll, trotz unterschiedlicher Lebenswelten eine Einheit.
Eine Freundschaft, die über viele Jahre und Unterbrechungen felsenfest bleibt, die Beschreibung der Landschaft und der Bergwelt, die mich tief beeindruckt hat und dazu die Figuren Bruno, Pietro und die Eltern Gualdi, die mich berührten, das alles hat mir dieses Buch sehr ans Herz wachsen lassen. Dabei wird nicht verschwiegen, dass es die Bergwelt der Kinder nicht mehr gibt, Straßen haben die Täler durchzogen und Skilifte die Berghänge erobert. Die Gefahren lauern nicht mehr nur in Gletscherspalten, sondern in einer Welt, in der Berge zum Erlebnisfaktor geworden sind. Das müssen auch Bruno und Pietro schmerzhaft erfahren.
Es gibt nicht viele Bücher, die in ihrer Einfachheit grandios sind. Für mich zählen die „Acht Berge“ von Paolo Cognetti dazu. Das Buch lässt mich berührt, traurig und gleichzeitig auch glücklich zurück und ich weiß, dass ich es noch oft zur Hand nehmen werde. Ich bedaure nur, dass ich mit meinen Worten diesem Roman nicht gerecht werden kann.