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Veröffentlicht am 29.05.2019

Amie & Lex oder wie Sex den Plot übertüncht

KEEP
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Mein Bild:
Wie habe ich mich auf den lockeren, doch schon hemmungslosen Schreibstil von Helena Hunting gefreut. Den 1. Band „Stay“ habe ich weg gelesen wie nichts. Die Autorin hat ein Händchen dafür Klischees ...


Mein Bild:
Wie habe ich mich auf den lockeren, doch schon hemmungslosen Schreibstil von Helena Hunting gefreut. Den 1. Band „Stay“ habe ich weg gelesen wie nichts. Die Autorin hat ein Händchen dafür Klischees mit Humor und einer gewissen Leidenschaft zu verpacken, dass es mir als Leser einfach Spaß macht in die Geschichte einzutauchen. Ich kann dabei einfach abschalten. Dafür nehme ich es auch hin, dass so etwas im wirklichen Leben nie passieren würde. Ob „Keep“ meinen Erwartungen stand gehalten hat? Naja, leider nicht ganz.

Zunächst finde ich es klasse, dass man das Buch unabhängig von den anderen Bänden lesen kann. Wie es typisch in NA-Reihen ist, widmet sich jedes Buch einem anderen Pärchen aus der, ich nenne es mal, Clique. Wer, wie ich, den Vorgängerband gelesen hat, freut sich dennoch lieb gewonnene Charaktere in einer Nebenrolle wiederzufinden. Zudem gibt es Nebenstränge vom Vorgängerband, die fortgeführt werden. Aber keine Angst, es bedingt kein hochkomplexes Wissen um dem folgen zu können.
Der Einstieg in die Geschichte ist sehr gut gewählt, denn es ist der Abend, an dem Amie sowohl Lexington als auch Armstrong kennenlernt. Als Leserin wusste ich gleich, welchem Mann ich dem Vorzug geben würde. Doch Amie entscheidet sich anders und zack wurde ich per Zeitsprung zur Gegenwart 10 Monate später katapultiert. Die Autorin arbeitete innerhalb des Buches öfter mit Zeitsprüngen, in denen etwa Tage, Wochen oder gar Monate vergehen. Für mich war das entspannt, weil ich anhand der Gedanken der Protagonisten immer einen kurzen Abriss davon erhielt, was grob passiert war ohne, dass man sich in unnötige Details verlor. Ein Punkt für die Kurzweiligkeit der Geschichte.

Hinzu kam die Abwechslung in Form der knackigen Ich-Perspektiven von Lex und Amie, die ich ohne Probleme auseinanderhalten konnte (mal abgesehen davon, dass die Namen da standen). Ich habe einen ziemlich zwiespältigen Eindruck von Amie erhalten, der sich durch das komplette Buch zieht. Sie wankt immer wieder zwischen Kopf und Herz, Vernunft und Gefühl, Anziehungskraft und Willensstärke, begründet durch den Ruf ihrer in der Öffentlichkeit stehenden Familie und dass sie „Anarchie-Amie“ eigentlich hinter sich lassen möchte. Es ist mal wieder so typisch und schade zugleich, weil die Entwicklung der Protagonistin nur so dahinschleicht.

Ich war überrascht, dass Lexingtons Perspektive recht ausgewogen zu Amies war. Wenn ich mich recht erinnere, nahm in „Stay“ der weibliche Part mehr Platz ein. Jedenfalls wirkt Lex im Gegensatz zu Amie ziemlich entschlossen, drängt jedoch keine Entscheidung herbei. Er nimmt, was er kriegen kann, selbst wenn er dazu zeitweise zum Spielzeug mutiert. Ich mochte ihn die meiste Zeit für seine fürsorgliche Art und in vielen Zügen ist er zu perfekt, um wahr zu sein. Die wenigen „Makel“, die er besitzt, sind im Endeffekt nur dazu da, um ihm ein dunkles Geheimnis anzuhängen. Ich fand das unnötig, denn das Geheimnis war zu offensichtlich, unspektakulär und hat den Plot nicht bereichert.

