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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2017

Im Dunkeln

Grado im Dunkeln
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Es ist der Alptraum jedes Autofahrers: eine Panne in der Nacht. Genau das passiert Violetta und Olivia, zwei Lehrerkolleginnen, bei der Heimfahrt von einem Konzert. Während sie auf den Abschleppwagen warten ...

Es ist der Alptraum jedes Autofahrers: eine Panne in der Nacht. Genau das passiert Violetta und Olivia, zwei Lehrerkolleginnen, bei der Heimfahrt von einem Konzert. Während sie auf den Abschleppwagen warten und Olivia sich kurz ins Auto beugt, findet der Alptraum noch eine Fortsetzung. In diesem kurzen Augenblick wird Violetta ins Gebüsch gezerrt und vergewaltigt.
Es bleibt nicht die einzige Vergewaltigung. Die Commissaria Maddalena Degrassi sieht eine Serie mit ähnlichem Verhaltensmuster. Bisher kamen die Frauen immer knapp mit dem Leben davon, da der Täter gestört wurde, aber dann verschwindet ein Teenager von einer Party und das Bangen beginnt.
Das bringt die Commissaria ganz schön unter Druck, ist doch ihr Vorgesetzter ein Chef, der gern mit schnellen Ermittlungserfolgen glänzt.
Grado im Dunkeln bringt ein Wiedersehen mit der sympathischen Maddalena Degrassi und ihrem Einsatzort Grado. Der Krimi ist sehr vielschichtig und wie immer bei der Autorin Andrea Nagele mit viel psychologischem Feingefühl erzählt. Vielleicht war das für mich dieses Mal ein Touch zuviel. Die Folgen der Vergewaltigung bei Violetta und dem zweiten Opfer nehmen sehr viel Raum ein und drängen die Ermittlungen fast an den Rand. Obwohl ich faszinierend finde wie die Autorin ihre Figuren entwickelt und mit ihrer Umgebung interagieren lässt, hätte der Roman mehr Spannung vertragen können.
Ein ganz geschickter Schachzug ist das Ende, der Fall ist gelöst aber für den Leser bleibt Interpretationsspielraum offen, damit beschäftigt mit das Buch über das Ende hinaus.

Veröffentlicht am 15.08.2017

Gefährlicher Auftrag

Bodden-Tod
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Greta Sievers ist Schriftstellerin, deren Taschenbuchverkäufe grade eine Flaute haben. Mit Heftchenromanen verdient sie ihre Brötchen. Da bekommt sie ein Jobangebot, das zwar sehr lukrativ, aber auch etwas ...

Greta Sievers ist Schriftstellerin, deren Taschenbuchverkäufe grade eine Flaute haben. Mit Heftchenromanen verdient sie ihre Brötchen. Da bekommt sie ein Jobangebot, das zwar sehr lukrativ, aber auch etwas seltsam ist. Sie soll eine Künstlerbiografie schreiben. Auftraggeber ist der Enkel des Künstlers, der auch den Rahmen vorgibt. Wohnung im Haus, sehr hohe Bezahlung, aber auch ständige Verfügbarkeit .

Es ist der Ort, der Greta reizt, Fischland und das Örtchen Wustrow direkt am Bodden ist ein Sehnsuchtsort von ihr. Doch bald nach der Ankunft stellt sie fest, dass ihre Arbeit nicht konfliktfrei über die Bühne gehen wird. Ihr Auftraggeber, Matthias Röwer, hat sehr genaue Vorstellungen und ist kein Mensch, den man leicht überzeugen kann, dennoch fühlt sie sich von ihm angezogen. Seine Blindheit trägt sicher noch zu seiner Verschlossenheit bei.

Greta ist fasziniert ist von dem, was sie nach einigen Tagen der Recherche findet. Ihre Vorgängerin ist spurlos verschwunden und ein Verdacht lastet bis heute auf Matthias Röwer. Sie merkt sehr bald, dass die Beschäftigung mit der Familie nicht ungefährlich ist.

Ein spannender Krimi, eine geheimnisvolle, dramatische Familiengeschichte und ein wunderbar beschriebenes Fischland. Das alles verbindet sich zu einem gelungenen Roman, der mir von der ersten Seite an gefallen hat. Die Schilderung der Halbinsel und der Künstlerorte Barnsdorf und Wustrow sind farbig und lebendig. Die Landschaft ersteht vor den Augen der Leser. Man spürt aus jedem Satz, dass die Autorin die Landschaft kennt und liebt.

