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Veröffentlicht am 06.08.2017

Mord im Mölltal

Wenn der Platzhirsch röhrt
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Sepp Flattacher, der passionierte Jäger im Mölltal ist ein rechter Kauz. Er möchte nur seine Ruhe haben, sein bester Freund ist sein Hund und allenfalls der etwas einfältige Reini darf noch auf etwas Wohlwollen ...

Sepp Flattacher, der passionierte Jäger im Mölltal ist ein rechter Kauz. Er möchte nur seine Ruhe haben, sein bester Freund ist sein Hund und allenfalls der etwas einfältige Reini darf noch auf etwas Wohlwollen hoffen. Einen echten Kleinkrieg über den Gartenzaun führt er allerdings mit seinem Nachbarn Heinrich Belten, ein Piefke, wie er im Buch steht. Und genau von dort droht Ungemach. Heinrichs Tochter mit Ehemann und Kindern scheinen einen endgültigen Umzug nach Kärnten zu planen und den Vater ins Altenheim zu schicken. Heinrich ist ihm schon zu viel, aber so eine umtriebige Familie gilt es zu verhindern. Also schmieden die zwei alten Herren einen ausgetüftelten Abwehrplan und müssen sich dazu auch widerwillig verbinden. Aber dann kommt ihnen eine Leiche dazwischen und beide fühlen sich nicht ganz unschuldig.

Der Jägerkrimi „Wenn der Platzhirsch röhrt“ ist eine perfekt gelungene Mischung aus schwarzem Humor, kauzigen Typen und haarsträubenden Ereignissen, eingebettet in einen ganz realen Kriminalfall. Dass sich Sepp und Heinrich darin verwickeln lassen, ist auch dem Abwehrkampf gegen Schwiegersohn Anton Nowak geschuldet, der seine Finger in allerlei unsaubere Geschäfte gesteckt hat.

Mir gefällt es, wenn die regionalen Eigenarten und Dialekte und in diesem Fall auch gleich noch Jägerlatein, sich mit einem durchaus ernsten Krimi verbinden. Verständnisschwierigkeiten gibt es dabei keine, dafür sorgt ein ausführliches Glossar im Anhang. Das Buch liest sich flüssig, man mag gar nicht aufhören, ein witziger Einfall jagt den nächsten, ohne dass die Logik und Spannung des Krimis dabei auf der Strecke bleibt. Eine Stärke ist die Gestaltung der Figuren, Alexandra Bleyer zieht da alle Register und ihre Personen sind allesamt gelungen.

Sepp Flattacher wird von der Autorin schon zum zweiten Mal auf Mörderjagd geschickt, aber auch ohne Kenntnis des ersten Bands hat man überhaupt keine Schwierigkeiten sich im Mölltal zurechtfinden.
Wer humorvolle Regionalkrimis schätzt, hat hier ein echtes Highlight vor sich.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Rachemond

Rachemond
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Die Journalistin Elvira wird vom Chefredakteur ihrer Zeitung, des Wiener Tagesboten, nach Kärnten geschickt. Dort wurde die Leiche des Vorsitzenden der Christine-Lavant-Gesellschaft aus dem Bach gefischt. ...

Die Journalistin Elvira wird vom Chefredakteur ihrer Zeitung, des Wiener Tagesboten, nach Kärnten geschickt. Dort wurde die Leiche des Vorsitzenden der Christine-Lavant-Gesellschaft aus dem Bach gefischt. Selbstmord, wie es gleich heißt, aber der Chef wittert eine Story.
Bei der Polizei fällt Elviras Recherche unangenehm auf, Inspektor Speckbacher hält nichts von neugierigen Journalistinnen, die seine Schlussfolgerung in Frage stellen. Aber nach einigen Gesprächen ist Elvira sicher: es war Mord.
Der Krimi führt ins tiefste Kärnten, ins Lavanttal. Dort lebte und starb die beeindruckende Dichterin Christine Lavant. Es ist ein Verdienst des Autors, Person und Werk dieser Künstlerin in den Focus zu rücken, sie war für mich bisher nur ein Name im Literaturlexikon. Auch die Idee ein geheimnisvolles Manuskript zum Mittelpunkt des Plots zu machen, gefiel mir.
Allerdings bin ich mit der Hauptfigur, der Journalistin Elvira nicht warm geworden. Sie blieb eine Figur ohne Kontur. Trotz der vielen, sich oft wiederholenden Beschreibungen. Muss ich denn bei jeder Getränkebestellung der Protagonistin wieder erfahren, warum sie Tee dem Kaffee vorzieht und wie sie ihn am liebsten mag? Reicht nicht einmal die Erklärung zu ihrem Fleischverzicht, ohne die dauernde Wiederholung bei jedem Gaststättenbesuch?
Überhaupt, die Beschreibungen – manchmal dachte ich, Wolfgang Jezek traut seinen Lesern nicht viel zu. Statt Handlung und Personen aus Situationen oder Dialogen zu charakterisieren, werden immer wieder langatmige Erklärungen eingeschoben. Ist da der Brotberuf des Debütautors eingeflossen? So konnte kein rechter Lesefluss entstehen und ich muss zugeben, darüber habe ich mich auch geärgert. Der Schreibstil ist mir manchmal als hölzern aufgefallen, die Dialoge wirkten nicht unbedingt lebensecht. Nach der Beschreibung hatte ich mehr erwartet. Etwas mehr Charme und Sprachwitz hätten mir gefallen. Ein Minuspunkt ist auch die Auflösung des Falls, ich finde mich immer unterschätzt, wenn zum Schluss plötzlich ein Täter aus dem Hut gezaubert wird und dann noch einmal Tathergang und Motive zusammengefasst und erklärt werden.
Das ist eigentlich schade, denn ich fand viele gute Ansätze und der Plot hatte Potenzial. Der Krimi spielt in jüngster Vergangenheit, in Kärnten ist die Ära Haider grade erst zu Ende gegangen und ich spürte, dass die Probleme des Bundeslandes ein echtes Anliegen des Autors sind. Das hat mir über die Krimilektüre hinaus viel Stoff zum Nachdenken und Nachlesen gegeben.
Ich bin sehr neugierig, wie sich der Autor nach diesem Debütkrimi weiterentwickelt.