Apopo Plot. Die erste Hälfte gefiel mir richtig gut: Tolle Szenen, zwei Menschen, die wunderbar miteinander agierten, Gefühle hervorriefen, mich zum schmunzeln brachten und nebenbei versuchten ihre Probleme entweder zu regeln oder eben zu vergessen. Dabei passierten irre klischeebehaftete Dinge, bei denen ich mich schon früher gefragt habe, wie die Umwelt wohl auf so etwas reagieren würde oder der Teufel im Detail versteckt bleibt, um das fassen zu können. Genau solche Situationen hat Helena Hunting unglaublich charmant umgesetzt – Bilder in meinem Kopf. Ich würde euch gern Beispiele nennen, aber das würde die besten Seiten des Buches spoilern, also lasse ich es.
Danach ging es, meiner Meinung nach, mit dem Plot bergab. Gefühlte 100 Seiten gab es nur noch sexuelle Handlungen. Heiß, verführerisch und wild, w-o-w, gingen jedoch bald über auf ordinär und provokativ. Mir war es egal, wie viel Schweiß floss oder Höhepunkte kamen, ich war trotz der übersprudelnden Leidenschaft genervt. Meine Güte, der Plot sollte doch aus mehr bestehen als die moderne blaue Lagune.

Mir ist außerdem aufgefallen, dass beide Protagonisten plötzlich super talentiert sind. Lex geschäftliche Probleme lösen sich in Luft auf und Amie scheint ein kreatives Organisationsgenie und Youtube-Star in einem zu sein. Was ist da passiert? Hat Bora Bora magische Kräfte heraufbeschworen?

Erst auf den letzten Seiten hatte ich wieder das Gefühl an Boden gewonnen zu haben. Der Genuss der kurzweiligen, dramageladenen Handlungsstänge stellte sich erneut ein. Schlussendlich kann ich sagen, dass „Keep“ ein meist unterhaltsames Liebesabenteuer war. Doch Helena Hunting hätte mit mehr Entscheidungsfreudigkeit auch mehr raus holen können als nur guten Sex.

Fazit:
„Reich, sexy und humorvoll“ wiegen den einfachen Plot und die Vorhersehbarkeit kaum auf. Trotzdem lässt sich das, Dank des lockeren Schreibstils, schnell vergessen.

Veröffentlicht am 12.05.2019

Ein schauriges Zirkusbild mit liebenswerten Protagonisten

DIE WAHRE GESCHICHTE
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Allgemein:

„Die wahre Geschichte vom traurigen Clown Frederico“ ist ein 137- seitiges Kinder- und Jugendbuch aus der Schreibfeder von Anton Soja und dem Zeichenstift von Oksana Baturina. Es erschien im ...

Allgemein:

„Die wahre Geschichte vom traurigen Clown Frederico“ ist ein 137- seitiges Kinder- und Jugendbuch aus der Schreibfeder von Anton Soja und dem Zeichenstift von Oksana Baturina. Es erschien im März 2019 beim Wunderhaus Verlag und erzählt dem Leser, wie die Stadt Lüneburg Besuch vom fantastischen Zirkus der Rafinellis bekam. Doch der Zirkus ist kein Zirkus wie man ihn kennt. Seine Artisten sind besonders und ungewöhnlich, genau wie Frederico. Der 15-jährige Sohn der Rafinellis taugt nur als „Purzelclown“, über den alle lachen können. Zumindest bis Frederico bei einer Vorstellung Nadira begegnet, die das Spektakel nicht ansatzweise lustig findet. Er weiß sofort, das Mädchen mit der Augenklappe könnte alles verändern.

Mein Bild:

Dieses ganz zuckersüße Cover ließ mich dahinschmelzen. Es ist genauso mit Liebe gezeichnet wie die ganzen Illustrationen im Buch. Hier war ein Profi am Werk, der die Emotionen der Geschichte auf die Bilder übertrug. Ich bin nach wie vor begeistert. Die Farbgebung in rot, orange und schwarz zieht sich komplett durch und lässt erahnen, dass es innerhalb des Plots nicht nur heiter zu geht. Der Verlag wirbt auch mit dem Satz „Wenn Tim Burton ein Buch geschrieben hätte...“ und ich denke, das sagt schon viel aus. Trotzdem habe ich mir aufgrund des Covers ein Kinderbuch vorgestellt. Doch um so mehr ich in die Welt eintauchte, um so unsicherer wurde ich mir bezüglich der Altersempfehlung. Auf der Verlagsseite fand ich keine Empfehlung, die Angaben aus dem Netz reichten von 6, 11 oder 14 Jahren. Meine persönliche Einschätzung: Ich denke, dass man es frühestens Kindern ab 12 Jahren in die Hand drücken sollte, wenn nicht sogar 1 bis 2 Jahre älter. Warum, darauf gehe ich jetzt näher ein.