Die Spannung zieht das Buch aus der Familie des Künstlers und dem Geheimnis um die verschwundene erste Biografin. Gerüchte wabern im Ort und Greta ist bald unsicher, wem sie vertrauen kann. Dieser Spannungsbogen ist toll komponiert, auch als Leserin war ich ganz nah bei Greta und ihren Ängsten und Vermutungen.

Ganz besonders gefiel mir die Beschreibung der Bilder, auch wenn ich wusste, dass sie nur in der Fantasie der Autorin gemalt wurden, hatte ich sie farbig und plastisch vor Augen. Ebenso gelungen war die Charakterisierung der Figuren. Vielschichtige Charaktere, von denen ich gern mehr lesen würde.

Es war mein erstes Buch der Autorin und sicher nicht mein letztes. Wieder einmal ein gelungener Krimi aus dem Emons Verlag. Übrigens, der stimmungsvolle Sonnenuntergang auf dem Cover ist ein Foto der Autorin und ist noch das Tüpfelchen auf dem i.

5 Sterne für diesen Küstenkrimi.

Veröffentlicht am 14.08.2017

Literarische Schnitzeljagd

Die Kapitel meines Herzens
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Bevor Samantha Whipple als junge Literaturstudentin nach Oxford kam, hat sie noch kein normales Leben geführt. Ihr Vater, ein berühmter amerikanischer Schriftsteller und letzter Nachfahre der Brontë-Familie, ...

Bevor Samantha Whipple als junge Literaturstudentin nach Oxford kam, hat sie noch kein normales Leben geführt. Ihr Vater, ein berühmter amerikanischer Schriftsteller und letzter Nachfahre der Brontë-Familie, unterrichtete sie selbst im Haus und formte sie durch seine Erziehung ganz nach seinen Wünschen. Lange schon gibt es das Gerücht um einen Schatz der Brontës, der im Besitz der Whipples sein soll. Als Sam nach Vaters Tod seinen Wunsch erfüllt und in Oxford am Old College ihr Studium aufnimmt, wird ihr auch das Erbe des Vaters übergeben: eine kryptische Nachricht und ein Lesezeichen. Damit beginnt eine Art Schnitzeljagd und über seinen Tod hinaus, bestimmt der Vater ihr Leben.

Wenn sie ihre Referate und Aufgaben mit ihrem Tutor diskutiert, entwickelt sich meist ein Streitgespräch, die auf Sams Familie hinausläuft, denn auch Dr. Orville ist von den Brontë-Schwestern nahezu besessen. Dann findet Samantha plötzlich ein Buch aus dem Besitz ihres Vaters vor ihrer Tür, das eigentlich gar nicht existieren dürfte, denn seine komplette Bibliothek ist verbrannt. Es bleibt nicht das einzige Buch und Sam scheint sich fast in Verfolgungswahn zu verlieren.

In diesem Roman ist vieles enthalten: eine abenteuerliche Schatzsuche – eine Geschichte vom Erwachsenwerden – ein Ausflug in die Literatur und nicht zuletzt eine Liebesgeschichte. Das hat mich ausgesprochen gut unterhalten, mir gefielen die Exkurse und die Diskussionen über die Romane der Brontëschwestern, die ich selbst vor vielen Jahren alle gelesen habe. Es war auch eine Anregung die Bücher mal wieder in die Hand zu nehmen. Manchmal waren mir einige Vergleiche zu dramatisch, wenn zum Beispiel von „Augen wie schmauchende Pistolen“ gesprochen wird, aber das tut dem Gesamtbild keinen Abbruch. Das altehrwürdige Oxford als Hintergrund eines Romans ist mir immer ein Pluspunkt, auch wenn hier nicht sehr viel von der Atmosphäre der Stadt und ihrer Colleges zum Tragen kommt.

Ich habe den Roman sehr gern gelesen, es ist gute Unterhaltung mit Niveau.

Veröffentlicht am 14.08.2017

Liberos Leiden

Obszönes Verhalten an privaten Orten
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Libero Marsell erlebt das Erwachen seiner Sexualität gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass seine Mutter den Vater mit dem besten Freund Emmanuel betrügt. Er beobachtet die für ihn verstörende, aber auch ...

