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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.09.2017

Erinnerungen

Die Liebe, die uns bleibt
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Schweren Herzens entschließt sich Edwina dazu, ihr Haus zu verkaufen. Es ist zu groß, zu leer geworden. Sie geht durch die Räume, öffnet Schubladen und Schränke, sortiert und erinnert sich fast mit jedem ...

Schweren Herzens entschließt sich Edwina dazu, ihr Haus zu verkaufen. Es ist zu groß, zu leer geworden. Sie geht durch die Räume, öffnet Schubladen und Schränke, sortiert und erinnert sich fast mit jedem Gegenstand an die Geschichte ihrer jungen Ehe, ihre Kinder, die glücklichen und traurigen Tage.
Dieser erste Abschnitt hat mich sofort für das Buch eingenommen. Wie Edwina ihre Gedanken frei schweifen lässt, sich an die Absurdität mancher Alltagssituationen erinnert und in Rückblenden ihr Leben und das Leben ihrer Familie beschwört, hat mich fasziniert. Dann wendet sich der Familienroman den anderen Mitgliedern zu und wir erfahren die Familiengeschichte aus anderen Blickwinkeln. Dabei schimmert auch die Ära des 60iger Jahre Londons durch. Jugendrebellion, die Musik, die Drogen, die immer mehr aufkommen. Damit erfahren wir auch von den vielen Verletzungen und Brüchen in Edwinas Leben.
Mir hat dieser Roman gut gefallen und ich habe mich gut unterhalten gefühlt. Die Autorin hat immer wieder mit gekonnt platzierten Seitenhieben für einen witzigen Touch gesorgt und mit diesen leicht ironischen Zwischentönen auch die „Londoner Society“ treffend beschrieben. Die Welt der Privatschulen und Bällen und den Gesellschaftsspalten in der Zeitung, der der Wind der neuen Zeit entgegen weht. An diesen kleinen, treffenden Einfällen merkt man der Autorin ihre Erfahrung als Comedian an. Sie weiß, wie und wann sie Pointen setzen muss.
Bis auf Edwina, deren Charakter mir sehr gut gefallen hat, fand ich allerdings die anderen Beteiligten fast ein wenig blass und hölzern dargestellt. Da fehlten mir manchmal die Zwischentöne. Ich hatte mir nach der Beschreibung und des ersten Kapitels fast ein wenig mehr versprochen. Aber als Fazit bleibt mir das Buch als melancholisch-schöne Familiengeschichte in Erinnerung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Gefühl
  • Handlung
Veröffentlicht am 12.09.2017

Die Sennerin vom Geigelstein

Harte Tage, gute Jahre
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Eine unglückliche erste Liebe wirft Maria aus der Bahn. Ausgerechnet ihre Schwester wurde ihre Nebenbuhlerin, sie will sich zurückziehen und als der Großvater sie den Sommer über auf die Alm schickt, wird ...

Eine unglückliche erste Liebe wirft Maria aus der Bahn. Ausgerechnet ihre Schwester wurde ihre Nebenbuhlerin, sie will sich zurückziehen und als der Großvater sie den Sommer über auf die Alm schickt, wird ihr der Lebensweg klar: sie geht nicht zurück ins Dorf, wenn der Almsommer vorbei ist.
Eine Siebzehnjährige trifft aus enttäuschter Liebe eine Entscheidung, die ihr komplettes Leben beeinflussen wird. Mit vielen Höhen und Tiefen, aber immer selbstbestimmt und frei. Christiane Tramitz hat das Leben der Almbäuerin Maria – der „Oberkasermare“ in Worte gefasst. Sie hat die Greisin noch selbst erleben dürfen und viele Gespräche mit ihr geführt. Das macht die Biografie dieser Frau so lebendig und farbig wie ein Bergroman.
Keine einfache Frau, ein unbeugsamer Charakter, der es ihrer Umwelt nicht immer leicht macht. Eine stolze Frau, die sich alles selbst erarbeitet hat und nie jemandem zur Last fallen wollte. Die nach ihren eigenen Regeln lebt und nur die Natur als Gesetz annimmt. Solche Menschen gibt es nur wenige und ich finde, die Autorin hat mit dieser Biografie der Sennerin Maria Wiesbeck ein Denkmal gesetzt.
Die Beschreibung der Lebensumstände auf einer Alm in den entbehrungsreichen Zeiten der Nachkriegszeit, als noch keine Straßen, keine Elektrizität und kein fließendes Wasser das Leben leichter machten, hat mich fasziniert. Was war das für eine unberührte, aber auch harte Welt.
Ich finde es überaus gelungen, wie Christiane Tramitz in ihrer Buch diese Frau und diese Zeit geschildert hat. Dabei hat mir auch besonders gefallen, dass die Autorin nicht chronologisch ein Leben nacherzählt, sondern Vergangenheit und Gegenwart nebeneinander stellt.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Ein besonderer Kriminalroman

