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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2021

Seeschwalben als Symbol für zerstörte Natur

Zugvögel
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Der Roman ist außergewöhnlich. Noch gibt es die Seeschwalben, die Schneeeulen, die Elstern und Krähen, Stare, Tauben, Spatzen, Finken, Pinguine, Störche, Reiher, Kormorane, Falken und Adler und die meisten ...

Der Roman ist außergewöhnlich. Noch gibt es die Seeschwalben, die Schneeeulen, die Elstern und Krähen, Stare, Tauben, Spatzen, Finken, Pinguine, Störche, Reiher, Kormorane, Falken und Adler und die meisten der anderen Vögel. Und solange es sie gibt und die Bienen, Insekten, Fische, Hasen und all die anderen Tiere und Pflanzen die den Vögeln als Nahrung dienen, aber wenn es sie nicht mehr gibt, dann ist auch die Menschheit am Ende. Höchstens zwei Jahre können wir überleben, wenn einmal die Insekten, die die Bestäubung machen, ausgestorben sind. Solange es noch über Wiese und Heide summt, leben wir auch noch.
Das Buch setzt an an dem Punkt, an dem die Zugvögel aussterben, weil sie keine Nahrung mehr finden. Symptomatisch dafür ist die Seeschwalbe. Seeschwalben sind unglaubliche Flugakrobaten, die im Jahr bis zu 40.000 km zurücklegen können. Doch was, wenn die Meere von Menschen leer gefischt wurden? Wenn die Seeschwalben keine Nahrung mehr finden?
Eine junge Frau versucht den Seeschwalben zu folgen, sie überredet einen Schiffskapitän samt Crew dem Vogelflug zu folgen.
Die Ich-Erzählerin fährt in der Gegenwart mit dem Boot zur See, erzählt aber auch in Flashbacks Szenen aus ihrer Kindheit und Jugend, aus ihrer Ehe mit dem Wissenschaftler Niall Lynch.
Wir lernen eine Frau kennen, die wie die Zugvögel ziehen muss, die genau wie sie auch immer wieder zurückkehrt.
Die eindringliche aber zugleich auch zurückhaltende Sprache kommt ohne große Gefühle aus. Dass die Liebe oder die Verzweiflung oder andere Gefühle da sind merken wir am Geschehen, an knappen Aussagen oder Gesten. Es ist als ob Menschen angesichts der sterbenden Natur nicht mehr wichtig sind. Sie haben den Untergang verursacht, nun können sie nichts mehr tun, um ihn aufzuhalten. Und doch gibt Franny nicht auf. Am Ende des Buches zieht es sie wieder nach Schottland zum großen Naturreservat. Denn so wie manche Tierarten doch noch überleben ist auch Franny eine Überlebende.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Historischer Krimi im besetzten Paris

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Ich war schon öfters in Paris, habe dadurch im Buch manche Straßen und Plätze wieder erkannt. Und war heilfroh, dass wir als Touristen da waren, als Freunde, als Genießer dieser wunderbaren Stadt.
Die ...

Ich war schon öfters in Paris, habe dadurch im Buch manche Straßen und Plätze wieder erkannt. Und war heilfroh, dass wir als Touristen da waren, als Freunde, als Genießer dieser wunderbaren Stadt.
Die Handlung des Krimis setzt ein mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris. Inspecteur Edouard Giral untersucht den Tod von vier unbekannten Männern, die in einem geschlossenen Güterwagon am Austerlitzer Rangierbahnhof vergast gefunden wurden. Die grausame Todesart der vier Männer lässt Inspecteur Giral in Flashbacks die Frontgräuel des ersten Weltkrieges wieder erleben. Aber er muss den Tod der vier Männer untersuchen und das unter erschwerten Bedingungen: deutsche Truppen haben rings um das Areal Position bezogen und beobachten das Geschehen genauestens, sozusagen mit deutscher Gründlichkeit.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben und spielt auf zwei Ebenen: Einmal 1925 als Eddie Giral sich zu seinem mageren Polizistengehalt noch ein Zubrot verdient als Rausschmeißer in diversen Bars. Da lernt er schon diverse zwielichtige Gestalten kennen, denen er dann auch 1940 in der zweiten Handlungsebene, unter deutscher Besatzung wieder begegnet. Und wie nicht anders zu erwarten, haben die „Halbseidenen“ sogleich mit den Besatzern paktiert. Noch lange bevor Marechal Petain das tun konnte.
Nun beginnt ein mehr oder weniger vorsichtiges Lavieren und Handeln seitens Girals damit er das Leben seines Sohnes, sein eigenes aber auch das von polnischen und englischen Flüchtlingen rettet. So “nebenbei“ löst er den Mord an den vier Unbekannten im Güterwagon und einen lange zurück liegenden Mord aus seiner Anfängerzeit bei der Polizei.
Das Buch ist gespickt mit herrlichen Repliken, Aussprüchen, Bemerkungen und Dialogen. Eddie Giral lässt sich nicht die Schnauze verbieten, auch wenn es ihm manche Faustschläge einbringt. Er spielt Gestapo, SS und Wehrmacht gegeneinander aus. Gleichzeitig mischt er auch gehörig seine eigene Dienststelle auf, da er da etliche Zuträger oder Spione der Deutschen vermutet. Die Ironie seiner Sprüche lässt manche Szene erträglicher wirken als sie eigentlich ist. Der Grundton des Buches ist trotzdem bedrückend. Man vermeint im Hintergrund ständig die Panzer und andere schwere Fahrzeuge der Wehrmacht zu hören. Das ganze öffentliche Leben in Paris ist erstarrt. Esprit und Savoir-Vivre von Paris scheinen ins „Rien“ zu zerfallen. Bis August 1944 scheint es noch weit. Vielleicht lässt Chris Lloyd den kaltschnäuzigen Inspecteur Edouard Giral noch in dieser Zeit weiter ermitteln.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Ein unglaubliches Ermittlerteam

