Eine Utopie mit aktuellem Hintergrund
QualityLandIch habe noch nicht viele Utopien gelesen, aber "Brave New World" ist mir natürlich auch bekannt und ich mochte es sehr. Auf der Leipziger Buchmesse 2018 hatte ich dann "Qualityland" in der Hand. Ein Buch, ...
Ich habe noch nicht viele Utopien gelesen, aber "Brave New World" ist mir natürlich auch bekannt und ich mochte es sehr. Auf der Leipziger Buchmesse 2018 hatte ich dann "Qualityland" in der Hand. Ein Buch, welches mir bis dahin irgend wie immer mal wieder über den Weg gelaufen ist. Wieso es zwei Versionen (eine helle und eine dunkle) dazu gibt, war mir nicht bekannt, aber es machte mich nur umso neugieriger.
Marc-Uwe Kling schreibt kapitalismuskritische Bücher. 2010 erhielt seine Känguru-Trilogie den Deutschen Radiopreis und 2013 den Deutschen Hörbuchpreis.
"Qualityland" beschreibt eine Welt dominiert von Technik und Maschinen. Der Mensch muss eigentlich nichts mehr selbst tun, da alles von Maschinen übernommen wird. Eine Utoplie, die vielleicht gar nicht so utopisch ist und dennoch werden hier keine Roboter verteufelt, nein sie haben bereits eigene Gefühle entwickelt. "Qualityland" erscheint in zwei Versionen, die helle für Optimisten, die dunkle für Pessimisten. Man muss aber nicht beide Versionen kaufen, um beide Geschichten zu kennen. Auf der offiziellen Webseite zum Buch, finden sich die Unterschiede der beiden Versionen wieder, denn in "Qualityland" sind die Werbetexte an den jeweiligen Leser (Optimist oder Pessimist) angepasst. Peter Arbeitsloser steht im Zentrum der Geschichte, er sucht seinen Weg im Leben, erkennt die Missstände in Qualityland und möchte dagegen angehen, eigentlich verfolgt er zunächst nur sein eigenes kleines Ziel, doch schnell wird daraus eine große Welle, die sich durch die sozialen Medien verselbstständigt.
Mir haben die vielen Anspielungen auf bekannte Literatur oder die heutige Technik gefallen. In der Geschichte wird beispielsweise ein Hitler-Musical aufgeführt, und eine Protagonistin sagt „Er ist wieder da…“ (Seite 35) nachdem ein Roboter erneut auftaucht. Der entsprechende Roman sollte dem ein oder anderen wohl zumindest vom Hören-Sagen bekannt sein, bei mir wartet er noch im Regal darauf, gelesen zu werden.
Die Weite Welt Werbung wird dann WWW abgekürzt, ein PDF ist ein persönlicher digitaler Freund, die SS ein Sicherheitsunternehmen mit Namen Super Secure.
In "Qualityland" bringen verschiedene Protagonisten aus ganz unterschiedlichen Klassen die Handlung ins Rollen. Da gibt es wie erwähnt Peter Arbeitsloser, der wie schon sein Name verdeutlicht (sein Vater war zu Peters Geburt arbeitslos und so bekam sein Sohn diesen Nachnamen, denn Maier, Müller, Schmidt sollte man in Qualityland nicht mehr heißen) auf der Karriereleiter am unteren Ende unterwegs ist. John of Us ist ein Androide, der als Präsidentschaftskandidat versucht die Welt zu einem besseren Platz zu machen. Martyn, der reich aber dennoch unzufrieden ist, weil sein Leben nicht selbstbestimmt ist, sondern von der Außenwelt geleitet. Und dann gibt es noch die sympathischen, ausrangierten Maschinen in Peters Keller, die zu seinen besten Freunden werden und ihm helfen, sein Ziel zu erreichen.
Der Schnitt des Buches ist ungewöhnlich, das Hardcover wurde inklusive des Einbandes beschnitten und wirkt dadurch besonders kantig, als käme es tatsächlich aus der Zukunft. Spannend ist auch die Covergestaltung. Zum Einen gibt es wie gesagt eine helle und eine dunkle Version, je nachdem, ob man als Optimist oder als Pessimist durch das Buch gehen möchte. Zum Anderen ist der Titel auf drei Zeilen herunter gebrochen. Dabei bildet der Autorenname den Anschein eines „E“, was insofern interessant ist, als das in der Geschichte erzählt wird, dass Qualityland ursprünglich Equalityland genannt werden sollte. Ein einzelner Mann entschied sich aber dann für Qualityland und stellte somit die Weichen für eine neue Zeit. Solch versteckten Anspielungen gefallen mir immer gut.
Die bereits erwähnten Werbeteile in der Handlung sind der Erzählung zwischen geschaltet. Da wird es beispielsweise gerade recht spannend und auf der nächsten Seite ist ein Break, da eine Wahlwerbung eingeschoben wurde. Das ist eine nette Idee, zumal man hier ja doch ein wenig an unsere Realität erinnert wird. Zu diesen Werbeanteilen gibt es dann auch User-Kommentare, die wiederum Teile der Handlung aufnehmen, so bildet sich ein rundes Konzept der kompletten Handlung, die wirklich außergewöhnlich ins Detail geht.
Bei diesem Buch rauchte mir manchmal regelrecht der Kopf. Hier gibt es so viele Anspielungen zu entdecken und ich habe sicherlich einige weitere übersehen, weil sie mir schlichtweg nicht bekannt waren. Da macht das Lesen großen Spaß und der Leser wird vom Beginn an abgeholt. Ein wenig mehr Schwung in der Handlung hätte der Geschichte allerdings ganz gut getan. Doch auch wenn mir die Protagonisten etwas fern blieben und ich nicht direkt von ihnen in den Bann gezogen wurde, so wird der Konkurrenzdruck und die Aussichtslosigkeit mancher durch die starren Level, in welche die Menschen durch Analysen und Berechnungen gezwängt werden, allzu deutlich.