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Veröffentlicht am 31.08.2019

Ein Leben im Schatten des Vaters

Die Tochter des Malers
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Eine Romanbiografie - steht in der Beschreibung und tatsächlich erfährt man detailreich vieles aus dem Leben der Familie Chagall, deren Mittelpunkt und Fixstern Marc ist. Ehefrau Bella und Tochter Ida ...


Eine Romanbiografie - steht in der Beschreibung und tatsächlich erfährt man detailreich vieles aus dem Leben der Familie Chagall, deren Mittelpunkt und Fixstern Marc ist. Ehefrau Bella und Tochter Ida stellen ihr Leben ganz in den Dienst des Künstlers und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Marc Chagall reagiert wie ein verwöhntes Kind, wenn nicht alle seine Wünsche sofort erfüllt werden. Gleichzeitig fehlt im die Empathie für seine Mitmenschen, woran ganz besonders seine Tochter Ida, die Hauptperson dieses Romans leidet.

Ida war Modell für viele seine Bilder, wurde von der Mutter zu Hause erzogen und hatte nie gleichaltrige Spielgefährten. Zwar wurde sie noch Weißrussland geboren, aber die Chagalls haben nach den ersten nachrevolutionären Progromen das Land verlassen und nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin, ihren Wohnsitz in Paris genommen, damals auch das Zentrum der Künstler. Marc hat bereits erste Erfolge als Maler und das ermöglicht einen komfortablen Aufenthalt.

In dieser Umgebung wächst Ida behütet auf, erst ein Ferienlager für jüdische Jugendliche bietet ihr einen ersten Aufenthalt außerhalb der Familie. Fast zwangsläufig verliebt sie sich in den fast gleichaltrigen Michel. Ein Jahr der Briefwechsel und kurzen Treffen in Paris folgt bis es bei den nächsten Sommerferien zu einem Wiedersehen kommt. Ida wird schwanger und zum ersten Mal mit der Realität des Lebens konfrontiert, denn ihre Eltern reagieren äußerst kaltherzig und zwingen Ida zu einem Schwangerschaftsabbruch und dann, um die Ehre wiederherzustellen, zur Heirat mit Michel, den sie allerdings aus Standesdünkel ablehnen und nie in die Familie aufnehmen. Besonders Marc Chagall, dem der äußere Schein und Reputation besonders wichtig sind, lässt das junge Paar seine Abneigung spüren.

Inzwischen erreichen die Nachrichten vom Aufstieg der Nazis und von den ersten Gräueltaten der SS auch Paris, viele Juden bemühen sich um eine Ausreise, nach Palästina, den USA oder in andere sichere Staaten, auch Michel und Ida versuchen die Chagalls dazu zu bewegen. Aber Marc weigert sich lange, er hält sich allein durch seinen Namen für unantastbar und blendet völlig aus, dass auch in Frankreich bereits die Übergriffe zunehmen.

Letztendlich gelingt es Ida, die Ausreise noch zu ermöglichen und bringt später unter vielen Mühen, einen Großteil des Werks in den USA in Sicherheit. Marc verlässt sich immer mehr auf seine Tochter, Bella Chagall kränkelt und stirbt kurze Zeit nach der Übersiedlung. Ida ist nun Muse, Haushälterin, Kuratorin, Managerin ihres äußerst anspruchvollen Vaters, das ihre Ehe daran scheitert, ist unausweichlich.

Diese Zeit und die weiteren Jahre an der Seite ihres Vaters schildert die Autorin ausführlich. Aber auch in diesem Roman ist Ida nicht die Hauptperson, symbiotisch ist sie mit ihrem Vater verbunden, sie fühlt sich gefesselt, kann sich aber auch nicht lösen und will sich nicht lösen. Als ihr Vater in Virginia Haggard-McNeal eine Geliebte findet, bestimmt sie weiterhin den Haushalt und beansprucht den Platz an seiner Seite.

Man weiß nicht, ob man Ida bedauern oder ablehnen soll. Bedauern, weil sie ein Leben aus zweiter Hand lebt, aufgezwungen durch Erziehung und den Charakter Marc Chagalls; ablehnen, weil sie keine Anstrengung unternimmt, sich zu lösen, sie die Fesseln des anspruchvollen Vaters durchaus genießt.