Veröffentlicht am 02.08.2017

Niemand hält ihn auf

Projekt Orphan
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Das Projekt „ Orphan“ ist ein geheimes, hochbrisantes Programm der US-Regierung. In Kinderheimen und Waisenhäuser werden geeignete Kinder ohne Eltern oder Verwandte gesucht und in einem jahrelangen Training ...

Das Projekt „ Orphan“ ist ein geheimes, hochbrisantes Programm der US-Regierung. In Kinderheimen und Waisenhäuser werden geeignete Kinder ohne Eltern oder Verwandte gesucht und in einem jahrelangen Training zu Elitekämpfern und Killermaschinen ausgebildet. Evan, als Orphan X, ist eines dieser Kinder. Er hat zu seinem Mentor und Trainer Jack eine besondere Verbindung, er sieht ihn fast als Vaterersatz. Diese menschliche Regung veranlasst Evan auch das Programm kritisch zu hinterfragen. Aber ein Ausstieg ist von den Organisatoren nicht gedacht, Jack bezahlt mit dem Leben und Evan führt fortan ein Leben im Untergrund.
Allerdings ein komfortables, durch seine Aufträge hat er genug Geld, das er auf diversen Konten gebunkert hat. Sein Leben ist hinter einer hochtechnisierten Sicherheitsbarriere versteckt. Evan hat sich eine Aufgabe zu Eigen gemacht, als „Nowhere Man“ hilft Menschen in unverschuldeten Notlagen. Dafür setzt er seine ganzen Kenntnisse und Verbindungen ein. Menschenhändler, Drogenbosse und immer wieder Kinderhändlerringe sind sein Ziel. Das bringt ihm viele Feinde ein, aber auch die Bosse von Projekt Orphan sind hinter her. Aber als er dann in eine Falle gerät, ist es eine Bedrohung aus einer ganz anderen Ecke.
Gefangengehalten in einem bunkerähnlichen Chalet wird Evan erpresst, sein ganzes Vermögen den Kidnappern zu überweisen. Eine geschickte Idee – Schwarzgeld wird von niemandem gesucht. Aber Evan lässt sich nicht unterkriegen, er sinnt auch ein Entkommen und Scharfschützen, Wachleute und Killer sollen ihn nicht aufhalten. Jeder Tag in Gefangenschaft ist eine Tortur, aber Evan kämpft!
Ein unglaublich rasanter Plot. Wann immer ich dachte, jetzt hat er kein Mittel zur Gegenwehr mehr, findet er einen Müllbeutel, einen Serviettenring oder ähnliches, was er zu tödlichen Waffen umsetzt. (McGyver lässt grüßen) Es gab kaum eine Verschnaufpause und der Ideenreichtum des Autors ist gewaltig. Ein fulminanter Einfall jagt den nächsten. Zwar hätte ich mir weniger Kampfszenen und mehr Hintergrund gewünscht, aber trotzdem ist die Geschichte rund aufgebaut. Lediglich der Mittelteil mit den tagelangen Ausbruchsversuchen hat Längen, auch wenn er jedes Mal eine neue List ersinnt, wiederholt sich die Konstellation dann doch. Das Buch ist ein routinierter, fesselnd zu lesender Thriller, der direkt nach einer Verfilmung schreit.

Veröffentlicht am 01.08.2017

In den Cevennen

In tiefen Schluchten
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Tori Godon lebt seit einiger Zeit im Vivarais. Ihr verstorbener Mann, Nachfahre der dort verfolgten Hugenotten, wollte seine Familiengeschichte erforschen. Aber nun bleibt sie Witwe allein zurück. Als ...

