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Veröffentlicht am 23.06.2024

Traumhaft gezeichnete Fantasy

Drachenregen (Drachenregen 1)
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Eigentlich hat Ame no Harunada no Mikoto, der Sohn des Drachengottes, mit seinem Vater genug zu tun, der in seiner Trauer um seine – menschlich – Ehefrau dem Wahnsinn verfallen zu sein scheint und damit ...

Eigentlich hat Ame no Harunada no Mikoto, der Sohn des Drachengottes, mit seinem Vater genug zu tun, der in seiner Trauer um seine – menschlich – Ehefrau dem Wahnsinn verfallen zu sein scheint und damit die Welt der Götter und Sterblichen gleichermaßen bedroht. Da kann es sich Ame nicht leisten auch noch einen Teil seiner Kräfte abzugeben, um einem Menschen aus der Klemme zu helfen, der im Reich der Götter ohne Beistand sterben würde. Doch genau das tut er und damit beginnt eine schicksalhafte Freundschaft.

Diesem Buch bin ich aufgrund seiner Zeichnungen verfallen. Eigentlich bin ich kein Leser der Shonen Ai-Erotikbände, aber hier konnte ich den Zeichnungen und einer wirklich phantastischen Fantasy-Geschichte nicht widerstehen. Die Leseprobe hat mich sofort umgeworfen, sodass ich die Erotikszenen billigend in Kauf nehme.

Dieser Manga erzählt eine in sich runde Geschichte, ohne Cliffhanger, obwohl es zwei weitere Bände geben wird. So kurz der Manga auch ist, jede Figur ist liebevoll ausgearbeitet, mag sie im Zentrum stehen oder als Nebenfigur auftreten. Ein einzigartiges Leseerlebnis, nicht nur für Leser querer Fantasygeschichten!

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Die Zeit vergeht im Sauseschritt

Pat auf Silver Bush 2
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So sehr Pat es auch hasst, unerbittlich schreitet die Zeit voran und bringt Veränderungen mit sich – mal im kleinen, wenn ein Sturm einen geliebten Apfelbaum knickt, mal im Großen, wenn ihr bester Freund ...

So sehr Pat es auch hasst, unerbittlich schreitet die Zeit voran und bringt Veränderungen mit sich – mal im kleinen, wenn ein Sturm einen geliebten Apfelbaum knickt, mal im Großen, wenn ihr bester Freund Jingle zum Studieren in einen anderen Bundesstaat zieht. Immer noch kann sie ihm keine andere Antwort geben: Ihr Herz gehört Silver Bush, dem kleinen, gemütlichen, wenn auch nicht gerade begüterten Zuhause, dass sie um keinen Preis verlassen möchte. Fast panisch klammert sie sich an jedes noch so kleine Stückchen Inventar, jeden Baum und jede Tradition. Sie findet ihre Erfüllung darin zusammen mit der alten Judy das Haus zu bewirtschaften. Elf Jahre lang versucht sie jeder Art von Veränderung zu widerstehen, aber unerbittlich nimmt das Leben seinen Lauf: ihre Eltern werden alt, ihre kleine Schwester erwachsen und ihr großer Bruder wird wohl irgendwann über den Verlust seiner Jugendliebe hinwegkommen. Wie soll es werden, wenn er tatsächlich eine Frau heimführt – wo wird dann Platz für die altjüngferliche große Schwester sein? Neue Nachbarn, alte Freunde und die kluge, vorausschauende, immer um Pat bekümmerte Judy geben Pat Halt, wenn das Kaleidoskop des Lebens sie mit neuen Mustern aus dem Gleichgewicht bringt.

Schon im ersten Band hat man gespürt, dass Pats Verbundenheit mit Silver Bush sich zu einem großen auswachsen wird. In diesem Buch wird es ausgemalt. Es ist sehr faszinierend wie sehr man Pats panische Furcht vor Veränderung nachempfinden kann und gleichzeitig die Unmöglichkeit und auch geradezu klaustrophobische Enge dieser Situation sieht. Zeiten verändern sich, Menschen werden älter, erwachsen, alt, Situationen wandeln sich, Gelegenheit tauchen auf, gehen vorüber, Gefühle entstehen und vergehen. Das große Thema dieser beeindruckenden Dilogie ist das Zuhause – ein Motiv, das Lucy Maud Montgomery schon in vielen Variationen ausgemalt hat und hier im Spannungsfeld zwischen physischem Ort und innerem Bild aufbaut – ein Spannungsfeld, bei dem man bis zum Schluss bangt, ob Pat davon zerstört wird oder es mit einer außergewöhnlichen Stärke überwindet. Der Schluss des Romans hätte keine Überraschung sein sollen, ist es doch die einzig mögliche Lösung gewesen, trotzdem wird der Leser davon tief getroffen.

