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Veröffentlicht am 25.10.2016

Eine wunderschöne, lange nachklingende, italienische Familiengeschichte

Die langen Tage von Castellamare
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Jedes Kapitel – außer dem ersten mit der passenden Überschrift „Der Geschichtensammler“ - beginnt mit einer Geschichte und zieht so Amedeos Begeisterung für Geschichten, Legenden und Märchen wie einen ...

Jedes Kapitel – außer dem ersten mit der passenden Überschrift „Der Geschichtensammler“ - beginnt mit einer Geschichte und zieht so Amedeos Begeisterung für Geschichten, Legenden und Märchen wie einen roten Faden durch das ganze Buch hindurch. Mit jeder Seite wird dem Leser die Familie Esposito vertrauter, ebenso ihre „Feinde/Gegenspieler“, die Familie des Conte D’Isantu und der Krämer Arcangelo. Die anderen eigenwilligen, gläubigen, aber auch abergläubischen Inselbewohner bekommen mit der Zeit immer mehr Kontur und auch die Beschreibung der Insel Castellamare macht sie sehr lebendig. Es scheint allerdings so, als würde auf ihr ein Fluch liegen – es ist immer wieder die Rede von den „Klagen“, die aus den Höhlen der Insel zu hören sind. Im Mittelpunkt der Geschichte steht zunächst Amedeo Esposito, der als Findelkind einen schwierigen Start ins Leben hatte und zum Glück auf einen Arzt traf, der ihn nicht nur bei sich aufnahm, sondern ihm sogar das Studium finanzierte. Durch seine körperliche Größe bleibt Amedeo eine Anstellung in einem Krankenhaus verwehrt und es verschlägt ihn schließlich als Landarzt auf Castellamare. Hier findet er ein Zuhause, seine Frau Pina und jede Menge Geschichten über die Insel, ihre Bewohner, die Heilige Agata und er schreibt sie alle in sein rotes Geschichtenbuch, in dem er auch wichtige Ereignisse festhält. Leider erliegt Amedeo vor der Ehe mit Pina dem Drängen der Contessa Carmela und es gibt ein böses Erwachen, als er in der Nacht der Niederkunft seiner Frau ausgerechnet zur Entbindung der Contessa gerufen wird. Es kommt noch schlimmer, denn sie bezichtigt ihn, der Vater ihres Sohnes zu sein. Damit beginnt für ihn ein Kampf um seine Ehe und seine Stellung als Arzt. Diese wird ihm vom Conte aberkannt und so findet sich Amedeo eines Tages als Barbesitzer im baufälligen „Haus am Rande der Nacht“ wieder.

Das „Haus am Rande der Nacht“ wird zum Lebensmittelpunkt von 3 Generationen Espositos und so manches Mal steht des Haus kurz vor dem Ruin. Das Haus, seine Besitzer und seine Gäste durchleben eine sehr ereignisreiche Zeit, die von den beiden Kriegen über Erdbeben, Erschließung für Touristen und die Währungsumstellung auf Euro reicht. Gerade die geschichtlichen Einflechtungen in das Leben auf Castellamare machen das Buch sehr spannend und realitätsnah.

Mit viel Herz und Wärme erzählt die Autorin, wie die Insulaner (hauptsächlich Fischer und Bauern) in einer eingeschworenen, mit ihrer Insel tief verwurzelten Gemeinschaft leben. Sie halten in schweren Zeiten zusammen, es gibt aber auch viel Klatsch und Tratsch, der wirklich niemanden verschont. Bei einer so kleinen Insel ist das auch kein Wunder – sie sind teilweise wie von der Außenwelt abgeschnitten und bekommen die Entwicklungen auf Sizilien oder dem Rest Europas gar nicht oder erst verspätet mit. Außerdem haben sie mit Erdbeben zu kämpfen und mit dem teils sehr kargen Boden. Trotzdem geben sie nie auf und finden auf ihre Art Lösungen. Und wen sie einmal in ihr Herz geschlossen haben, den wollen sie nicht mehr gehen lassen. Amedeos Söhne wollen in die Welt hinaus und hassen bisweilen die Insel, dagegen kann sich seine Tochter Maria-Grazia bald kein schöneres Leben mehr vorstellen. Die Charaktere aller Protagonisten sind mit ihren Emotionen, Ängsten und Hoffnungen schön beschrieben und machen es dem Leser nicht leicht, sich von ihnen am Ende des Buches zu verabschieden. Dieses Familienepos hat mich berührt und in seinen Bann gezogen, so dass ich das Buch oft gar nicht aus der Hand legen mochte.

