Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.04.2017

Die Fesseln der Vergangenheit

Die unbekannte Schwester
0

Carlotta Fiore hat eines ihrer Ziele erreicht, sie wird bei der Kriminalpolizei angenommen und ermittelt nun ganz offiziell an der Seite von Konrad Fürst, ihrem leiblichen Vater. Nach vielen dramatischen ...

Carlotta Fiore hat eines ihrer Ziele erreicht, sie wird bei der Kriminalpolizei angenommen und ermittelt nun ganz offiziell an der Seite von Konrad Fürst, ihrem leiblichen Vater. Nach vielen dramatischen Ereignissen – wer die zwei Vorgängerbände kennt, ist klar im Vorteil – scheint eine Zukunft ohne den übermächtigen Schatten der berühmten Opernsängerin Maria Fiore, möglich. Offiziell ist Carlotta die Tochter der verstorbenen Diva, allerdings wurde sie von ihr als Kleinkind entführt und als Tochter ausgegeben, um ihr leibliches, behindertes Kind in einer Heil-und Pflegeanstalt zu verstecken.
Kaum im Polizeidienst angekommen, ermitteln sie und Konrad in einem Suizidfall. Eigentlich liegt alles klar auf der Hand, doch als Carlotta einen Zettel in der Wohnung findet, auf der ihr Name und der Tag der Entführung stehen, weiß sie, dass auch dieser Fall ganz viel mit ihr persönlich zu tun hat. Psychisch angeschlagen versucht Carlotta trotz Behinderungen durch ihre Kollegen und dem Polizeichef weiter zu ermitteln. Jede Spur führt sie tiefer in ihre Vergangenheit und reißt bei ihr und ihrem Vater Konrad alte Wunden auf.
Was im ersten Band „Wiener Totenlieder“ wunderbar funktioniert und im zweiten Band „Mörderische Wahrheiten“ zumindest den Krimi noch spannend getragen hat, versagt für mich in diesem dritten Buch. Wieder kreist alles um die damalige Entführung, den Gedächtnisverlust ihres Vaters und die On-Off-Beziehung mit Kollege Hannes. Atemlos hetzt Carlotta von Schauplatz zu Schauplatz, unterbrochen von Besuchen bei der Therapeutin und Beinahe-Zusammenbrüchen. Sie ist nicht nur Ermittlerin, sie ist auch Verdächtige und Opfer gleichzeitig. Diese Szenerie war mir einfach zu überladen und durch die ausgedehnten Privatprobleme überfrachtet. Die Darstellung der Polizeiarbeit ist absolut nicht realistisch. (ohne Ausbildung eine Stelle im Kriminalkommissariat zu bekommen oder nach 30 Jahren alkoholbedingte Auszeit und Amnesie wieder in der alten Stellung einzusteigen) Das sprengt auch den Rahmen, den man der erzählerischen Freiheit zubilligen kann.
Das Buch ist durchaus spannend geschrieben, dafür sorgen die schnellen Szenenwechsel, nur den Plot fand ich leider nicht mehr sehr originell, ständige Wiederholungen ließ es mir zu sehr wie einen Aufguss der letzten Bände erscheinen. Dabei mag ich den Stil der Autorin, das gewisse „Wienerische“, das ließ mich auch zu diesem Krimi greifen. Meine Erwartungen waren sehr hoch, vielleicht zu hoch und daraus resultiert die Enttäuschung, die ich nach dem Lesen empfand.

Veröffentlicht am 06.04.2017

Vom Verlieren und Wiederfinden

Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands
0

Michéle lebt und arbeitet auf dem Bahnhof des kleinen Örtchens Miniera de Mare. Arbeit und Wohnung hat er vom Vater übernommen, mittlerweile hält nur noch ein Regionalzug am Tag und Michéle ist ganz eingesponnen ...

