Ein feinfühliges Werk
Die Bücherjägerin„…ich habe das gefühlt, dass es um Verhältnisse geht, Verhältnisse und Maßstäbe. Denn so ist das, wenn man das Verhältnis verliert und den Maßstab einer Karte mit dem der Realität verwechselt, plötzlich ...
„…ich habe das gefühlt, dass es um Verhältnisse geht, Verhältnisse und Maßstäbe. Denn so ist das, wenn man das Verhältnis verliert und den Maßstab einer Karte mit dem der Realität verwechselt, plötzlich werden Karte und Welt eins und man ist blind für das, was wirklich da ist.“
Sarah und ihre Schwester Milena wurden von der bunt schillernden Tante Amalia nach dem Tod ihrer Eltern aufgezogen.
Nun lebt Sarah allein in der großen Villa mit dem verwilderten Garten. Ihre Schwester Milena ist verheiratet und ausgezogen und ihre geliebte Tante ist plötzlich verstorben und hat Sarah mit all den Büchern, Karten, Antiquitäten und Schulden in dem großen Haus zurückgelassen.
Sarah kann nicht so gut mit Menschen umgehen und ist in der Welt der Bücher zu Hause. Sie ist eine Restauratorin und Bücherjägerin geworden, wie ihre Tante - nur stiller und farbloser meint sie.
Sie versucht nach Amalias Tod die Aufträge abzuarbeiten, um die geerbten Schulden zu minimieren und die Villa zu erhalten.
Benjamin, ein Bibliothekar aus England steht plötzlich vor ihrer Türe und überredet Sarah die Suche nach einem verschollen Teil einer römischen Karte, der Tabula Peutingeriana, aufzunehmen. Angeblich hatte Amalia eine Spur zu diesem fehlenden Stück.
Sarah, weder Menschenfreund noch kommunikativ willigt ein, die Suche nach der Karte fortzuführen. Ihre große Schwäche ist jedoch das fehlende Erkennen von Emotionen, Ironie und Gefühlen. Ihre Welt besteht aus klaren Aus-/Ansagen.
Somit beginnt eine abenteuerliche Reise mit dem unbekannten Benjamin; die Suche stellt ihr Leben auf den Kopf und doch weiß Sarah, dass man den vorgezeichneten Weg verlassen muss um zu erkennen, was wirklich zählt im Leben.
Bisher war die Liebe in ihrem Leben eine Aneinanderreihung von verpassten Gelegenheiten, Missverständnissen und hoffnungslosen Wünschen.
Amalia zeige ihr den Weg, sich in Büchern zu verstecken. So wurden diese zu Sarahs Zufluchtsort. Viel zu oft war sie versunken in ihrer Welt und der Weg zurück in die Realität oft sehr schwer.
Auf der Reise durch Frankreich und England wird viel Schmerz vor allem aus der Vergangenheit aufgewirbelt und verarbeitet.
Eine Vergangenheit mit Fehlern, Verlusten und Entscheidungen.
Sarah lernt auf ihrer Reise, dass Liebe bedeutet, Fehler zu machen und anderen Menschen etwas anzutun, aber auch verzeihen und verstehen.
„Wenn wir etwas Schönes, leuchtend Helles sehen, vergessen wir die Dunkelheit, die es erst sichtbar macht.“
Die Liebe wird facettenreich beschrieben und auch die teils unbedachten rassistischen und sexistischen Äußerungen werden zerpflückt. Familiäre Bande und freundschaftliche Beziehungen ziehen sich durch die Erzählung und die Wichtigkeit der Emotionen und Ehrlichkeit wird aufgezeigt.
Die Protagonisten werden sehr gefühlvoll, authentisch und lebendig mit Ecken und Kanten dargestellt. Der Schreibstil ist flüssig und leicht, die Orte bildlich gezeichnet und der Geruch oder besser Duft der Bücher wird sehr intensiv beschrieben.
Eine Hommage an die alten Bücher, verstaubt und doch voller Leben.
Das Wissen aus Büchern ist eine Brücke zwischen den verschiedenen und unterschiedlichen menschlichen Rassen.
Eine Brücke aus Papier und doch eine Verbindung der Gegenwart in die Vergangenheit. Diese Brücke aus Papier zeigt Benjamin auf eine empathische Weise.
Sanft, berührend und unglaublich warmherzig wurde der Roman geschrieben, nachdenklich lässt er mich als Leser zurück.
Die Aussage von Tante Amalia „Die Welt ändert sich nicht zum Besseren, wenn wir nicht selbst daran arbeiten“ ist unglaublich wertvoll, weil niemand kommt um uns zu retten. Wir müssen uns selbst retten.
Eine klare Leseempfehlung für dieses feinfühlige Werk.