Mich führte ein beobachtender und gedankenlesender Erzähler durch das Buch. Ich fand die Perspektive sehr passend, um dem Setting und fast allen Figuren genügend Raum zu geben. Normalerweise spricht das für ein Kinder- und Vorlesebuch, allerdings sprechen mehrere Faktoren dagegen. Zum einen die erwachsene Wortwahl. Oder hat jemals jemand das Wort „phlegmatisch“ in einem Kinderbuch gelesen? Ich jedenfalls nicht. Zum anderen das Alter der Protagonisten, Frederico ist schließlich 15 Jahre alt und versucht seinen Platz in der Welt zu finden. Des Weiteren ist es nicht nur eine nette, kleine Zirkusgeschichte.

Die Figuren sind außergewöhnlich, skurill und teilweise schaurig gezeichnet. Die Charakteristika sind einzigartig bis grausam. Tim Burton hätte es tatsächlich nicht besser machen können. Die Geschichte lebt definitiv von Zwergen, bösen Elefanten, menschlichen Würmern und noch mehr irren Artisten. Doch die Lieblosigkeit von Fredericos verrückten Eltern ließen mich von Faszination in Wut umschwenken. Die Rafinellis misshandeln ihren gutmütigen und liebenswerten Sohn so, dass ich ihnen am liebsten meine Meinung gesagt hätte. Noch dazu stecken sie ihn in eine Schublade, in die er gar nicht geschoben werden will. Es ist wirklich eine schwierige Kiste, aber sehr gut umgesetzt. Es wird deutlich gezeigt, wie oberflächlich und schadenfroh Menschen in jeglicher Form sein können und dass das sehr verletzend ist. Wer die Szenen in dem Buch nicht sofort erfasst, dem hilft Nadira gern auf die Sprünge. Ich mochte ihre kämpferische selbstbewusste Art und wie einfühlsam sie unter Fredericos Oberfläche taucht. Mit ihr bekommt er einen Fels in der Brandung, obwohl mich Nadiras später gezeigten Charakterzüge überraschten. Ja, es ist eine zarte, jugendfreie Liebesgeschichte, die Licht ins düstere Zirkuszelt bringt.

Doch Anton Soja war das anscheinend zu wenig. Ab der Hälfte des Buches wurde tiefer in der Märchenkiste gekramt als bereits geschehen und alte Bekannte kamen zum Vorschein. Natürlich gruseliger als erwartet, aber mit einer äußerst interessanten Historie. Ich will nicht zu viel verraten, aber eine Figur, deren Namen man erraten muss, spielt eine tragende Rolle. Es bleibt spannend bis hin zum erstaunlichen Ende für Frederico und Nadira, dass mir trotz der generellen Übertreibung der Geschichte zu viel war.

Fazit: Für Fans von schaurig, düsteren Märchen! Eine Zirkusgeschichte, dessen zarte Liebesgeschichte Herzen erobert und dem Plot zeitweise das Dunkle nimmt. Allerdings ist eine Altersempfehlung schwer auszumachen, das Cover kann eindeutig täuschen.

Veröffentlicht am 12.05.2019

Was für ein Gemetzel

DOORS ? - Kolonie
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Allgemein:

Markus Heitz schuf mit „Doors“ ein neues Leseerlebnis. 3 Bücher, die einer Serie gleichen, eine sogenannte Staffel bilden und unabhängig voneinander gelesen werden können. Der Knaur-Verlag ...