Michéle lebt und arbeitet auf dem Bahnhof des kleinen Örtchens Miniera de Mare. Arbeit und Wohnung hat er vom Vater übernommen, mittlerweile hält nur noch ein Regionalzug am Tag und Michéle ist ganz eingesponnen in seiner Alltagsroutine und Einsamkeit. Seit seine Mutter eines Tages den Zug bestieg und nie mehr zurückkam, umgibt ihn Misstrauen gegen Menschen. Seine einzige Freude sind Fundgegenstände aus dem Zug, die, wenn sie nicht mehr abgeholt werden, in seinem Zimmer gesammelt werden.
Eines Tage reißt ihn Elena, eine junge Frau auf der Suche nach einer vergessenen Puppe aus seiner Lethargie und schubst ihn in die Realität, er beginnt die fast aussichtslose Suche nach seiner Mutter. Elena hilft ihm auch, seine inneren Fesseln zu lösen und eine zarte Freundschaft und Bindung entsteht.
Die Beschreibung verspricht eine märchenhafte, eine wenig versponnene Geschichte und es sind auch alle Zutaten vorhanden, die dazu gehören. Der Autor, Salvatore Basile, ist ein versierter Drehbuchschreiber, der eine Geschichte aufbauen und mit Worten umgehen kann. Es gelingen ihm sehr schöne Szenen, die sofort ein Kopfkino auslösen. Doch warum konnte mich der Roman nicht ganz überzeugen?
Sicher lag es an der Überfülle solcher Szenen und Zufälle. Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass der Autor zu viel hineinpackte, Begegnungen und Personen ganz kalkuliert auf ihre Bildhaftigkeit hineinpackte und dadurch die Wirkung verwässerte. Auch die Charakterisierung seiner Hauptfiguren litt darunter, ihre Entwicklung war nicht immer nachzuvollziehen. Das fand ich sehr schade, denn immer wieder waren da sehr anrührende emotionale Abschnitte, die allein besser gewirkt hätten, wären sie nicht zu überfrachtet gewesen. Statt auf die Fantasie der Leser zu vertrauen, gibt der Autor jedes Detail vor und bemüht immer wieder den Zufall um den Roman voranzutreiben. Dass hat mir die Freude an diesem Roman geschmälert, dessen Handlungsidee mir sehr gut gefallen hat und von dem ich mir viel versprochen hatte.
Mein Lesedruck: eine schöne Idee, eine gute Sprache, aber die Ausführung war nicht ganz rund, deshalb bin ich mit meinen Leseeindruck auch gespalten. Es war alles da, was eine unterhaltsame, etwas märchenhafte Geschichte ausmacht, dass es mich trotzdem nicht richtig gepackt hat, lag vielleicht auch an meinen hohen Erwartungen.
Die Gestaltung des Covers fand ich ausnehmend gelungen, der ein Bahnhof, etwas altertümlich, der Aufbruch und Heimkehr gleichermaßen symbolisiert.

Veröffentlicht am 05.04.2017

Alarm auf Amrun

Backfischalarm
0

Wenn eine Klasse 10 auf Klassenfahrt geht, wird es meistens stürmisch. Deshalb sieht Polizist Thies Detlefsen seine Zwillingstöchter Telje und Tadje auch mit Sorgen ziehen. Nicht umsonst, wie sich bald ...

