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Veröffentlicht am 12.03.2017

Benthien in Erklärungsnot

Sturmläuten
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John Benthien, der sympathische Bulle von der Küste ist auch in seinem 4. Band persönlich betroffen. Spielende Kinder haben im hohlen Stamm eines alten Ahorns eine fast schon mumifizierte Frauenleiche ...

John Benthien, der sympathische Bulle von der Küste ist auch in seinem 4. Band persönlich betroffen. Spielende Kinder haben im hohlen Stamm eines alten Ahorns eine fast schon mumifizierte Frauenleiche gefunden. Der Baum steht im Garten der Eltern seiner Exfreundin Karin. Aber damit nicht genug, auch Karins Tochter Celina, für die John Benthien sich immer noch verantwortlich fühlt, hat sich an einer üblen Sache beteiligt. Natürlich möchte er ihr eine Vernehmung ersparen und versucht zu vermitteln. Als dann einige Tage später auch noch seine Ex im Garten erschlagen wird, kommt Benthien als Verdächtiger in Teufels Küche.
Die Küstenkrimis von Nina Ohlandt beginnen immer sehr komplex. Zu Beginn des Buches legt sie all die Fährten, die sich im Lauf des Krimis zu einem spannenden Handlungsbogen verflechten. Fortlaufende Geschichten aus den vorherigen Bänden werden weitergesponnen, sind aber immer selbsterklärend und können auch von Erstlesern problemlos verstanden werden. Aber gerade die vielschichtigen Handlungsstränge machen den Krimi so spannend. Als Leser achte ich auf kleine Spuren, versuche mitzuraten und den Täter zu entlarven. Aber auch wenn mir das gelingen sollte, gibt es immer wieder eine ganz gewitzte Wendung, die den Schluss zu einem Höhepunkt führt. Die Kapitel sind kurz und mit schnellen Tempo- und Szenenwechseln. Ganz besonders hat mir eine Sturmnacht auf der Hallig Hooge gefallen, da spürte ich direkt den Wind und die Salzgischt der Nordsee.
Im Kriminalteam um Benthien gibt es viele witzige Charaktere, die dem Buch noch einen Schuss Ironie mitgeben. Auch die anderen Figuren sind sehr interessant charakterisiert und sehr lebensecht beschrieben. Ich hatte jedenfalls die einzelnen Personen immer sehr deutlich vor Augen.
Ein spannender und sehr flüssig geschriebener Krimi, der aber besonders am Anfang aufmerksam gelesen werden sollte. Ein Personenregister ist dabei sehr hilfreich.

Veröffentlicht am 11.03.2017

Was hätte Mademoiselle gesagt

Madame Cléo und das große kleine Glück
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Madame Cleo lebt in Berlin in recht „beengten“ Umständen. Ihre Tage als gefeiertes Model für Coco Chanel sind Jahrzehnte vorbei, aber die Eleganz und den Stil hat sie sich bewahrt. Wobei sich ihre Eleganz ...

Madame Cleo lebt in Berlin in recht „beengten“ Umständen. Ihre Tage als gefeiertes Model für Coco Chanel sind Jahrzehnte vorbei, aber die Eleganz und den Stil hat sie sich bewahrt. Wobei sich ihre Eleganz und ihr Stil sich nicht allein in der Kleidung spiegelt, sondern in ihrem Charakter Sie gibt Französischstunden um einigermaßen über die Runden zu kommen. Nachdem eine grundlegende Sanierung des Altbaus ansteht, droht auch eine gewaltige Mieterhöhung, die für Madame Cleo nur durch die Aufnahme von einem Untermieter zu stemmen ist.
Das Schicksal schickt ihr Adamo mit seiner kleinen Tochter Mimi ins Haus. Adamo, ein Süditaliener wie er im Buch steht und die altkluge und liebenswerte kleine Mimi wirbeln Cleos Leben durcheinander. Vor allem als Mimi im Park einen Rucksack mit sehr viel Geld findet. Blutgeld, wie sie bald erfahren, sollen sie das Geld wirklich zur Polizei bringen um dem Eigentümer noch den Gewinn aus seinen üblen Geschäften zu sichern? Oder doch etwas Gutes damit tun?
Mimi und Madame Cleo haben eine wunderbare Idee und daraus erwächst ihnen ein Glück, an das sie nicht zu glauben wagten.
Eine zauberhafte Geschichte, deren Charme ich mich nicht entziehen konnte. Die Lektüre zauberte mir ein Lächeln auf’s Gesicht, ich habe mich über Stunden in diesem Zauber verloren. Mit Esprit wird die Vergangenheit zum Leben erweckt und Madame Cleo findet in jedem neuen Tag ein neues Glück. Die Wohngemeinschaft der Drei erweckte in mir fast den Wunsch ein Teil davon zu werden. Die Autorin verwebt in ihrem leichten, liebenswerten Ton ein modernes Märchen mit den heutigen Alltagsproblemen. Es ist meist Mimi, das kleine Mädchen, das sich mit ihren einfachen kindlichen Ideen über alle Probleme und Bedenken hinwegsetzt und der betagten Madame Cleo Lebensfreude zurückbringt und ihr das Gefühl einer kleinen Familie gibt.
Der Ausflug der Drei nach Paris um noch einmal Cleos Spuren ihrer Zeit als Mannequin der großen Coco Chanel folgen, bringt eine Wende, die Madame Cleo nicht erwarten konnte.
Natürlich darf in einem Märchen die gute Fee nicht fehlen, auch wenn Mimi und Cleo sie beinahe verpasst hätten. Mit dieser Fee findet die Geschichte auch ein zauberhaftes Happy End.
Ich habe diesen liebenswerten Roman sehr gern gelesen, er hat mich auf Stunden in eine andere Welt entführt. Ein Gute-Laune-Buch, das ich gern weiter empfehle.