Idas Persönlichkeit bleibt in diesem Roman undefiniert, es ist mehr ein Buch über Chagall und seine Bilder geworden. Aber vielleicht ist das gerade das, was die reale Person der Ida Chagall spiegelt.
Gloria Goldreich beschreibt detailliert und mit Gespür für die Zeit die Kunstszene der 30iger, 40iger Jahre. Die Eifersüchteleien der Künstler, die sich misstrauisch beäugen, die Welt der Kunstsalons und Ausstellungen.

Ich hätte allerdings gern noch mehr über die ältere, unabhängige Ida erfahren, die endlich ihre eigene Familie gründete und sich aus dem Schatten des Vaters löste, aber das kommt deutlich zu kurz. Auch für die Autorin existiert Ida nur in Verbindung mit ihrem Vater Marc Chagall.

Veröffentlicht am 16.08.2019

Endgültige Entschleunigung

Der letzte Streich
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Kommissarin Franziska hätte die Urlaubswoche mit ihrer Freundin lieber an der Ostsee verbracht. Aber Marie ist noch nicht wieder völlig genesen und mag nicht so weit reisen, lieber in der Nähe des Heimatortes ...

Kommissarin Franziska hätte die Urlaubswoche mit ihrer Freundin lieber an der Ostsee verbracht. Aber Marie ist noch nicht wieder völlig genesen und mag nicht so weit reisen, lieber in der Nähe des Heimatortes und der vertrauten Ärzte bleiben. So wird es also Niederbayern. Der erste Ausflug führt nach Ortenburg, dort lockt ein Mittelaltermarkt. Aber das wird kein Vergnügen, ein als Narr verkleideter Mann torkelt in ihre Arme und stirbt blutüberströmt. Ein alter Dolch steckt in seiner Brust. Franziska kann ihren Beruf nicht verleugnen, auch wenn sie in Urlaub ist, zudem scheint die örtliche Dienststelle total überfordert, der Chef in Urlaub und der Stellvertreter macht nichts ohne sich bei seinem Vater rückzuversichern. Der ist nämlich der pensionierte Vorgänger des Dienststellenleiters.
Der Tote nahm an einem Seminar zur Stressbewältigung für Manager teil. Aber so jäh sollte die Entschleunigung nicht erfolgen. Auch bleibt es nicht bei einer Leiche und bei den Seminarteilnehmern geht die Angst um.
Alle ermitteln so gemütlich vor sich hin, als Running Gag erscheint immer der gleiche, angetrunkene Notarzt, der ohne Rücksicht auf Spuren die Leichen dreht und wendet. Die Befragungen erfolgen eher nach dem Zufallsprinzip. Aber trotzdem verbreitet der Schreibstil von Katharina Gerwens gute Laune. Mit ihren Protagonisten Franziska und Marie gibt es dazu noch zwei ausgesprochene Sympathieträgerinnen. Wohldosiert ist auch der Witz bei diesem Buch, der eindeutig zum Genre der Humorkrimis zu zählen ist.
Allerdings hat mich das Ende, das schon sehr früh angedeutet wird, enttäuscht. Ein etwas seltsamer Krimi. Ich habe schon viel von der Autorin gelesen, schade, dass mich das neue Buch nicht restlos begeistern konnte.

Veröffentlicht am 06.08.2019

Netter Cornwall Krimi

Je kälter die Asche
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Mags Blake hält sich mit ihrem kleinen Gartenbaubetrieb mühsam über Wasser. Sie kann zwar über die Auftragslage nicht klagen, aber die Schulden ihres verstorbenen Ehemanns drücken schwer. Dann gibt auch ...

Mags Blake hält sich mit ihrem kleinen Gartenbaubetrieb mühsam über Wasser. Sie kann zwar über die Auftragslage nicht klagen, aber die Schulden ihres verstorbenen Ehemanns drücken schwer. Dann gibt auch noch ihr alter Transporter auf der Rückfahrt von Oxford endgültig den Geist auf. Sie hatte ihren Freund Sam besucht, aber das Treffen endete mit einem Missverständnis und sie ist ziemlich geknickt.