All die unbewohnten Zimmer
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Friedrich Ani nimmt uns wieder einmal gefangen. Auf mehrere Arten: einmal durch eine hinreißende Sprache. Man denke nur an den schlechten Wein der scheinbar gelobt wird – er stammt von einem Nordhang in ...

Friedrich Ani nimmt uns wieder einmal gefangen. Auf mehrere Arten: einmal durch eine hinreißende Sprache. Man denke nur an den schlechten Wein der scheinbar gelobt wird – er stammt von einem Nordhang in Sibirien, Tabor Süden antwortet auf die Frage ob er betrunken sei, mit „bebiert“, ab und zu kommen solch sprachliche Leckerbissen, die die ansonsten düstere Handlung aufhellen. Eine Andere Art wie Friedrich Ani uns gefangen hält, ist die Art der Darstellung der Geschehnisse. Man muss sich richtig konzentrieren, um mitzukommen, aus wessen Sicht gerade die Handlung beschrieben wird, wann die Handlung gerade spielt, in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, welcher der vier Hauptermittler gerade am Handeln ist. Dann ist da noch die Handlung an sich. Personen tauchen auf, zuerst werden sie nur erwähnt und plötzlich sind sie Teil der Handlung. Aus einem Mord werden zwei, dann drei, zum Schluss sind es drei Morde und ein versuchter Totschlag. Die ersten beiden werden aufgeklärt dank der manchmal direkt obsessiven Arbeit von vier Profi-Ermittlern, den dritten Mord empfinden wir schon gar nicht mehr als Mord sondern als nur zu gerechte Strafe.
Interessant ist auch, wie die Handlung zuerst verzweigt, breit gefächert zu sein scheint, fast schon zusammenhanglos, nur um sich am Ende perfekt zuschließen, alle offenen Fragen zu beantworten, keine Lücken offen zu lassen. Und wir stellen fest, alles hängt irgendwie zusammen, ist miteinander verkettet und verzahnt, bildet eine unwiderlegbare Einheit.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Ein neuer Friedrich Ani mit bekannter Ermittlerin

Letzte Ehre
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Fariza ermittelt wieder. Mit untrüglichem Instinkt erkennt sie, wenn eine Aussage nicht stimmt, wenn ein Zeuge etwas verschweigt. Auch wenn sie sich noch nicht sicher ist, wo genau etwas versteckt ist. ...

