Beleuchtet historische Figur aus neuem Blickwinkel
Die WahnsinnigeDie Autorin widmet sich mit ihrem neuen Buch einem historischen Vorbild, nämlich Johanna der Wahnsinnigen, deren Biografie mir bis zum Lesen des Klappentextes auch nicht geläufig war. Umso gespannter war ...
Die Autorin widmet sich mit ihrem neuen Buch einem historischen Vorbild, nämlich Johanna der Wahnsinnigen, deren Biografie mir bis zum Lesen des Klappentextes auch nicht geläufig war. Umso gespannter war ich darauf, wie Alexa Hennig von Lange mit ihrem ganz besonderen, einnehmenden Stil deren Historie zu einem Romanplot verarbeiten würde.
Bereits von den ersten Seiten des Buches an gelingt es der Autorin aber, Johanna vor den Augen des Lesers Leben und Charakter einzuhauchen. Dabei sind die ersten Szenen in der Tat irritierend – ebenso wie in Kampfsterne schafft es die Autorin, in scheinbar vorhersehbare Situationen das gewisse Etwas einzubauen, das den Leser direkt mitnimmt. Das Buch entfaltet direkt eine starke Dynamik und Atmosphäre, die auch die historischen Charaktere und das Setting entsprechend lebendig werden lassen.
Diese Dynamik gipfelt in der Protagonistin Johanna, bei der ich zu Beginn des Buches einige Momente hatte bei denen ich wirklich dachte, dass ihr Verhalten an Wahnsinn grenzt. Doch kristallisieren sich mit zunehmender Erzählung ihr Hintergrund und ihre Beweggründe klarer heraus und es zeigt sich, dass Menschen wie so oft Produkt ihrer Umgebung sind. Johannas Beweggründe werden nachvollziehbar, sie gewinnt immer mehr an Kontur und Charakter und so nimmt sie den Leser nach und nach für sich ein. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass diese junge Frau vermehrt reflektiert und in ihren Handlungen wächst. Ebenso wie Johanna hofft man mit ihr auf endlich eintretendes Glück in familiären und Liebesdingen.
Eine starke Charakterentwicklung, die Thematiken aufzeigt, die damals wie auch heute noch von einer dringenden gesellschaftlichen Fragestellung geprägt sind – wie ist die Rolle der Frau im Patriarchat und wie sollte sie eigentlich sein? Welche Möglichkeiten der Selbstverwirklichung hat man in der Gesellschaft? Wie können wir die werden, die wir sind, wenn das nicht für und vorgesehen ist?
Alexa Hennig von Lange schafft es wieder einmal, zentrale Themen geschickt in eine Geschichte einzubauen und zum Nachdenken anzuregen. Für mich kam dieses Buch zur richtigen Zeit und ich kann es jedem nur ans Herz legen, ein starkes Stück gut recherchierter Erzählkunst gebündelt auf knapp 200 Seiten!