Ermordung des Glücks
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34 Tage ist her, dass der kleine Sohn der Familie Grabbe verschwunden ist, 34 Tage des Hoffens und Bangens für die Eltern. Dann steht Jakob Franck vor ihnen. Sie wissen sofort, was er ihnen zu sagen hat.
Jakob ...

34 Tage ist her, dass der kleine Sohn der Familie Grabbe verschwunden ist, 34 Tage des Hoffens und Bangens für die Eltern. Dann steht Jakob Franck vor ihnen. Sie wissen sofort, was er ihnen zu sagen hat.
Jakob Franck ist ein pensionierter Kriminalkommissar, immer wieder wird er gebraucht, wenn es darum geht, die letzte Nachricht zu überbringen. Feinfühlig, wie kein zweiter, weiß er welche Worte er sagen muss. Aber als sich die Ermittlungen im Kreis drehen, die Eltern nicht mit Lennards Tod abschließen können, kann auch er nicht ruhen und beginnt aktiv zu ermitteln.
Die Ermordung des Glücks ist ein Kriminalroman, der aus dem Rahmen fällt. Sehr viel Raum nehmen die Personen mit ihren Gedanken und Gefühlen ein. Friedrich Ani gibt ihnen Tiefe, lässt den Leser unmittelbar an Trauer, Verzweiflung und Wut teilhaben. Franck vergräbt sich immer tiefer in den Fall, wälzt alte Akten und dabei kommt ihm auch seine eigene Unzulänglichkeit in den Sinn. Auch er muss mit vier ungelösten Mordfällen leben, das Versagen nagt an ihm.
Der Grundton des Buches ist düster und melancholisch. Aber trotzdem konnte ich in innere Beziehung zu den Figuren aufbauen. Das ist die Besonderheit des Autors, er bringt seine Figuren den Lesern ganz nahe. Wie sich Tanja Grabbe in ihrer Trauer verliert, wie sich der Vater und der Onkel verändern, wie Jakob Franck immer mehr zu zweifeln beginnt, hat mich sehr berührt.
Anis Kriminalromane sind immer etwas Besonderes, aber mit der neuen Figur des Jakob Franck, der hier zum zweiten Mal zum Einsatz kommt, hat er eine ganz eigene Form gefunden. Tiefgründig und kritisch, menschlich – das Buch hat mich sehr beschäftigt.

Veröffentlicht am 01.09.2017

(K)ein Dorfidyll

Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman
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Toni und Moni oder die Anleitung zum Heimatroman – diesen Titel muss man ernst nehmen. Was gehört in einen Heimatroman: ein idyllisches Dorf (Schöngraben) an einem plätschernden Bach (Rauscher) eine malerische ...