Allgemein:

Markus Heitz schuf mit „Doors“ ein neues Leseerlebnis. 3 Bücher, die einer Serie gleichen, eine sogenannte Staffel bilden und unabhängig voneinander gelesen werden können. Der Knaur-Verlag nahm sich dem außergewöhnlichen Projekt 2018 an und das mit Erfolg.

Der Beginn ist bei allen Büchern gleich: Die junge Millionärstochter Anna-Lena ist spurlos in den Katakomben der alten Familienvilla verschwunden. Ihr Vater schickt daher ein Spezial-Team aus, bestehend aus zwei Wissenschaftlern, zwei Freeclimbern, einem Personenschützer und einem Medium, um seine Tochter zu retten. Doch statt Anna-Lena findet das Team 5 Türen und hinter jeder könnte Anna-Lena sein. Welche Tür werden sie wählen?

„Doors – Kolonie (?)“ schickt das Team in den Winter 1944/1945, aber ein anderes 1944/1945 als man kennt. Denn Stauffenbergs Attentat auf Hitler ist geglückt, der Krieg längst vorbei und Leipzig steht unter der Besetzung der Amerikaner statt der Russen.

Mein Bild:

Trotz, dass ich die Einführung durch „Blutfeld“ schon kannte, habe ich das Buch von Anfang an gelesen und das war gut so. Denn mir fiel auf, wie viele kleine Details ich bereits vergessen hatte. Es fühlte sich irgendwie an, als entdeckte ich neue Dinge. Es war erneut furchtbar spannend und erneut hatte jedes Kapitel kleine Cliffhanger, die mich dazu zwangen weiter zu lesen. Das zieht sich übrigens durch das ganze Buch, nur zur Info für diejenigen, die abends gern „nur noch dieses eine Kapitel lesen“ wollen... Außerdem konnte ich nochmal über das erste Zusammentreffen des zusammengewürfelten, klischeebehafteten Teams lachen.

Ich mag Markus Heitz Schreibstil wirklich gern. Der Autor hat den Schalk im Nacken, macht sich über Klischees und Verschwörungstheorien lustig bzw. Gedanken ohne dass es lächerlich wirkt. Sein bildlicher Stil, ebenso wie die wohl bedachte Wortwahl ließen die Geschichte in verschiedenen Farben aufleuchten. Erst in der Gegenwart, wie der Leser sie kennt, dann düster und nasskalt mit Gänsehautfeeling in den Katakomben bis das Team durch die Tür geht und sich vor meinem inneren Auge ein Sepia-Ton auf die Situation vom parallelen 1944 legt. Es liest sich wie ein Film, auch wenn es merkwürdig klingt.

In „Kolonie“ zeigt Heitz dem Leser eine Antwort auf die Frage, was wäre, wenn Stauffenbergs Attentat geglückt wäre. Ich weiß nicht, wie viel der Autor recherchiert hat, aber so unlogisch kam mir das Szenario nicht vor. Der Krieg ist zu ende, klar, die Alliierten sind da, auch klar, politische Ziele ändern sich, macht ebenso Sinn. Diese ausgeklügelte Idee vor dem Hintergrund bekannter Orte, wie meiner Heimatstadt Leipzig, machten einen realitätsnahen Eindruck. Doch das wäre ja zu langweilig ohne Rebellion, Verschwörung, Intrigen und ganz viel Blut. Zuviel Blut für meinen Geschmack.

Ich kann mir nur vorstellen, dass der Autor zeigen wollte, wie kaltblütig es trotzdem zugegangen wäre und dass zu dieser Zeit so oder so keiner von Barmherzigkeit lebte. Dennoch war es mir zu trashy und vor allem, wie die Menschen gestorben sind! Entweder total banal oder absolut überraschend und grausam. Ich dachte „Blutfeld“ wäre schon recht heftig gewesen, aber „Kolonie“ schlägt das um Meilen.

Das war nicht die einzige Überraschung. Mir war bekannt, dass in jedem Buch ein oder mehrere Teammitglieder näher betrachtet werden. Ich denke nicht, dass ich den Personenschützer Spanger je leiden kann, aber dieser Band schaffte es zumindest, dass ich mir für den nervtötenden Proll etwas Verständnis abringen konnte. Dafür hat mich das Medium arg enttäuscht, denn sie machte mir hier einen garstigeren Eindruck als in „Blutfeld“. Sicherlich lag es daran, dass sie sich in einer anderen Situation befand, aber ich erkannte sie kaum wieder und das passte für mich nicht.