Wenn eine Klasse 10 auf Klassenfahrt geht, wird es meistens stürmisch. Deshalb sieht Polizist Thies Detlefsen seine Zwillingstöchter Telje und Tadje auch mit Sorgen ziehen. Nicht umsonst, wie sich bald herausstellt. Auf der Fähre nach Amrum geht es schon hoch her, es wird gegiggelt und geflirtet, schließlich ist mit Referendar Manuel ein „voll süßer“ Junglehrer dabei. Die Smartphones sind im Dauereinsatz, Selfies und Filmchen werden gemacht und dann sitzt da plötzlich ein Fahrgast erstochen auf dem Sonnendeck.
Zwar finden es Telje und Tadje voll peinlich, dass ihr Vater nun dienstlich auch auf Amrum weilt, Nicole Stappenbeck ist auch dabei, zusammen mit Finn, für den sie in der Eile keinen Babysitter fand. Gut, dass die übliche Stammbesetzung der „Hidde Kist“ einen Wettgewinn auf Amrum gemeinsam auf den Kopf hauen will, sie übernehmen nicht nur Hilfspolizeidienste, sondern auch den kleinen Finn.
Für alle Leser, die schon frühere Bücher von Krischan Koch kennen, ist das Wiedersehen mit den Figuren sehr vergnüglich, die anderen Leser werden gleich mit ihnen heimisch, es wird höchstens der Wunsch geweckt, die Lücken schnell zu schließen.
Wie immer macht es einen Riesenspaß diesen vergnüglichen und schrägen Nordseekrimi zu lesen. Die Gag-Dichte und der Wortwitz sind hoch, es vergeht keine Szene, in der ich nicht schmunzeln oder sogar laut lachen musste. Zu den alten Bekannten hat sich der Autor wieder eine ganze Reihe kantiger und origineller Typen einfallen lassen. Ob es die Helikoptermama von Anna-Lena ist, die sogar Hausverbot im Landschulheim bekommt; der Referendar Manuel, der sich mit Piratentuch fast wie Jack Sparrow fühlt und dem Charme der Schülerinnen viel zu leicht erliegt; oder dem Esoteriker Rainer, der als Steineflüsterer seine Anhänger um sich schart. Ein ganz besonders gelungenen Auftritt hat Bootsmann Johnny Petersen, mit seinem Holzbein, wie weiland Long John Silver.
Darüber hinaus ist der Krimi nicht nur witzig, sondern auch verzwickt und spannend aufgebaut. Der erste Tote war nur der Anfang und Thies und Nicole haben alle Hände voll zu tun, die Spuren zu sichten, Verdächtige ausfindig zu machen und immer mal wieder verschwundene Schüler zu suchen.
Wie immer hat mich Krischan Koch mit einer frischen Brise an die Nordseeküste entführt und diesen Kurzurlaub empfehle ich jedem, der gern Krimis mit Humor und Witz liest.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Leider nicht meins

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
0

Biancas Omma ist ein echtes Original – schon in jungen Jahren hat sie erkannt, dass für sie die Arbeit im Puff besser hinter der Theke als in den Zimmern geeignet ist. Sie wird Wirtschafterin im Haus von ...

Biancas Omma ist ein echtes Original – schon in jungen Jahren hat sie erkannt, dass für sie die Arbeit im Puff besser hinter der Theke als in den Zimmern geeignet ist. Sie wird Wirtschafterin im Haus von Herbert. Ihr großes Herz hat ihr zwar öfters Schwierigkeiten eingebracht, aber sie hält zu den Mädchen und als Mitzi von Herbert übel zugerichtet wird, zieht sie ihm eine Flasche Fusel über den Schädel und zündet das Haus an.
Mit Mitzi verbindet sie eine Art Hass-Liebe und als Mitzi stirbt, zieht die Omma nach Berlin zu Bianca. Eigentlich wollte Bianca ja endlich mal auf eigenen Füssen stehen, aber das Milieu zieht sie halt an. Sie entwirft eine Dessous Kollektion, die Seide fällt zufällig immer ballenweise vom Laster, aber ihre Schlüppis‘ sind nicht so der Renner. Gut dass die Omma in Berlin ebenfalls alles aufmischt und Bianca eine Karriere im Gewerbe als durchaus anziehend betrachtet.
Das Buch wird als „rotzfrech und politisch nicht korrekt“ beworben, beides stimmt sicher, aber ich fand es auch nicht wirklich lustig. Der Ruhrpott Slang wird überstrapaziert und klingt aufgesetzt und übertrieben. Die ständige Verwendung von „getz“ und grammatikalischen Umstellungen sollen Authentizität zeigen, haben bei mir aber das Gegenteil erreicht. Verniedlichungen wie „Döschen, die ständig poliert werden“ fand ich nur albern.
Die Charaktere haben Ecken und Kanten, aber hinter der großen Schnauze oft ein großes Herz. Aber ich finde die Figuren sind schon sehr übertrieben gezeichnet, auch wenn immer mal wieder ein stimmiges Genrebild beschrieben wird. Natürlich gibt es Taubenväter und ehrliche Malocher. Was mich aber sehr störte, war die rosarote Beschreibung der Prostitution und des Umfelds.
Nicht jedes Buch muss für jeden Leser passen, dieses war definitiv nicht das Richtige für mich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Recherche
Veröffentlicht am 03.04.2017