Toni und Moni oder die Anleitung zum Heimatroman – diesen Titel muss man ernst nehmen. Was gehört in einen Heimatroman: ein idyllisches Dorf (Schöngraben) an einem plätschernden Bach (Rauscher) eine malerische Bergkulisse, ein Wirtshaus und eine Kirche und natürlich ein Happy End am besten in Form einer Trachtenhochzeit.
Das alles macht die Lektorin der Autorin Petra Piuk klar und diesen Briefwechsel liest der Leser in Form von Fußnoten, die den Rahmen bilden. Aber auch der Leser darf mitbestimmen. So verfolgen wir also Toni und Moni ins Erwachsenenleben, das von den Erwartungen der heimattreuen Dörfler mitbestimmt wird.
Heimat und Dorfidyll werden hier ironisch, ja sogar zynisch, aufs Korn genommen. Da darf dem Leser ruhig das Lachen im Hals stecken bleiben. Wenn der kleine Toni beim Nachbarn die Waffensammlung bewundern darf, während der Alte behutsam über Lauf und Schaft streichelt und gerührt erzählt, dass mit diesem Gewehr der kleine Max am liebsten spielte, lässt die darunter abgedruckte Zeitungsmeldung „5jähriger erschießt beim Spielen seine kleine Schwester“ das Blut gefrieren.
Überhaupt lässt dieser Text keine Komfortzone zu. Das Dorf als Vorhölle – die Großcousine wohl als Alter Ego der Autorin gilt als Nestbeschmutzerin, hat sie es doch gewagt, den vorgezeichneten Weg zu verlassen. Schlimmer noch, sie erzählt der Moni von der Welt da draußen, da muss doch ein Riegel vorgeschoben werden.
Ich bin in ein Wechselbad der Gefühle eingetaucht, das Buch hat mich herausgefordert und ich bin nicht sicher, ob es mir gelungen ist, diese Herausforderung zu meistern. Wenn es darum ging, mich aufzurütteln und mir einen Text zu geben, der mich lange nach der Lektüre noch beschäftigt, dann ja.
Der Wechsel aus Umfragen, Zeitungsnotizen (ob erfunden oder wahr vermag ich nicht zu beurteilen) und Erzähltext macht das Buch zu einem besonderen literarischen Experiment. Gesellschaftskritik und abgründige Ironie haben mir gut gefallen, aber ich habe das Buch auch mit Erleichterung zugeklappt.
Die Ausstattung ist übrigens etwas besonders, schwarz und orange fällt das Cover sofort ins Auge, Personenverzeichnis, Raum für Notizen und Ehrenzeichen zum Ausschneiden, das alles gehört zum Gesamtkunstwerk dazu.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Amüsant, spannend und "very british"

Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
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Carola Dunn entführt die Leser mit „Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“ ins England des Jahres 1923. Es sind die Goldenen Zwanziger, auch wenn viele Familien noch mit den Nachwirkungen des 1. Weltkriegs ...

Carola Dunn entführt die Leser mit „Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“ ins England des Jahres 1923. Es sind die Goldenen Zwanziger, auch wenn viele Familien noch mit den Nachwirkungen des 1. Weltkriegs kämpfen, Erben sind gefallen, Vermögen sind geschmolzen und auch beim konservativen Landadel ändern sich die Zeiten. Daisy Dalrymple muss nach dem Tod des Vaters auf Luxus verzichten. Sie nimmt ihr Leben in die Hand und möchte als Journalistin arbeiten. Ein Artikel über ein malerisches Herrenhaus, Wentwater Court soll ihr den Einstieg ermöglichen. Dank ihrer Abstammung verfügt man über genügend gemeinsame Bekannte und Daisy wird wie ein Gast herzlich empfangen. Das Wochenende bleibt nicht ungetrübt, ein Hausgast liegt ermordet auf dem zugefrorenen Teich, die junge zweite Frau des Adligen scheint einiges zu verschweigen und der älteste Sohn des Grafen hat auch keine blütenreine Weste.
Dank Daisys unbestechlichem Blick und ihren Verbindungen kann sie dem netten Inspector Fletcher hilfreich zur Seite stehen.

Wer englisches Landleben mag und sich bei „Downton Abbey“ gut unterhielt, wird auch mit diesem Cosy Krimi seine Freunde haben. Unterhaltsam und stilsicher geschrieben, lässt er charmant eine untergegangene Ära aufleben. Die Figuren sind allesamt mit einem Augenzwinkern charakterisiert, ob zarte junge Damen oder flegelhafte Erben und Lebemänner. Die praktische Daisy, die schon ganz der Moderne des 20. Jahrhunderts angehört, selbst ihre Fotos entwickelt und keine Berührungsängste mit dem Inspector hat, obwohl er nicht ihrer Gesellschaftsschicht angehört, ist eine liebenswerte Hauptfigur. Die Leserinnen und Leser werden ihr sicher gern noch auf weiteren Abenteuern folgen.

Wenn man sich dann zur Lektüre noch einen schönen Earl Grey und ein feines Gurkensandwich gönnt, steht einem gelungenen Lesenachmittag nichts mehr im Weg.