Fariza ermittelt wieder. Mit untrüglichem Instinkt erkennt sie, wenn eine Aussage nicht stimmt, wenn ein Zeuge etwas verschweigt. Auch wenn sie sich noch nicht sicher ist, wo genau etwas versteckt ist. Aber sofort erkennt sie die Schwachstellen in den Aussagen der Zeugen oder Verdächtigen, lenkt ab, kehrt unvermittelt zurück zum Thema, entlockt zum Schluss die Geständnisse und die Tatverdächtigen sind am Ende erleichtert. Fariza Nasri übernimmt die Vernehmungen wegen ihrer erfolgreichen Art diese zu führen. Ohne psychische Gewalt anzuwenden oder suggestive Fragen, einfach durch Zuhören und auf das Gesagte oder auch nicht Gesagte Acht geben, löst Fariza Nasri die Fälle meisterhaft. Im vorliegenden Buch gibt es nicht einen Mord den sie auf der letzten Seite dann auflöst, so wie in einem klassischen Krimi. Es ist eher so, ein Tod wird aufgeklärt enthält aber in irgendeiner Form schon den Ansatz zum nächsten Mord, auch wenn der etliche Jahre zurück liegt. Scheinbar zusammenhanglos nach einer Kneipenschlägerei wird der zweite Mord ans Tageslicht geholt. Die Täterin erzählt Fariza alles, weil ihr endlich jemand wirklich zuhören will, wie es zu dem Mord kam, aber auch wie die Kindheit (wenn man das so nennen kann) der Frau verlaufen ist. Und wir stellen fest, alles hängt irgendwie zusammen der erste Todesfall und der lang zurückliegende Mord, ist miteinander verkettet und verzahnt, bildet eine unwiderlegbare Einheit.
Und mittendrin geschieht ein Gewaltverbrechen im persönlichen Umfeld Farizas, mit dem sie schwer zu kämpfen hat. Auf persönlicher Ebene aber auch als Polizistin.
Friedrich Anis Schreibstil ist unverkennbar. Leicht pessimistisch, nüchtern, staubtrocken und dann fallen Sprachbilder die den Leser kurz schmunzeln lassen: Fariza „spendiert dem Bier noch einen russischen Bodyguard“ (S.175) oder die Polizisten im Präsidium werden Goldfasane genannt, zu Grewe, einem Kommissar der Fariza ein Dorn im Auge ist und der sie bedroht und runtermacht, antwortet sie auf seine Hassrede „ Geh rückwärts zur Tür“… „Damit ich dich nicht von hinten sehen muss. Mir reicht Dein Gesicht“ (S.173). In solchen Momenten frage ich mich, warum fallen mir nie solche Repliken ein, wenn mir jemand blöd kommt.
Aber es gibt auch richtiggehend lyrische Passagen. So wenn sie den Tod beschreibt, oder ihr letztes Zwiegespräch mit der verstorbenen Freundin: „Dein Leinenhemd so weiß und unversehrt. Das Licht so weiß und voller Tod“ (S. 219)
Letzten Endes sind es drei Todesfälle die Kriminaloberkommissarin Fariza Nasri löst in einem Krimi. Und doch endet das Buch in einem schockierenden (oder doch nicht?) Cliffhanger der uns auf den nächsten Roman von Friedrich Ani warten lässt.

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Veröffentlicht am 08.05.2021

Da steckt Potential drin

Nasses Grab (Zwischen Mord und Ostsee, Küstenkrimi 1)
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Thomas Herzberg hat mit „Nasses Grab“ einen der tollen Krimis hingelegt, bei denen man Lust kriegt, die Gegend, in der der Krimi spielt, zu besuchen. Man denke nur an die Allgäuer Kluftinger Krimis oder ...

Thomas Herzberg hat mit „Nasses Grab“ einen der tollen Krimis hingelegt, bei denen man Lust kriegt, die Gegend, in der der Krimi spielt, zu besuchen. Man denke nur an die Allgäuer Kluftinger Krimis oder Gil Ribeiros „Lost in Fuseta“ Serie. Also min Jung, leg Dich ins Zeug und hol auf!
Eine Polizistin kehrt nach elfmonatiger Abwesenheit in den Dienst zurück und kriegt gleich als Partner ihren Exschwager vorgesetzt. Die zwei Hauptermittler, Ina und Jörn haben es nicht immer leicht. Nicht leicht miteinander, da Jörn und Inas Schwester mal verheiratet waren, nicht leicht mit ihren Ermittlungen, sie kriegen immer nur Lügen oder Halbwahrheiten aufgetischt, nicht leicht mit ihrem Vorgesetzten Karsten Bruhn und der Sekretärin Britta Krohnwald, nicht leicht mit der pubertierenden Tochter von Jörn und Heike, das Mädel ist in der „heißen Phase“ und eckt und pöbelt alle an.
Und doch gelingt es den beiden, zwei Morde aufzuklären, einen Menschenschmugglerring auffliegen zu lassen, die Frage eines Geisterschiffes wird so nebenbei auch gelöst, zwei Asylsuchenden wird auch geholfen und vor allem: Nadine, Jörns Tochter lässt sich von ihrem Vater Nachhilfestunden in Mathe geben und hört sogar manchmal zu (so O-Ton des Vaters). Ja ja, irgendwann geht jede Pubertät einmal zu Ende!
Leider auch der Krimi, aber der nächste in dieser Serie bahnt sich auch schon an. Von Sylt wird sich unser Augenmerk nun auf St. Peter-Ording richten.
Der Krimi verdient solide 4.3/4 Punkte. Der kleine Abzug: an manchen Stellen wirken die Dialoge leicht hölzern, unnatürlich. Der Krimi verwandelte sich vor meinen Augen in ein Theaterstück mit puren Dialogen, eben wie in einer Theaterszene, ohne großen Regieanweisungen. Aber ich bin überzeugt, im „Grünes Grab“ wird das bestimmt ausgemerzt.

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