Tori Godon lebt seit einiger Zeit im Vivarais. Ihr verstorbener Mann, Nachfahre der dort verfolgten Hugenotten, wollte seine Familiengeschichte erforschen. Aber nun bleibt sie Witwe allein zurück. Als sie erfährt, dass ein junger holländischer Höhlenforscher verschwunden ist, reagiert sie beunruhigt, auch etwas verständnislos, da die Vermieterin keine Anstalten macht, den Vermissten zu melden. Dann stirbt der alte Didier, der ihr am Vorabend noch mit vielen geheimnisvollen Andeutungen von den alten Höhlen in der Umgebung erzählte, unter ungeklärten Umständen. Aber niemand scheint ein Interesse daran zu haben, die Vorfälle zu untersuchen. Das macht Tori skeptisch und sie beginnt auf eigene Faust ein bisschen zu „schnüffeln“.

Wunderschöne, sehr ausführliche Landschaftsbeschreibungen dominieren das Buch. Da ich die Gegend kenne, hat mich das nicht mal gestört, denn es erweckte lebhafte Erinnerungen und Bilder bei mir. Aber allmählich vermisste ich doch die Krimihandlung. Bis weit über die Hälfte des Krimis passierte nichts. Dann kommt allmählich doch etwas Tempo ins Buch, aber die Entwicklung stellte sich mir nicht immer logisch dar.

Die Figuren sind nett entwickelt, Tori ist eine sympathische Frau, die als Hauptfigur den Roman trägt. Die Idee, die Hugenottenverfolgung mit der Resistance zu verbinden finde ich gelungen, aber das allein reicht halt nicht, einen Krimi über Mittelmaß hinaus zu heben. Ich finde, die Autorin hat schon öfters den Beweis erbracht, dass sie spannende und subtile Krimis schreiben kann, bei ihrem neuen Buch habe ich davon nicht so viel gespürt. Es bleibt eine unterhaltsame, ein bisschen abenteuerliche Urlaubsgeschichte, ganz besonders geeignet für LeserInnen, die Frankreich lieben und in diese schöne Landschaft eintauchen möchten.

Veröffentlicht am 30.07.2017

Der Bote und der Pate

Im Namen des Paten
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Lupino Severino lebt in Venedig mehr schlecht als recht von seinen gelegentlichen Detektivjobs und als Reiseführer. Seine Laufbahn als Polizist musste er aufgeben, die Freundschaft seit Kindertagen mit ...

Lupino Severino lebt in Venedig mehr schlecht als recht von seinen gelegentlichen Detektivjobs und als Reiseführer. Seine Laufbahn als Polizist musste er aufgeben, die Freundschaft seit Kindertagen mit dem Oberhaupt der Frulani-Familie brachte ihn in eine verfängliche Situation.

Da bittet ihn „Il Piccoletto“ Frulani um einen kleinen, aber gut dotierten Gefallen. Einen Speicherchip soll er Frulanis Tante in Triest überbringen. Eine kleine Fahrt, abgeben und am Abend zurück, schnell verdientes Geld, so denkt Severino. Aber es kommt alles anders, kurz bevor der das Haus betritt, zündet eine Sprengladung. Er kann sich in Sicherheit bringen, beim zweiten Versuch der Kontaktaufnahme gerät in die Hände der Mitarbeiter der Signora und wird gefoltert. Plötzlich sieht er sich inmitten eines Kampfs zwischen zwei großen Mafia-Familien und nicht nur er, auch seine Verlobte schweben in Lebensgefahr.

Vor der wirklich sehr malerischen Kulisse Venedigs – Grado und Triest entfaltet sich dieser Mafia-Krimi. Sehr überzeugend erzählt, kann man einen Blick hinter die Machenschaften des organisierten Verbrechens werfen. Dabei hat mir die Charakterisierung der Figuren gefallen. Obwohl Il Piccolletto ein skrupelloser Gangster ist, für den ein Menschenleben nichts zählt, wird er nicht als eindimensionales Monster gezeichnet. Grade das macht die Faszination aus, Macht und Geld und die Gier nach Kontrolle sind seine Motive.

Die Hetzjagd auf Lupino ist rasant erzählt, als fast unschuldige Randfigur ist er zwischen die Fronten geraten und flieht um sein Leben. Dabei ist dem Autor eine atmosphärisch dichte Schilderung gelungen, das italienische Flair der Landschaft, die besondere Stimmung bei Espresso und Wein in Triester Bars und ein Venedig, im dem die Massen der Touristen nur eine lästige Randerscheinung sind, haben mir beim Lesen sehr viel Vergnügen bereitet.
Die Handlung ist realistisch aufgebaut, der Einblick in die Machenschaften der Mafia erscheint mir sehr kenntnisreich erzählt.

Der Krimi hat meine Erwartungen mehr als erfüllt. Spannend, temporeich und mit Empathie für die Figuren – ich mochte kaum aufhören zu lesen. Gut, dass es noch einen ersten Band gibt, der die Wartezeit auf einen neuen Fall für Lupino Severino überbrückt.