Libero Marsell erlebt das Erwachen seiner Sexualität gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass seine Mutter den Vater mit dem besten Freund Emmanuel betrügt. Er beobachtet die für ihn verstörende, aber auch erregende Szene. Als Spätentwickler tröstet er sich anfangs mit Literatur. Marie, Emanuells Ex-Freundin führt ihn als Bibliothekarin in die Weltliteratur ein. Er wächst mit Camus, Sartre und vielen anderen Autoren auf. Dass er während des Studiums im Deux Magot kellnert ist nur folgerichtig.
Aber seine Erfahrungen sind nun nicht mehr rein literarisch. Lunette, die ältere Schwester seines besten Freundes führt in die Welt des Eros. Stürmisch erobert sich Libero als junger Erwachsener die Welt der Sexualität. Aber nichts währt ewig, Lunette verlässt ihn und Libero geht nach Mailand und feilt an seinen Verführerqualitäten. Auch hier kellnert er wieder und für jede Eroberung gibt es eine Kerbe in die Theke.

Der Weg zum Erwachsenwerden ist oft schwer, peinlich und mit Demütigungen verbunden und der Leser begleitet Libero dabei. Das ist mit fast schmerzhafter Wahrheit erzählt, der Autor seziert seine Figuren und die Gesellschaft. Für den Leser blitzt manchmal Witz auf, aber es ist ein bitterer Witz. Trotzdem ist die Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit erzählt, die Sprache gefiel mir. Wie Libero aus der Welt der Bücher ins reale Leben findet, dabei sich selbst findet und seinen Platz in der Welt einnimmt ist großartig.

Eine außergewöhnliche Coming of Age Geschichte, die mich beeindruckt hat.

Veröffentlicht am 14.08.2017

Hotel Metropol

Ein Gentleman in Moskau
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Alexander Iljitsch Graf Rostov hat ein privilegiertes Leben in Müßiggang und Genussfreude gelebt. Allein das macht ihn im Rußland der Zwanziger Jahre zu einer unerwünschten Person. Von der Revolutionsregierung ...

Alexander Iljitsch Graf Rostov hat ein privilegiertes Leben in Müßiggang und Genussfreude gelebt. Allein das macht ihn im Rußland der Zwanziger Jahre zu einer unerwünschten Person. Von der Revolutionsregierung wird er unter lebenslangen Hausarrest gestellt. Das klingt nicht so übel, wenn man eine Suite im legendären Moskauer Hotel Metropol bewohnt. Allerdings haben die neuen Machthaber vorgesorgt, die Suite ist perdu, eine winzige Dachkammer ist nun sein Domizil. Aber Alexander hat sich eine Maxime zu eigen gemacht „wenn man nicht Herr der Umstände ist, wird man von den Umständen beherrscht“. So richtet er sein neues Leben ein, bis die Ankunft eines jungen Mädchens im Hotel in aus seiner Beschaulichkeit reißt. Nina ist mit ihrem Vater, einem der neuen Beamten der Regierung nach Moskau gekommen und leben ebenfalls im Hotel. Nina, still, klug und von bestechender kindlicher Logik krempelt sein Leben um. Er lernt die geheimen Treppen und Räume der Dienstboten (wie sie an einen Generalschlüssel gekommen ist, bleibt ihr Geheimnis), die Abläufe hinter den prächtigen Türen kennen. Ein Vorteil, der sich auszahlt, als die Umstände Graf Rostov ins weiße Jackett eines Kellners zwingen.
Ein Leben im Hotel - ein Leben in einem kleinen, eng umgrenzten und definiertem Kosmos, aber so reich an Ideen, Thesen und Erlebnissen. Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, dass mich von der ersten Seite an, so angesprochen und berührt hat. Es sind nicht die großen Umwälzungen, die das Buch zum Thema hat, sondern ein Mensch, dessen Leben mit feinen Pinselstrichen gezeichnet wird. Der sich jeder Herausforderung stellt, aber dabei immer anständig und loyal bleibt und für Menschen, die ihm begegnen und wichtig sind, auch sein eigenes Wohl zurückstellt. Wenn nach langen Jahren der Verbannung ein zurückgekehrter Jugendfreund zu Alexander sagt „ du scheinst der glücklichste Mensch Rußlands zu sein“ hat er den Kern getroffen.
Ich hätte diesen Roman noch ewig weiterlesen können, hier ist eine untergegangene Welt, eine ferne Epoche auferstanden, so lebendig erzählt der Autor Rostovs Leben.
Ich habe ein Lieblingsbuch gefunden, das mich sicher immer wieder zum erneuten lesen und entdecken reizen wird. Ich möchte es jedem Leser ans Herz legen.