Generell fand ich es schade, dass der Plot so aufgebaut ist, dass das Team als solches nicht zur Geltung kommen kann. Eine Zusammenarbeit ist dementsprechend nicht möglich. Ich hatte den Eindruck, mehr mit Einzelkämpfern bzw. vielleicht noch Paaren zu tun zu haben. Ohne jegliche Zweifel kann ich sagen, dass mir „Blutfeld“ besser gefällt als „Kolonie“. Mal sehen, wie ich das 3. Buch im Bunde, „Dämmerung“, finden werde.

Fazit:

Ein fiktiver 1944/1945 im Winter fasziniert durch historisch bekannte Orte und Hochspannung. Allerdings wirken die Protagonisten teilweise wie sture Einzelkämpfer, denen der blutige Plot nicht bekommt.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Nehmt die Panik in ihren Augen ernst!

Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen.
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Allgemein:

Die deutsche Autorin Ava Reed hat die Leser mit „Die Stille meiner Worte“ bereits in ihren Bann gezogen. Nun erschien 2019 ihr persönlichster Jugendroman „Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen“ ...

Allgemein:

Die deutsche Autorin Ava Reed hat die Leser mit „Die Stille meiner Worte“ bereits in ihren Bann gezogen. Nun erschien 2019 ihr persönlichster Jugendroman „Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen“ bei Ueberreuter und erzählt die Geschichte von Leni, die mit ihrer besten Freundin Emma ihr letztes Schuljahr beginnt und für den sportlichen Tim schwärmt, obwohl sie selbst nichts mit Sport anfangen kann – eine ganz normale Jugendliche eben. Doch von jetzt auf nachher gerät ihr Leben aus den Fugen. Schwindel, Übelkeit und Ängste überfluten sie. Leni kann es sich selbst und niemand anderem erklären. Was ist mit ihr los? Warum kann sie nicht einfach wieder die alte Leni sein? Sie läuft bis zur Diagnose einen zähen Marathon: Sie leidet unter Angststörungen und Depressionen.

Mein Bild:

Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass ich nicht schon seit der Ankündigung auf das Buch gewartet hätte, die „Die Stille meiner Worte“ war schließlich mein persönliches Buchhighlight 2018.
Trotzdem bin ich nicht gleich bei Erscheinung von „Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen“ in den Buchladen gerannt. Warum? Weil ich wusste, dass Ava mich in die Tiefen von Trauer, Angst, Leere, Dunkelheit und Einsamkeit führt. Es ist keine leichte Kost. Wie sie es trotzdem immer wieder schafft, dass der Schreibstil flüssig, verständlich und bildlich bleibt, ist mir ein Rätsel. Ich habe einfach einen riesigen Respekt davor, wie persönlich sie die Geschichten erzählt und niemals die Hoffnung als Licht am Ende des Tunnels vergisst.

So wunderschön romantisch das Cover wirkt und der Hingucker schlechthin ist, passt es eher zu einer Liebesgeschichte und das ist das Buch für mich definitiv nicht. Es ist die Geschichte vom Kampf um ein normales Leben, den Kampf gegen eine innere Dunkelheit, die einen zu verschlingen droht. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr mich die Beschreibungen in diesem Buch gepackt haben. Ich konnte Leni in die Seele schauen, ich habe sie verstanden, obwohl ihre Umwelt sie nicht verstanden hat. Das war faszinierend und dramatisch zugleich. Natürlich kann man das Krankheitsbild bzw. den Verlauf der Protagonistin nicht auf jeden überstülpen, der mit Angststörungen, Depressionen oder Panikattacken zu kämpfen hat. Genau das erläutert die Autorin bereits in ihrem Vorwort, gibt eine Triggerwarnung, appelliert um mehr Verständnis und Respekt anstatt eine Krankheit als Nichtigkeit oder Übertreibung abzutun. Ich finde, die Geschichte erreicht das auch.

