Erschreckend reale Geschichte
Sanctuary – Flucht in die FreiheitEs fällt mir schwer, diese Geschichte zu rezensieren. Ich hatte mir das Buch als Dystopie ausgesucht, aber die Geschichte ist viel zu real. Man muss ehrlich sagen, dass nur der ID-Chip, der in dem Buch ...
Es fällt mir schwer, diese Geschichte zu rezensieren. Ich hatte mir das Buch als Dystopie ausgesucht, aber die Geschichte ist viel zu real. Man muss ehrlich sagen, dass nur der ID-Chip, der in dem Buch gar nicht so eine große Rolle spielt, dystopisch ist. So oder ähnlich könnte die Geschichte heute passieren. Ich glaube, dass das auch der Grund ist, warum es mir so schwer fällt. Das Schicksal von Vali, ihrem Bruder Ernie ging mir sehr nahe. Bisher habe ich mir wenig Gedanken um illegalen Einwanderungen in die USA gemacht. Nun ist mir viel deutlicher geworden, unter welchem Druck die Menschen leben (müssen), um nicht aufzufliegen.
Vali war mir von Anfang an sehr sympathisch. Sie reift für ihre gerade mal 16 Jahre sehr schnell, was sicher auch der Situation geschuldet ist. Sie muss von jetzt auf gleich erwachsen werden, oder hat keine Chance. Ernie, gerade mal 7 Jahre alt, kann noch gar nicht alle Zusammenhänge erfassen. Er möchte seine Mutter wiederhaben, was nur allzu verständlich ist.
Die Nebenfiguren, die sie auf der Flucht kennenlernen bleiben eher blass. Selbst Malakas, der eine größere Rolle einnimmt bekommt nicht wirklich Konturen. Auch hier hätte man etwas mehr herausholen können. Am meisten ist mir von den Nebenfiguren noch “der Vulkan”, wie ihn die anderen nennen. Wir erfahren mehr von seiner Geschichte und in dem zunächst sehr hart scheinenden Kerl steckt ein sehr empfindsamer, ja ängstlicher, Mensch.
Die Geschichte ist spannend erzählt und dadurch, dass die Protagonisten sympathisch sind, gerät man noch näher in ihren Bannkreis. Ich wollte zu jeder Zeit wissen, wie es weiter geht und habe Vali und Ernie die Daumen gedrückt, dass sie es schaffen, nicht gefangen genommen zu werden. Gut gefallen hat mir, wie die Gruppe zusammen wächst, wie sie sich gegenseitig helfen und niemanden zurück lassen. Das gibt Hoffnung, dass auch im größten Elend, der größten Ungerechtigkeit noch Menschen zusammenhalten.
Das Ende fand ich nicht ganz rund, es machte auf mich den Eindruck, als würden die Autorinnen sich offen halten, noch eine Fortsetzung zu schreiben. Es war okay, aber es sind halt Fäden lose hängen geblieben.
Der Schreibstil von Paola Mendoza und Abby Sher ist relativ nüchtern, wenn man bedenkt, was die beiden Kinder durchmachen müssen. Mir hat das aber gerade gefallen, denn durch wird die Flucht noch eindrucksvoller, als wenn mit großer Action oder extremen Gefühlen gearbeitet worden wäre. Gerade der nüchterne Schreibstil machte es für mich noch bedrückender, den Kindern zu folgen. Vor allem an Ernie haben wir die Strapazen der Flucht hautnah zu spüren bekommen und immer wieder überkam mich große Mutlosigkeit. Wie muss es da erst den Kindern gegangen sein?
Schade fand ich tatsächlich, dass der ID-Chip keine größere Rolle spielt. Wenn die Technologie so weit fortgeschritten ist, dass Menschen einen derartigen Chip unter die Haut gepflanzt bekommen, dann ist es auch kein großes Problem, diese Menschen mit einer weitere Technologie aufzuspüren. Dieses Thema hätte aus meiner Sicht viel deutlicher behandelt werden müssen. Die Flüchtenden hätten es in diesem Fall nicht so leicht gehabt, Lagern und Deportationseinheiten zu entkommen bzw. diese zu umgehen. Das fand ich unrealistisch. Meiner Ansicht nach hätte man die ID-Chips gut weglassen können und eine spannende, sehr berührende Geschichte gehabt, die in sich schlüssig gewesen wäre.
Insgesamt vergebe ich gerne 4 Sterne. Eine Feder Abzug gibt es von mir, weil ich der Ansicht bin, dass man entweder den ID-Chip hätte stärker in die Geschichte integrieren müssen, oder ihn hätte weglassen sollen. So war es nicht stringent.