Lucy Maud Montgomerys einzigartige Art Geschichten zu erzählen wird mich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens begeistern. Ihre Art dem Leser das Gefühl einer heilen Welt zu geben, obwohl sie überhaupt nicht heile ist, ist bemerkenswert. Bisher hat jede ihrer Protagonistinnen eine Seite in mir zum Klingen bringen können. Jede habe ich, wenn vielleicht auch nicht vollständig, aber bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen können, so auch Pat, die mit ihrer Sehnsucht nach einem stabilen, unveränderbaren Zuhause ihrer Kindheit als Ruhepol im unzuverlässigen, veränderlichen Strom des Lebens. Mögen die Geschichten der Autorin auch in der Zeit des ausgehenden 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts spielen, so sind die Botschaften doch bis heute gültig und ich lese jedes ihrer Bücher mit großem Gewinn.

Pat auf Silver Bush ist eine unvergessliche Dilogie, die ich jederzeit wieder zur Hand nehmen werde.

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Zu Unrecht vergessene Kindererzählung

Editha und der Einbrecher
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Die siebenjährige, kränkliche Editha war schon immer ein merkwürdiges Mädchen, das zu viel liest und zu viel auf sich selbst gestellt ist. Als in der Nachbarschaft eingebrochen wird, ist ihre Neugier geweckt. ...

Die siebenjährige, kränkliche Editha war schon immer ein merkwürdiges Mädchen, das zu viel liest und zu viel auf sich selbst gestellt ist. Als in der Nachbarschaft eingebrochen wird, ist ihre Neugier geweckt. Warum sollten Menschen etwas Derartiges tun? Was sind das für Menschen? Und wie würde sie selbst wohl auf einen Einbruch reagieren? Nur kurze Zeit später steht sie nachts in ihrem Haus einem Einbrecher gegenüber und sie hat nur einen Gedanken: Da ihr Vater nicht da ist muss sie unbedingt ihre Mutter beschützen. Außerdem sind da immer noch ihre unbeantworteten Fragen.

Die einzige Enttäuschung dieses Buches ist, dass es zu dünn ist. Die Geschichte ist originell, bewegend und traumhaft zu lesen. Frances Hodgson Burnett hat so viel mehr geschrieben als den kleinen Lord und den geheimen Garten. Zu Unrecht sind ihre anderen Werke vergessen und ich hoffe, in diesem Jubiläumsjahr noch einige Werke von ihr zu entdecken. Diese Kindererzählung über die etwas altkluge und gleichzeitig naive Editha ist eine wundervolle Entdeckung, die ich jetzt zum ersten aber bestimmt nicht zum letzten Mal gelesen habe.

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Unverhofft kommt oft

Ein blitzsauberer Mord
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Es sollte die Erfüllung ihres großen Traumes werden: Endlich kann Tilly ihrem Dreckskerl von Chef in Köln den Rücken kehren und sich im zauberhaft klingenden Städtchen Untertannbach selbständig machen. ...

Es sollte die Erfüllung ihres großen Traumes werden: Endlich kann Tilly ihrem Dreckskerl von Chef in Köln den Rücken kehren und sich im zauberhaft klingenden Städtchen Untertannbach selbständig machen. Als ihre eigene Chefin, mit motivierten Angestellten und einem bereits bestehenden Kundenstamm. Die Realität sieht weit weniger romantisch aus: Die etablierte Firma entpuppt sich als heruntergekommene Bude inklusive Schwarzarbeitsbüchlein, die motivierten Mitarbeiter sind nicht so ganz freiwillig dabei und das hessische Dörfchen beobachtet sie als Hinzugezogene mehr misstrauisch als wohlwollend. Da hilft es ihr auch nicht, als sie schon am ersten Arbeitstag eine Leiche findet. Dass dies nur der Anfang einer außergewöhnlich turbulenten Zeit ist, ahnt Tilly nicht.