Da kommt eine Ausschreibung zu einem Gartenprojekt gerade recht. Ein Preisgeld von 5000 Pfund ist sehr verlockend. Der Gemeinde Drabstock geht es schlecht, die Zinn Mine ist seit Jahren geschlossen, die Fischerei liegt in den letzten Zügen, immer mehr Einwohner verlassen das sterbende Dorf. Nun soll die Umgestaltung der verwilderten Industriebrache wieder Leben in den Ort bringen und Touristen anlocken. Eigentlich ist das Projekt eine Nummer zu groß, aber auch eine interessante Herausforderung. Umso mehr, da Mags von ganz unerwarteter Seite Hilfe bekommt. Der sehr zurückhaltende Mr. Gulliver, ein älterer vermögender Herr, bietet seine Hilfe an. Welche Überraschung, denn er war in den 90iger Jahren der Star der englischen Landschaftsgärtner. Nun langweilt er sich in seinem Ruhestand und will Mags unterstützen.


Einige der Bewohner Drabstocks sind gegen das Projekt und natürlich ist auch die namhafte Konkurrenz schon vor Ort. Doch dann brennt ein altes Gebäude und in der Ruine wird eine Leiche gefunden. Schon ist Mags wieder in einen Kriminalfall verwickelt.


Die Cornwall Krimis von Mary Anne Fox sind gemütliche, stimmungsvolle Landhauskrimis. Die Krimihandlung setzt dieses Mal für meinen Geschmack erst recht spät und auch sehr verhalten ein. Es sind mehr die schönen und kenntnisreichen Cornwall Beschreibungen mit denen das Buch punktet, wie es bei einem Cosy Crime auch zu erwarten ist. Sehr sympathisch und liebenswert ist die Figur der Mags Blake, eine junge Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht und jede Herausforderung annimmt, man ist beim Lesen sofort auf ihrer Seite.


Die Krimis sind nicht sehr umfangreich, etwas über 200 Seiten, die, auch weil die Geschichte spannend aufgebaut ist, schnell gelesen sind. Der Sprachstil der Autorin ist angenehm, die Krimihandlung kommt ohne viel Blutvergießen oder Gewalt aus.


Das Buch ist genau richtig für einen gemütlichen Nachmittag und vermittelt eine richtig angenehme Cornwall Atmosphäre.

Veröffentlicht am 31.07.2019

Totenheck

Aller toten Dinge sind drei
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Elsa van Graaf, die ehemalige Ruder-Olympionikin, lebt und arbeitet mit Tochter, Eltern und Schwester auf dem Familienhof. Aber zur beruflichen Abrundung hat sie eine Stelle beim Landfrauenverband angenommen. ...

Elsa van Graaf, die ehemalige Ruder-Olympionikin, lebt und arbeitet mit Tochter, Eltern und Schwester auf dem Familienhof. Aber zur beruflichen Abrundung hat sie eine Stelle beim Landfrauenverband angenommen. Als persönliche Assistentin der Präsidentin hat sie ihren ersten Einsatz. Der Ortsverband von Ublengen in Ostfriesland soll für seine Aktivitäten und den gesellschaftlichen Einsatz geehrt werden.

Doch gleich bei der Ankunft wird Elsa in einige geheimnisvolle Ereignisse hineingezogen. Es werden bei drei Bewohnern schwarze Bretter mit Namen und Sterbedatum gefunden. Das sogenannte „Totenheck“ , ein alter Beerdigungsbrauch in dieser Gegend. Nur erfreuen sie die drei Männer noch bester Gesundheit. Die Dorfpolizei ermittelt und auch ein Kommissar aus der nächsten Stadt wird hinzugezogen. Denn das Sterbedatum ist ausgerechnet der Tag des traditionellen Herbstmarkts. Elsa van Graaf beginnt mit ihrer Spurensuche.