Nur der Bezug des Covers zum Roman habe ich immer noch nicht gefunden. Aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch und ich kann eine ganz klare Leseempfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 25.10.2016

Max Heller und der Wahnsinn des Krieges

Der Angstmann
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Dresden, November 1944:
Die Stadt wird von Flüchtlingen und Kriegsverletzten überschwemmt und die Angst geht um. Keiner vertraut dem anderen und ist auf der Hut vor Denunzianten. Während die Einwohner ...

Dresden, November 1944:
Die Stadt wird von Flüchtlingen und Kriegsverletzten überschwemmt und die Angst geht um. Keiner vertraut dem anderen und ist auf der Hut vor Denunzianten. Während die Einwohner Dresdens ums Überleben kämpfen, für Lebensmittel stundenlang und oft sogar erfolglos anstehen, immer mehr Flüchtlinge die Stadt überschwemmen und die SS nach wie vor an den deutschen Sieg glaubt, wird eine brutal ermordete, junge Krankenschwester aufgefunden. Sein linientreuer Vorgesetzter Obersturmbannführer Klepp tut den Mord als Tat eines Durchreisenden ab und der Pathologe Dr. Schorrer betrachtet die Tote nur recht flüchtig. Doch Max Heller sieht es gerade in den Kriegswirren als seine Aufgabe, jedem Verbrechen mit der nötigen Sorgfalt nachzugehen. Es hält sich das Gerücht vom „Angstmann“, der angeblich diejenigen ermordet, die bei Alarm nicht rechtzeitig im Keller verschwinden.

Für mich ist die Idee dieses Kriminalromans, die Jagd nach einem brutalen Frauenmörder mitten im kriegsgebeutelten Dresden neu und ich bin begeistert, welchen verwicklungsreichen Kriminalroman der Autor mit „Der Angstmann“ geschaffen hat. Da er selbst ein Dresdner ist, hat er eine grandiose Beschreibung der Stadt abgeliefert. Die Gräuel der Bombennacht und des Krieges beschreibt er ohne große Brutalität und schafft es trotzdem, die Stimmung, die Ängste und den Überlebenskampf in jenen Tagen „erfahrbar“ zu machen.

Kriminalinspektor Max Heller ist ein starker, engagierter und hartnäckiger Charakter und bringt sich bei seinen Ermittlungen selbst in größte Gefahr. Doch seine Hartnäckigkeit kann ihm nicht einmal seine Frau nehmen. Er hat selbst im 1. Weltkrieg gekämpft, woran ihn seine Verletzung am rechten Fuß immer wieder erinnert und seine beiden Söhne sind nun selber an der Front. Max Heller hat schon viel Schreckliches gesehen, ist aber dennoch nicht abgestumpft, was ihn zusätzlich sympathisch macht. Bei seinen Ermittlungen werden ihm jedoch immer wieder Steine in den Weg geworfen und die Aufklärung des Mordes scheint nur ihn zu interessieren. Kriminalinspektor Heller steht nicht nur vor einem schwierigen Fall ohne große Spuren oder Zeugen, sondern auch vor Personalmangel und Vorgesetzten, die gegen ihn intervenieren, vor allem sein Vorgesetzter Klepp. „Ich bin Max Heller“ dieses Zitat aus dem Buch sagt so vieles über ihn aus: er ist leidenschaftlicher Kriminaler, kann mit der Politik nur wenig anfangen und will sich nicht von seinen eigenen Überzeugungen abbringen lassen. Auch wenn er sich für die Aufklärung der Morde mit den russischen Besatzern einlässt und dafür sogar „angegriffen“ wird, bleibt er sich selbst treu.

Frank Goldammer ist es gelungen, die Spannung bis zu den letzten Seiten so aufzubauen, dass nicht nur Max Heller immer wieder im Dunkeln tappt und umdenken muss, sondern auch der Leser wird auf falsche Fährten gesetzt. Ich hoffe sehr, dass ich weiterhin von Max Heller lesen werde und ihn bei der nächsten Ermittlung begleiten darf. Schließlich heißt es in einer kurzen Anmerkung, dass es der erste Fall des Kriminalinspektors Max Heller sei. Das Buch zeigt auch, wie durch Gerüchte, Ängste geschürt und von den unterschiedlichsten Menschen in einer Zeit voller Zerstörung, Entbehrungen, Überlebenskampf, Flüchtlingen und Verrat schamlos und brutal ausgenutzt werden. Am Ende des Buches habe ich mir wirklich die Frage gestellt: „Wie viel ist ein Menschenleben wert, wenn die Welt in Trümmern liegt?