Ein Cosy-Crime vom Feinsten. Ich brauchte ein Weilchen, um mit Tilly selbst warm zu werden, aber die anderen Charaktere haben mein Herz sofort erobert. Man hat sie alle sofort vor Augen: vom frechen Abiturienten Leon, der das Herz auf dem rechten Fleck hat bis zur ältlichen Sekretärin Gerdy, die alle mit Kuchen und Informationen rund ums Dorf versorgt. Der putzige Bassetwelpe Muffin ist der ungeschlagene Held der Geschichte und wirbelt die Geschichte noch einmal ordentlich durcheinander. Wer den Autor kennt, weiß, dass man jederzeit mit einem großartigen Plot-Twist rechnen muss. Dem Genre angemessen fallen sie hier etwas beschaulicher aus ohne dabei ihren Witz und Überraschungseffekt zu verlieren. So ist auch diese Krimigeschichte spannend, lustig und ein einziger Lesegenuss.

4 ½ Sterne für einen wunderbaren Cosy-Crime-Roman, dessen Fortsetzung ich nicht erwarten kann.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Die Indianerbegeisterung – Ein deutsches Phänomen

Deutsche Indianer
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Keine andere Nation der Welt hat sich auf diese unvergleichliche Art die Indianerbegeisterung zu einem Teil ihrer Kultur gemacht wie gerade Deutschland. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Autorin ...

Keine andere Nation der Welt hat sich auf diese unvergleichliche Art die Indianerbegeisterung zu einem Teil ihrer Kultur gemacht wie gerade Deutschland. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Autorin auf Spurensuche begibt, wo diese ganz besondere Beziehung zu den Indianern herkommt. Die stilisierte Wahrnehmung des Indianers, den Begriff verwendet die Autorin hier bewusst als Kunstbegriff, unter dem sie dezidiert nicht die Native Americans versteht, beginnt lange vor Karl May und zwar Ende des 17. Jahrhunderts. Hier beginnt Denise Wheeler und entwickelt von aus ein weitgefächertes Bild vom Indianer, der als Sinnbild für Aufklärung, Demokratie und ungekünstelte Natur, einem Menschen in reinster, unschuldigster Form, gezeichnet wurde, Gedankengut der französischen Revolution transportierte und schließlich über Abenteuerliteratur, Kinderspiele, Verfilmungen und Kritik zu einem deutschen Gedankengut wurde, das sich so nirgendwo finden lässt. Nicht zuletzt geht es auch darum, wie die Native Americans zu dieser Mythologisierung und Begeisterung standen und stehen.

Eine großartige Darstellung eines deutsch gewordenen Phänomens, das eine viel europäischere Geschichte hat als man glaubt. Ich habe viele weitere Lesetipps gefunden. Wer glaubt, dass dieses deutsche Phänomen ausschließlich auf Karl May fußt wird hier sehr überrascht werden.

Alle, die die Begeisterung belächeln, für kindisch und dubios halten, erfährt hier, dass sehr viel mehr dahintersteckt. „Der Indianer“ wurde mystifiziert, stilisiert, instrumentalisiert und nicht zuletzt globalisiert. Heutzutage hat sich die Begeisterung auf wenige Fan-Kreise zurückgezogen, doch wer sich die Geschichte anschaut weiß: Das kann ein vorübergehendes Phänomen sein. Wie Europa, Deutschland und nicht zuletzt die Native Americans von der Indianerbegeisterung profitiert haben, ist ein hochinteressanter Teil der europäischen Kulturgeschichte, in der Indianer Freiheit und Naturverbundenheit symbolisierten, in Zeiten, in denen diese Wörter verpönt waren.

Jeder, der sich näher mit dem Phänomen der Indianerbegeisterung beschäftigen möchte und einen wichtigen Part europäischer Geistesgeschichte verstehen will, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es liest sich ausgezeichnet, ist toll recherchiert und enthält viele weitere Lektüretipps für Primär- und Sekundärliteratur. Absolut großartig!

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