Perez wird es richten

Gefährliche Ernte
0

Perez ist Südfranzose, aber eigentlich ist er Katalane. Darauf legt er Wert. Ein stattlicher Mann in den 60igern, immer ein wenig knurrig, Besitzer und bester Gast eines Spitzenrestaurants, das eigentlich ...

Perez ist Südfranzose, aber eigentlich ist er Katalane. Darauf legt er Wert. Ein stattlicher Mann in den 60igern, immer ein wenig knurrig, Besitzer und bester Gast eines Spitzenrestaurants, das eigentlich mehr zur Verschleierung seiner nicht ganz koscheren Geschäfte dient. Denn eins ist Perez wichtig, nichts dem Staat zu überlassen, so auch nicht die Einnahmen mit seinem legendären Weißwein Creus, den er geschickt zu einem Mythos aufgebaut hat und bei dessen Herstellung und Vertrieb einige nicht legale Methoden zum Einsatz kommen.

Doch als ein früherer Erntehelfer, der Marokkaner Khahil, einer der wenigen die um das Geheimnis des Creus wissen, tot im Weinberg seines Vaters gefunden wird, sieht Perez sich herausgefordert. Seine Suche führt ihn mit einem kleinen Umweg über die örtliche Drogenszene in den Sumpf von Menschenschmugglern, Schleppern und Illegalen. Eine Wirklichkeit, die er in seiner Heimat bisher gut ignoriert hat.

Und ausgerechnet jetzt hat sich noch seine Tochter in den Kopf gesetzt zu heiraten und für den erwählten Kandidaten hat er nur Spott übrig. Auch eine Baustelle, auf der Perez schlitzohrig seinen Willen durchsetzen möchte.

Der Roman ist gut durchkomponiert und ebenso locker erzählt. Die schönsten Passagen sind die, in denen die zauberhafte Côte Vermeille geschildert wird. Da kommen sofort Urlaubsgefühle auf. Meer – Sonne – wunderschönes Licht in alten Fischerorten – gutes Essen – was braucht es mehr.

Die Krimihandlung ist da eher zweitrangig, aber schlüssig aufgebaut und erzählt. So fand ich die Nebenhandlung mit der unwillkommenen Hochzeit der Tochter etwas unrealistisch und dass ein knapp zwanzigjähriger Deutsch-Franzose ausgerechnet Wilhelm heißt, schien mir auch etwas seltsam.

Das Buch ist eine ideale Urlaubslektüre, macht Spaß auf das Kennenlernen oder Wiedersehen einer wunderschönen Landschaft und Perez ist für die Art seiner Ermittlungen absolut glaubwürdig. Die Sprache gefiel mir, auch die kleinen Exkurse in die Geschichte waren gut plaziert. Mit Perez ist dem Autor auch eine richtige knurrige Hauptperson gelungen, die ihm Gedächtnis bleibt. Wäre dann noch ein wenig mehr Tempo in der Krimihandlung gewesen, hätte mir das Buch noch besser gefallen