Veröffentlicht am 07.03.2017

Wahre Liebe

So wie die Hoffnung lebt
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Katie und Jonah treffen sich in einer Wohngemeinschaft für traumatisierte Kinder. Jonah hat bei einem Brand nicht nur seine Angehörigen verlorenen, auch er selbst hat schwere Verbrennungen davon getragen. ...

Katie und Jonah treffen sich in einer Wohngemeinschaft für traumatisierte Kinder. Jonah hat bei einem Brand nicht nur seine Angehörigen verlorenen, auch er selbst hat schwere Verbrennungen davon getragen. Katie musste mit ansehen, wie ihr Vater bei einem Amoklauf seine gesamte Familie auslöschte, nur sie überlebte.

In dieser geschützten Umgebung sollen die Kinder und Jugendlichen wieder ins Leben finden. Milow, der Zimmergenosse von Jonah macht ihm das Einleben leicht und wird ein Freund fürs Leben. Zu Katie entwickelt Jonah eine ganz besondere Beziehung. Er ist der einzige, der ihren Panzer durchbrechen kann und Katie und er wissen, dass sie zusammengehören. Unglückliche Umstände führen zur Auflösung des Projekts und bevor Katie in ein Kinderheim gebracht werden kann, läuft sie weg und bleibt verschwunden.

Auch als Erwachsener hat Jonah die Suche nach Katie nie aufgegeben. Er lebt als Künstler, zieht ohne festes Ziel durch die Vereinigten Staaten, bis er durch Zufall eine Spur von Katie findet.

Der erste Teil des Buches ist sehr anrührend geschrieben. Ich finde es erstaunlich, wie sich die junge Autorin in die Seele der traumatisierten Kinder versetzen kann. Dieser Teil des Buches hat mir gut gefallen. Der zweite Teil, der die Suche des erwachsenen Jonah thematisiert und Schicksalsschläge, die auf ihn warten, haben mich nicht mehr überzeugt. Hier war mir die Geschichte zu klischeehaft, da wurde viel hineingepackt um die Spannung und die Dramatik hochzuhalten. Da tendierte die Handlung fast schon zum Krimi. Die jugendlichen Katie und Jonah waren echter und emotionaler gezeichnet, als die Erwachsenen.


Veröffentlicht am 06.03.2017

Ein toller Krimi

Anton zaubert wieder
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Willa Stark, die eigenwillige österreichische Polizistin, hat sehr ungern das Europol – Austauschprogramm beendet und die Kölner Kollegen verlassen. Umso erfreuter ist, dass sie als Beraterin angefordert ...