Ich kenne Ohle Bent schon von seinen Küstenkrimis und auch von seinem kriminalistischen Ausflug nach Südtirol (Herz-Jesu-Feuer). Deshalb war ich schon sehr gespannt auf die neue Reihe, denn der Untertitel „Ihr erster Fall“ verspricht ja eine Fortsetzung. Auch in Uplengen gibt es witzige plattdeutsche Einsprengsel und urige Typen, die das Lesen sehr vergnüglich machten. Den Hintergrund geben die Landfrauen und ihr unermüdliches Engagement für das Ansehen von Frauen, die oft unbezahlt und ohne Anerkennung ihre Arbeitskraft in Haus und Hof stecken. Das wird sehr intensiv beschrieben, so dass ich sogar manchmal dachte, Bent Ohle hat eine Werbebroschüre für die Vereinigung sehr gründlich studiert. Deshalb wirkte das Buch manchmal wie eine Auftragsarbeit auf mich und erreicht nicht ganz die Qualität seiner früherer Krimis.

Wie bei einem Land-Krimi spielt das Drumherum eine große Rolle und die Atmosphäre hat mir gut gefallen. Auch dass ein Geheimnis im Leben von Elsa van Graaf angesprochen wird und mit einem Cliffhanger für den nächsten Band offen blieb, fand ich vergnüglich.

Insgesamt hätte aber etwas mehr Tempo und stringentere Handlungsführung mir noch besser gefallen. Auch vermeidbare Fehler, wie der Vorname von Elsas Schwester, die mal Sarah, mal Lara genannt wurde, störten mich etwas.

Der Krimi ist liebevoll ausgestattet, eine Zeichnung von Uplengen im Vorsatz und ein im gleichen Stil gehaltenes Cover fällt auf, genau wie das außergewöhnliche Format. Eine um 1-2 Punkt größer gewählte Schrifttype würde die Lesefreundlichkeit deutlich erhöhen.

Ich denke, der Landfrauenkrimi hat sein Potential nicht ganz ausgeschöpft und ich bin sehr gespannt, wie es beim nächsten Buch gelingt.

Veröffentlicht am 29.07.2019

Aufregung in Ischl

Sissis Kopf
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So idyllisch es im Salzkammergut scheint, auch hier lauert das Verbrechen. Aus der Bad Ischler Kaiservilla ist ein Marmorkopf der Kaiserin Sisi entwendet worden. Ganz aufgelöst ist der Erzherzog, an dessen ...

So idyllisch es im Salzkammergut scheint, auch hier lauert das Verbrechen. Aus der Bad Ischler Kaiservilla ist ein Marmorkopf der Kaiserin Sisi entwendet worden. Ganz aufgelöst ist der Erzherzog, an dessen Kaisertreue die Jahrzehnte spurlos vorübergingen.
Chefinspektor Brandner und sein frisch beförderter Revierinspektor Birngruber sehen sich plötzlich in hektische Ermittlungen verwickelt, denn die Hauptverdächtige wird ermordet im Hotelzimmer aufgefunden.
Schon die Beschreibung und das Titelbild versprechen einen humorvollen Kriminalroman mit viel Regionalkolorit. Das Taschenbuch fällt auch durch die liebevollen Zeichnungen und die Übersichtskarten von Ischl und Gmunden auf.
Der Autor nimmt nicht nur die K & K Schwärmerei aufs Korn, auch sein Erzherzog und die anderen Adelsträger, die eisern in der Vergangenheit leben, werden passend portraitiert. Die beiden Revierpolizisten gehören zu den gemütlichen Vertretern ihres Berufs. Nichts geht über kulinarische Genüsse und ein Verschieben von Pausen und den dazugehörenden Mahlzeiten geht gar nicht. Andererseits ist man auch nicht über die Einmischung der übergeordneten Behörden aus Linz glücklich.
Die Handlung schreitet also gemächlich voran, über Spuren und Hinweise stolpert Birngruber meist nur zufällig, während Brandners Überlegungen auch nicht allzu viel Erkenntnis bringen. Viel Spannung sollte man also nicht voraussetzen, dafür aber eine witzige Atmosphäre mit einigen Dialekteinsprengseln, die im ausführlichen Glossar erklärt werden.
Mir driftete allerdings der Humor manchmal zu sehr in Klamauk ab und auch Ungenauigkeiten in der Kontinuität der Handlung und der Sprache sind mir beim Lesen aufgefallen.
Aber trotzdem überwiegt der positive Eindruck und der Salzkammergut Krimi ist die passende leichte Lektüre für Fans von amüsanten Regionalkrimis