Das Eintauchen in Lenis „Welt“ wird durch ihre Tagebucheinträge in „Emma Junior“ unterstrichen. Ava Reed gestaltete diese Seiten selbst und „gestaltet“ ist genau das richtige Wort, da verschiedene Letteringarten, Zeichnungen und damit Emotionen eingebettet sind. Ich mochte Leni von Anfang an. Zu Beginn noch eine fröhliche junge Frau, die morgens zu lange braucht, um in den Gang zu kommen, Gegenständen (wie ihrem neuem Tagebuch) Namen gibt und am liebsten die Zeit mit ihrer besten Freundin verbringt. Der Bruch war dann enorm! Ich erkannte sie kaum wieder. Sie wurde Stück für Stück zu einem Häufchen Elend und das ließ mich wirklich schlucken. Ich dachte einfach nur, „Warum hilft ihr denn keiner?“ und war umso erstaunter, dass sie kämpfte. Ich fieberte mit ihr mit und brauchte eigentlich keinen Typen, der im Endeffekt wieder alles rettet. Ich habe mir gewünscht, dass sie es selbst schafft.

Der Typ kam trotzdem und ich finde ihn toll! Matti. Und was Leni zu viel an Gefühlen hat, hat Matti zu wenig. Denn er fühlt keinerlei Schmerz. Ja, richtig, er könnte die Hand auf die heiße Herdplatte legen und merkt rein gar nichts. Böse, aber auch diese Krankheit existiert, wenn auch selten. Seine schwungvolle, manchmal vor Sarkasmus triefende Ich-Perspektive schafft eine riesige Abwechslung zu Lenis Sicht. Mattis wahnsinnig behütetes Leben ist zudem der pure Gegensatz zu Lenis, zumindest bis sie krank wurde. Wie konnten die Beiden sich nur näher kommen?

Tja, und genau da ist der Casus Knacksus im Plot. 200 Seiten lang passiert in der Geschichte nicht sooo viel an Handlung und das fand ich auch nicht schlimm. Lenis täglicher Kampf, die vielseitigen Nebencharaktere und Mattis Sicht der Dinge sind schon intensiv genug. Aber nein, auf den letzten 100 Seiten wird ein Roadmovie inklusive dem Quäntchen Glück daraus gemacht. Einerseits wunderschön, andererseits ging alles viel zu leicht von statten. Ich bin sicher Ava Reed wollte zeigen, wie Leni und Matti über die Grenzen ihrer Krankheit zusammen agieren. Dennoch ist mir das zu weit her geholt und ging zu lange gut.
Der Abschluss holte mich und die Protagonisten glücklicherweise wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen, so wie von der Autorin im Vorwort gewünscht.

Fazit:
Ein Jugendroman mit heftigen Emotionen und Wendungen. Die Storyline zeigt auf, wie lebenswert das Leben sein kann, solange man dafür kämpft. Allerdings weicht der Plot zum Ende hin arg vom Ursprung ab.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Eine Geschichte darüber, dass jeder anders über seinen eigenen Schatten springen muss

Das Glück an Regentagen
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Allgemein:

„Das Glück an Regentagen“ ist der erste Roman der kanadischen Autorin Marissa Stapley, der in Deutschland erschien, doch nicht der erste Roman, den sie geschrieben hat. Rowohlt veröffentlichte ...

Allgemein:

„Das Glück an Regentagen“ ist der erste Roman der kanadischen Autorin Marissa Stapley, der in Deutschland erschien, doch nicht der erste Roman, den sie geschrieben hat. Rowohlt veröffentlichte die dramatische Liebesgeschichte 2017. Innerhalb des Buches dreht es sich um Mae, die Hals über Kopf von ihrem Freund verlassen und verraten wurde. Mit Mitte 30, einem ruinierten Leben, sowie einem Hund kehrt sie zu ihren Wurzeln, der kleinen Pension ihrer Großeltern am St. Lawrence River zurück. Was sie nicht ahnt ist, dass ihre Großeltern Lilly und George selbst in einer Krise stecken. Die Schatten der Vergangenheit und die Erinnerungen an den Tod von Maes Eltern holen sie unerbittlich ein. Doch das ist nicht alles, denn plötzlich taucht Maes Jugendliebe Gabe wieder auf. Warum ist er damals einfach abgehauen? Was hat das mit ihrer Familie zu tun?