Willa Stark, die eigenwillige österreichische Polizistin, hat sehr ungern das Europol – Austauschprogramm beendet und die Kölner Kollegen verlassen. Umso erfreuter ist, dass sie als Beraterin angefordert wird, als in Köln ein Mordverdächtiger aus Graz sich jeder Vernehmung verweigert. Man hofft, dass Willa einen Zugang zu diesem jungen Mann findet.
Anton ist Hauptverdächtiger, er saß traumatisiert mit der Leiche im Zimmer, einer Frau, die er am Abend zuvor in einer Bar kennenlernte und mit der er die Nacht verbrachte. Die Szene erinnert fatal an den Mord seiner Mutter, den er als kleiner Bub mitansehen musste.
Willa findet tatsächlich Zugang zu Anton, er spricht mit ihr und sie fühlt eine ganz besondere Verbindung und Anziehungskraft. Doch sie hält ihn nicht für den Mörder und als weitere Frauenleichen auftauchen, wird schnell klar, dass Anton als Täter nicht in Frage kommt.
Dieser spannende Krimi wird ganz von der Persönlichkeit der Ermittlerin getragen. Sie wird als vielschichtiger Charakter sehr menschlich dargestellt, mit ihren privaten Nöten und ihren Stärken. Willas Arbeitsweise ist unkonventionell, das macht es dem Leser leicht, sich mit ihr zu identifizieren und mit an der Lösung zu raten. Sie scheut vor Gefahren nicht zurück und wenn sie sich in brenzlige Situationen bringt, steht das Kölner Team fest hinter ihr.
Figuren in Extremsituationen beschreibt die Autorin immer mit besonderer Tiefe und Sorgfalt. Wenn „Frl. Ösi“ sich über bundesdeutsche Regeln hinwegsetzt, ist ein hintergründiger Witz garantiert. Die Handlung ist raffiniert aufgebaut, immer wieder gibt es Wendungen, die die Spannung durchgehend hoch halten. Aber am besten gefallen mir die Protagonisten dieses Krimis, bis zu den Nebenfiguren sind sie gut portraitiert und tragen zur psychologischen Tiefe bei.
Das ist der dritte Band um Willa Stark, aber auch ohne Vorkenntnis kann man diesen Krimi lesen, man wird sich danach wohl die Vorgängerbände auf die Leseliste setzen.

Veröffentlicht am 06.03.2017

Ungesühnt

Der Mordfall Franziska Spiegel
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Franziska Spiegel, geborene Goldschmidt, eine Jüdin, lebt zurückgezogen mit Mann Gottfried und Sohn Rolf in Westfalen. Es ist der Familie bisher gelungen, die Mutter vor dem Zugriff der Nazis zu beschützen. ...

Franziska Spiegel, geborene Goldschmidt, eine Jüdin, lebt zurückgezogen mit Mann Gottfried und Sohn Rolf in Westfalen. Es ist der Familie bisher gelungen, die Mutter vor dem Zugriff der Nazis zu beschützen. Bis ein übereifriger Ortsgruppenleiter Franziska bei der SS denunziert und ihr Schicksal besiegelt. Am 4. November 1944 wird sie von SS - Leuten in einem nahegelegenen Waldstück erschossen.
Der Dorfpfarrer verweigert dem verzweifelten Witwer eine Beerdigung, mit Hilfe eines Bauern bekommt Franziska ein vorläufiges Grab am Waldrand.
Nach Kriegsende versucht Gottfried Spiegel die Mörder zur Verantwortung zu ziehen, allein Kriminalpolizist Zöllner ist an einer echten Aufklärung interessiert, aber er stößt auf eine Mauer des Schweigens und Desinteresse. Zöllner selbst hatte unter dem Regime zu leiden und erst nach dem Krieg wieder als Polizist arbeiten können, er geht allen Spuren nach, auch wenn er von seinen Vorgesetzten ausgebremst wird. Zeugen schweigen, werden eingeschüchtert und verschwinden, die Verantwortlichen leben längst wieder in gesicherten Verhältnissen und haben schon kurz nach der Entnazifizierung ihren Einfluss wieder gewonnen.
Man kann dieses Buch, das auf einer wahren, dokumentierten Begebenheit basiert nicht lesen ohne in einen Gefühlsstrudel gezogen zu werden. Entsetzen wechselt sich mit Wut ab.
Wütend wurde ich auf die Gleichgültigkeit der amtlichen Stellen, bei denen schon längst wieder die alten Seilschaften der Nazis das Sagen haben. Kaum jemand ist bereit sich der Vergangenheit zu stellen, es wird abgewiegelt und gebremst. Die karge, emotionslose Sprache, die Norbert Sahrhage für diesen wichtigen Roman gewählt hat, macht die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge noch schockierender. Die Form bringt mir die Unmenschlichkeit des Nazi-Regimes und vor allem das willfährige Verhalten der Bevölkerung näher, als es eine trockene Dokumentation oder ein Geschichtsbuch könnte.
Ich halte das Buch für eine Pflichtlektüre vor allem auch für jüngere Leser, die keine Gelegenheit mehr haben, mit Augenzeugen oder Betroffenen zu sprechen.
Heute steht ein Gedenkstein an der Stelle, wo Franziska Spiegel ermordet wurde und die Gemeinde gedenkt ihr mit einem Straßennamen, eine kleine Geste der jetzigen Generation, wo die vorherige so bitter versagt hat.