Frank Goldammer gelingt es, den Wahnsinn der letzten Kriegstage darzustellen. In Zeiten, in denen ein falsches Wort den Tod bedeuten kann, macht auch noch das Gerücht über Dämonen und den „Angstmann“ die Runde und Heller muss einen kühlen Kopf bewahren, um einem grausamen Frauenmörder das Handwerk zu legen. Währenddessen strömen tausende Flüchtlinge in die Stadt, in der es bereits an allem Notwendigen mangelt und in der die SS, allen voran Klepp, die letzten Judenhäuser räumen lässt und nach wie vor an Hitler festhält. Keiner traut mehr dem anderen über den Weg. Ein außergewöhnlicher, starker, nervenaufreibender und bis zur letzten Seite spannender Krimi mitten im Wahnsinn des Kriegswinters 1944/1945.

Veröffentlicht am 25.10.2016

Das Ende der Donaumonarchie

Der Sturz des Doppeladlers
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Die Geschichte beginnt zwei Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges mit der Beerdigung des Kaisers Franz Joseph in Wien und erstreckt sich bis Ende 1921, als für viele Bewohner Österreichs nichts mehr ...

Die Geschichte beginnt zwei Jahre nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges mit der Beerdigung des Kaisers Franz Joseph in Wien und erstreckt sich bis Ende 1921, als für viele Bewohner Österreichs nichts mehr so ist wie vorher.
Birgit Mosser webt die Schicksale sehr unterschiedlicher Familien in den Zerfall der Donaumonarchie ein: Da ist zum einen das Kindermädchen Berta, die nach dem Tod ihres geliebten Verlobten Franz plötzlich schwanger zurückbleibt und für sich und ihr Kind in einer Welt voller Zurückweisung und Entbehrung kämpfen muss. Einem ganz anderen Kampf steht Julius Holzer, Anwalt und Sohn eines Hoteliers in Toblach, gegenüber: in den Dolomiten ist er als Oberleutnant für seine Soldaten verantwortlich und wird im tobenden Krieg immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Dagegen ist Ferdinand von Webern in seiner Position als Sektionschef im k. und k. Ministerium für Äußeres damit betraut, den jeweiligen Minister zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Österreich nicht völlig zerfällt. Dagegen zieht der arrogante und tyrannische Architekt August Belohlavek für Ehre und Vaterland freiwillig an die Front, ohne sich weiter um seine Familie zu kümmern.
Mit einem guten Gespür für die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gelingt es der Autorin sehr gut, die Schicksale der unterschiedlichen Familie miteinander zu verweben. Sie zeichnet ihre Charaktere detailliert und mit einem klaren Blick für die verschiedenen Beweggründe, mit denen sie ihr Leben meistern. Trotz des grausamen Krieges, der mit Hunger, Hass, Verlust und Demütigungen einhergeht, vergisst sie die Liebe nicht.
Die Familienaufstellung am Ende des Buches hat mir stets geholfen, die Familien auseinander zu halten und ihre Verbindung zueinander nicht aus dem Auge zu verlieren. Da ich mich allerdings mit der Geschichte Österreichs nicht besonders gut auskenne, wünschte ich mir, dass Birgit Mosser ihrem Buch eine Landkarte aus jener Zeit beigefügt hätte. Manchmal tat ich mir doch etwas schwer, die Begebenheiten ganz genau zu verstehen. Die Überschriften der einzelnen Handlungsstränge mit dem jeweiligen Ort und dem Datum waren sehr hilfreich. Als Sachbuchautorin zur österreichischen Geschichte hat Birgit Mosser ein fundiertes Wissen in ihren Roman einfließen lassen, ohne dass ich das Gefühl hatte, im Geschichtsunterricht meiner strengen Gymnasiallehrerin zu sitzen. Einen zusätzlichen Pluspunkt finde ich auch das Einfließen der Dialekte, die der Geschichte authentisch machen und ihre Liebe zu Österreich widerspiegeln.

Veröffentlicht am 25.10.2016

Ein Mörder mit Vorliebe für ungewöhnliche "Waffen"

DNA
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Zwei Frauen werden auf grausame Weise ermordet – beide in ihrem Zuhause. Der Mörder bedient sich außergewöhnlicher Mordwaffen und gibt dem unerfahrenen Kommissar Huldar und seinem Team große Rätsel auf, ...