Mein Bild:

Das Buch fiel mir bereits 2017 durch das schöne blau-goldene Cover auf. Es wirkt verspielt, romantisch und naturverbunden. Ich dachte mir, dass die Geschichte bestimmt auch so ist. Schon jetzt gesagt, so war sie tatsächlich nicht. Letztes Jahr ergatterte ich dann ein Exemplar auf der Frankfurter Buchmesse und freute mich, dass im hinteren Teil des Buches sogar eine skizzenhafte Karte des Ortes, in dem das Buch spielt, hinterlegt ist.

Die Einteilung des Buches von Teil 1 bis Teil 3 gab mir ein Rätsel auf, dass ich bis jetzt nicht lösen konnte. Für mich macht das keinen Sinn. Dafür liebte ich die Kapitelüberschriften, die einen total niedlichen Hintergrund haben, denn es sind alle Dinge, die man bei „Regentagen“ anstellen kann. Diese Liste wurde von der Mutter der Protagonistin angefertigt und hängt in der Pension der Großeltern. Irgendwie fühlte ich mich dadurch als Teil der Geschichte.

Allerdings fiel mir der Einstieg über den Prolog ziemlich schwer. Ich dachte nur „Hä?“ und musste ihn zweimal lesen, weil ich in eine verzweifelte Situation hineingeschleudert wurde ohne zu wissen, was das zu bedeuten hatte. Noch dazu war es ein Schwenk zurück in die Familiengeschichte, also in die Vergangenheit, was mir aber erst später wirklich bewusst wurde und noch viel später verstand ich, was ich da eigentlich gelesen hatte. Denn das ist eines der Geheimnisse, die es zu lüften galt. Echt schwierig.

Es gibt einige undurchsichtige Schatten der Vergangenheit, die innerhalb des Plots aufgearbeitet werden, wie zum Beispiel der Tod von Maes Eltern, die Jugendliebe von Maes Großmutter Lilly, das Zerwürfnis zwischen Gabe und seinem Vater Jonah. Und natürlich kommen sehr viele Verbindungen dazu, die sich in meinem Kopf nach und nach aufbauten. Ich war teilweise so damit beschäftigt, das Konstrukt von Zeitsprüngen, Freundschaft, Liebe und Lügen vor meinem inneren Auge aufzubauen, dass plötzliche Twists in der Handlung mich völlig aus der Bahn warfen. Ich meine, dass war herausragend, aber nicht einfach, weil die Story so eine grundlegende traurige Grundstimmung besitzt.

Man könnte jetzt daraus schließen, dass es sich um ein langatmiges Familiendrama handelt. Glücklicherweise ist dem nicht so. Zum einen, weil aus vier verschiedenen personalen Perspektiven erzählt wird, die ihre eigenen Ecken, Kanten und Probleme haben. Zum anderen gefallen mir die dazugehörigen (auch positiven) Erinnerungen an die Vergangenheit über mehrere Jahrzehnte.
Zwar kaufte ich Mae die zwiegespaltenen Gefühle nicht ab, da sie zur Heuchelei neigte, aber dafür überzeugten mich ihre an Demenz erkrankte Großmutter und ihr Großvater, der seiner Wut endlich einmal freien Lauf lässt. Für Gabes Charakter fehlen mir die Worte. Er hat so viel schreckliche Dinge erfahren, dass man am Anfang des Buches eine Triggerwarnung hätte setzen sollen.

Marssa Stapley schafft es mit ihrem Schreibstil die Situation und Gefühlswelt der Protagonisten so zusammenzustellen, dass sie lebendig werden, dass sie auch gute Tage haben trotz des faden Beigeschmacks von vergangenen Zeiten, der Krankheit und Trauer.

Fazit:

Eine dramatische Geschichte mit Anspruch trotz kleiner Kritik an Protagonistin und inhaltlichen Aufbau. Für Leser, die sich in einer Mischung aus Familiendrama, realen Problemen und vergangener Liebe verlieren können. Aber Achtung! Triggerwarnung bezüglich Gewaltszenen und Alkoholmissbrauchs.