Zwei Frauen werden auf grausame Weise ermordet – beide in ihrem Zuhause. Der Mörder bedient sich außergewöhnlicher Mordwaffen und gibt dem unerfahrenen Kommissar Huldar und seinem Team große Rätsel auf, da er keine Beweismittel hinterlässt. Es scheint keinerlei Verbindung zwischen den beiden Frauen zu geben und sie galten als völlig unbescholten. Ausgerechnet der unerfahrene Kommissar Huldar wird mit den Fällen betraut. Sein Vorgesetzter Egill setzt ihn nur aus einem Grund ein: er will zwei Kollegen aus der Schusslinie der Öffentlichkeit bringen und im Falle eines Scheitern Huldars damit das Ansehen der Polizei nicht noch mehr schädigen. Keine schönen Aussichten für Huldar, der gerade mit Nikotinkaugummis endlich vom Rauchen loskommen will und zudem mit seinem schlechten Gewissen gegenüber seinem Kollegen Rikhardður kämpft. Mit dessen Frau Karlotta hatte er in betrunkenem Zustand einen One-Night-Stand. Die Ermittlungen werden nicht gerade einfacher, als er auf die Psychologin Freyja trifft. Unter falschen Angaben zu seinem Namen und Beruf hatte er eine Nacht mit ihr verbracht. Mit ihrer Hilfe befragt er Margret, die Tochter der ersten Ermordeten, die beim Tod ihrer Mutter im selben Raum war. Das traumatisierte Mädchen kann nur wenige Angaben zum Mörder machen. Huldar ist bald mit der Aufklärung der Morde etwas überfordert, da der Mörder keine Spuren hinterlässt. Als Vorgesetzter von Rikhardður und der hartgesottenen Polizistin Erla hat er keinen leichten Stand, auch wenn die beiden ihn tatkräftig unterstützen. Nur sein ignoranter Vorgesetzter Egill ist mehr mit der Anschaffung von neuem Equipment für sein Kommissariat beschäftigt und spielt bei den Ermittlungen keine Rolle. Zudem hält er nichts von Psychologen.

Zwischen den Perspektivenwechsel erscheint der junge Student und Amateurfunker Karl, der ein einsames und tristes Leben führt. Seine beiden „Freunde“ Börkur und Halli wenden sich zusehends von ihm ab – hatte sie letztlich nur ihr Faible fürs Funken zusammengeführt. Doch als Karl plötzlich seltsame Zahlenfolgen empfängt, stecken die drei Freunde ihre Köpfe zusammen und versuchen, den vermeintlichen Code zu knacken.

Selten war ich so ahnungslos, was die Person des Mörders betrifft. Sämtliche Spuren, die ich verfolgte, liefen ins Leere. Selbst der Prolog half mir nicht, um auf den Mörder zu kommen. Yrsa Sigurdardóttir gelingt es durch den gekonnten Perspektivenwechsel zwischen den Opfern und den Ermittlungen sowie den Einwürfen zum Privatleben von Freyja und Huldar die Spannung immer gleichbleibend aufrecht zu erhalten und den Leser immer wieder in die Irre zu führen. Dabei ist ihre Sprache klar und ungekünstelt, ohne kalt zu wirken. Dadurch fühlte ich mich als Leser wie ein stiller Beobachter. Über den Mörder gibt die Autorin nur sehr wenig preis, was die Spannung befeuert. Freyja und Huldar waren mir weder sympathisch noch unsympathisch. Beide haben ihre eigene Geschichte, die ab und zu durchschimmert. Das ergibt nur einen kleinen Abriss der beiden und lässt Raum für die Fantasie des Lesers. Auch im Hinblick darauf, dass „DNA“ das erste Buch einer Serie um die Psychologin Freyja und den Kommissar Huldar ist, bleibt der Leser neugierig zurück. Es gefällt mir, dass auch die Schwächen der beiden Hauptfiguren angesprochen werden…. Huldar bei einer Obduktion und Freyjas Bruder Baldur. Die kleine Margrét kommt als kluges, aber auch introvertiertes Mädchen herüber. Der Thriller erzeugt einen Nervenkitzel, der ohne allzu blutige Details zu den Morden auskommt. Mich hat dieser „kühle“ isländische Thriller gefesselt und zugleich neugierig auf weitere Folgen gemacht. Das ungewöhnliche Cover, auf dem zwei zu einem X-geformten blutige Klebestreifen angebracht sind, steht in direktem Zusammenhang mit den Morden und auch der Titel passt sehr gut dazu. Für mich ein rundum gelungenes Buch!